Konkrete Metaphern und philosophische Verflechtungen


Interview mit Twisted Into Form
Progressive Metal aus Norwegen
2006 veröffentlichten TWISTED INTO FORM ein wunderbar reichhaltiges Album, das als eine enorm progressive Musiksammlung in der Tradition von ATHEIST, CYNIC und vielleicht noch späte DEATH stehen könnte. Aber es gibt mehr zu bereden als musikalische Einflüsse. Schaut und lest was Kaj und Erik antworten.

Hi, wie geht’s? Alles okay bei euch? Freut ihr euch über die positiven Reaktionen für das erste Album? Ist dies ein nur außergewöhnlicher Fakt für euch oder doch nur eine große Überraschung?


Kaj: Uns geht’s gut, danke der Nachfrage. Es ehrt uns, über Monate hinweg gelobt zu werden. Wir sind ganz aufgeregt über all die positiven Reaktionen, die wir bis jetzt bekommen haben und das bleibt solange, [wie wir davon weg geblasen werden]. Als wir letztendlich mit dem fertiggestellten Album dasaßen, hatte niemand geahnt was wir von all den Rezeptionen hätten erwarten können. Weißt du, du lebst mit der Musik so eine lange Zeit, so dass du am Ende fast gar nichts mehr sensibles über all das sagen kannst. Wir wussten, dass wir die Musik mochten, nicht dass wir Erwartungshaltungen erfüllen wollten. Sondern wir sind glücklich für all diese guten Feedbacks, die wir bekommen hatten.

Was könnt ihr allgemein über TWISTED INTO FORM (auch bekannt als Titel des gleichnamigen FORBIDDEN-Albums) erzählen; dessen Start, Entwicklung und Absicht? Was genau beschreibt eigentlich der Bandname und Ausdruck “twisted into form”?

Kaj: TWISTED INTO FORM begann als musikalische Spielwiese für Erik Aadland und mich. Irgendwann im Jahr 2000 standen wir beide ohne Band da und haben uns so gefunden. Aber nicht ohne Ideen, denn seit wir uns in den späten Achtzigern kennen, haben wir uns über die Möglichkeiten unterhalten, uns mal musikalisch zusammen zufinden. Am Anfang war stand das typische Annäherungsding, wobei wir die eine oder andere Idee austauschten. Wir fanden schnell heraus, dass unsere Zusammenarbeit gut funktionierte. Dann kamen wir zu dem Punkt, dass wir genug Material besaßen, welches wir zusammen spielen wollten. So fragten wir David Husvik (EXTOL) ob er nicht bei uns das Schlagzeug übernehmen will. Wir kannten seine Fähigkeiten von EXTOL und ich denke, er nutzte die Möglichkeit als Weg seinen musikalischen Horizont zu erweitern.
Anfangs hatten wir keine konkreten Pläne ein Album zu machen und live zu spielen. Es war nur als persönliches Vergnügen gedacht. Deswegen erscheinen Songwriting und Recording für dieses Album als ewiger Prozess. Natürlich als wir letztendlich uns für die Aufnahmen entschieden, die irgendwann 2003 stattfanden, brauchten wir nicht lange, sie umzusetzen. Als wir das Studio buchten um das Schlagzeug aufzunehmen, arbeiteten wir wie verrückt um rasch fertig zu werden. Ich kam währenddessen in Kontakt mit Leif (Sänger) und fragte ihn ob er nicht Lust hätte mitzumachen und er sagte zu meiner Überraschung auch zu. Der Name TWISTED INTO FORM war wirklich, wie du schon gedacht hast, von dem besagten FORBIDDEN-Album ausgeborgt, aber sonst gibt es keine weiteren Verbindungen als die Tatsache, dass wir dachten, der Ausdruck würde uns perfekt zu Gesicht stehen. Ich denke, der Name beschreibt einerseits unsere Musik und die Art wie wir Musik machen.

Was genau meint eigentlich der Albumtitel? Welche Bürde (Affliction) sprecht ihr an und wer ist der Träumer?

