Wir dürfen nicht stehen bleiben!


Interview mit Deadlock
Melodic Modern Death Metal aus Deutschland - Schwarzenfeld
Am neuen Album der deutschen Melodic Deather DEADLOCK scheiden sich die Geister. Die Experimentierfreude der Band hat beeindruckende Früchte getragen – mehr Frauengesang, mehr Keyboards und sogar Techno-Ambitionen. Drummer Tobi und Gitarrist/Songwriter Sebastian sind sich der Wirkung von „Wolves“ voll bewusst und harren entspannt der Dinge, die zur heutigen Release-Show im Leipziger Conne Island kommen mögen. Bevor sie jedoch auf die Bühne dürfen, müssen sie der neugierigen Bloodchamber-Redakteurin erst einmal ein paar Fragen beantworten.

Heute erscheint euer neues Album. Seid ihr aufgeregt?


Tobi: Aufgeregt sein ist nicht das richtige Wort. Wir sind viel eher erleichtert, dass wir jetzt endlich den Release feiern dürfen. Zumal die Platte ja sehr, sehr viel Arbeit, Mühe und Energie gekostet hat. Wir sind gespannt, wie es jetzt ankommt, wie die Leute die ganzen Veränderungen annehmen. Ist ja ein neuer Stil mit neuen Elementen.

Habt ihr denn die Songs auch schon mal live probiert oder ist heute Premiere?

Tobi: Die Premiere ist heute. Wir hatten letzte Woche einen kleinen Workshop mit der ganzen Band, weil wir ja nie zusammen proben. Am Wochenende dann haben wir eine kleine Show für Freunde, Familie und geladene Gäste bei uns in der Heimat gespielt. Das war sehr erfolgreich. Das gibt einem Sicherheit für heute, dass auch alles funktioniert.

Sebastian: Das Problem ist wirklich, dass zwei Bandmitglieder aus Leipzig kommen. Der Rest lebt in Bayern. Wir haben die Songs praktisch nur einmal geprobt oder am Wochenende zwei oder dreimal durchgespielt. Es klappt aber trotzdem alles gut.

Legt ihr eigentlich Wert darauf, was die Leute von eurer Musik halten? Ich kenne beispielsweise mehrere Leute, die eure letzte Platte mochten, der neuen aber, vor allem aufgrund des Frauengesangs, eher abgeneigt sind. Berührt euch das oder ist die künstlerische Freiheit wichtiger?

Tobi: Wir haben noch nie etwas darauf gegeben, was die Leute von unserer Musik halten und wollten halt einfach machen, worauf wir Bock hatten. Sabines Stimme ist genau das, was wir wollten.

Sebastian: Wir sind die Künstler und machen das, was wir wollen. Wenn die Leute damit nicht klarkommen, ist das nicht unser Problem. Wir wollen uns ja nicht beugen und es den Medien recht machen. Das haben wir noch nie gemacht – Musik gespielt, die grad populär war. Obwohl uns gerade auch vorgeworfen wird, dass wir mit dem Frauengesang populär sein wollen. Das kann ich jetzt nicht unbedingt nachvollziehen. Das war einfach eine logische Weiterentwicklung.

Tobi: Aber uns war durchaus bewusst, dass einige Leute das kritisieren und die Sounds, die wir jetzt verarbeiten, nicht so gut finden. Es ist einfach cool und das, was wir machen wollen. Wie eben zum Beispiel dieser Technopart, über den sich viele Leute aufregen – das ist nur einfach nur ein Gag. Wir wollten eigentlich auch noch H.P. Baxxter von Scooter an Bord holen, nur als Witz eben. Dass sich da so viele Leute aufregen, ist doch schon wieder lustig.

Den Technopart find ich auch schräg...

Tobi: Ja, total schräg und vor allem auch richtig billig.

Das hört sich auch so an, wenn ich das so sagen darf.

Sebastian: Ja, klar. Wir wollten ja jetzt auch nicht die House-Musik revolutionieren. Es war wie gesagt nur ein Gag.

