Schrittmacher I: Martin Buchwalter vom Gernhart Studio

Schrittmacher I: Martin Buchwalter vom Gernhart Studio

Special
08.12.2011


Ein wenig versteckt im Keller eines Hinterhofgebäudes liegt das Gernhart Studio im beschaulichen Siegburg noch, in dem Martin mich freundlich und trotz der ungewohnten Situation ziemlich entspannt empfängt. Nachdem wir eine kleine Tour durch die Räume gedreht haben, die Anekdoten kurz hereinschneiender Musiker erzählt sind und wir uns halbwegs darauf geeinigt haben, dass auf dem Tribute zum „Black Album“ Werk des Metal Hammer einige gewagte Versionen sind, wird es Zeit, zur Sache zu kommen, bevor der Nachmittag noch weiter fortschreitet.
(Das „noch“ bezieht sich darauf, dass das Studio bis März 2012 in neue Räumlichkeiten umziehen wird.)

Geschichte und Technik

Wie lange gibt es das Studio schon und kommt der Name Gernhart wirklich von „gern hart“?

War ja klar, dass die Frage kommt… Hehe. Ich hab das Studio damals nicht selber gegründet, sondern bin erst später mit eingestiegen, deshalb kann ich zur Entstehung des Namen nicht allzu viel sagen. Es ist natürlich ein Wortspiel, Gern-hart Studio. Trotzdem finde ich den Namen immer noch cool und man kann sich auf jeden Fall vorstellen, worum es geht.

Ist vermutlich auch das, was am meisten hier aufgenommen wird, oder? Also Harte Musik.

Ein großer Teil schon. Über die Jahre haben wir uns mit dem Equipment und den Räumen definitiv auf "ab" Rock, Alternative, Metal - Black/Death oder Metalcore Produktionen spezialisiert. Es kann natürlich auch mal Indie Pop sein… Solange man sich damit identifizieren, und den Sound im Studio umsetzten kann! Das Studio an sich gibt’s mittlerweile seit mehr als 15 Jahren. Das hat damals Kai Kneutgen, unter dem Namen auch, hier um die Ecke in Siegburg gegründet. Damals war es noch ein alter Hühnerstall bei seiner Mutter auf dem Grundstück, den er sich umfunktioniert hat. Da kamst du halt wirklich rein, hast einen Aufnahmeraum gehabt, der so drei auf drei Meter etwa war, und die Regie daneben hatte hinter dem Mischpult noch für zwei Stühle Platz. Ich hab den Kai damals kennengelernt, als wir mit meiner ersten Band ein Demo-“Tape" machen wollten. Wir waren so 15 und haben ein Studio gesucht, von einem Kumpel von dem Studio erfahren, den Kai kennengelernt und es war halt supercool.
Als ich selber angefangen habe, Schlagzeug und ein bisschen Gitarre zu spielen, kam ich parallel auf den Trichter, mich für die Studiotechnik zu interessieren. Ich war schon immer ein absoluter Technikfreak. Da hab ich dann den Kai eben kennengelernt, wir haben uns super verstanden und ein paar Jahre später ist er dann hier in die Räumlichkeiten in der Zeithstraße gezogen, um sich zu vergrößern. Von da an haben wir gesagt, dass wir es zusammen versuchen und mal gucken, was wir daraus machen können. Wir haben die Prämisse gehabt, für Bands – erst mal natürlich hier im Umfeld - gute Aufnahmen und gute Produktionen zu machen, auf sie aufmerksam zu machen und das hat sich dann immer weiter entwickelt. Mittlerweile haben wir schon Bands aus Italien, aus England und so gehabt, das ist schon cool. Nach ein paar Jahren hab ich das Studio dann komplett übernommen, weil der Kai Vater geworden ist und nen "anständigen" Job gebraucht hat. Für zwei Leute war das halt ein bisschen zu wenig, was das Studio abwirft. So etwa kam das zustande damals.



Gibt es irgendwelches, besonders im Gedächtnis gebliebenes Lehrgeld, was du hier am Anfang zahlen musstest, oder was Kai zahlen musste und dir erzählt hat?

Joah, es gibt viele Sachen. Als wir zusammen angefangen haben, haben wir uns wochenlang eingeschlossen, viele viele Sachen ausprobiert und gemacht, Mikrofonpositionen, PreAmps, Aufnahmetechniken, das ganze Equipment in kuriosen Kombinationen getestet, Sachen gekauft und auch wieder verkauft, wenn es nicht gepasst hat. Gerade bei der Technik bin ich immer absolut offen für neueste Arten von Aufnahmetechniken und verrückten Ideen, die man umsetzen kann, man muss dann nur wissen, welche Geräte in Frage kommen und welches Equipment aus dem Studiofundus funktionieren könnte. Lehrgeld würde ich nicht unbedingt sagen, ich würde es eher auf Erfahrungswerte reduzieren. Man sollte einfach wissen, was man hat und wie man es am besten einsetzten kann. Lehrgeld in dem Sinne, dass man mal mit etwas kräftig auf die Schnauze fällt, sicherlich, aber nicht während einer laufenden Produktion, weil da versucht man halt schon, dass unter dem Strich das Produkt einfach perfekt wird und man nicht währenddessen noch großartig experimentiert, wenn man eben nicht die Zeit und das Budget hat. Das ist dann wieder ein ganz anderes Thema.

Also eher in die Richtung, teures Equipment gekauft und das hat gar nicht zum Rest gepasst.

Zum Beispiel, genau. Dass man halt einfach Schnäppchen, damals konnte man ja auch noch bei Ebay Schnäppchen machen, dass man aus einer Studioauflösung einen Batzen Mikrofone gekauft hat und dachte, wer weiß, vielleicht ist da ein Schätzchen dabei. Dann hat man 20 Dinger durchprobiert und nachher gemerkt, ist alles totaler Schrott, funktioniert nicht. So muss man halt seine Erfahrungen machen. Klar, man kann immer viel Geld ausgeben für Equipment und sollte dann auch davon ausgehen, dass es bringt, was es verspricht, aber gerade im Studiobereich ist es wichtig, in dem Umfeld, in dem man arbeitet, sicher zu sein und genau zu wissen, was einem selbst von der Arbeitsweise zusagt, was funktioniert und zu dem Sound, den man kreieren möchte, auch passt. Man kann natürlich immer einen Kredit aufnehmen und viel investieren, man muss aber auch wissen, was man damit erreichen will.