Kaj: Zuallererst ist der Ausdruck von dem dänischen Philosophen Søren Kierkegaard (1813-1855) übernommen, aber ohne auf sein Werk als solches einzugehen. Für mich drückt der Titel die gesamte Essenz des Albums aus, welches voll mit verschiedenen Gefühlsarten der Hoffnungslosigkeit ist. Wer oder was die Last oder Hoffnungslosigkeit und der Träumer sind, ist nicht so wichtig, weil es alles und jeden bezeichnen könnte – es ist weitaus mehr als eine Metapher für den menschlichen Zustand. Die meisten Leute träumen von einem besseren Leben oder einem anderen. Doch einige von uns werden immer zufrieden sein, unter welchen Lebensumständen wir auch immer leben werden. Im Leben werden einem so viele Steine in den Weg gelegt, sei es Krieg, Hunger, Zerstörung oder das Gefühl man habe nicht wirklich etwas im Leben erreicht, das Resultat ist meist dasselbe. Wahres Glück kommt selten, aber es ist das, was wir alle wollen, oder?

Auf jeden Fall! Dieses Album war für mich eine große Überraschung im letzten Jahr. Es ist zugleich ein modernes und ein traditionelles Werk. Ich habe euren Sound sogar mit großartigen Progressive-Bands mit Deathmetal-Background verglichen. Seht ihr das ähnlich oder gibt es mehr Aspekte zu entdecken. Besonders „Tear“ und „Manumit“ haben es mir angetan.

Kaj: Ja, ich denke du hast es voll erfasst; als Musiker stehen wir inmitten unserer Einflüsse – gerade die frühen sind ausschlaggebend – einerseits den Drang zu haben, etwas völlig neues zu machen und andererseits unseren normalen Musikbackground der härteren Gangart mit einfließen zu lassen. Außer vielleicht Leif, der mehr der Rock ’n’ Roller ist. Wir alle wuchsen mit der damals boomenden Thrash-Szene auf, die sich größtenteils zum Deathmetal entwickelte. Erik und ich folgten jahrelang der Progressive-Szene, so ist es für uns völlig normal, dass man all diese Einflüsse in unserer Musik wiederfindet. Trotzdem haben wir uns auch noch mehr Musikeinflüssen anderer Art geöffnet, so dass verschiedene Stile wie sämtliche Popspielarten, Weltmusik, Industrial Metal und Fusion/ Jazz sich bei uns tummeln. Unser Fundament ist Metal, aber nur als Grundgerüst mit dem wir uns keine Beschränkungen auferlegen.

Erik: Roger Patterson (Atheist) beeinflusste mich enorm um 1990/91. Seine Geisteshaltung und sein Stil waren wirklich außergewöhnlich. Natürlich kam Cliff Burton (R.I.P.) vor ihm. Wirklich nahe stand mir das letzte Cynic-Demo sowie das Album mit Tony Choy am Bass. Seit ungefähr zehn Jahren verfolge ich eher Musiker wie Jaco Pastorius, Al di Meola, Joe Zawinul, Pat Metheny und Ron Jarzombek. “Tear” war eigentlich von dem innewohnenden Gefühl der langsamen und dunklen Morbid-Angel-Songs inspiriert.

Ich kann mir vorstellen, dass ihr locker gemeinsam im Studio Songideen austauscht und spielt so dass die daraus entstehenden Ideen die Songs entstehen lassen. Oder gibt es doch eine konkretere Herangehensweise. Was könnt ihr zum Songwriting für dieses Album sagen?