Tobi: Ich finds einfach spannend...erst der Technopart, dann das Gitarrensolo. Und auch live geht das ab wie Sau, wenn unser Basser da alleine auf der Bühne steht und den Technopart mitspielt. Wenn das mit H. P. Baxxter geklappt hätte, wäre das natürlich noch lustiger gewesen, aber leider... Aber dann wäre es vielleicht auch leichter als Witz verstanden worden.

An Frauengesang ist ja jetzt viel mehr dazu gekommen. Wie kam es eigentlich dazu, dass Sabine bei euch fest eingestiegen ist?

Tobi: Vorher stand das nie zur Debatte, weil Sabine immer eine andere Band hatte. Sie ist ja professionelle Sängerin. Sie ist Mutter geworden und hatte ein Jahr Pause. Wir haben uns dann Gedanken gemacht, ob es vielleicht Sinn machen würde, sie als festes Mitglied aufzunehmen. Dann haben wir sie gefragt und sie hat eigentlich sofort ja gesagt.

Sebastian: Wir waren ja die beiden, von denen das ausging. Von mir war da allerdings nie ein kommerzieller Gedanke dabei. Die Möglichkeit, sie mit an Bord zu haben und was man daraus machen kann, war einfach spannend.

Tobi: Wir hatten einfach Bock auf was Neues...und wollten die Leute auch überraschen und herausfordern.

Das klingt ja fast so, als hättet ihr das absichtlich gemacht, um jemanden vor den Kopf zu stoßen.

Tobi: Ja, was heißt absichtlich. Wir wollten uns eben nicht einschränken lassen und da macht’s auch schon wieder Spaß.

Eure Musik hat an sich nichts mehr mit Metalcore zu tun - nur euer Label Lifeforce wird oft damit in Verbindung gebracht. Ist die Ergreifung neuer musikalischer Elemente eigentlich auch eine Möglichkeit oder Notwendigkeit, sich von dieser ja mittlerweile leider etwas ausgelebten Musikrichtung endgültig zu distanzieren?

Tobi: Nee...wir haben uns ja nie kategorisiert oder in Schubladen gesteckt. Wir feiern ja dieses Jahr unser zehnjähriges Jubiläum. Wir haben 1997 mit Oldschool Hardcore angefangen. Das hat sich einfach im Laufe der Jahre so entwickelt.
Ich finde, wir haben uns schon immer von unserem Stil her abgehoben und haben nie das gemacht, was die anderen gemacht haben, was sich natürlich auf unsere Popularität etwas negativ ausgewirkt hat, weil wir eben nicht mitgeschwommen sind.
Wir haben eben ein gewissen künstlerischen Anspruch; bei uns muss immer alles harmonieren. Darum werden wir vielleicht auch manchmal als langweilig betitelt, weil der Metalcore mit seinen Moshparts halt live mehr abgeht. Aber ich finde unsere Musik alles andere als langweilig, weil sie sehr abwechslungsreich ist und so viele Details versteckt sind, aber solche Definitionen variieren einfach von Geschmack zu Geschmack.

Da ja mittlerweile rein gar nichts mehr vom Hardcore in eurer Musik zu spüren ist, fühlt ihr euch dann trotzdem noch bei eurem Label Lifeforce, das eher einen Hardcore/Metalcore-Schwerpunkt hat, zuhause?

Tobi: Ja, auf jeden Fall! Ich denke aber, dass Stefan (Lifeforce-Chef) auch da weg will. Er hatte es ja selbst nie als Metalcore-Label gesehen, sondern ist da einfach rein gesteckt worden. Mit Nightrage und Raintime sind ja auch noch andere Metalbands im Labelprogramm.

Sebastian: Es klappt alles super. Das ist nur wieder so ein Schubladen-Denken, das mag ich überhaupt nicht...

Man findet ja mittlerweile viele Elemente aus dem Gothic-Metal in eurer Musik – der weiblich-männliche Wechselgesang oder die dominanten Keyboards. Haben euch Bands aus diesem Genre beeinflusst?

Sebastian: Eigentlich gar nicht. Ich hör mir das auch gar nicht an. Ich mag dieses Gothic-Rumgeheule überhaupt nicht. Bei den großen Bands hör ich mal rein, aber ich kauf mir das nicht...Within Temptation so in der Richtung meinst du jetzt, oder?