Also keine, sagen wir, „Blendertechnik“, bei der die Leute kommen und denken: „Wahnsinn, was hier rumsteht, das muss ja super werden!“?

Es gibt auch immer wieder Platten, die ich höre, die aus Riesenstudios kommen, die dann einfach klingen wie, was weiß ich, im Eimer produziert, und wo man sich denkt: „Oh, da muss ja irgendwas falsch gelaufen sein.“ Das gibt’s natürlich auch, dass Leute viel Geld in ein Studio investieren und dann nicht rausholen können, was möglich wäre, oder nicht wissen, wie man mit etwas umgeht.
Bei uns war es zum Beispiel schon damals so, dass wir angefangen haben, digital und analog parallel zu arbeiten, was ich heute auch immer noch mache. Es gibt mittlerweile so viele Trittbrettfahrer, gerade weil es heute für relativ kleines Geld schon halbwegs gutes Studioequipment gibt, und viele Leute sich dann fragen: „Muss ich dann doch in ein professionelles Studio, um ne gute Produktion zu haben, oder kann ich das nicht beim Kumpel im Keller machen?“ Aber genau dann klingt alles oft eben wie aus der Dose und eindimensional ohne Tiefe.
Es gibt natürlich auch Firmen wie Toontrack, die supergeile Drumsequencer auf den Markt gebracht haben, die Bands ermöglichen, gute Vorproduktionen zu machen und Songs besser zu arrangieren, aber ich bin kein Freund davon, wenn es dabei bleibt, und man Platten hört und genau weiß, da wurde nicht gerade was investiert an Aufwand, sondern das wurde komplett digital am Rechner erstellt und man hört immer das gleiche Schlagzeug, das gleiche Gitarren Plug-in und so.
Es ist unsere oberste Zielsetzung, dass man einen individuellen und authentischen Sound erreicht und die Produktion der entsprechenden Band anpassen kann. Wir haben hier die Möglichkeit, digital und analog in schön klingenden Räumen mit super Equipment zu arbeiten. Jedes Signal wird schon zu Beginn mit hochwertigem Equipment aufgearbeitet, um entsprechend jeden Sound zu featuren, wo es halt nötig ist. Das ist schon wichtig. Ob ich jetzt ne Woche lang die Drums programmiere oder dann nicht besser gleich zwei bis drei Tage in nem geilen Raum mit jemandem, der mir auch weiterhelfen kann, die Sachen einspiele. Editieren, Replacen kann man dann ja auch immer noch. Wenn eine Band dann ein gewissen Sound für die Bassdrum haben will oder ein spezielles Sample, kann man das natürlich machen, aber man hat dann eben auch den Sound des Raums und die eigene Dynamik dabei. Wir verwenden auch abhängig von der Produktion für einzelne Sachen den Drumagog und Superior Drummer, aber es muss immer noch den Style und die Dynamik des Drummers haben und eigenständig klingen.

Authentizität, die Komprimierungsdebatte und Homerecording

Es nicht so aufblasen, dass die Band es live nicht mehr reproduzieren kann…

Man kann natürlich mittlerweile viel pfuschen, tricksen, machen und haste nicht gesehen, aber ich bin der Meinung, es sollte immer in einem Rahmen laufen, wo man weiß: „Ok, ich hab jetzt hier nen Schlagzeuger sitzen, der hat vielleicht bei 200bpm mit den 16tel Doublebass ein bisschen Schwierigkeiten, aber wenn ich das so höre, weiß ich, er kann es trotzdem spielen.“ Vielleicht nicht Hundertprozent genau, und passe das dann halt dementsprechend an. Ansonsten muss man vielleicht darüber sprechen, den Part anders zu gestalten… Aber wirklich hinzugehen und irgendwelche Drums komplett zu programmieren, das fänd ich für jede "echte" Band relativ schade.
Wir haben einen schönen großen Aufnahmeraum, der akustisch optimiert wurde, wo man auch viel mit Raumakustik arbeitet, um eine gewisse Tiefenstaffelung zu erzeugen. Das erreicht man halt auch nur mit gewissen Erfahrungen, Raummikrofonie, analoger Technik. Man kann immer noch die Bassdrum replacen, die Snare und die Toms, und dafür sorgen, dass es fett und modern klingt. Ich stehe auch total auf "generische" Metalcore Produktionen, kein Thema, aber es muss trotzdem eigenständig bleiben und die Band widerspiegeln. Ich verwende dann auch lieber selbstproduzierte Samples der jeweiligen Aufnahme. Mir ist es wichtig, dass die Band so klingt, wie sie klingen soll, und nicht unbedingt, wie mir das irgendein Computerprogramm vorgibt: „Das ist der Beat, das ist der Sound“, sondern es muss schon absolut eigenständig sein. Authentisch ist da immer ein gefragtes Wort.
(Das „authentisch“ wird von uns beiden mit Amüsement quittiert.)

Das ist doch auch ein Wort, was im Bullshitbingo immer recht weit vorn ist, oder? So ein Schlagwort, was auf jeden Fall kommt, ein PR- oder Werbewort.

Haha, ja, eigentlich schon. Das war auch nicht immer so, das ist irgendwann mal populär geworden. „Muss authentisch klingen.“ Aber es stimmt und ist in der Studiotechnik nicht weit hergeholt, von daher…

Wirst du normalerweise von den Bands angefragt oder werden die Bands auf dich hingewiesen, gerade die, die jetzt nicht aus der Region hier kommen. Oder haben die eine Platte gehört, die du aufgenommen und produziert hast?

Teils, teils. Natürlich, wenn man sich für ein Studio entscheidet, hört man vorher mal rein. Mittlerweile kann man ja einfach über MySpace, Facebook oder so mal ein paar Songs hören und hat so einen Eindruck davon. Das ist natürlich für mich ein Werbemittel, ganz klar. Und natürlich auch die Referenzen. Wir haben mittlerweile echt ein gutes Repertoire an Produktionen, die wir hier gemacht haben, die auch international erfolgreich waren oder sind, hoffentlich noch. Und es ist klar, der eine hört das und sagt: „Guck mal hier, haben wir da und da gemacht, check das doch mal an.“
Auf der anderen Seite hör ich mich auch gerne mal durchs Netz und gucke, was es so an Bands gibt und was nicht unbedingt nur aus der Region kommt, sondern was man einfach mal gehört hat und wo man gedacht hat: “Woah, geile Band!“ Dann fragst du mal an, wie es aussieht, wenn sie mal Interesse an einer Studioproduktion haben. Ich interessiere mich auch viel für neue Bands und das geht so ein bisschen Hand in Hand. In erster Linie ist es aber schon Mundpropaganda. Die Leute empfehlen einen weiter, hoffentlich, hehe. Sonst würde das Ganze auch gar nicht funktionieren. Heutzutage ist es eh schwer, weil wie erwähnt die Konkurrenz groß ist.

