Helangår - Schlafes Bruder

Helangår - Schlafes Bruder
Epic Metal
erschienen am 29.09.2005 als Eigenproduktion
dauert 70:48 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Schlafes Bruder
2. Praeludium
3. Geburt - des Lebens Lied
4. Das Wunder seines Hörens
5. Die Gadenzeit
6. Herzens’ Sturm
7. Mitternacht
8. In Wehmut
9. Dämmerung
10. I. Greis des Lebens
11. II. Am wilden Bach
12. III. Sein Ende
13. IV. Der Chor der Engel
14. V. Hinfort

Die Bloodchamber meint:

„Schlafes Bruder“ ist nicht nur einer der mitreißendsten und einflussreichsten Romane des letzten Jahrzehnts (in der Tat ist Robert Schneiders Werk in 32 Sprachen übersetzt worden), sondern auch Ausgangspunkt und Vorlage für das zweite Album der Süddeutschen Epenschreiber von HELANGAR.

Hier wird in 70 Minuten die Geschichte des Johannes Elias Alder erzählt, der mit 22 Jahren aufgrund der Liebe zu seiner Cousine Elsbeth beschließt, nicht mehr zu schlafen. Die detaillierte Auseinandersetzung mit dem zugrunde liegendem Text würde den Rahmen sprengen, doch eine klare Empfehlung kann für das literarische Werk durchaus ausgesprochen werden. Die größten Unterschiede und Veränderungen, die bei der jungen Band zu greifen wussten, sind schon auf den ersten Blick bzw beim ersten hören offensichtlich. Mit Lisa Klank steht eine neue Frontfrau am Mikrofon, die nach dem Abgang des ehemaligen Sängers Tom dessen vakanten Posten übernahm (im übrigen war das Album damals mit Tom schon fertig, wurde im Zuge von dessen Ausstieg aber noch einmal mit Lisa neu aufgenommen). Damit ergibt sich natürlich ein völlig anderes Klangbild als mit der männlichen Stimme, und sicherlich werden nun einige Leser zu Recht den Verdacht auf opernhafte und NIGHTWISH klonartige Ausrichtung hegen. Doch der Rezensent kann dem getrost Entwarnung geben, denn die Dame hebt sich von diesen Klischees wohltuend ab und überzeugt eher durch ihr kraftvolles Organ als durch mädchenhafte Traumtänzerei.

Auch die Lyrics haben eine grundlegende Transformation durchgemacht, so sind sie nunmehr nicht länger in englischer Sprache verfasst, sondern in den wohligen Gefilden der Muttersprache, die natürlich und logischerweise einen weit mehr authentischen und tiefgehenden Umgang mit der Thematik ermöglichen.

Das Herzstück von HELANGAR waren aber schon beim Debüt die Kompositionen, und sollen es auch beim aktuellen Werk sein. Einmal mehr wird die Geschichte in einem Netz aus emotionaler und mitreißender Musik weitergesponnen, die weiterhin diese gewisse Epik vorweisen kann und auch an Komplexität so einiges zu bieten hat. Im kompositorischen Bereich kann man dem Sextett nichts vormachen, so wissen sie immer noch absolut spannende Songs zu schreiben, die die Geschichte passend und stimmungsvoll und getreu umsetzen. Zusätzlich zu den weiblichen Vocals springen die Herren Fuss (an Bass und Gitarre) immer öfter in die Presche und steuern einige gekeifte „böse“ sowie gesprochene Parts bei, die sich wunderbar mit der Hauptstimme kontrastieren und somit für gelungene Abwechslung sorgen.

Herzstück von „Schlafes Bruder“ ist der abschließende 20 Minüter namens „Dämmerung“, der sich in fünf Parts unterteilt, welches quasi den Tod des Protagonisten vertont. Dieses Epos kommt wesentlich orchestraler und choraler daher als der Rest und kann trotz seiner Länge auf ganzer Linie überzeugen. Die verschiedenen Themen fügen sich zu einem unglaublichen Gesamtbild zusammen, dass ich in dieser Form noch nie im Underground Bereich erleben durfte. Sicherlich wird vielleicht manchem die Dramatik und instrumentale Länge vor allem gegen Ende etwas auf den Magen schlagen, doch Freunde der gepflegten Epik sollten vor Freude im Kreise springen.

Wie schon beim Debüt sprechen HELANGAR nicht nur die musikalische, sondern auch die künstlerische Seite an, berühren die Seele und liefern ein beeindruckendes Werk ab. Da macht es dann auch nicht mehr wirklich was aus, dass der Sound zwar besser als beim Erstling ist, insgesamt aber immer noch zu dumpf und zu drucklos um die volle Kraft der Kompositionen spüren zu können, und weiterhin das Cover in die Kategorie „Arschbombe 2005“ fällt. Geht nicht anders – Volle Punktzahl.
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