Kaj: Unsere Musik ist eine Kombination von Dingen, die du bereits erwähntest. Die meisten Songs wurden geschrieben, wie ich vorhin knapp skizzierte: Erik und ich arbeiten die ersten Ideen zusammen aus, versuchen eine Struktur in die Songskizze zu bringen, bis wir etwas haben was zu funktionieren scheint. Dann geht es zu den Voraufnahmen, wo wir alles mit David arrangieren. Selbst nachdem wir bereits ins Studio gingen, fügten wir noch jede Menge wichtiger Ideen hinzu. Die meisten Gitarren- und Bassspuren entstehen erst hier. Wir verbrachten allein zig Stunden damit, verschiedene Herangehensweisen zu probieren. Das, was du auf dem Album hörst, ist das Resultat, wie wir völlig frei unsere eigenen Songs im Studio erforschten.
Ich würde noch hinzufügen, dass es nicht nur unser Maß aller Dinge war, während wir beim Vertrag mit Sensory unterzeichnen und gleichzeitig gefragt werden zusätzlich Musik für dieses Album aufzunehmen. An diesem Punkt reiste ich bereits nach Portugal. Das brachte uns dazu, noch differenzierter zu arbeiten, weil Erik und ich an einem Song gleichzeitig arbeiteten und uns gegenseitig die Ergebnisse zusendeten, damit alles ausgearbeitet werden konnte. Dann die Click-Tracks für David, der alles für sich aufnahm. Nach einiger Zeit kehrte ich nach Norwegen zurück um die Gitarren aufzunehmen, Leifs Gesang, Eriks Bass und die restlichen Gitarrenspuren. Beides, Band und Album, haben dadurch den Vorteil weitergekommen zu sein.

Erik: Es hat auch viel mit dem Versuch zu tun, intensive Gefühle einzufangen.

“Erased” hat mich am meisten beeindruckt. Diese Jazzstrukturen am Ende des Songs sind großartig und fast nicht mehr nachvollziehbar. Was hat euch dazu inspiriert?

Kaj: “Erased” ist ein sehr spezieller Fall, weil wir uns entschieden etwas völlig anderes und neues zu machen. Als wir mitten bei den Aufnahmen für die Drum-Tracks waren, fragten wir David, etwa drei Minuten Musik ohne jegliche Einflüsse von uns anderen zu improvisieren. Die Idee war hierbei, dass wir später etwas dazu komponieren, zu dem das er uns vorgibt. Wegen der lässigen Struktur war es eine große Herausforderung dazu etwas passendes zu schreiben. Es dauerte ziemlich lange etwas herauszuarbeiten, das einigermaßen stimmig mit der Vorlage ist, speziell am Ende des Songs. Die Songmitte, wo der Gesang hinzukommt, ist partiell von dem Werk des Komponisten Philip Glass inspiriert, inklusive unterschiedlicher Schichten von dauernd wiederholenden Skalierungen und Melodien mit verschiedenen Zykluslängen. Der letzte akustische Part ist von spanischer Flamencomusik inspiriert, welche ich faszinierend finde. Es hat vielleicht ein bisschen von einer seltsamen Mischung, aber es entpuppt sich schnell als eine ziemlich coole.

“Thin Layers Of Lust And Love” kann fast wie eine wörtliche Beschreibung eurer Musik sein. Was steckt genau hinter diesem Titel?

Kaj: Nun ja, “The Thin Layers of Lust and Love” erforscht die grundsätzlichen menschlichen Beziehungen, und eine davon ist typisch für uns: Es ist die Art auf feinen Grenzen zwischen extremen Gefühlen (Ausgeglichenheit und Wut, Liebe und Hass, etc.) zu balancieren. Die innewohnende Instabilität jeglicher menschlichen Seele macht uns einerseits zu tiefen Gemütsbewegungen fähig und andererseits zu extremer, brutaler Gewalt. Dieses Paradoxon steckt in diesem Song.

Beabsichtigt ihr auf Tour zu gehen? Mit wem und wie lange?

Kaj: Leider ist derzeit keine Tour geplant, da wir das schlecht planen können aufgrund unserer Lebenssituationen. Während ich noch in Portugal lebe, sind die anderen in Norwegen. Wenn wir auf Tour gehen würden, dann wären großartige Shows das Minimum für uns. Da es eben für uns zur Zeit nicht möglich ist, schreiben wir lieber neues Material für ein weiteres Album.

