Um gegen umsonst zu gewinnen, muss man mehr bieten
Interview mit Callejón
Modern Metal aus Deutschland - Düsseldorf
Modern Metal aus Deutschland - Düsseldorf
Der große Knall steht zum Zeitpunkt des Interviews noch bevor, denn noch kann keiner ahnen, dass „Blitzkreuz“ kurze Zeit später auf Platz 9 der deutschen Albumcharts einsteigen wird. Dennoch ist natürlich ganz schön Betrieb in und vor dem Bus, den die Düsseldorfer für ihre viertägige „Willkommen in der Sackgasse“ Tour gechartert haben, denn es ist der erste Tourtag und das Interesse an CALLEJON war in Köln schon immer groß. Die Band hat sich offenbar entschieden, alles im Bandurgestein-Doppelpack (Gitarrist Bernhard „Bernie“ Horn und Sänger Bastian „BastiBasti“ Sobtzick) zu absolvieren, was mich ein wenig auf dem falschen Fuß erwischt, weshalb ein paar Themenkomplexe ausgespart bleiben. Aber heute ist nicht alle Tage, man sieht sich wieder, keine Frage.
Zum Albumrelease gibt es erst mal nur vier Tage Tour. Ist das ein bisschen die realistische Kapitulation vor dem Festivalsommer, weil die Leute auf den Festivals waren und sind und da ihr Geld ausgegeben haben?
Basti: Nein, überhaupt nicht. Als feststand, dass das Album ungefähr in diesem Zeitraum rauskommen wird, haben wir gesagt, wir wollen zum Release eine kleine Tour spielen, die ein bisschen anders wird als die letzte Tour oder als die nächste Tour. Das heißt, wir wollen mal wieder in kleinen Clubs spielen, soweit es geht ohne Barrieren. Mal wirklich wieder ne Hardcore Show in diesem Sinne machen, das hat mit Festivals eigentlich nichts zu tun.
Ok, ich hatte das nur vermutet, weil zu dieser Zeit ja wenig ausgiebige Touren unterwegs sind und meist nur ein paar Konzerte unter der Woche gespielt werden. Zum Thema „ohne Barrieren“ fällt mir euer Auftritt in Bonn vor einigen Jahren ein, bei dem ihr selbst den Pit aufgemacht habt, weil die 25 Leute nur dumm rumgestanden haben. Im Kult 41.
Basti: Hahaha, ja, das war das mit der unfassbar hohen Bühne, oder? Krass ey. Wenn ich daran denke, sehe ich nur einen leeren Raum mit ein paar Gestalten in der Ecke. Also warst du eine davon?
Ja, aber ich hab recht nah vor der Bühne in der Ecke gestanden, haha.
Wie schwierig wird es mit mittlerweile vier Alben die Setlist zusammenzustellen?
Basti: Inzwischen fühlt sich das für uns schon wie Best Of an.
Berni: Wie ein Quiz
Basti: Das ist aber total schön. Wir sind gespannt, wie die neuen Songs ankommen werden. Wir werden heute fünf spielen und spielen um die 80 Minuten, glaube ich.
Berni: Wir spielen schon ziemlich lang für ne Clubtour. Es ist halt schon so: Je mehr Alben man hat, je mehr Songs sind unverzichtbar für die Leute.
Basti: Für uns natürlich auch.
Berni: Und irgendwann müssen wir dann wahrscheinlich zwei Shows machen. Obwohl, es ging eigentlich. Wir spielen jetzt fünf Songs vom neuen Album, das ist nicht so unfassbar viel. Im Herbst gehen wir ja nochmal auf ne etwas größere Tour und dann müssen wir mal schauen. Es ist natürlich schon ziemlich schwierig.
Ihr sagt fünf Songs vom neuen Album, dann kommen wir gleich mal dazu. Warum habt ihr für die Produktion und den Mix Colin Richardson und Ted Jensen engagiert und nicht mehr Eike Freese oder Andreas Vieten wie in der Vergangenheit?
Basti: Eigentlich, weil wir wollten. Eike Freese ist ja definitiv auch ein gestandener Metalproduzent, da war es megacool auf jeden Fall. Danach hatten wir wesentlich weniger Geld und mussten ein wenig runterschrauben, hehe. Aber nein, auch das ist natürlich in unseren Augen schon ein sehr cooler Sound geworden. Und jetzt fanden wir es an der Zeit, vom Sound einen draufzulegen. Das musste sein in unseren Augen und Ohren. Wir haben ihn fast auf gut Glück angefragt, er hat sich unsere Vorproduktion angehört und war totaler Fan davon und hat gesagt, „Mach ich auf jeden Fall, find ich geil“.
Bernie: Wir sind halt einfach unfassbare Fans seiner Arbeit, weil er so viele geile Alben gemacht hat, von Bands die für uns ganz extrem essentiell sind.
Basti: Vom letzten SLIPKNOT Album über BULLET FOR MY VALENTINE, MACHINE HEAD oder wenn man noch früher zurück geht, CARCASS.
Bernie: Er hat wirklich viele sehr sehr gute Metalbands gemacht. Wir fanden, da ist die Mischung ganz gut: Einen Produzenten zu haben, der auch in dem Metalding drin ist und beim Songwriting ein bisschen mehr beteiligt ist, aber auch andere Einflüsse hat, und dann das Ding zum Mischen zu wirklich DEM Metalproduzenten zu geben.