...ja, das oder auch ältere Sachen. Bei frühen Paradise Lost-Sachen gab es die Frauengesang-Kompenente ja auch schon.

Sebastian: Auch nicht. Das Wechselspiel zwischen weiblichen und männlichen Vocals ist bei uns gar nicht aus diesem Bereich rausgenommen, sondern das ist halt einfach so passiert.

Wenn ich mir euer Album so anhöre, ist es von der Gesamtwirkung schon sehr düster, sogar traurig...

Sebastian: Ja, das würde ich auch so sagen, bloß war es wieder keine Absicht. Es ist halt einfach so. Wie klingt denn ein Heaven Shall Burn-Album? Es klingt sicher nicht fröhlich. Es ist eben generell Musik, die nachdenklich ist und nicht unbedingt fröhlich stimmt. Aber man kann wieder nicht sagen, dass wir direkt in diese Richtung wollten. Wir haben uns nicht hingestellt und gesagt, wir wollen jetzt ein trauriges Album schreiben.

DEADLOCK bedeutet ja soviel wie Stillstand. Wenn man sich eure musikalische Entwicklung so anschaut, denkt man jedoch keineswegs an Stillstand. Wie kommt man dann auf so einen Namen?

Sebastian: Der Name ist auf keinen Fall Programm.

Tobi: Als wir unseren Namen suchten, haben wir ausgelotet, was uns wichtig ist für das Wirken der Band. Wir haben festgestellt, dass uns vor allem wichtig war, nicht stehen zu bleiben, sich immer weiter zu entwickeln, dass keine Stagnation entsteht. Wenn wir den Namen DEADLOCK hören, soll uns das daran erinnern, dass wir dem entgegen treten müssen. Wir dürfen nicht stehen bleiben, sondern müssen immer weiter gehen – sowohl persönlich als auch musikalisch. So würde ich das jetzt interpretieren. Das ist schon zehn Jahre her, aber das ist jetzt das, was mir im Kopf hängen geblieben ist.

Interessant gewählt ist auch der Titel des neuen Albums: „Wolves“. Gibt es wieder ein textliches Konzept, das damit verbunden ist. Auf euren letzten Platten gab es ja ein Geschichte, die erzählt wurde. Geht es damit jetzt weiter?

Sebastian: Nein, die Geschichte begann auf unserer Split-CD mit Six Reasons To Kill und ist auf der letzten Platte „Earth.Revolt“ abgeschlossen worden. Auf „Wolves“ wollten wir bewusst jeden Song für sich allein stehen lassen, damit da ein bisschen mehr Spielraum bleibt.

Tobi: Zum Titel an sich: Zum einen sind Wölfe sehr seltene Tiere, so wie wir auch. Das beachtliche an Wölfen ist eben, dass sie in einem Rudel leben, also sehr loyal sind. Das ist bei uns als Band genauso – wir halten richtig zusammen, haben keine Line-Up-Wechsel. Wir sind halt fünf Kumpel, mittlerweile sogar sechs, die zusammen Musik machen und Spaß dabei haben.

Sebastian: Dazu muss ich sagen, dass wir eine Band sind, die nie einen Line-Up-Wechsel vorgenommen hat, nur damit wir besser werden. Da sind wir schon sehr eigen und in dieser Hinsicht nicht erfolgsorientiert. Manchmal bremst das schon, da wir alle in verschiedenen Berufen stecken. Es gibt immer verschiedene Gründe, aus denen man wahrscheinlich ein Bandmitglied auswechseln könnte, aber das machen wir aus freundschaftlichen Gründen nicht. So ist die Konstellation einfach perfekt.

Ihr lebt alle vegan und Straight-Edge. Fließt das in eure Texte mit ein?

Tobi: Ja, das Vegan-Leben vor allem. Straight Edge ist unser Ding, da braucht man nicht so viel Wind darum zu machen, aber vegan ist uns schon sehr wichtig. Joe, unser Frontmann, verarbeitet das auch in seinen Texten. Das ist oft ein bisschen zu deutlich.