Wenn du sagst, dass du dich gerne auf MySpace, Facebook usw. durchs Netz hörst. Was sagst du zur Komprimierungsdebatte MP3 vs. CD oder Vinyl? Verfälscht die starke Komprimierung gerade auf diesen Seiten nicht einiges vom Sound?

Fakt ist, dass Vinyl und CD einfach viel besser klingen als komprimierte MP3s. Das liegt in der „Natur“ der Dinge. Zu Hause oder im Auto versuche ich immer, MP3s zu meiden. Der Unterschied ist immer noch sehr groß, finde ich. Am geilsten ist natürlich Vinyl, das höre ich, wenn es um den Sound geht, am liebsten.
Wenn ich im Netz stöbere ist es schon schade, aber wenn ich für mich die Songs eh nur am Laptop höre, geht das noch. Der Sound wird schon hörbar schlechter, aber der Eindruck ist meiner Meinung nach immer noch da, und man weiß, worum es geht. Eine gute Produktion sollte auch in komprimierter MP3-Qualität noch herausstechen, darauf muss man heutzutage auch beim Mix und Mastering achten.

Dass das Homerecording so aufgekommen ist, würde ich jetzt mal so in die letzten 5 Jahre verorten.

Ja, genau.

Hast du das deutlich gemerkt, bei den Buchungszahlen zum Beispiel oder musstest du mit dem Preis runtergehen?

Ja, der Preis ist in den letzten Jahren nicht unbedingt superkonstant geblieben, das stimmt schon. Man muss natürlich immer gucken, dass man die Budgets ein bisschen angleicht und annähert. Es gibt mittlerweile natürlich auch die Möglichkeit, einen Teil selber zu produzieren, und nur den Mix, Re-Amping und das Mastering bei uns machen zu lassen. So Alternativen gibt’s halt schon. Man sollte dabei die Vor- und Nachteile in Betracht ziehen und sich seiner Möglichkeiten bewusst sein.
Das Homerecording an sich hat aber auch den Vorteil, dass viele Bands eine bessere Vorbereitung haben. Mal eben das Schlagzeug programmieren und die Riffs drüber spielen, so dass die Band auch schon zu Hause im Keller gucken kann, was funktioniert, und einen Eindruck hat, was im Studio machbar ist. Man ist mit den Songs auch besser im Klaren, man kann besser arrangieren, man kann Ideen sammeln und muss nicht mehr mit dem Kassettenrekorder aufnehmen und zu den Stellen spulen und sich dann das nächste Ding da drüber denken. Das hat schon vieles erleichtert.
Auf der anderen Seite ist es natürlich immer gefährlich für kleinere oder jüngere Bands, die sich dann nochmal überlegen, im Studio was zu machen, weil man denkt, man muss dann doch wieder Geld investieren, heult rum und so. Letztendlich sind sich die Leute, glaube ich, aber schon bewusst, dass man, wenn man wirklich eine fette Produktion fahren will, das mit Leuten machen muss, die Ahnung haben, das schon seit Jahren machen und eben die Erfahrung haben.
Es hat sich also schon bemerkbar gemacht, auf jeden Fall, aber das Wichtigste ist, denke ich mal, dass man gute Ergebnisse abliefert. Das haben wir in den letzten Jahren konstant gemacht und es entwickelt sich immer weiter. Das hat vor uns nicht aufgehört und hoffen wir mal, dass es noch ein paar Jährchen klappt. Hehe

Ich hätte dir mal ein paar Sachen mitbringen sollen, die garantiert im Homerecording aufgenommen sind und die man kaum anhören kann.

Hehe, ja, das ist dann echt leider oft ein Problem. Viele denken: „Mein Gott, ich hab doch hier meinen Drumsequencer, kann über den Plugin die Gitarre aufnehmen, mach ich zu Hause selber, klingt doch ganz gut.“ Klingt ja auch nicht schlecht unbedingt, aber der Schritt fehlt, um das richtig fett zu machen, so dass man sagen kann: „Hör dir DAS an!“ Das ist halt was anderes und da kommt es eigentlich drauf an.

Geschmäcker sind verschieden

Gibt’s irgendwas, was du schon öfter erlebt hast, was für dich normal ist, was aber für Leute, die zum ersten Mal ins Studio kommen, ganz neu ist.

Hmmm, da gibt’s bestimmt einige Sachen. Ist auch so ein bisschen musikabhängig. Es gibt Produktionen, wo man schon einen roten Faden hat, an dem man sich entlang schlängelt, und weiß genau, wenn du das und das einhältst, dann erreichst du auch das gewünschte Ziel. Gerade beim Gesang ist das auch so ein Punkt, mit welcher Technik man versucht, den Gesang aufzunehmen.
Bei aggressiveren Geschichten mach ich das am liebsten mit einem Handmikrofon. Viele Leute sind dann total verwundert, weil man immer das Bild vor Augen hat, wenn einer im Studio singt, steht er statisch vor dem Mikrofon, muss dann singen und kommt hoffentlich gut auf der anderen Seite raus. Aber es gibt auch die Möglichkeit, einfach ein Mikro in die Hand zu nehmen. Das kann man nicht mit jedem machen, das kommt immer auch auf die Sänger drauf an, dass man, wenn man einen großen Raum hat, den akustisch ausnutzen und sich bewegen kann. Man kann dann halt richtig aufs Vollgas, in die Knie gehen, meinetwegen einen Handstand machen währenddessen und wie in der Livesituation viel mehr Energie in die Sachen legen.
Ich hätte zum Beispiel mit Frank von ACCU§ER den Gesang anders niemals so hingekriegt. Wenn er statisch vor dem Mikro steht, wird er niemals diese Power entwickeln, wie wir das auf der Platte hingekriegt haben. Da kannst du viel mehr auf die Fresse Vollgas geben. Das ist so ein Beispiel, wo viele Bands erst mal skeptisch sind. Aber man sollte auch immer offen sein für so etwas, wenn man ins Studio geht. Man weiß, das ist ein Studio und die haben schon ein paar Platten gemacht, dann kann man auch davon ausgehen oder sollte davon ausgehen, dass die Leute Ahnung haben, sich darauf einlassen können, auf Ideen Wert legen und dass es nicht nur neue Ideen sind, sondern auch Hand und Fuß hat.