Basti: Da muss man vielleicht auch noch dazu sagen, wo wir aufgenommen haben, Markus Schlichterberg, der macht sonst keinen Metal. Er kommt aber aus dem Metal eigentlich, früher hat er so Sachen wie CROSSCUT und sowas gemacht, noch aus uralter New Metal Zeit. SICK OF IT ALL hat er aber auch schon aufgenommen, jetzt macht er aber so Sachen wie JULI.
Bernie: Und MADSEN.
Basti: Wir haben jemanden, der mit der deutschen Sprache an sich umgehen kann, die inszenieren kann und das auch wirklich versteht. Wir sind mit ihm zusammengekommen und haben sehr lange und ausgiebig drüber geredet und er hatte sofort ne Vision. Es ist uns total wichtig, dass jemand ne Vision hat und nicht irgendwas abarbeitet, sondern mit uns dran feilt und werkelt.
Also auch mal Kontra gibt.
Basti: Genau, auf jeden Fall. Wir infizieren ihn und er umgekehrt uns. Bernie meinte danach so richtig, dass wir quasi als Mischer Colin Richardson noch draufsetzen. Dass das wirklich zustande gekommen ist, hätten wir uns selbst nicht träumen lassen können. Das ist großartig und auch absolut nichts Normales und das sehen wir selbst auch so. Ist schön.
Fragt der denn auch nach den Bedeutungen der Texte oder ist ihm das egal?
Bernie: Danach hat er nicht gefragt, es wurde auch immer kruder, wenn wir ihm Songtitel auf Deutsch geschickt haben. „Kind im Nebel“ war dann am Ende „Kaind I’m nebly“, hehe. Er hat die Sachen irgendwie in sein Walisisch-Englisch umgedingst. Ich weiß nicht, ob er sich fragt, was das bedeutet, er hat uns auf jeden Fall nicht gefragt.
Basti: Wir haben uns schon überlegt, ob wir ihm die Übersetzung schicken sollen, aber komischerweise ist er voll selbstverständlich mit der Aussprache und wie das klingt und so umgegangen. Ich weiß nicht, vielleicht ist er so musikalisch, dass er das einfach grundsätzlich umsetzen kann, egal wie sich das anhört.
Nach „Immergrün“ beim letzten Mal gibt’s jetzt „Vergissmeinnicht“. Kommen bei CALLEJON jetzt immer Blumenlieder?
Bernie: Auf jeden Fall! Wir sind ja eigentlich ne Hippieband, was keiner weiß und was auch keiner hört.
Basti: Der Bernie hat eigentlich auch nur deshalb lange Haare, weil er ein Hippie ist.
Bernie: Wir haben gedacht, diesmal machen wir Vergissmeinnicht, nächstes Mal irgendwie Maiblümchen oder so.
Es muss aber eigentlich eine Blume mit sprechendem Namen sein.
Basti: Was heißt das denn, Blumen mit sprechendem Namen?
Bernie: Na eine mit einem mehrdeutigen Namen.
Basti: Da war mein Hirn jetzt grad zu klein für. Ich habe gerade an die tanzenden elektronischen Blumen gedacht. Hehe.
Bernie: Venusfalle machen wir am besten mal.
Basti: Genau, ein Sexlied.
Bernie: Endlich mal!
Basti: Über Puffs. Püffe? Wie ist der Plural von Puff?
Bernie: Puffs, oder?
Basti: Puffi?
Bernie: Puffs hört sich richtiger an.
Habt ihr selber beim Auftreten Vorlieben, wie zum Beispiel eher die schnellen oder eher die langsamen Lieder? Nachdem ich bei dir, Bernie, auf die Lieblingsalben geguckt hab, würde ich ja auf die schnellen Lieder tippen.
Bernie: Es macht schon Bock, wenn man schnell herunterzieht. Aber wir hatten lange „Infiziert“ als ersten Song, unsere schnellste Nummer mit 240bpm. Wenn man den ganz kalt einfach so als ersten Song spielt, ist das schon richtig ätzend. Aber wenn man erst mal warm ist, macht es tierisch Bock, ein bisschen schneller zu zocken. Wir spielen jetzt auf Click, früher haben wir auch sehr dazu geneigt…
Basti: Grundsätzlich alles viel zu schnell zu spielen. Manchmal ist das auch geil.
Das führt dann dazu, dass ich im Bericht schreibe, die auf Platte ruhigeren, emotionaleren Lieder haben live ordentlich Zug gehabt.
Basti: Hehe. Das hoffen wir auch, aber es liegt ja nicht nur an uns.
Gibt es bei dir eine Vorliebe, Basti?
Basti: Für mich ist es die Mischung, die es ausmacht. Ich mag Songs, die dynamisch sind auf jeden Fall. Eigentlich wie auf ner Platte.
Bernie: Das kann man so, glaube ich, aber für uns alle sagen.
Basti: So suchen wir uns ja die Lieder auch aus. Es geht nicht darum, ständig nur auf die Mütze zu geben, sondern so wie CALLEJON grundsätzlich ist, gibt es schnelle, harte Lieder, Lieder, die zum Mitsingen sind, und es gibt grundsätzlich groovigere Lieder. Ich glaube, das macht sowohl ne Platte als auch ne Show von uns aus. Ich hab da keine grundsätzlichen Vorlieben, es gibt nur einzelne Songs, die ich lieber spiele. Es gibt halt Songs, die superschwierig zu performen sind und welche, die zwar auch schwierig zu performen sind, aber einfacher von der Hand gehen.
Gibt es mittlerweile Lieder, die ihr leid seid? Also zum Beispiel “Snake Mountain”?