Sebastian: Wir fühlen uns jetzt sicher nicht im Missionierungsauftrag, dass wir sagen müssen: Hey, ihr müsst jetzt alle vegan werden! Wir wollen nur unsere Ideale zeigen, eben, dass es auch so gehen kann, wie es gehen kann und warum das passiert. Ich muss schon sagen, dass ist in Joes Texten oft schon ein bisschen übertrieben und blutrünstig.

Tobi: Veganismus ist schon ein schwieriges Thema. Da muss man schon überlegen, wie man damit an die Leute rangeht.

Ist es euer Ziel, die Leute, die eure Musik hören, für dieses Thema offen zu machen?

Tobi: Wir wollen dem ganzen eher ein Forum bieten. Musik ist ja eine sehr gute Methode, um Gefühle zu verarbeiten und nach außen zu bringen. Wenn wir dadurch Leute erreichen und sie für so eine Sache öffnen können, wäre das schon die halbe Miete.

Stellt das Straight Edge-Sein eigentlich manchmal ein Problem dar, wenn ihr mit anderen Bands unterwegs seid, die eure Überzeugungen nicht teilen?

Tobi: Also, wir pissen da niemanden an, uns pisst auch niemand an. Die anderen lachen uns ab und an mal aus. Die meisten Bands freuen sich ja, weil sie von uns die Biermarken bekommen oder den Kasten Bier, der im Backstage-Raum steht. Von daher machen wir uns damit eigentlich nur Freunde, denke ich.
Es ist nicht so, dass wir da jetzt einen Kodex vorgeben oder so. Wenn jetzt jemand rauchen oder saufen will, dann soll er das auch machen. Klar, kann man da auch darüber sprechen und erklären, wieso.

Sebastian: Solange es legal ist und zugänglich ist, was soll ich da sagen. Nicht dass das jetzt falsch rüberkommt: Es stört mich auch nicht, wenn andere Menschen rauchen oder trinken.

Tobi: Wobei ich ja gegen ein Rauchverbot bin. Ich fände ein Zigarettenverbot besser...(lacht) nein, Spaß!

Jetzt der obligatorische Kurzfragen-Endspurt:
Was ist denn euer Lieblingssong auf „Wolves“ und warum?


Tobi: Oh! Hab’s mit noch gar nicht angehört. (allgemeine Belustigung) Nein, ich favorisiere „Dark Cell“, weil das einfach am poppigsten ist, und ich steh einfach total auf Melodien.

Sebastian: Ich bin für „Bloodpact“, weil der einfach am abwechslungsreichsten ist und sehr virtuos mit diesem schönen Gitarrensolo. Außerdem geht der auch vorne und ballert wie Sau.

Was ist die blödeste Frage, die euch je in einem Interview gestellt wurde?

Sebastian: Mal überlegen...ja, ich weiß was. Kürzlich hat mich ein russisches Magazin gefragt, ob es für uns wichtig ist, das wir einheitliche Kleidung auf der Bühne tragen, und ich hab echt nicht gewusst, was ich da schreiben sollte.

Ich hab schon ne Ahnung, wie ihr drauf antwortet, aber: Wir würdet ihr jemanden davon überzeugen, euer Album zu kaufen?

Tobi: Was hast du denn gedacht, was wir antworten?

Ich hab vermutet, euch fällt da nichts ein, weil es euch eigentlich total egal ist.

Sebastian: Nein, das ist schon was anderes. Wir möchten schon, dass die Leute unsere Musik hören und sie gut finden. Wenn es aber Leute gibt, die es nicht gut finden, tut’s mit leid, dann ist es halt so. Wobei ich schon will, dass ganz viele Leute das kaufen und wir dann reich werden, damit ich mir eine Villa kaufen kann...

Tobi: Nein, wenn ich hier Argumente bringen müsste, würde ich sagen: Es ist ein gut durchdachtes Album mit hohem künstlerischen Unterhaltungswert, einer fantastischen weiblichen Stimme, außergewöhnlich...und mit einer Portion Mut.

So, da wären wir schon wieder am Ende. Habt ihr noch ein paar abschließende weise Worte?

Tobi: Ja, Danke für das Interview und dass du uns die Möglichkeit gibst, uns hier ein bisschen zu äußern. War auch gar nicht langweilig...und großes Lob an eure Seite - die find ich echt cool! Schön, dass wir da dabei sein dürfen!
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