Deathcrusher Tour 2015

Deathcrusher Tour 2015

CarcassHerodNapalm DeathObituaryVoivod
München, Backstage
16.11.2015
Um „Necroticism - Descanting the Insalubrious“ von CARCASS nach ihrer Veröffentlichung im Jahr 1991 live zu sehen war ich definitiv noch zu jung. Ebenso verhält es sich mit „Harmony Corruption“ von NAPALM DEATH oder „Slowly We Rot“ von OBITUARY. Von daher kann man es gar nicht hoch genug schätzen, dass diese ehrwürdigen Herren des Metals noch immer existent sind, aber noch viel mehr, dass man sie alle an einem Abend im Jahre 2015 abfeiern kann. DEATHCRUSHER heißt die Tournee und damit wird auch nicht zu viel versprochen. Also heißt es ab ins Münchner Backstage, um sich nach langer Vorfreude von diesem grandiosen Line-Up zermahlen zu lassen.

HEROD aus der Schweiz machen den Anfang des Abends. Mit ihrem Progressive Sludge Metal fallen sie natürlich sofort aus dem Rahmen, aber sind als Warmup dafür umso brauchbarer. Mit zwei Achtsaiter-Gitarren am Start gibt es hier sehr brauchbare Musik zu hören, die es zwar an Brutalität etwas mangeln lässt, dafür aber mit überraschenden Wendungen zu Buche schlagen kann. Hier läuft mal endlich nicht alles nach einem 08/15 Programm, weswegen sie wahrscheinlich auch das Progressive in der Stilbezeichnung tragen. Nach etwa 20 Minuten ist die Show auch schon wieder vorbei. Schade denke ich mir, endlich mal eine Vorband, der man etwas länger zuhören könnte.

Die nächste Band im Angebot sind VOIVOD aus Kanada. Wahrscheinlich sind sie in der aktuellen Szene nicht mehr so bekannt wie in den 80er Jahren, als sie ihre ersten Scheiben veröffentlichten und seitdem mit einer Mischung aus Progressive und Thrash Metal überzeugen. Man hat es also abermals mit gestandenen Männern zu tun, die mit Sicherheit wissen was sie tun. Und so wundert es nicht, dass wenig vom Anarcho-Stil der früheren Jahre bei diesem Auftritt zu spüren ist. Aber seien wir einmal ehrlich, alles andere würde auch absolut unecht wirken. Nun hat man es also mit deutlich gereifteren VOIVODs zu tun, die nun eher auf ihr jüngeres Repertoire zurückgreifen. An dieser Stelle muss man natürlich das Split-Release „Forever Mountain / Phonetics for the Stupefied“ mit NAPALM DEATH erwähnen, welches vor kurzem veröffentlicht wurde. Ansonsten gibt es noch eher psychedelisch beeinflusste Songs, wie z.B. „Psychic Vacuum“. Mit von der Partie ist auch „Ripping Headaches“ aus ihrem Album „Rrröööaaarrr“, ebenso wie ihr Evergreen „Voivod“.

Mal Hand aufs Herz, wer von uns hat NAPALM DEATH noch nicht live gesehen? Wahrscheinlich niemand. Die Jungs sind seit Menschengedenken auf Tournee und machen weder vor großen Festivalbühnen noch vor kleinen Undergroundkneipen halt. Und so ist dies mein geschätztes fünftes Konzert von den Engländern mit dem wohl sympathischsten aller Frontmänner. Doch wie jedes mal bin ich von der ersten Minute an absolut geflasht von der Energie und dem brutalen Geknüppel, das einen sprichwörtlich aus den Socken haut. Von Tempo 0 auf 100 in weniger als einer Sekunde („Apex Predator - Easy Meat“ sei Dank) werden hier die Zuschauer zu Höchstleistungen animiert, stets begleitet von den kurzen, prägnanten und absolut richtigen Ansagen von Barney. Natürlich gibt es eine kleine Kostprobe von ihrem neuesten Album zu hören, doch auch mit den ganz großen Klassikern wird nicht gespart. „Scum“, „You Suffer“, „Nazi Punks Fuck Off“ oder „Siege of Power“ sind nur eine kleine Auswahl davon. Gefühlt dauert der Auftritt nur 15 Minuten, die Uhr sagt jedoch 40 Minuten. Derart hochgepusht kann man die nun folgenden Highlights kaum noch erwarten.