Basti: Naja, eigentlich live tatsächlich nie. Im Proberaum, wenn wir das nochmal üben für ne Tour, heißt es schon mal, „Och, müssen wir den nochmal spielen?“ Aber wenn wir den dann live zocken, macht es immer wieder voll Bock. Die Magie ist ja quasi eigentlich das mit dem Gegenüber spielen und hantieren. Wenn du im Proberaum das nur für dich zockst, so zum 800. Mal, kommt ja nichts zurück. Aber wenn was zurückkommt, ist eigentlich jedes Lied großartig.
Da sind dann diese vier Tage auch ein Test für den Oktober: Wenn jetzt eins von den fünf neuen Liedern wenig oder schlechte Resonanz erzeugt, kommt im Oktober ein anderes.
Basti: Ganz ehrlich gesagt: Unter Garantie, wenn es überhaupt nicht funktionieren würde, aber das ist vielleicht auch zu früh gesagt. Es gibt ja nen Stream im Netz, aber das Album ist ja noch nicht mal draußen und wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich bestimmte Sachen erst auch festigen. Viele Songs, von denen wir gedacht haben, die werden live total abgehen, gehen grundsätzlich gar nicht so ab. Aber dafür stechen andere auf einmal total hervor, weil die Leute draußen das auf einmal wesentlich mehr schätzen.
Das fand ich bei „Videodrom“ sehr bemerkenswert, als fünf Tage nach dem Release in der Werkstatt alle schon die neuen Texte mitgesungen haben.
Basti: Das war, weil es ja schon geleakt war. Jaja, das ist eben leider kein Garant. Ich will auch keinem etwas unterstellen, viele von unseren Fans kaufen sich das Album auch tatsächlich, glaube ich. Aber grundsätzlich ist es ja fast schon Gang und Gäbe, sich das aus dem Netz zu laden, auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, dass sich langsam ein Rücktrend abzeichnet. Grade in dieser Musikrichtung gehen die Leute bewusster damit um, glaube ich.
Das ist wahrscheinlich auch einer der Gründe für die Limited Editions mit allen möglichen Gimmicks und Kram?
Basti: Auf jeden Fall! Man muss, um gegen umsonst zu gewinnen, einfach mehr bieten. Das ist auf jeden Fall so.
Bernie: Auf der anderen Seite sind wir natürlich auch Musikfans und finden es selber total geil, wenn ein Album gut aufgemacht ist. Das ist eigentlich der Hauptgrund, dass wir den Leuten was geben wollen, wo sie denken, das ist ja ein geiles Ding. Deshalb geben wir uns Mühe, immer wieder was Neues ins Spiel zu bringen. Nur Musik ist halt nur Musik und Musik mit ner optischen und ner haptischen Erfahrung gibt dem ganzen noch ne andere Ebene. Gerade Artworks, zumindest war und ist es bei mir so. Ein ganz prägnantes geiles Artwork und Bookletdesign…
Basti: Dann klingt die Musik anders.
Bernie: Dann klingt die Musik anders und meistens eigentlich geiler. Mehr oder weniger eine eigene Ebene, die wir total wichtig finden und die wir auf jeden Fall versuchen, extravagant in Szene zu setzen.
Das finde ich überhaupt einen der auffälligsten Punkte bei euch, diese Ganzheitlichkeit inklusive des aufwendigen Bühnenbilds und der Optik. Ganz am Anfang habt ihr das, glaube ich, noch nicht so gemacht. Wann kam der Gedanke, dass man auch dadurch herausstechen kann?
Basti: Der Gedanke war eigentlich immer schon da, nur haben wir halt immer alles reinvestiert. Irgendwann war es dann soweit, dann konnten wir uns aus Holz so Blitze aussägen, haben Folie dahinter gepackt und Leuchtkannen, die wir uns ausgeliehen haben. Dann haben wir angefangen, mit Licht und so weiter zu arbeiten. Uns ist das halt extrem wichtig, dass unsere Musik, was das angeht, so unterhält, wie wir selbst unterhalten wollen werden würden. Eigentlich war dieser Gedanke immer schon da
Bernie: Nur die Möglichkeit war halt nicht da. Das kostet schließlich alles Geld und erst muss man mal funktionierendes Equipment haben, wie ein Instrument, das vernünftig ist. Ab dem Zeitpunkt, als wir einen festen Lichtmann hatten, ging es los, dass wir uns Konzepte überlegt haben und wie wir die dann umsetzen. Alles ist eigentlich selfmade. Wir überlegen uns was mit dem Lichtmann zusammen oder er überlegt sich was, und dann versuchen wir das zusammenzubasteln und aus unseren Möglichkeiten das Beste zu machen. Natürlich sind wir daran stetig gewachsen und irgendwann sieht es dann so aus, wie es halt jetzt aussieht. Uns ist wichtig, dass man einer Show nicht nur das gibt, was man auch auf CD haben kann. Einen Mehrwert. Weil wir das als Besucher auch geil finden.
Also in Richtung KISS oder RAMMSTEIN oder MÖTLEY CRÜE.
Bernie: RAMMSTEIN ist natürlich ne Band, die das in Perfektion macht.
Basti: Krasser geht es ja nicht mehr.
Bernie: Die auch so groß ist, dass sie jeden Scheiß machen kann und das auch macht. Das ist natürlich traumhaft. Wir versuchen halt in unserem Rahmen, das auch so auszureizen.
Mit dem neuen Album dürfte es aber schwieriger werden, der Show so einen festen Rahmen zu geben wie bei den letzten zwei Platten. Das Symbol alleine gibt ja keinen ganzen Rahmen vor.