Ich dachte, in Norwegen gibt es bloß Blackmetal-Bands. Welche Bands mit anderem Background sind für euch bemerkenswert?

Kaj: Zurzeit gibt es eigentlich genug norwegische Bands, die aus der Metalszene stammen. Vor allem die unterschiedlichen Stile überraschen meist. Es scheint so, dass Blackmetal für viele andere Bands die Türen geöffnet hatte. Ich meine auch, dass viele Leute, die anfangs mit Blackmetal zu tun hatten, sich nun auch auf anderen Feldern umhersehen. Eine der besten und auch dienstältesten ist RED HARVEST, die einen völlig eigenen Stil fahren. Falls du die Chance hast die mal live zusehen, solltest du sie dir unbedingt ansehen! Von den jüngeren Bands, die ich mag, sind es BENEA REACH und STONEGARD sowie ein paar progressive Acts wie ARCTURUS, WINDS, ARK ... Aber ich höre noch eine ganze Menge, die nicht nach Metal klingen wie eben die fantastischen BEL CANTO und ANJA GARBAREK und ich denke a-Ha sind brillant.

Erik: Røyksopp.

Nebenbei gefragt, gibt es für euch auch andere Interessen außer Musik?

Kaj: Klar! Ich habe neben der Musik noch eine ganze Menge anderer Interessen. Ab und zu brauche ich mal Abstand zur Musik und konzentriere mich auf andere Sachen wie Fotografieren, welches ich mit Reisen verbinde. Ich koche ziemlich gut und probiere darin ständig neue Kombinationen aus. Außerdem bin ich ein absoluter Film-Freak. Kürzlich begann ich damit einige TWISTED- Filmchen zu editieren. Aber nur zur eigenen Unterhaltung. Aber wer weiß, vielleicht stelle ich alles in ein paar Monaten auch auf unsere Webseite. Ich lese viel wenn ich dafür überhaupt Zeit finde. Aber manchmal denke ich, dass ich zuviel mache.

Was denkt ihr überhaupt über andere progressive Bands wie SYSTEM OF A DOWN, MESHUGGAH and MASTODON? Mögt ihr diese Musik überhaupt?

Kaj: Es ist schon ein Weilchen her als ich mal MESHUGGAH hörte, aber sie sind eine starke Band. Ich kann mich erinnern wie sie mich vor ein paar Jahren live wahnsinnig beeindruckten mit ihrem perfekten Mix aus rauer Energie und absoluter Kontrolle. MASTODON habe ich erst kürzlich begonnen zu hören, aber ihr letztes Album “Blood Mountain” mag ich sehr. Bei S.O.A.D. muss ich mich ein bisschen zurückhalten. Sie haben richtig coole Sachen, aber dann wenig interessante Ideen.

Erik: Ich denke nicht, jemals S.O.A.D. gehört zu haben, aber MESHUGGAH’s “Destroy, Erase, Improve” mochte ich schon zu Beginn an als das Album rauskam. Ich würde aber auch FREDERIK THORENDAHLS SPECIAL DEFECTS “Sol Niger Within” empfehlen. Starkes Zeug!

Habt ihr schon Ideen für ein neues Album?

Kaj: Eigentlich nicht so weit; zurzeit bin ich ziemlich viel mit Interviews und dem Aufbau unserer My Space-Seite beschäftigt. Das soll nicht heißen wir hätten keine Ideen, denn mittlerweile schreibe ich auch ein paar viel versprechende Ideen nieder.

Cool. Ich hoffe, dass euer Album erfolgreich wird. Habt ihr noch abschließende Worte für unsere Leser?

Kaj: Klar! Schaue mal auf die Interviewlänge! Ich hoffe ihr gebt “Then Comes Affliction to Awaken the Dreamer” eine Chance. Es braucht ein wenig Zeit, aber das Album wächst stetig je öfter man es hört. Checkt auch unsere Webseiten www.twistedintoform.no und www.myspace.com/officialtwistedintoform und lasst uns wissen, was ihr denkt.

In diesem Sinne. Danke für das Interview.
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