Wie stehst du dazu, wenn die Produktion im Review erwähnt wird? Findest du das gut, findest du das schlecht. Die meisten Leute, die das beurteilen, wenn ich zum Beispiel von mir ausgehe, haben ja nicht wirklich Ahnung von Studiotechnik. Das einzige, was wir können, ist Produktionen in Relation zueinander setzen.

Absolut, das ist so auch das Maß. Man kennt eine fette Produktion, man weiß, ok, das hat jetzt Andy Sneap produziert, das ist ein Name. Wenn man sich daran hangelt, kann man das sehen oder vergleichen zumindest. Die Hörgewohnheiten von den Leuten, die eine Platte kaufen, oder vom normalen Konsumenten ausgegangen sind ja schon andere als vor zehn Jahren.
Wenn man mal zurückguckt in die 80er Jahre oder so und irgendeine geile Platte hört, das klingt ja nicht so wie heute. Heutzutage ist es ja schon schlimm, wenn man mal eine dynamische Doublebass nicht mehr komplett „Dack Dack Dack Dack“ komplett auf einen Punkt hört, dann wird ja schon gemeckert mittlerweile. Es ist ein schmaler Grat.
Natürlich muss es modern klingen, gerade im Rock Bereich, es muss authentisch sein und wenn da Leute Reviews schreiben und erwähnen die Produktion, ist es, wenn es positiv ist, für mich gut, ganz klar, aber auf der anderen Seite muss Kritik auch irgendwo gerechtfertigt sein. Genauso wenn einer über irgendeine Band schreibt: „Totale Scheiße, kann ich nix mit anfangen, Sound kacke.“ Verrissen. Da sollte man sich vielleicht überlegen, ob man das nicht einen machen lässt, der auch Ahnung davon hat oder weiß, was die Band überhaupt für Musik macht.
Mir als Produzent oder Engineer ist es halt wichtig, dass die Band authentisch klingt. Wenn die einen gewissen Sound benötigt, den vielleicht nicht jeder geil findet, bin ich schon bereit, das auch so zu machen, weil ich genau weiß, es bringt mir nix, wenn ich der Band jetzt irgendwas aufdränge, was das Endprodukt nicht widerspiegelt. Dann hab ich meinen Job nicht richtig gemacht. Und wenn ich halt nur versuche, irgendwelche Sounds aus der Dose zu nehmen und mache jede Platte mit dem gleichen Sound, dann ist es irgendwo… Dann sollte ich mir vielleicht einen Bürojob irgendwo suchen, da kann ich auch jeden Tag das gleiche machen. Deswegen ist es immer schwierig, sowas generell zu sagen.
Mich freut es immer, wenn die Produktion irgendwo bewertet wird und einer auch sagt: „Die Produktion ist cool, klingt modern, ist super.“ Und wenn es nicht so ist, ist es halt so. Es ist immer eine Geschmacksfrage. Man wird mittlerweile immer an den vermeintlich großen Sachen gemessen, was schon gut ist, es bringt einen selbst ja auch weiter, muss aber im gewissen Rahmen sein. Wenn ich ne Schweinerockband im Studio hab, darf die natürlich nicht klingen wie MESHUGGAH. Da muss einfach viel mehr Rotz in die Gitarren rein, dieser mittige Faustschlag, den du in die Magengrube kriegst, muss einfach da sein. Ein echtes Schlagzeug ist entscheidend, das muss schieben. Da hat man mit der Technik, auch wenn man „langsamere Musik“ hat, die nicht so schnell und ein Wirrwarr ist, zum Beispiel in den Bässen viel mehr Möglichkeiten, um das ein bisschen hervorzuheben. Man kann der ganzen Geschichte untenrum ein bisschen mehr Fülle geben. Bei schnellen Doublebassattacken dagegen, wo es nur noch auf die Technik ankommt, wird es dann halt schwierig, weil es relativ schnell matschig wird, und gefällt den Leuten, die das hören auch nicht mehr und dann heißt es: „Scheiß Produktion!“ Letztendlich muss die Band damit glücklich sein und es muss die Band widerspiegeln, dann hast du eigentlich alles richtig gemacht. Und wenn es dann noch gewissen Standards entspricht…

Du hörst dir dann auch die alten Platten vorher an, wenn die Band jetzt woanders schon ein paar Platten aufgenommen hat?

Immer, absolut. Ich hör mir immer an, wie die Band vorher geklungen hat, mir ist es auch immer ganz ganz wichtig, das ist das A und O, dass es von den Songs, die wir aufnehmen, vorher Demosachen gibt und man die Songs ein bis zwei Wochen vorher auf jeden Fall hat, so dass man an den Songs ein bisschen arbeiten kann. Denn es ist immer wichtig, dass vielleicht ein Außenstehender sagt: „Ja, so, und vielleicht kann man hier und da noch was machen.“ Man kommt immer auf neue Ideen.
In einem laufenden Produktionsprozess ergibt sich natürlich auch viel. Wenn man keine Liveproduktion macht, fängt man meistens mit dem Schlagzeug an, am 1. Tag wird Schlagzeugsoundcheck gemacht, alles eingestellt, vielleicht schon ein oder zwei Songs aufgenommen, am nächsten Tag geht’s weiter, dann Gitarre, Bass und Gesang usw. Dann weiß man natürlich schon, in welche Richtung alles geht. Aber wenn man die Songs vorher schon als Demos hatte und eine Woche wirken lassen konnte, hat man ganz andere Ideen.
Ich hab immer ganz viele Punkte, wo ich direkt weiß, ok, da muss man halt vorher mal drüber quatschen. Wenn du diesen Beat spielst, vielleicht funktioniert das dann irgendwie besser. Vielleicht kann man den Song im Refrain zwei bis drei Beats schneller machen und so. Wenn die Produktion erst mal läuft, wird das natürlich ein bisschen schwierig. Es gibt immer paar Richtlinien und Punkte, wo du genau weißt, dahin geht’s. Dann kann man das noch machen, hier den Gesang doppeln und so.
Man muss es ja nicht alles umsetzen, aber es ist mir wichtig, die Songs vorher zu haben. Ich bin immer ein Freund davon, Sachen auszuprobieren und zu gucken, ob dadurch nicht vielleicht doch das gewünschte Ergebnis erzielt werden kann. Und wenn nicht, dann nicht. Durch die Technik kann man immer fast alles rückgängig machen. Songs und Produktion gehen immer Hand in Hand… Wenn ich nur auf die Produktion achten würde, wäre es ja bescheuert. Dann würdest du ja gar keine guten Songs mehr erkennen.