Basti: Hmm, das kommt immer drauf an. Eine Show an sich besteht ja nicht nur aus den Songs des neuen Albums, sondern ist ja ein bunter Strauß Blumen. Und, tut mir leid, dass ich wieder auf RAMMSTEIN komme, aber bei „Liebe ist für alle da“, geht es ja auch nicht nur darum, sondern gibt auch „Pussy“, wo er auf dem Pimmel reitet, die witzigen Seiten. Grundsätzlich ist es so, dass wir probieren, das auch immer nicht nur an einzelnen Konzepten aufzuhängen. Wir probieren auch, teilweise was für einzelne Songs zu machen. So wird es bei „Videodrom“ immer den berühmten Helm geben. Grundsätzlich gehen wir da mehr auf ein Showkonzept für die einzelnen Songs, das ist dann auch immer was Neues.
Also etwas, das sich mit der Zeit mitentwickelt. Man nimmt Elemente aus den, ich nenn es mal Themenshows, mit in die Zukunft.
Basti: Richtig, genau.
Kommen wir zu einem etwas anderem Thema: Ich gehe davon aus, dass euch bewusst ist, dass ihr für, sagen wir mal, viele Rock Hard Leser der Untergang des Abendlandes seid - oder zumindest nah dran. Seit wann ist euch das egal oder war euch das schon immer egal?
Bernie: Das ist uns schon sehr sehr lange egal, weil wir schon im ganz kleinen…
Basti: Wir waren schon immer der Untergang des Abendlandes, der Nagel im Sarg von Deutschland.
Bernie: Schon in ganz frühen Tagen, als wir unsere erste MiniCD beziehungsweise EP rausgebracht haben, hatten wir schon Gegenwind insofern, dass wir auf dem Demo viel geiler gewesen wären und jetzt alles Scheiße ist.
Ja, aber das sind doch Fans oder zumindest Leute, die sich als Fans bezeichnen.
Bernie: Ja, das stimmt.
Basti: Er meint grundsätzlich die, die das sagen.
Ich versuche mal, das etwas zu illustrieren: Wenn ich nächstes Jahr auf dem Rock Hard Festival mit Kutte auflaufe samt CALLEJON Patch, meine ich die Leute, die dann fragen, „Wie kannst du die denn auf die Kutte packen?“
Basti: Was setzen die denn einem entgegen?
Das ist ja kein Metal, was soll das auf ner Kutte?
Bernie: Wir waren auch nie ne reine Metalband, sondern saßen immer zwischen den Stühlen. Wir glauben natürlich, dass eine gesunde Szene etwas Wichtiges ist, haben uns aber nie so da eingefügt, dass das für unsere Entwicklung ausschlaggebend war. Für uns war immer nur wichtig, was wir an Eindrücken, an Musik selber konsumieren oder an Kunst, Leben und was auch immer, und letztendlich das zu machen, was sich für uns gut anfühlt. Und ich glaube, das ist für einen ernstzunehmenden Künstler unfassbar wichtig, und wenn er das verliert, muss er sich natürlich fragen, wie viel Sinn es dann noch macht. Wir können ja nicht anders, als drauf zu scheißen, was solche Leute denken, denn wenn wir anfangen, uns damit zu beschäftigen, was solche Leute denken… Das wäre ja unfassbar schrecklich! Wenn man sich quasi nur diese Negativkritik zuführt, wird man ja depressiv oder was weiß ich.
Basti: Eigentlich ist es ja was Positives, weil es zeigt, scheinbar, dass wir in irgendeiner Art und Weise irgendwelche Konventionen brechen und ich finde, es ist nichts schlimmer, als zu sein wie XY.
Egal zu sein.
Basti: Wir treiben es ja gar nicht auf die Spitze, dass wir anders sein wollen. Es ist ganz einfach so, dass wir da grundsätzlich, ja, wie soll ich sagen,
Bernie: eine eigene Band sind.
Basti: Ja, hört sich krass an, aber ist halt so.
Also hab ich das überinterpretiert, wenn ich zum Beispiel in „Sommer, Liebe, Kokain“ reinlese, dass das auch ein Kontra ist gegenüber Kritikern, die Bullshitargumente benutzen.
Basti: Grundsätzlich Kontra geben wir schon in vielen Texten, aber manchmal machen wir das auch gerne, um diese Leute zu ärgern. Teilweise steckt das natürlich schon drin. Es trifft vor allen Dingen aber nicht nur Musik sondern grundsätzliche Dinge, sowohl politische als auch veraltete Denkweisen.
Was meinst du damit genau?
Basti: Zum Beispiel, wie grundsätzlich irgendwas zu sein hat. Ich meine, auf die heutige Gesellschaft übertragen, man kann einen ganz normalen Job machen und damit glücklich sein, ohne studiert zu haben. Und früher hieß es dann quasi so, nur der Ingenieur hat Ahnung. Aber der Typ kann halt ein genauso großer Idiot oder ein noch viel größerer Idiot und viel dümmer sein. Es gibt da keine grundsätzlichen Regeln.
Bernie: Eigentlich ist CALLEJON unser Weg zu bewältigen, dass wir nicht zu Ende studiert haben.
Basti: Hahaha.
Am Ende noch zwei bandferne Fragen: Auf welche Alben freut ihr euch in diesem Jahr noch?
Bernie: Ganz ehrlich, ich hab mich bis jetzt so sehr auf dieses Album konzentriert… Ich hab gar nicht auf dem Schirm, was sonst noch rauskommt.