Und mit OBITUARY steht nach nur wenigen Minuten bereits ein solches auf der Bühne. „Redneck Stomp“ macht den Opener dieser Show, die einem bereits nach wenigen Minuten den Schweiß übers Gesicht treibt. Mit einer regelrechten Gitarrenwand gibt es hier puren amerikanischen Ostküsten Death Metal zu hören, der sich auf einer stetigen Zeitreise zwischen 1989 und 2014 befindet. Von einer Lichtshow kann man hier fast nicht sprechen, denn die Bühne ist nur in extrem dunklen Farbtönen gehüllt, doch das erzeugt gerade erst diese unheimliche Atmosphäre, die fast zu explodieren droht. Professionell wie eh und je geben sich John Tardy und Konsorten, und reißen einen Song nach dem anderen runter. Der Kontrast zu NAPALM DEATH könnte größer nicht sein, doch das Publikum stört sich daran nicht. Im Gegenteil, man hat fast das Gefühl, dass die Menschenmasse trotz der eher stampfenden Rhythmen noch aktiver ist, als bei den abgedrehten Engländern. Den gleichnamigen Song zu ihrem letzten Album „Inked in Blood“ gibt es leider nicht zu hören, doch dafür ist „Centuries of Lies“ oder auch „Visions in my Head“ am Start. Und wie kann es auch anders sein, im Prinzip arbeitet sich die komplette Show zum Höhepunkt ihres Auftritts hin, nämlich dem abschließenden „Slowly we Rot“. Mit einem traumatisierten Trommelfell und einem steifen Nacken hat man nun eine kurze Verschnaufpause, bevor man sich dem Headliner des heutigen Abends widmen darf.

Und der steht trotz pompöser Lichtshow schon nach wenigen Minuten auf der Bühne. CARCASS machen den Abend komplett und legen noch ein paar Jährchen musikalische Lebenserfahrung oben drauf. Dem Gefühl nach sind die meisten Fans wegen den Engländern hier. Zumindest überwiegen deutlich die CARCASS T-Shirts und Pullover. Schon gleich nach dem Intro entschuldigt sich dann Jeff Walker für seine Erkältung, nimmt es aber als guten Grund, um seine Fans zu animieren. Wenn er auf der Bühne stehen kann, dann können wir auch Party machen. In ihrer Bandgeschichte haben CARCASS von Grindcore, über Death Metal bis hin zu rockigem Melodic Death Metal schon alles gespielt, und dementsprechend ist die Auswahl am heutigen Abend ziemlich groß. Nach dem Intro folgt zuerst einmal „Unfit For Human Consumption“ aus ihrem Comeback-Album „Surgical Steel“. Und auch im weiteren Verlauf des Albums geht es hauptsächlich in diesem Stil weiter. Von der großen Auswahl werden also nur die neueren Songs runtergezockt, schade eigentlich. Dennoch, harter Metal trifft auf Rock'n'Roll und sorgt somit für viel Stimmung im immer noch proppenvollen Backstage. Die Bühnenshow von CARCASS ist weder verrückt wie bei NAPALM DEATH, noch distanziert wie bei OBITUARY. Eher Lässig und abgebrüht stehen die vier Musiker auf der Bühne und verausgaben sich für ganze 80 Minuten. Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass CARCASS nicht meine Lieblingsband am heutigen Abend ist. Vielleicht liegt es ja daran, oder auch am angeschlagenen Frontmann, aber so richtig will bei mir der Funke nicht überspringen. Klar, musikalische gibt es gerade ein Feuerwerk der ersten Güte zu bestaunen, doch trotzdem hält sich meine Euphorie in Grenzen. Mit der Meinung bin ich aber sicherlich einer der wenigen, wenn ich mir die zahlreichen Crowdsurfer vor der Bühne anschaue.

Ich frage mich, wann ich in meinem Leben nochmal die Chance haben werde eine solche Tour erleben zu dürfen. Für mich gibt es an diesem Abend drei Headliner, welche sich leider nicht die gleiche Spielzeit geteilt haben. Und auch der Support von VOIVOD und HEROD war an diesem Abend einfach nur klasse. Trotz meiner bemängelten Zuneigung gegenüber CARCASS gebe ich diesem Abend eine stattliche 10/10 und bin mir sicher, dass dies wohl der beste Konzertabend für das Jahr 2015 gewesen ist.

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