Welchen Einfluss hat es auf deine Arbeit im Studio, dass du selbst aktiv Schlagzeug spielst? (Martin spielt seit der Gründung Mitte der 90er bei PERZONAL WAR)

Musikalisch kann ich mich dadurch viel besser auf denjenigen, der gerade aufnimmt, einstellen. Nicht speziell nur die Drums, eher die komplette Band oder der jeweilige Künstler. Mir hilft es ungemein bei meiner Arbeit, da ich dadurch nochmal einen anderen Blickwinkel auf alles bekomme und bei Arrangements oder Songstrukturen besser helfen kann. Bei Phrasierungen oder Fills weiß ich schneller, was gemeint ist, und kann helfen. Meine Produzententätigkeit umfasst im Studio ja sowieso alle Bereiche. Aber ich weiß dadurch auch, welche Situationen und Stationen eine Band in der Zeit durchläuft, und kann, wenn es erwünscht ist, auch Tipps oder Ratschläge für die meisten Situationen geben. Im Studio ist man immer irgendwie „Mädchen für alles“: Produzent, Engineer und teilweise auch Psychologe… Hehe.

Das "Laut, lauter, am lautesten" Dilemma

Ist dir in letzter Zeit eine Produktion besonders gut oder besonders schlecht aufgefallen?

Da möchte ich keine Namen nennen, hehe… Das ist mittlerweile echt schwer. Es gibt so ein paar Bands, auf die freut man sich immer, wenn die ne neue Platte rausbringen, aber aus Produktionssicht gesehen ist es seltener geworden in den letzten Jahren, dass man sagt: „Boah, das ist aber jetzt ne Mörderproduktion!“
Es gibt natürlich Leute, wo du weißt, die waren in dem und dem Studio, haben mit dem und dem Produzenten zusammengearbeitet. Da kann man einfach davon ausgehen, dass es gut ist, aber so richtige Megahighlights… In den letzten Jahren so DEVILDRIVER, boah, aber das ist auch schon sowas von am Limit. Viel besser in diesem Genre kann man, glaub ich, auch Produktionen kaum mehr fahren.
Irgendwann ist alles ausgereizt bis zum Geht nicht mehr. Es ist dann nur immer schade, wenn Bands und Labels Sachen veröffentlichen, wo du hörst, dass es irgendwie "selbst" zusammengeschraubt und auch ne Menge Geld ausgegeben wurde, aber nicht die paar Euros für ein gutes Studio. Aber wie gesagt, ich hör immer die Platten, das muss halt stimmig sein. Wenn ich nur immer auf die Produktion achte, da hab ich gar keine Lust drauf. Natürlich, man vergleicht und guckt halt drauf, wenn man weiß, eine Band will so ein bisschen in die Richtung, steckt ein paar Punkte ab. Mir ist beim Hören aber einfach wichtig, dass das Ding stimmt und ich kann das von vorne bis hinten durchhören und sagt: „Geil!“.

Du kannst also dann deinen Beruf ausblenden, wenn du was hörst und dir die Lieder gefallen?

Ich versuche es auf jeden Fall. Man achtet natürlich immer drauf. Wenn man etwas hört und ist vorher noch nicht auf eine Idee gekommen, zum Beispiel wie der denn jetzt den Gitarrensound hinbekommen hat, dann versucht man das vielleicht rauszufinden, das bringt einen ja selbst auch weiter. Nur muss man halt aufpassen, wenn man sich irgendwo ne CD holt und immer nur auf so Sachen achtet…

Verdirbt man sich den Spaß.

Ja, irgendwie schon. Deswegen ist es mir auch immer wichtig, dass ich mit ner Band in der Vorproduktion schon ein bisschen zusammenarbeiten kann, so dass man die Songs auf dem Album besser featuren kann und einfach zusieht, dass es unter dem Strich stimmig wird. Ich sag mal, in einigen Bereichen ist es schon extrem. Da gibt’s halt immer so eine Richtlinie, ein bis zwei Bands, da geht alles nach, und das muss immer nur fetter, tiefer gestimmt, weiß-ich-nicht-was werden. Was ja auch ok ist, es gibt ja auch Bands, die leben von diesem Sound. Wenn die zum Beispiel keine programmierten Drums hätten, würde es halt auch nicht so danach klingen. Mir ist es aber auch wichtig, dass die Band das live reproduzieren kann. Dann ist es gut. Wenn nicht… Das erlebt man leider auch zu oft.

Dann werden sie aber eh selten über, sagen wir, Jugendclubniveau hinauskommen…

Ja.

Da kann man sich noch so bescheuert anziehen und noch so dicke Faxen machen.

Das stimmt schon, absolut. Wie gesagt, die letzte DEVILDRIVER, was die Produktion angeht, da kommt wenig drüber aus dem Genre. Ansonsten, was der Jakob Hansen teilweise macht, mit VOLBEAT oder DESTRUCTION im Mix, absolut top, der macht wirklich supergeile Sachen. Da freu ich mich auch immer, wenn ich Sachen von denen hören kann. Man hört es halt auch immer. Ich finde, Andy Sneap macht schon einen unfassbar geilen Job, aber man hört es auch immer raus. Der eine steht darauf, der andere nicht. Dem einen ist es zu viel des Guten, für den anderen könnte es noch mehr sein in die Richtung. Ist halt immer eine Geschmackssache.

Fehlt noch Tue Madsen.

Absolut, stimmt, SICK OF IT ALL. Ich hab selten Platten gehört, die so laut sind. Das ist echt so. Hör dir mal die letzte SICK OF IT ALL an, so ne laute Platte. Die benutze ich oft als Referenz, um beim Mastering zu versuchen, in die Richtung zu kommen. Das ist schon Wahnsinn.

Ich hab gerade erst gedacht, als du lauteste Platte gesagt hast, es kommt was in Richtung „Loudness war“.

Ach, das ist schon drüber hinaus, schon lange. „Loudness war“ war ja mal ein Thema vor zwei bis drei Jahren, dann wurde mal ein bisschen reduziert, mittlerweile ist schon...

Loudness Atomkrieg.