Basti: Ich freu mich voll auf nen Film, Prometheus von Ridley Scott. Viel mehr als auf Musik gerade. Musik… Was kommt denn? Ich hab mich schon ziemlich auf das ARCHITECTS Album gefreut, nur da hab ich so etwas gemerkt wie, „Wann kommt das jetzt endlich raus? Ich will das endlich kaufen!“ Weil ich immer vergessen hab, wann das kommt. Ansonsten, was kommt denn dieses Jahr noch? Ich weiß es gar nicht, ist wie beim Bernie. Gerade momentan keine Ahnung, vor allem im Metalbereich nicht wirklich so.
Und zuletzt: Fortuna oder FC?
Bernie: Wenn, dann Fortuna.
Basti: Ja, auf jeden.
Ich hab euch früher immer eher in Köln als in Düsseldorf verortet, deshalb frage ich.
Bernie: Ja, wir haben hier geprobt.
Basti: Wir sind mit dem Herzen Düsseldorfer, aber wir fühlen uns in Köln genauso zu Hause. Ist auf jeden Fall auch Homebase.
(Bild 1, v.l.n.r.: Thorsten Becker, Christoph Koterzina, Bastian Sobtzick, Max Kotzmann, Bernhard Horn)
Basti: Nein, überhaupt nicht. Als feststand, dass das Album ungefähr in diesem Zeitraum rauskommen wird, haben wir gesagt, wir wollen zum Release eine kleine Tour spielen, die ein bisschen anders wird als die letzte Tour oder als die nächste Tour. Das heißt, wir wollen mal wieder in kleinen Clubs spielen, soweit es geht ohne Barrieren. Mal wirklich wieder ne Hardcore Show in diesem Sinne machen, das hat mit Festivals eigentlich nichts zu tun.
Ok, ich hatte das nur vermutet, weil zu dieser Zeit ja wenig ausgiebige Touren unterwegs sind und meist nur ein paar Konzerte unter der Woche gespielt werden. Zum Thema „ohne Barrieren“ fällt mir euer Auftritt in Bonn vor einigen Jahren ein, bei dem ihr selbst den Pit aufgemacht habt, weil die 25 Leute nur dumm rumgestanden haben. Im Kult 41.
Basti: Hahaha, ja, das war das mit der unfassbar hohen Bühne, oder? Krass ey. Wenn ich daran denke, sehe ich nur einen leeren Raum mit ein paar Gestalten in der Ecke. Also warst du eine davon?
Ja, aber ich hab recht nah vor der Bühne in der Ecke gestanden, haha.
Wie schwierig wird es mit mittlerweile vier Alben die Setlist zusammenzustellen?
Basti: Inzwischen fühlt sich das für uns schon wie Best Of an.
Berni: Wie ein Quiz
Basti: Das ist aber total schön. Wir sind gespannt, wie die neuen Songs ankommen werden. Wir werden heute fünf spielen und spielen um die 80 Minuten, glaube ich.
Berni: Wir spielen schon ziemlich lang für ne Clubtour. Es ist halt schon so: Je mehr Alben man hat, je mehr Songs sind unverzichtbar für die Leute.
Basti: Für uns natürlich auch.
Berni: Und irgendwann müssen wir dann wahrscheinlich zwei Shows machen. Obwohl, es ging eigentlich. Wir spielen jetzt fünf Songs vom neuen Album, das ist nicht so unfassbar viel. Im Herbst gehen wir ja nochmal auf ne etwas größere Tour und dann müssen wir mal schauen. Es ist natürlich schon ziemlich schwierig.
Ihr sagt fünf Songs vom neuen Album, dann kommen wir gleich mal dazu. Warum habt ihr für die Produktion und den Mix Colin Richardson und Ted Jensen engagiert und nicht mehr Eike Freese oder Andreas Vieten wie in der Vergangenheit?
Basti: Eigentlich, weil wir wollten. Eike Freese ist ja definitiv auch ein gestandener Metalproduzent, da war es megacool auf jeden Fall. Danach hatten wir wesentlich weniger Geld und mussten ein wenig runterschrauben, hehe. Aber nein, auch das ist natürlich in unseren Augen schon ein sehr cooler Sound geworden. Und jetzt fanden wir es an der Zeit, vom Sound einen draufzulegen. Das musste sein in unseren Augen und Ohren. Wir haben ihn fast auf gut Glück angefragt, er hat sich unsere Vorproduktion angehört und war totaler Fan davon und hat gesagt, „Mach ich auf jeden Fall, find ich geil“.
Bernie: Wir sind halt einfach unfassbare Fans seiner Arbeit, weil er so viele geile Alben gemacht hat, von Bands die für uns ganz extrem essentiell sind.
Basti: Vom letzten SLIPKNOT Album über BULLET FOR MY VALENTINE, MACHINE HEAD oder wenn man noch früher zurück geht, CARCASS.
Bernie: Er hat wirklich viele sehr sehr gute Metalbands gemacht. Wir fanden, da ist die Mischung ganz gut: Einen Produzenten zu haben, der auch in dem Metalding drin ist und beim Songwriting ein bisschen mehr beteiligt ist, aber auch andere Einflüsse hat, und dann das Ding zum Mischen zu wirklich DEM Metalproduzenten zu geben.
Basti: Da muss man vielleicht auch noch dazu sagen, wo wir aufgenommen haben, Markus Schlichterberg, der macht sonst keinen Metal. Er kommt aber aus dem Metal eigentlich, früher hat er so Sachen wie CROSSCUT und sowas gemacht, noch aus uralter New Metal Zeit. SICK OF IT ALL hat er aber auch schon aufgenommen, jetzt macht er aber so Sachen wie JULI.
Bernie: Und MADSEN.
