Death Angel Dew-Scented Extrema & Adimiron

Death Angel, Dew-Scented, Extrema & Adimiron

AdimironDeath AngelDew-ScentedExtrema
Essen, Zeche Carl
11.12.2013
Während Ottonormalmusikhörer sich in den finsteren Jahreszeiten darauf freut, an Weihnachten von Egon-Erwin, dem Onkel, der sich doch so gut mit Musik auskennt, mit dem Album einer neuen Band überrascht zu werden, die seinen SANTIANO-gestählten Geschmack genau trifft (Spoileralarm: VOXXCLUB), und von der spendierfreudigen Liebsten die herbeigesehnten Helene Fischer-Tickets bekommt (Warum nur genau für den Tag des Feuerwehrfests, an dem man 25 Herrengedecke später immer so lustig raufen kann?), sind Herbst und Winter in unseren Gefilden die beste Konzertzeit, weil nach der den Geldbeutel erschöpfenden Festivalsaison zahlreiche interessante Touren die Runde machen. Das gilt auch für diesen Abend, an dem die seit Jahren zur Topform zurückgekehrten DEATH ANGEL ihr neues Album „The Dream Calls For Blood“ vorstellen, in Begleitung der allen Besetzungswechseln trotzenden DEW-SCENTED sowie des nicht ganz so bekannten italienischen Doppels ADIMIRON und EXTREMA. Austragungsort ist die aus dem Rheinland verkehrstechnisch nicht ideal gelegene Zeche Carl, die sich dank ihrem auf Multifunktionalität ausgerichteten Ausbau positiv vom Club-Einerlei abhebt, selbst wenn mit Stauder das einzige Pils aus dem Hahn läuft, dessen alkoholfreie Version die normale geschmacklich übertrifft.

Die um 19:30 den Abend eröffnenden ADIMIRON haben nicht nur deshalb einen schweren Stand, denn es haben sich erst etwa 40 Nasen eingefunden, die von einer Ausnahme abgesehen das Treiben mit gehöriger räumlicher wie emotionaler Distanz verfolgen. Man könnte es der Band nicht verdenken, wenn sie sich ein wenig im falschen Film fühlen würde, denn drei Alben und eigene Bühnenaufsteller weisen sowohl auf dem Faktenblatt wie auch bei der Bühnengestaltung darauf hin, dass es sich nicht um Neulinge im Geschäft handelt. Dazu ist der Thrash der Römer durchaus schlagkräftig und wird engagiert vorgetragen, aber vom oft beschworenen überspringenden Funken ist weit und breit nichts zu sehen. Ein paar Höflichkeitsapplause später war es das dann auch.

So einfach wollen sich EXTREMA nicht geschlagen geben, was ganz besonders für Frontmann Gianluca gilt, der sich nach der blitzschnellen Umbaupause von der ersten Sekunde an um die Nachfolge Phil Anselmos bewirbt. Und zwar die Nachfolge eines mit der Gesamtsituation eher unzufriedenen und deshalb recht angepissten Phil Anselmo. Es ist trotz zahlreicher Ansprachen zwischen den Liedern nicht mit Sicherheit auszumachen, ob das alleine an Problemen mit dem Monitorsound liegt oder er sich von den inzwischen etwa 100 Anwesenden (wesentlich) mehr Action versprochen hat, auf jeden Fall verleiht ihm seine Laune das Quäntchen Extra-Punch, um den energischen Auftritt der Band etwas nachhaltiger zu gestalten. Selbst die auf Platte melodischen Parts krachen heute reichlich wütend und speziell Gitarrist Tommy rödelt sich richtig einen ab, was langsam aber sicher doch noch zu einem Auftauen des Publikums führt und der Band im Anschluss verdiente Kundschaft am Merchstand beschert. Wären mehr Menschen mit der recht kompetenten PANTERA-Interpretation der Mailänder besser vertraut gewesen, hätte das garantiert noch ganz anders ausgesehen.