Genau, hehe. Der 3. Weltkrieg ist ausgebrochen in dem Bereich. Klar, für einen, der ne Platte nachher hört und die ist nicht ganz so laut wie ne andere Platte, ist dieses Hörempfinden einfach dann ausschlaggebend. Das beste Beispiel ist immer, wenn man einfach einen Rock Hard Sampler nimmt und switcht die Tracks durch. Ne Band, die vielleicht ein bisschen mehr Wert auf die Ästhetik des Sounds legt und vielleicht nicht nur, dass es alles toppt von der Lautstärke her, wird dann unter dem Strich ein bisschen schlechter bewertet von einem selbst, weil man denkt, es ist ein bisschen leiser als danach SICK OF IT ALL, wo dann eh alles explodiert.
Man muss halt immer wissen, in welche Richtung es gehen soll. Wenn man so laute Platten haben will, ok, aber man muss es auch gut hinkriegen können. Wenn dann Dynamik flöten geht oder überhaupt alles totkomprimiert ist und man keine Snaredrum mehr hört im Mastering, dann wird’s kritisch. Solche Platten gibt’s leider noch zu oft.

Man kann ja auch einfach „Master of Puppets“ und eine aktuelle Platte vergleichen, das ist ein himmelweiter Unterschied, da muss man auch die Lautstärke der Anlage anpassen.

Ja, die Technik war damals ne ganz andere. Mittlerweile ist es halt lauter, härter, schneller…

FLESHGOD APOCALYPSE.

Joah, da ist es nur noch am knistern und knirschen.

Ist so das extremste, was mir gerade einfällt.

Da hört man es komischerweise ganz krass raus. Ich meine, ich achte natürlich vielleicht auch ein bisschen mehr als andere drauf, aber wenn man aktuelle Produktionen so hört, bei jeder Platte ist es überall am knistern oder schon digital am verzerren. Aber es geht fast nicht mehr anders, wenn man ein "gesundes" aktuelles Level erreichen will, mithalten kann, muss, soll, da bleibt das leider nicht mehr aus.

Ist ein bisschen wie mit der Musik: härter, schneller, extremer. Und das zieht dann in die Produktion rein.

Klar, weil es nicht mehr anders geht. Beste Beispiel ist, wie gesagt, wenn man mal so nen Sampler nimmt, vergleicht und drauf achtet, das ist schon extrem. Ich würde oft auch viel lieber von ner Band den Mix veröffentlichen als das letztendliche Master, weil, das hört sich vielleicht doof an, aber es ist immer dynamischer, man hat ein bisschen mehr Spielraum nach oben und unten. Wenn das Mastering zu tot komprimiert und macht, tut das nachher beim Hören eher weh, als dass man sich freut, die Platte zu hören. Aber man muss es machen, um der Masse gerecht zu werden. Das ist halt, tja…
Es gibt aber heute auch gute Masteringgeschichten, mit denen man ein gutes Level erreichen kann. Nicht ganz SICK OF IT ALL, es ist noch human. Die Leute kommen zum Glück wieder ein bisschen davon weg. Man merkt schon, dass das Bewusstsein der Bands sich ein bisschen dafür geöffnet hat. Wenn man A und B vergleicht, bei einem ist jetzt der krasse Limiter mit drauf, dann klingst du so laut wie SICK OF IT ALL, aber es verliert an Trademarks. Du merkst einfach: „Oh, meine dynamische Snare ist weg“, dafür ist nur noch ein Brei da. Oder man macht das halt nicht und findet so ein gesundes Zwischending. Das versuch ich eigentlich auch immer zu machen. Ich versuch schon, laut genug zu werden, aber so, dass es immer noch human bleibt.

Also nur der Presslufthammer, nicht der startende Jet.

Genau, ja, hehe. Wie früher, wenn man so in den 80ern oder teilweise noch in den 90ern irgendwelche geilen Intros hatte, die natürlich aufgeplustert waren, beim Mastering auch fett nach vorne gepusht, dann setzt die Band ein - „Mimimimi“ - und man denkt nur, was ist denn jetzt los?!?

Wunschkonzert

Wenn du dir aussuchen dürftest, wer hier hinkommen würde, um mit dir eine Platte aufzunehmen, wen würdest du dir aussuchen? Band, Musiker, Genre egal.

Das ist ne schwierige Frage, weil es viele Bands und Musiker gibt, mit denen ich auf jeden Fall gerne mal zusammenarbeiten würde. Ich würde unbedingt tierisch gerne mal ne komplette Platte mit Victor Smolski oder mit RAGE auch machen. Ich hab mit dem Victor schon an ein paar Sachen zusammen gearbeitet, der ist zum Beispiel auf musikalischer Ebene jemand, der genau weiß, was er will, von dem man verdammt viel lernen kann, aber der sich auch gerne auf andere Sachen einlässt und wo man genau weiß, man kann mit Sicherheit voneinander viel lernen und sicher zusammen ein Superergebnis erzielen. Victor oder RAGE würde ich sehr sehr gerne mal machen. Das könnte ich mir gut vorstellen.
Mit WE ARE WOLF würde ich die nächste Platte gerne wieder machen, weil das, finde ich, in dem Genre auch eine der geilsten Bands ist. Ich mag die unheimlich gerne. Ich komm mit den Jungs super klar. Das ist auch immer so ne Sache, die Chemie muss stimmen. Es bringt ja nix, wenn man irgendwo arbeitet an solchen Sachen und hat da kein gutes Feeling bei. Man macht die Musik ja aus Emotion heraus, das muss dann irgendwo passen. Mit denen würde ich unheimlich gerne also was machen. Und SUIDAKRA und DESTRUCTION dürfen bei dem Punkt auch nicht fehlen.
Unheimlich gerne würde ich mal mit ner amerikanischen Band zusammenarbeiten, in erster Linie auch um mein Englisch aufzubessern. Hehe.



Dann würdest du doch besser ne britische Band nehmen, die sprechen noch richtiges Englisch.

Ach, die versteht man ja gar nicht! Außerdem hab ich schon mit MANTRA SECT gearbeitet, Gus‘ (Chambers, der u.a. auch Frontmann von GRIP INC. war) englische Band, das sind alles Briten durch und durch, da versteht man eh nix. Hehe. Aber so ne amerikanische Band, da wäre mir fast egal welches Genre. Ich glaube, das ist mit Sicherheit auch eine andere Arbeitsweise und eine coole Erfahrung wert. Ansonsten, joah, DEVILDRIVER wäre bestimmt auch geil, da hätte ich auch Bock drauf. Wär bestimmt super. Anstrengend, aber auch geil. Ansonsten ist es schwer zu sagen.
(lachend:) Lars Ullrich, auf gar keinen Fall. Ich glaube schon, dass das ein guter Musiker ist, aber ich glaube, mit dem muss man nicht unbedingt im Studio zusammenarbeiten wollen, außer man kriegt viel Geld dafür.