Basti: Wir haben jemanden, der mit der deutschen Sprache an sich umgehen kann, die inszenieren kann und das auch wirklich versteht. Wir sind mit ihm zusammengekommen und haben sehr lange und ausgiebig drüber geredet und er hatte sofort ne Vision. Es ist uns total wichtig, dass jemand ne Vision hat und nicht irgendwas abarbeitet, sondern mit uns dran feilt und werkelt.
Also auch mal Kontra gibt.
Basti: Genau, auf jeden Fall. Wir infizieren ihn und er umgekehrt uns. Bernie meinte danach so richtig, dass wir quasi als Mischer Colin Richardson noch draufsetzen. Dass das wirklich zustande gekommen ist, hätten wir uns selbst nicht träumen lassen können. Das ist großartig und auch absolut nichts Normales und das sehen wir selbst auch so. Ist schön.
Fragt der denn auch nach den Bedeutungen der Texte oder ist ihm das egal?
Bernie: Danach hat er nicht gefragt, es wurde auch immer kruder, wenn wir ihm Songtitel auf Deutsch geschickt haben. „Kind im Nebel“ war dann am Ende „Kaind I’m nebly“, hehe. Er hat die Sachen irgendwie in sein Walisisch-Englisch umgedingst. Ich weiß nicht, ob er sich fragt, was das bedeutet, er hat uns auf jeden Fall nicht gefragt.
Basti: Wir haben uns schon überlegt, ob wir ihm die Übersetzung schicken sollen, aber komischerweise ist er voll selbstverständlich mit der Aussprache und wie das klingt und so umgegangen. Ich weiß nicht, vielleicht ist er so musikalisch, dass er das einfach grundsätzlich umsetzen kann, egal wie sich das anhört.
Bernie: Auf jeden Fall! Wir sind ja eigentlich ne Hippieband, was keiner weiß und was auch keiner hört.
Basti: Der Bernie hat eigentlich auch nur deshalb lange Haare, weil er ein Hippie ist.
Bernie: Wir haben gedacht, diesmal machen wir Vergissmeinnicht, nächstes Mal irgendwie Maiblümchen oder so.
Es muss aber eigentlich eine Blume mit sprechendem Namen sein.
Basti: Was heißt das denn, Blumen mit sprechendem Namen?
Bernie: Na eine mit einem mehrdeutigen Namen.
Basti: Da war mein Hirn jetzt grad zu klein für. Ich habe gerade an die tanzenden elektronischen Blumen gedacht. Hehe.
Bernie: Venusfalle machen wir am besten mal.
Basti: Genau, ein Sexlied.
Bernie: Endlich mal!
Basti: Über Puffs. Püffe? Wie ist der Plural von Puff?
Bernie: Puffs, oder?
Basti: Puffi?
Bernie: Puffs hört sich richtiger an.
Habt ihr selber beim Auftreten Vorlieben, wie zum Beispiel eher die schnellen oder eher die langsamen Lieder? Nachdem ich bei dir, Bernie, auf die Lieblingsalben geguckt hab, würde ich ja auf die schnellen Lieder tippen.
Bernie: Es macht schon Bock, wenn man schnell herunterzieht. Aber wir hatten lange „Infiziert“ als ersten Song, unsere schnellste Nummer mit 240bpm. Wenn man den ganz kalt einfach so als ersten Song spielt, ist das schon richtig ätzend. Aber wenn man erst mal warm ist, macht es tierisch Bock, ein bisschen schneller zu zocken. Wir spielen jetzt auf Click, früher haben wir auch sehr dazu geneigt…
Basti: Grundsätzlich alles viel zu schnell zu spielen. Manchmal ist das auch geil.
Das führt dann dazu, dass ich im Bericht schreibe, die auf Platte ruhigeren, emotionaleren Lieder haben live ordentlich Zug gehabt.
Basti: Hehe. Das hoffen wir auch, aber es liegt ja nicht nur an uns.
Gibt es bei dir eine Vorliebe, Basti?
Basti: Für mich ist es die Mischung, die es ausmacht. Ich mag Songs, die dynamisch sind auf jeden Fall. Eigentlich wie auf ner Platte.
Bernie: Das kann man so, glaube ich, aber für uns alle sagen.
Basti: So suchen wir uns ja die Lieder auch aus. Es geht nicht darum, ständig nur auf die Mütze zu geben, sondern so wie CALLEJON grundsätzlich ist, gibt es schnelle, harte Lieder, Lieder, die zum Mitsingen sind, und es gibt grundsätzlich groovigere Lieder. Ich glaube, das macht sowohl ne Platte als auch ne Show von uns aus. Ich hab da keine grundsätzlichen Vorlieben, es gibt nur einzelne Songs, die ich lieber spiele. Es gibt halt Songs, die superschwierig zu performen sind und welche, die zwar auch schwierig zu performen sind, aber einfacher von der Hand gehen.
Gibt es mittlerweile Lieder, die ihr leid seid? Also zum Beispiel “Snake Mountain”?
Basti: Naja, eigentlich live tatsächlich nie. Im Proberaum, wenn wir das nochmal üben für ne Tour, heißt es schon mal, „Och, müssen wir den nochmal spielen?“ Aber wenn wir den dann live zocken, macht es immer wieder voll Bock. Die Magie ist ja quasi eigentlich das mit dem Gegenüber spielen und hantieren. Wenn du im Proberaum das nur für dich zockst, so zum 800. Mal, kommt ja nichts zurück. Aber wenn was zurückkommt, ist eigentlich jedes Lied großartig.
Da sind dann diese vier Tage auch ein Test für den Oktober: Wenn jetzt eins von den fünf neuen Liedern wenig oder schlechte Resonanz erzeugt, kommt im Oktober ein anderes.
