Agrypnie - F51.4

Agrypnie - F51.4
Melodic Black Metal
erschienen am 29.09.2006 bei Supreme Chaos Records
dauert 51:44 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Intro
2. Und führet mich nicht in Versuchung
3. Auf den nackten Korridoren
4. Cogito ergo sum
5. Kerkerseelenwanderung
6. Spiegel?
7. Masken
8. Glas
9. Outro

Die Bloodchamber meint:

Nachdem NOCTE OBDUCTA vor einer Weile bekannt gaben, dass sich die Bandhistorie langsam, aber unaufhaltsam dem Ende zuneigt, war das vor allem bei den eingefleischten Fans ein Grund, um eine bittere Träne mehr als üblich beim abendlichen Zubettgehen zu vergießen. Die Trauer muss aber nicht zwangsweise in schiere Verzweiflung ausarten, denn Rettung naht in Form eines in schwarz gekleideten Schemens namens AGRYPNIE.

Das Nebenprojekt des Nocte-Sängers macht nämlich absolut kein Geheimnis aus seiner Herkunft und setzt dessen Vermächtnis unablässig fort, allerdings besteht der offensichtlichste Grund der Daseinsberechtigung von „F51.4“ in der mittlerweile nicht mehr nur im Black Metal verankerten Ausrichtung der Hauptband. Somit orientiert sich dieses Debüt ein wenig mehr an den früheren Alben der Nachtgestalten und setzt in etwa kurz vor „Stille“ an. Die gleichermaßen melodisch-eingängigen, aber ebenso rohen und ursprünglichen Songstrukturen und der fließende Übergang zwischen diesen Extremen war bereits damals eines der Trademarks und findet sich deshalb auch auf „F51.4“ wieder. Und weil’s so schön ist, wurden die Lyrics kurzerhand auch von Nocte-Kopf Marcel verfasst. Alles beim alten? Sag ich doch!

Dennoch lassen sich aber durchaus ein paar Differenzen aufspüren. Die Texte sind wie gewohnt komplett in Deutsch gehalten, und bei genauerer Betrachtung wird sich eine weitaus weniger düster-romantische und fantasievolle Ausrichtung deutlich. Vielmehr haben „weltlichere“ Themen wie die immer wieder auftretende Diskrepanz zwischen öffentlichem Auftreten und dem sich dahinter abspielenden Inneren eine weitaus wichtigere Bedeutung für die Band. Zeilen wie „Spieglein, Spieglein an der Wand…“ rufen zwar durchaus ein kleines Schmunzeln hervor, aber im Großen und Ganzen bleiben die Lyrics trotz ihrer Verständlichkeit immer auf einem angenehmen Niveau.

Wie bereits angedeutet, sollten weitstirnige Anhänger der düsteren Nacht-Musik auch an „F51.4“ ihre Freude haben, insofern sie von Drumcomputern nachts nicht schweißgebadet aufwachen (F51.4 ist nämlich der medizinische Code für Pavor Nocturnis – Nachtangst). Die Gänsehaut-Momente sind zwar nicht ganz so zahlreich wie erhofft, aber durchaus vorhanden, beispielsweise die anfänglichen Strophen in „Cogito ergo sum“ oder der tolle Rhythmus in „Kerkerseelenwanderung“. Wer Black Metal erwartet, wird sicherlich enttäuscht. Wer aber ein etwas ausgedehnteres Spiel mit Genre, Rhythmus und Lyrik sucht, der wird bestimmt fündig, auch wenn irgendwo im Hinterkopf stets eine andere Band herumschwirren wird.

Die Bloodchamber meint außerdem:

Mit dem Split von Nocte Obducta scheint Sänger Torsten nicht ganz zurechtzukommen. Warum sonst stellt er sein Ein-Mann-Projekt Agrypnie auf die Beine und macht Musik, die an ältere Nocta Obducta erinnern? Die Gründe sind mir da eigentlich völlig egal, denn ich finde es geil, dass es AGRYPNIE gibt.
Das Intro beginnt mit dezenten Geräuschen, bevor die Akkustikgitarre einsetzt und später von Bass und Schlagzeug begleitet wird. Etwas Black Metal untypisch hört sich dieses Intro anfangs an. Eher erinnert es mich an Dead Can Dance. Mit „Und führet mich nicht in Versuchung“ geht’s dann gleich in die Vollen. Die wütenden, verzweifelten Vocals von Torsten (dem Unhold), geile Black Metal-Riffs und Highspeed-Drumming prägen diesen Song, bevor er unter geilen Leads in eine hoffnungsvolle Stimmung getragen wird, die dann aber wieder durch hasserfüllte Wutausbrüche unterbrochen wird. Sehr melancholisch beginnt „Auf den nackten Korridoren“, der Hall auf der Gitarre wirkt hier so richtig, denn man kann sich rein versetzen, wie man verloren in einem riesigen Flur steht und eine Tür öffnet, die die Hoffnungen sterben lässt. Depressiv bleibt es mit „Cogito Ergo Sum“, ein Song über die Einsamkeit. „Kerkerseelenwanderung“ beginnt wieder mit akkustischen Gitarren (wirklich teilweise wie Dead Can Dance) und effektvoll eingesetzte Synthies tragen den Song zu einem Stakkato-Riff-Gewitter und Torsten brüllt seine genialen Lyrics aus seiner Kehle. Geil kommen die immer wiederkehrenden Akkustikgitarren im Song…, mein persönlicher Favorit dieses Albums. Rasend schnell geht es mit „Spiegel?“ weiter, der sogar einige Heavy Metal Elemente enthält. Mit Power, rasenden Gitarrenläufen, die öfter in schöne Leads wechseln, erklingt „Masken“, der für Frost im Herzen sorgt. Ein Doublebass-Gewitter, monotone Gitarre im Hintergrund, kraftvolle Bassläufe … „Glas“ … oh ja, dieser Track lässt auch Panzerglas zerspringen. Dieses Album endet dann so, wie es angefangen hat: sehr ruhig!

Nocte Obducta-Mastermind Marcel Breuer hat für „F51.4“ übrigens die genialen Texte geschrieben, die vor Verzweiflung und Fragen nur so strotzen. Diese Texte sind im 12-seitigen Booklet zwar abgedruckt, bräuchte es aber theoretisch gar nicht, denn Torsten singt so, dass man jede Textzeile versteht. Einziges Manko (wenn überhaupt) ist der Drumcomputer, der etwas klinisch daherkommt, aber irgendwie passt es auch zur Musik von AGRYPNIE. Und immerhin ist im Booklet gleich zu ersehen, dass Torsten einen solchen benutzt und nicht so, wie bei manch anderer Band.

Geile Musik, geile Stimme, grossartige Texte… ein gelungenes Album!
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