Zuverlässigkeit ist für mich das Wort, das mir bei DEW-SCENTED immer zuerst einfällt: Ebenso zuverlässig und regelmäßig wie Alben in vergleichbarer Qualität abgeliefert werden, begrüßt Frontmann Leif neue Mitstreiter an seiner Seite. Erweitern darf man den Umfang des Begriffs nicht erst seit heute aber auch auf die Liveperformance, denn obwohl Leif erst 2012 eine komplett neue Mannschaft aufgestellt hat, hat man bei DEW-SCENTED den Eindruck, man könnte sie nachts aus dem Bett klingeln und maximal zehn Minuten später bekäme man schon die volle Packung serviert. Das kommt natürlich gut an bei der ständig zahlreicher werdenden Zuschauerschar, wobei die Niedersachsen mit ihren vier holländischen Zylindern natürlich auch auf einem ganz anderen Bekanntheitsgrad aufbauen können. Am besten gefällt die Band heute Abend, wenn die Ketten geschleift werden oder wie im grandios Kleinholz machenden „Never To Return“ richtig losgeknüppelt wird. Ein interessantes Schauspiel bietet die sehr unterschiedliche Herangehensweise der Musiker, die vom Grimassensport von Bassist Joost über den jede Menge Spaß ausstrahlenden Gitarristen Marvin bis zum fast schon gelangweilt lässig zockenden Drummer Koen reicht. Umso größer ist das Erstaunen, als Koen bei „Thrown To The Lions“ einen Stick zerfetzt – übrigens ein Lied, das dem Titel nach heute vielleicht die treffendere Widmung an die beiden Vorbands gewesen wäre als „Acts Of Rage“. Und Leif? Ist bei den Ansagen ein entspannter und umgänglicher Charmeur, während der Lieder ein tobender Stier und in Kombination damit ein guter Grund, warum DEW-SCENTED den Konzertbesuch auch dann wert sind, wenn man Probleme hat, die (Lieder auf den) Alben voneinander unterscheiden zu können.

Unterhaltung der besonderen Art gibt es in der Umbaupause, denn DEATH ANGEL Leadgitarrist Rob Cavestany bzw. sein Endorser haben offenbar noch keine Werbefotos des schnittigen neuen Modells, so dass auf der Bühne ein kleines Fotoshooting durchgeführt wird, bei dem Rob bereits die Posenshow andeutet, die er auch während dem Auftritt aufführen wird. Es gibt wohl kaum einen anderen Gitarristen, der so um seine Position gegenüber dem Publikum bedacht ist, sich deshalb ständig zur Seite dreht und eine Heldenpose nach der anderen vorführt. Würde er währenddessen nicht mit beeindruckender Präzision und in ebensolcher Geschwindigkeit weiterspielen, könnte das schnell zur Farce werden, aber so ist es nur eine weitere Facette, die nahtlos zur, laut Rob, „happiest band in thrash“ passt. Glücklicherweise ist auch von den Halsproblemen, die mir (Rhythmus-)Gitarrist Ted statt Frontmann Mark vor dem Konzert als Interviewpartner beschert haben, bei dem Sänger nichts zu spüren, obwohl er selbst das Thema auf der Bühne anspricht. Aber der Drang, alles raus zu lassen und wie ein Wilder zu toben, ist eben stärker und überträgt sich zumindest in Ansätzen auf einige wenige Zuschauer in der inzwischen recht ansehnlich gefüllten Zeche Carl. Ebenfalls seinen Part spielt dabei Bassist Damien, der sich, obwohl er musikalisch den Sound (natürlich) weniger prägt als seine Kameraden, dank pausenlosem Bewegungsdrang immer wieder ins Blickfeld stiehlt und mit seiner Statur zur rotblonden Mähne zudem den Ehrentitel verdient, der mutmaßlich einzige Wikinger mit Wespentaille zu sein.
Das frühe Abfeuern der lautstark gefeierten „Mistress Of Pain“ nach zwei eröffnenden Liedern vom aktuellen Album trägt zu einem gelungenen Abend seinen Teil ebenso bei, wie der immer wieder vorgelebte enge Kontakt zum Publikum, der sich unter anderem in Fistbumps sowie kleinen Spielereien äußert und gekrönt wird von einer längeren Ansprache von Mark über die besondere Rolle, die Essen nach zahlreichen erfolgreichen Besuchen für die Band inzwischen innehat. Eigentlich könnte ich hier den Schlussstrich ziehen unter die insgesamt 16 Lieder starke Thrashsause, die „The Dream Calls For Blood“ natürlich in den Fokus stellt, insgesamt aber mit einer guten Mischung überzeugt, wenn es nicht vor zwei Jahren um einiges besser gewesen wäre. Selbst wenn der damalige Samstag andere Voraussetzungen bot als der heutige Mittwoch, liegt das vor allem am Publikum, dass nach den etwa 100 Minuten ausgelaugter wirkt als die Band, obwohl die Zahl derer, die während dem Auftritt ernsthaft Gas gegeben haben, ziemlich überschaubar ist. Eine weniger zuvorkommende und spielfreudige Band als DEATH ANGEL hätte das (nicht zu Unrecht) mit einem Verzicht auf den Zugabenblock bestrafen können, aber der aufkeimende Beigeschmack einer institutionalisierten Zugabe wird letztendlich weggefegt von der Klasse von „Truce“ und „Thrown To The Wolves“, die dem insgesamt sehr runden Abend ein angemessen energiegeladenes Ende bescheren.
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