Basti: Ganz ehrlich gesagt: Unter Garantie, wenn es überhaupt nicht funktionieren würde, aber das ist vielleicht auch zu früh gesagt. Es gibt ja nen Stream im Netz, aber das Album ist ja noch nicht mal draußen und wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich bestimmte Sachen erst auch festigen. Viele Songs, von denen wir gedacht haben, die werden live total abgehen, gehen grundsätzlich gar nicht so ab. Aber dafür stechen andere auf einmal total hervor, weil die Leute draußen das auf einmal wesentlich mehr schätzen.
Das fand ich bei „Videodrom“ sehr bemerkenswert, als fünf Tage nach dem Release in der Werkstatt alle schon die neuen Texte mitgesungen haben.
Basti: Das war, weil es ja schon geleakt war. Jaja, das ist eben leider kein Garant. Ich will auch keinem etwas unterstellen, viele von unseren Fans kaufen sich das Album auch tatsächlich, glaube ich. Aber grundsätzlich ist es ja fast schon Gang und Gäbe, sich das aus dem Netz zu laden, auch wenn ich manchmal das Gefühl habe, dass sich langsam ein Rücktrend abzeichnet. Grade in dieser Musikrichtung gehen die Leute bewusster damit um, glaube ich.
Das ist wahrscheinlich auch einer der Gründe für die Limited Editions mit allen möglichen Gimmicks und Kram?
Basti: Auf jeden Fall! Man muss, um gegen umsonst zu gewinnen, einfach mehr bieten. Das ist auf jeden Fall so.
Bernie: Auf der anderen Seite sind wir natürlich auch Musikfans und finden es selber total geil, wenn ein Album gut aufgemacht ist. Das ist eigentlich der Hauptgrund, dass wir den Leuten was geben wollen, wo sie denken, das ist ja ein geiles Ding. Deshalb geben wir uns Mühe, immer wieder was Neues ins Spiel zu bringen. Nur Musik ist halt nur Musik und Musik mit ner optischen und ner haptischen Erfahrung gibt dem ganzen noch ne andere Ebene. Gerade Artworks, zumindest war und ist es bei mir so. Ein ganz prägnantes geiles Artwork und Bookletdesign…
Basti: Dann klingt die Musik anders.
Bernie: Dann klingt die Musik anders und meistens eigentlich geiler. Mehr oder weniger eine eigene Ebene, die wir total wichtig finden und die wir auf jeden Fall versuchen, extravagant in Szene zu setzen.
Das finde ich überhaupt einen der auffälligsten Punkte bei euch, diese Ganzheitlichkeit inklusive des aufwendigen Bühnenbilds und der Optik. Ganz am Anfang habt ihr das, glaube ich, noch nicht so gemacht. Wann kam der Gedanke, dass man auch dadurch herausstechen kann?
Basti: Der Gedanke war eigentlich immer schon da, nur haben wir halt immer alles reinvestiert. Irgendwann war es dann soweit, dann konnten wir uns aus Holz so Blitze aussägen, haben Folie dahinter gepackt und Leuchtkannen, die wir uns ausgeliehen haben. Dann haben wir angefangen, mit Licht und so weiter zu arbeiten. Uns ist das halt extrem wichtig, dass unsere Musik, was das angeht, so unterhält, wie wir selbst unterhalten wollen werden würden. Eigentlich war dieser Gedanke immer schon da
Bernie: Nur die Möglichkeit war halt nicht da. Das kostet schließlich alles Geld und erst muss man mal funktionierendes Equipment haben, wie ein Instrument, das vernünftig ist. Ab dem Zeitpunkt, als wir einen festen Lichtmann hatten, ging es los, dass wir uns Konzepte überlegt haben und wie wir die dann umsetzen. Alles ist eigentlich selfmade. Wir überlegen uns was mit dem Lichtmann zusammen oder er überlegt sich was, und dann versuchen wir das zusammenzubasteln und aus unseren Möglichkeiten das Beste zu machen. Natürlich sind wir daran stetig gewachsen und irgendwann sieht es dann so aus, wie es halt jetzt aussieht. Uns ist wichtig, dass man einer Show nicht nur das gibt, was man auch auf CD haben kann. Einen Mehrwert. Weil wir das als Besucher auch geil finden.
Also in Richtung KISS oder RAMMSTEIN oder MÖTLEY CRÜE.
Bernie: RAMMSTEIN ist natürlich ne Band, die das in Perfektion macht.
Basti: Krasser geht es ja nicht mehr.
Bernie: Die auch so groß ist, dass sie jeden Scheiß machen kann und das auch macht. Das ist natürlich traumhaft. Wir versuchen halt in unserem Rahmen, das auch so auszureizen.
Basti: Hmm, das kommt immer drauf an. Eine Show an sich besteht ja nicht nur aus den Songs des neuen Albums, sondern ist ja ein bunter Strauß Blumen. Und, tut mir leid, dass ich wieder auf RAMMSTEIN komme, aber bei „Liebe ist für alle da“, geht es ja auch nicht nur darum, sondern gibt auch „Pussy“, wo er auf dem Pimmel reitet, die witzigen Seiten. Grundsätzlich ist es so, dass wir probieren, das auch immer nicht nur an einzelnen Konzepten aufzuhängen. Wir probieren auch, teilweise was für einzelne Songs zu machen. So wird es bei „Videodrom“ immer den berühmten Helm geben. Grundsätzlich gehen wir da mehr auf ein Showkonzept für die einzelnen Songs, das ist dann auch immer was Neues.