Glaubst du nicht, der ist mittlerweile altersentspannt?

Weiß ich nicht, keine Ahnung, aber altersentspannt in der Musik gibt’s, glaub ich, nicht so wirklich. Wenn man einmal so seinen Weg gefunden hat, und ich glaub, dass er das hat und für sich auch alles cool ist… Ich weiß auch nicht, ob er jetzt weniger säuft als früher. Man kennt ja nur die Stories, wie es früher ablief, und wer die letzte DVD gesehen hat und so... Ich kann mir vorstellen, ich würde es nicht ablehnen, weil es mit Sicherheit auch ne Supererfahrung wäre, aber wenn das nicht entsprechend honoriert wird, würde ich es wohl nicht unbedingt machen wollen. Ansonsten, es gibt so viele geile Musiker, Bands, auch nicht unbedingt große Nummern. Viele, echt!

Du hast ja auch schon einige genannt.

Ich könnte aber noch viel mehr nennen! Mir ist immer wichtig, dass das Feeling cool ist. Es ist von Vorteil, wenn die Leute genau wissen, was sie wollen. Wenn man sich dann noch versteht, an einem Strang zieht und auch weiß, was man umsetzen kann, also die Leute auch wissen, das bewegt sich hier noch in einem Rahmen, der vernünftig ist, ist das schon mal viel wert. Wenn man Leute hat, die nicht wissen, was sie machen, aber so wie das und das klingen wollen, und nicht einsehen, dass man dafür gewisse Grundsätze erfüllen muss, wird’s schwierig.

Vorbereitung, Fähigkeiten, Abläufe

Für eine Band: Was ist aus deiner Sicht absolut notwendige Vorbereitung, was ist gute Vorbereitung, was ist hervorragende Vorbereitung?

Das kann man so, glaub ich, nicht über einen Kamm scheren.

Nehmen wir eine Band, die noch nicht oft im Studio war und vielleicht mal ne EP eingeklöppelt hat.

Eine grundlegende Sache ist, ob man ne Produktion auf Click, also Metronom, macht, dass der Schlagzeuger auf Click spielt und sich im Studio auch drauf einlassen kann, dass man ein paar Sachen ändert. Und wenn man merkt, das ist jetzt nicht unbedingt so das, wo es hingehen soll, dann muss man da noch was tun und hier noch ein paar Sachen abändern. Da muss man sich aber auch drauf einlassen können.
Richtig gut vorbereitet ist man, wenn man vorher anhand der Demos die Songs gut kennt und nicht lange überlegen muss, wie waren hier nochmal die Abläufe vom Riff, hab ich meinen Fingersatz richtig oder ist das doch anders gewesen. Einfach, dass man die Songs gut kennt vorher.
Und ja, top vorbereitet ist man, wenn man alle Faktoren im Vorfeld schon besprochen hat, die Tempi feststehen, jeder die Abläufe perfekt drauf hat und man selber als Musiker bereit ist, Ideen von außerhalb noch zuzulassen und diese auch gut umsetzen kann.
Wenn man eingefahren und stur seine Sachen runterrotzt, dann macht es keinem so richtig Spaß. Man muss immer offen sein. Wenn man dann alle Punkte beinander hat, ist man als Band gut vorbereitet. Wenn man Vorproduktion gemacht hat, einen Schlagzeuger hat, der flexibel auf Click spielen kann und das vielleicht vorher geübt hat, wenn er noch nicht so viel Studioerfahrung hat. Und für jede Band, die das erste Mal ins Studio geht, ist es schon wichtig, vorher mal ein Demo gemacht zu haben, ob das jetzt in nem kleineren Studio war oder zu Hause, um einfach mal zu sehen, wie das überhaupt klingt, wenn es mal aufgenommen ist, was man vielleicht noch verbessern kann und sich einfach mal damit auseinanderzusetzen.
Mit jeder Band, die zum ersten Mal bei mir im Studio oder generell zum ersten Mal im Studio ist, treff ich mich mindestens einmal vorher, um einfach ein paar Dinge zu erklären, was die Studiotechnik angeht und die Studioarbeit, aber auch um zu sehen, wie sieht es aus, kann der Schlagzeuger nach Click spielen, ist er flexibel, wie ist das mit den Gitarristen und so. Damit man selber auch weiß, worauf man sich einlässt. Wenn man da nachher sitzt und ärgert sich den ganzen Tag nur rum, weil zum Beispiel einer seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, ist das halt doof. Für Bands ist es auch immer wichtig, so ein bisschen sich darauf einzulassen, was der Engineer sagt, was man zusammen machen kann.

Hast du schon mal eine Band nach Hause geschickt, die im Vorgespräch vernünftig und fähig wirkte, das aber im Studio nicht bestätigen konnte?

Ja, das hab ich wirklich einmal gemacht, hehe. Das ist aber auch wirklich nur ein Mal passiert und war auch in beiderseitigem „Einverständnis“. Ich werde aber keine Namen nennen.
Der Drummer war so schlecht vorbereitet, konnte leider auch die Songs im Studio nicht „spontan“ umsetzen und dann sollte das auch noch ohne Click aufgenommen werden. Puuuh, da hab ich nach ein paar Versuchen und langen Stunden gesagt, er soll sich das Wochenende Zeit nehmen, um die Sachen vernünftig zu üben und wir würden die Woche drauf weitermachen. Zum Glück ließ der Zeitplan das ohne Probleme zu, so dass wir es noch hinbekommen haben.

Wenn ich dich frage, was die Bands für Pflichten haben, wie die sich hier aufzuführen haben, was Sachen sind, die immer mal wieder aus dem Ruder laufen, gehört es demnach wahrscheinlich mit an die erste Stelle, dass sie offen sind, für das, was du sagst.

