Nordagust - In The Mist Of Morning

Nordagust - In The Mist Of Morning
Folk / Progressive Rock
erschienen am 28.01.2011 bei Karisma Records
dauert 58:50 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. In The Mist Of Morning
2. Expectations
3. Mysterious Ways
4. In The Woods
5. Elegy
6. Forcing
7. Frozen
8. The Tide
9. Make Me Believe
10. Elegy Epilogue

Die Bloodchamber meint:

Zum Jahresausklang wird es gemütlich (drinnen) und normalerweise etwas kälter (draußen) - kurz: Genau das richtige Umfeld für NORDAGUST. Besagte Norweger haben Ende 2010/Anfang 2011 mit "In The Mist Of Morning" ein Album abgeliefert, das jenseits musikalischer Nischen einfach nur herzzerreißend schön ist, ein perfekter und hermetisch versiegelter Traum von Nacht und Fjord und Nebel. Und weil das so ist, soll in den folgenden, nicht immer musiktheoretisch fundierten, Zeilen von dieser Scheibe die Rede sein.

Stilistisch könnte man die knappe Stunde sicher als Prog Rock bezeichnen, denn von sanften Rhytmen und gelegentlichen Ausbrüchen, von folkloristischen Einschüben über instrumentale Abfahrten und reichlich Synth-Gewaber werden die Genrestandards quasi abendfüllend aufgefahren. Wer jetzt allerdings das aktuelle 70s-Revival samt Analogfetisch im Ohr hat, sollte letzteres schleunigst waschen, denn auch wenn es handwerklich durchaus danach riecht, so ist "In The Mist Of Morning" letzten Endes doch fundamental anders als die althergebrachten Verdächtigen.
Die Erklärung für diesen Umstand muss leider etwas vage ausfallen, denn für mich sind NORDAGUST auch nach all den Monaten eine fast ausschließlich emotional greifbare Band: Die Musik weckt aufgrund ihrer Stimmungen am Ehesten Assoziationen zu Märchen, und hier vor allem zu den düsteren Momenten der Romantiker oder eines Hans Christian Andersen, der nicht nur im Mädchen mit den Schwefelhölzern das Happy End zugunsten eines unvermeidlichen, tragischen Verlustes ad acta legte. Songs wie "Mysterious Ways", "Elegy" oder "Make Me Believe" sind in genau diesem Geiste melancholische Kleinode, die trotz ihres episodenhaften Charakters und der meist folkloristisch gefärbten hellen Passagen immer auch einen tiefen Verlust erahnen lassen, eine profunde Sehnsucht nach Geschichten spiegeln, nach mythischen Wesen im einst beseelten Unterholz, nach der ewig lockenden und doch unerreichbaren blauen Blume, nach jener zweiten und dritten Ebene hinter der Realität, die vor dem glänzenden Auge kindlicher Naivität dann doch Sinn stiftet. NORDAGUST verleihen dem Verlust dieser Zwischen-Welten einen seinem Wesen nach romantischen Ausdruck und erschaffen in ihren Songs immer wieder kleine Reservate, in denen das Ungewisse neue Heimat findet.
Es sind folglich fließende Zustände wie Nebel, Dämmerung, Eis und waldiges Zwielicht, die in Perlen wie "Frozen" gleichermaßen als Konzept und als musikalische Gestaltungsmittel auftauchen, sei es in Form von Naturgeräuschen, als sanft bewegter Synth-Schleier, als kauzige Melodielinie oder auch ganz banal als Songstruktur. Wenn sich Gesamtkünstler Daniel Solheim dann noch mit unnachahmlicher Hingabe durch seine mystisch verklärten Texte leidet, dürfte dem Doom-Fan das Leibchen jedenfalls ebenso feucht sein wie dem gebremsten Proggie und dem Freund nordischer Folkmusik.

Lange Rede, kurzer Sinn: Mit "In The Mist Of Morning" gelingt es NORDAGUST, einem zwischen Magie und Naturromantik schwebenden Sentiment musikalische Gestalt zu verleihen, in dem man sich aufgrund der visuellen Qualitäten gern öfter verlieren würde. Umso mehr, da es wirklich einem Erwachen gleichkommt, wenn die letzten Töne von "Elegy Epilogue" verklungen sind und man sich leicht beduselt, nein: verzaubert!, im Alltag wiederfindet. Und genau aufgrund dieser Momente ist "In The Mist Of Morning" für mich eine der schönsten Platten des vergangenen/diesen Jahres...

Als Vergleichspunkte bieten sich eventuell die ebenfalls skandinavischen ANEKDOTEN an, auch wenn NORDAGUST das bessere Händchen für den Song an sich haben und dafür dankenswerter Weise auf psychedelische Selbstbefriedigung verzichten. Ob euch das nicht Prog genug ist, klärt ihr am besten bei einer Stippvisite auf folgender Seite:

www.myspace.com/nordagust
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