Also etwas, das sich mit der Zeit mitentwickelt. Man nimmt Elemente aus den, ich nenn es mal Themenshows, mit in die Zukunft.
Basti: Richtig, genau.
Kommen wir zu einem etwas anderem Thema: Ich gehe davon aus, dass euch bewusst ist, dass ihr für, sagen wir mal, viele Rock Hard Leser der Untergang des Abendlandes seid - oder zumindest nah dran. Seit wann ist euch das egal oder war euch das schon immer egal?
Bernie: Das ist uns schon sehr sehr lange egal, weil wir schon im ganz kleinen…
Basti: Wir waren schon immer der Untergang des Abendlandes, der Nagel im Sarg von Deutschland.
Bernie: Schon in ganz frühen Tagen, als wir unsere erste MiniCD beziehungsweise EP rausgebracht haben, hatten wir schon Gegenwind insofern, dass wir auf dem Demo viel geiler gewesen wären und jetzt alles Scheiße ist.
Ja, aber das sind doch Fans oder zumindest Leute, die sich als Fans bezeichnen.
Bernie: Ja, das stimmt.
Basti: Er meint grundsätzlich die, die das sagen.
Das ist ja kein Metal, was soll das auf ner Kutte?
Bernie: Wir waren auch nie ne reine Metalband, sondern saßen immer zwischen den Stühlen. Wir glauben natürlich, dass eine gesunde Szene etwas Wichtiges ist, haben uns aber nie so da eingefügt, dass das für unsere Entwicklung ausschlaggebend war. Für uns war immer nur wichtig, was wir an Eindrücken, an Musik selber konsumieren oder an Kunst, Leben und was auch immer, und letztendlich das zu machen, was sich für uns gut anfühlt. Und ich glaube, das ist für einen ernstzunehmenden Künstler unfassbar wichtig, und wenn er das verliert, muss er sich natürlich fragen, wie viel Sinn es dann noch macht. Wir können ja nicht anders, als drauf zu scheißen, was solche Leute denken, denn wenn wir anfangen, uns damit zu beschäftigen, was solche Leute denken… Das wäre ja unfassbar schrecklich! Wenn man sich quasi nur diese Negativkritik zuführt, wird man ja depressiv oder was weiß ich.
Basti: Eigentlich ist es ja was Positives, weil es zeigt, scheinbar, dass wir in irgendeiner Art und Weise irgendwelche Konventionen brechen und ich finde, es ist nichts schlimmer, als zu sein wie XY.
Egal zu sein.
Basti: Wir treiben es ja gar nicht auf die Spitze, dass wir anders sein wollen. Es ist ganz einfach so, dass wir da grundsätzlich, ja, wie soll ich sagen,
Bernie: eine eigene Band sind.
Basti: Ja, hört sich krass an, aber ist halt so.
Also hab ich das überinterpretiert, wenn ich zum Beispiel in „Sommer, Liebe, Kokain“ reinlese, dass das auch ein Kontra ist gegenüber Kritikern, die Bullshitargumente benutzen.
Basti: Grundsätzlich Kontra geben wir schon in vielen Texten, aber manchmal machen wir das auch gerne, um diese Leute zu ärgern. Teilweise steckt das natürlich schon drin. Es trifft vor allen Dingen aber nicht nur Musik sondern grundsätzliche Dinge, sowohl politische als auch veraltete Denkweisen.
Was meinst du damit genau?
Basti: Zum Beispiel, wie grundsätzlich irgendwas zu sein hat. Ich meine, auf die heutige Gesellschaft übertragen, man kann einen ganz normalen Job machen und damit glücklich sein, ohne studiert zu haben. Und früher hieß es dann quasi so, nur der Ingenieur hat Ahnung. Aber der Typ kann halt ein genauso großer Idiot oder ein noch viel größerer Idiot und viel dümmer sein. Es gibt da keine grundsätzlichen Regeln.
Bernie: Eigentlich ist CALLEJON unser Weg zu bewältigen, dass wir nicht zu Ende studiert haben.
Basti: Hahaha.
Am Ende noch zwei bandferne Fragen: Auf welche Alben freut ihr euch in diesem Jahr noch?
Bernie: Ganz ehrlich, ich hab mich bis jetzt so sehr auf dieses Album konzentriert… Ich hab gar nicht auf dem Schirm, was sonst noch rauskommt.
Basti: Ich freu mich voll auf nen Film, Prometheus von Ridley Scott. Viel mehr als auf Musik gerade. Musik… Was kommt denn? Ich hab mich schon ziemlich auf das ARCHITECTS Album gefreut, nur da hab ich so etwas gemerkt wie, „Wann kommt das jetzt endlich raus? Ich will das endlich kaufen!“ Weil ich immer vergessen hab, wann das kommt. Ansonsten, was kommt denn dieses Jahr noch? Ich weiß es gar nicht, ist wie beim Bernie. Gerade momentan keine Ahnung, vor allem im Metalbereich nicht wirklich so.
Und zuletzt: Fortuna oder FC?
Bernie: Wenn, dann Fortuna.
Basti: Ja, auf jeden.
Ich hab euch früher immer eher in Köln als in Düsseldorf verortet, deshalb frage ich.
Bernie: Ja, wir haben hier geprobt.
Basti: Wir sind mit dem Herzen Düsseldorfer, aber wir fühlen uns in Köln genauso zu Hause. Ist auf jeden Fall auch Homebase.
(Bild 1, v.l.n.r.: Thorsten Becker, Christoph Koterzina, Bastian Sobtzick, Max Kotzmann, Bernhard Horn)