Incantation Ragnarok Forgotten Tomb Survive

Incantation, Ragnarok, Forgotten Tomb, Survive

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Essen, Turock
09.11.2013
Noch mit leichter Nackensteife vom vergangenen Abend mit SATYRICON ausgestattet finden sich um halb sieben einige Gestalten vor dem Essener Turock ein, die sich auf eine ausgesprochen bunte, um nicht zu sagen krude Mischung freuen. Wie befürchtet füllt sich der Laden nicht besonders schnell, sei es, weil das Konzertwochenende am Vorabend bereits ein prominentes Highlight hatte oder weil das Lineup für diesen Samstag einfach zu wirr ist. Die im Vorfeld angekündigten IMPIETY sind leider kurzfristig durch FORGOTTEN TOMB ersetzt worden, was die Kartennachfrage mit Sicherheit nicht hat in die Höhe schnellen lassen.

Doch es gibt keinen Grund zu motzen. Durch die überschaubare Anzahl an Gästen zu dieser frühen Stunde wird es um so kommunikativer und wir nutzen die Zeit vor der ersten Band, um neue Bekanntschaften zu schließen und Shirts zu begutachten. Als auf einmal vier Japaner die Bühne betreten, ihre Instrumente ergreifen und loslegen, als würde plötzlich ein Wirbelwind durchs Turock fegen, klappen einige Kiefer nach unten. Das sind SURVIVE! „Nie gehört?“ „Nö!“ „Aber geil.“ „Allerdings!“ In etwa dieser Gespächsverlauf ist bei dem hochprofessionellen Rabatz, den die Asiaten veranstalten noch drin. Ansonsten staune ich nicht schlecht über den bunten und ungemein unterhaltsamen Stilmix, der uns hier um die Ohren geknallt wird. Vorrangig ist es sehr gradliniger und brutaler Thrash, der durch melodische Elemente und sehr griffige cleane Refrains ergänzt wird. Dazu kommen ab und an ein paar Breakdowns, was dem Ganzen eine moderne, ein wenig an Metalcore gemahnende Note verleiht. Ergänzt wird der Auftritt von leidenschaftlichem Stageacting. Schnell vorbei ist es und das ist schade, denn SURVIVE sind die Überraschung des Abends, so viel ist jetzt schon klar. Es ist nur bedauerlich, dass das Turock zu diesem Zeitpunkt noch sehr leer und die meisten Besucher sehr nüchtern und müde sind.

Es startet das Kontrastprogramm und FORGOTTEN TOMB aus Italien eröffnen ihr Set. Ich durfte Herrn Morbid und seine depressiven Mann in den vergangenen Jahren einige Male in größeren Hallen sehen und es war nie wirklich überzeugend. In der intimeren Atmosphäre eines kleinen Clubs funktioniert der rockige und melancholische Sound deutlich besser, aber wieder einmal fehlen echte Highlights. Die Überzeugungskraft, die sie mit dem letzten Album bewiesen haben, fehlt heute abend erneut und so ist der Auftritt ganz ordentlich, aber auch nicht mehr.

Als RAGNAROK die Bühne betreten, wundere ich mich nicht schlecht. Die Norweger haben ja schon den ein oder anderen Besetzungswechsel hinter sich, und der Herr am Mikro ist nicht Hans Fyrste, der eigentlich zu erwarten war. Und leider wirkt der Ersatzmann (ein gewisser Herr „Venomenon?) ein wenig hüftsteif. RAGNAROK verkörpern in diesem Rahmen alles, was mich in der Vergangenheit zu oft an Black Metal gelangweilt hat: Reine Reproduktion von Klischees und Genrestandards ohne einen Funken eigener Ideen. Und genau so wird auch das Set. Nur mittelmäßig motiviertes Standardgepose mit mittelmäßigen Songs und einer sehr mittelmäßigen Stimmung unter den Anwesenden. RAGNAROK machen nichts Grundlegendes falsch, aber sie bieten auch nichts, was den Hörer lange bei der Stange hält. Und so gibt es am Ende Anstandsapplaus und die Musiker wirken beim Verlassen der Bühne, als sei ihnen klar, dass sie heute Abend nicht die erste Geige gespielt haben.

Und nun kommt endlich die Band, auf die heute alle gewartet haben. Nach einer halben Ewigkeit wird die US-Death Metal Institution INCANTATION mal wieder mit einer Tour in Europa vorstellig. Und es ist vom ersten Moment an sympathisch, wie unprätentiös und freundlich die Herren um den kleinen, inzwischen deutlich ergrauten Herrn McEntee wirken. Und dabei ist ihre Musik alles andere als nett. Die vier Amis entfesseln einen gewaltigen Sturm, der jedem Jünger des extremen Metal alter Schule die Freudentränen in die Augen treiben muss. Und auch wenn die Variationsbreite gering ist, liefern sie ein Set ab, das einfach nur klassischen Death Metal in Perfektion veranschaulicht. Der Sound ist dabei technisch ausgezeichnet abgemischt und das Publikum dankt es mit intensivem Headbangig und Jubel, wenngleich die Zahl der Anwesenden nach wie vor verhältnismäßig gering ist. Und als dann auch noch „Christening the Afterbirth“ als Zugabe zu einem die ganze Bandgeschichte berücksichtigenden Set geliefert wird, ist klar, dass sich der Weg mehr als gelohnt hat. So endet ein wirrer Abend mit reichlich Auf- und Abwärtsbewegung, an dem man deutlich erkennen konnte, dass in Sachen Livepräsenz Quantität und Qualität zwei ganz unterschiedliche Paar Schuhe sind. Und hoffentlich dauert es nicht wieder über ein halbes Jahrzehnt, bis INCANTATION vorbeischauen.
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