Dass THE GATHERING nicht die einzige Band mit einer Frontfrau ist, müsste bekannt sein. Die erst nach 2000/01 gegründeten DELPHIAN sind so eine andere Band. Wesentlich schwermetallischer geht es bei ihnen zur Sache, so dass sie ein völlig anderes Feld beackern als THE GATHERING. Vergleiche mit dem früheren Sound von Anneke van Giersbergen & Co. tauchen kaum auf, denn zu sehr schwofen DELPHIAN im Powermetal-Sektor.

Das ist nicht weiter schlimm, denn die überdurchschnittlichen Songs können kompositorisch überzeugen. Der Sound ist fett abgemischt und offeriert so etwas Modernität. Genauso wie manche Riffwände, die leider bisweilen vom übersteuerten Gesangsorgan von Aniek Janssen zersungen werden („Creation“). Wenn man sich aber an ihre Stimmlage gewöhnt hat, eröffnet sich doch der Eindruck, hierbei handele es sich um eine außergewöhnliche Begabung. Die Kompositionen bewegen sich zwischen metallischer Rifflastigkeit und stimmungsvollen und balladesken Ausflügen, die Anflüge von Progressivität erkennen lassen. Das mit Flötenklang durchwobene „Focus On Acid“ ist meines Erachtens einer der fragilen Höhepunkte auf dem Album. Nicht zuletzt weil sich Aniek etwas zurückhält.

Ein abwechslungsreiches Zweitwerk ist „Unravel“ geworden sowie ein einigermaßen gewagtes zudem. Wie bei den mittleren THE GATHERING arbeitet man mit schweren Strukturen, gepaart mit progressiven Anleihen und verhaltener Mehrstimmigkeit. Doch DELPHIAN schafft es in ihren verkopften Kompositionen nicht einmal annähernd, die tiefen Stimmungsschwankungen der Alben „Mandyllion“ und „Nighttime Birds“ zu erreichen. Aber vielleicht will das die Band ja auch nicht. So bleibt ein solider Eindruck zurück, der sicher auf den ersten Höreindruck einen zweiten folgen lässt.