Auch, ja, es ist ein Nehmen und Geben. Es gibt schon ein paar grundlegende Sachen, an die man sich halten muss oder sollte. Wenn einer meint, er müsste irgendwie den Larry machen und sich völlig daneben benehmen, kann ich auch schon mal sagen: „Freund, geh mal ne Runde nach draußen, reagier dich ab und komm nachher wieder.“ Aber das geht nicht nur mir so.
Grundsätzlich sollte man sich darauf einstellen, was derjenige, der hinter den Knöpfen sitzt, zum Umfeld sagt. Mir ist es wichtig, dass die Bands sich wohlfühlen, wir haben ja hier auch einen großen Aufenthaltsraum mit Kicker, Playstation und was weiß ich. Wenn man mal seine Ruhe braucht, kann man so auch drüben die Leute beschäftigen oder sie sich selber beschäftigen und man kann hier intensiv an den Sachen arbeiten. Wenn man hier mit fünf, sechs Leuten in dem Raum sitzt und drüben muss einer seine Drumchecks oder seine Gitarrenparts gerade aufnehmen… Klar, ich trink auch mal gerne ein Bierchen, aber wenn es dann halt ausartet und die Leute ab einem gewissen Level nur noch dazwischen quatschen und alles ist geil oder cool, wird’s halt anstrengend. Ich bin immer für lustige Abende zu haben, wenn man hier ein bisschen Action macht, das muss auch sein und gehört dazu, aber man muss gucken, dass es im Rahmen bleibt. Ein bisschen ein Auge drauf halten, gerade wenn so viele Leute da sind.
Grundsätzlich sollte man sich immer ein bisschen anpassen, vernünftig arbeiten können und wenn man sich dann wohlfühlt, und ich denke, hier kann man sich ganz gut wohlfühlen und vernünftig arbeiten, muss man gar nicht so viel beachten, wenn man nicht der absolute Hempel ist.

Seit KREATOR die letzte Platte so gemacht haben, gab es meinem Eindruck nach eine kleine Welle in die Richtung, die ganze Band komplett live aufzunehmen. Wie viele Bands sind überhaupt in der Lage, das zu machen? Nicht sehr viele, oder?

Hmmm, schwierig. Ich glaube, dass der Trend eher so ist bei Bands, die in Richtung Schweinerock gehen oder MASTODON oder so Geschichten. Da kann man das eher machen als mit einer absolut superkrassen Metalcoreband. Da kommt es halt wirklich drauf an, dass die Takte, jede Viertelnote absolut stimmig ist, es auf den Punkt wirklich gerade ist, damit die Stakkatorhythmen ihre Wirkung entfalten können. Bei Bands, die eh eher diesen Livesound haben, funktioniert das meistens auch besser, wen man dann wirklich die Band zusammen spielen lässt und merkt, dass da einfach viel mehr Energie rüberkommt, als wenn die das einzeln machen. Ich glaube schon, dass es genug Bands gibt, die in der Lage sind, das live zu machen, aber es ist da wieder absolut abhängig von der Musik oder dem Genre.

Also da, wo das Flair eine besonders wichtige Rolle spielt in der Musik.

Klar. Also ich meine nicht, dass es jetzt eine Metalcore oder superkrasse Thrashband gibt, die das live nicht unbedingt umsetzen können, das können mit Sicherheit 80%, aber es ist auch eine Sache von der Produktionsweise: Was will ich für nen Sound, was will ich unterm Strich einfach für ein Produkt haben. Eine Schweinerockband kann immer ein bisschen rauer, echter, natürlicher klingen als eine sterile, moderne „Metal" Produktion.

Hast du einen Maßstab, nehmen wir als Beispiel eine Metalcoreband, die eine sechs Track EP machen will, so dass du vorher ungefähr weißt, wie viel Zeit das in Anspruch nimmt?

Ja schon, klar, ich muss ja auch irgendwie meine Termine planen können. Wenn ich jetzt weiß, ne Band fragt an für so Geschichten.

Ok, das stimmt natürlich. Aber es kann ja auch sein, dass du dich vertust und schläfst dann einfach nur drei Stunden.

Absolut, das muss ich für mich selbst aber auch einkalkulieren. Wenn ich jetzt hingehe und sage, wir haben vier Tage Zeit für alles, dann müssen wir gucken, dass wir das halt schaffen. Oder nicht. Und wenn wir es nicht schaffen… Klar, es kommt schon auf die Produktion drauf an. Man kann es grob sagen und es ist immer besser, wenn man mit der Band schon mal gearbeitet hat. Dann ist es wirklich viel einfacher und man kann es wirklich schon fast 100% genau sagen. Sonst hat man eine grobe Richtlinie. Deshalb informiere ich mich ja auch vorher schon über die Band, weiß, was für Demos es gibt, und weiß, was die Stärken sind und wofür wir vielleicht länger brauchen werden. Das klappt gut, das klappt vielleicht nicht so gut oder das muss ich bei der Nachbearbeitung noch einkalkulieren. Aber mittlerweile, glaub ich, hab ich das ganz gut drauf, es einzuschätzen, wie lange man für was braucht. Und ich glaube, dass die Musiker aus jeder Band das auch realistisch einzuschätzen. Das gibt es eigentlich nie, dass jemand vier Tage länger braucht für den Gesang oder so.

Wie teilt sich denn, bei einem Vollprogramm mit Aufnahme, Mix und Mastering, deine Zeit auf, im Vergleich mit der Band gegenüber alleine arbeiten?

Bei den Aufnahmen sind eigentlich immer alle oder zumindest ein bis zwei von der Band im Studio. Das hängt aber auch von der Band und dem Stil ab. Beim Mix starte ich meistens erst mal alleine, da es zu Beginn um das Editieren und Säubern der einzelnen Spuren geht, wobei es nicht erforderlich ist, dass die Band dabei ist. Danach ergibt sich das alles. Mal eben die ersten Mixe via MP3 zu schicken geht ja heute ganz gut. Für den Endmix und Einzelheiten spricht man sich dann ab und trifft sich nochmal im Studio. Je nachdem wie weit es die Band auch hat. Meistens sind es aber schon 65-75% mit der Band. In den neuen Räumlichkeiten ab März 2012 wird es dann auch eine komplette Wohnung für die Bands geben, was die Sache nochmal erleichtern dürfte.

Mit welcher Frage hast du gerechnet, ich hab sie aber nicht gestellt?

Das ist ne gute Frage! Was hätte ich denn jetzt erwartet eigentlich?! Ich hätte fast schon eher erwartet, dass spezifisch noch was über irgendwelche Techniken kommt. Hast du dir da vielleicht mal vorher Gedanken zu gemacht?

Gut, ich hab Wikipedia Artikel zu Studio- und Aufnahmetechnik gelesen, aber danach hatte ich immer noch keinen großen Plan...

Aber das ist auch Quatsch, ich kann viel erzählen, was eigentlich nicht sinnvoll wäre. Das war jetzt für mich ja auch ein bisschen Neuland.
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