Schwarz macht schlank...und schön


Interview mit To Cast A Shadow
Doom Gothic Metal aus Norwegen - Oslo, Hamar, Kristiansand
TO CAST A SHADOW haben mit ihrer Eigenproduktion „All Alone“ eine Platte am Start, die für Doom- und Gothic-Jünger gleichermaßen Pflichtprogramm ist und durch ihre angenehm unverbrauchte Eleganz zu einem ganz großen Dauerbrenner reift. Wie es soweit kommen konnte, wird unser fernschreibender Freund Kent in den folgenden Zeilen beantworten...

Gruß aus Deutschland und herzlichen Glückwunsch zu eurem Debüt, Kent! - Glücklich, dass dieser Meilenstein geschafft ist?


Danke dir, und ja verdammt: Wir sind wirklich froh, dass die Scheibe fertig ist und vor allem, dass sie so ausfiel, wie wir uns das gewünscht haben. Es ist wirklich ein zutiefst befriedigendes Gefühl, wenn man endlich eine Kopie des fertigen Werks in Händen hält.

Wie lange hat es denn bis zu diesem Moment gedauert?

Wir waren eigentlich nur ein paar Tage im Studio, aber diese verteilten sich über einen recht großen Zeitraum. Die Aufnahmen begannen im Sommer 2006, mit ein paar sporadischen Sessions im Herbst und schließlich dem Mix im Januar 2007. Danach kamen dann Coverdesign, der gesamte Druck und so weiter, bis die Scheibe im Juni in die Läden kam. Insgesamt haben wir an „All Alone“ also etwa ein Jahr gearbeitet.

Ich hatte dir gegenüber ja bereits erwähnt, dass mich euer Material an THE GATHERING zu „Mandylion“-Zeiten erinnert, an den 90er Gothic Death von THEATRE OF TRAGEDY, vielleicht frühe TRISTANIA – speziell wegen dieser nicht vollkommen schwarzen Dunkelheit, dieser verspielten Lust an der Verzweiflung. Liegen dort auch eure musikalischen Wurzeln?

THEATRE OF TRAGEDY sind mit Sicherheit eine große Inspiration, zusammen mit Doombands wie MY DYING BRIDE, PARADISE LOST, ANATHEMA und TYPE 0 NEGATIVE. Insgesamt jedoch ist es wohl das Frühwerk von THE 3rd AND THE MORTAL, welches den langlebigsten und tiefgreifendsten Einfluß auf uns hat – diese Band hat Maßstäbe gesetzt, hat gezeigt, wie melodisch und atmosphärisch Doom sein kann und wie weibliche Vocals den Hörer gefangen nehmen können, wenn man sie richtig einsetzt. In dieser Hinsicht sind sie vielleicht unsere ewige Inspiration.

Manchmal frage ich mich, ob die oben beschriebene Atmosphäre eine Eigenart der Skandinavier ist, während europäische Vertreter wie AFTER FOREVER, LACUNA COIL oder LEAVES EYES dem Supermarkt-Gothic Metal frönen und reine Doombands ihr Augenmerk auf die generelle Hoffnungslosigkeit legen.
Woher kommt diese Einstellung, Melancholie mit einem bitteren, aber tief empfundenen Lächeln zu nehmen und vielleicht gerade dadurch ihre Schönheit hervorzukehren?


Hmm, das hast du schön gesagt! Ich denke tatsächlich, dass die düster-atmosphärischen Aspekte des Genres am deutlichsten im nördlichen Gothic Doom zu Tage treten, dieses dunkle Brüten, das Aufwühlen der innersten Gefühle – vielleicht, weil wir hier oben ansonsten ziemlich frostig drauf sind?! Wie du richtig erkannt hast, dreht sich in unserer Musik aber nicht alles um diese Dinge, sondern es wird auch sehr viel Wert auf die melodischen Aspekte gelegt.
Wenn man es aus dem rechten Blickwinkel betrachtet, können Dunkelheit und Verzweiflung durchaus von außergewöhnlicher Anmut beseelt sein...

Eines der besten Beispiele dafür ist mein derzeitiger Liebling „The Death Of Me“, in welchem Camillas Gesang und die ungewohnte Instrumentierung bewirken, dass „für jemanden sterben“ zu einem fast erfreulichen Akt der Selbstverwirklichung wird.
Victor Hugo sagte einst: „Melancholie ist das Glück, traurig zu sein.“ - was denkst du darüber? Kommt man TO CAST A SHADOW damit näher?


Ja doch, ich denke das trifft sowohl für die Band zu, als auch für die Art und Weise, in welcher wir uns Trauer und Verzweiflung nähern. Natürlich gibt es eine dunkle Grundstimmung, aber dadurch, dass unsere Songs sehr melodisch sind, bricht im übertragenen Sinne auch immer wieder Licht in die Hoffnungslosigkeit.
Hugos Aussage ist brilliant, denn sie beschreibt noch etwas viel Wichtigeres: Jedwedes Gefühl, sogar Trauer, ist umso angenehmer, befriedigender und reiner, je umfassender man sich ihm hingibt.

Wo darf ich unterschreiben? - Wenn man eure Texte als Maßstab nimmt, dürften eure Beziehungen recht unstete Gewässer sein. Wer ist für den lyrischen Teil verantwortlich und was davon ist Erlebtes, was dramatisch Zugespitztes?

Die Verse auf „All Alone“ stammen von Marcus und mir. Wir alle haben unsere dunklen Perioden, die meisten Beziehungen sehen irgendwann düstere Zeiten, und somit ist ein Großteil der beschriebenen Erlebnisse schon im Leben von uns selbst oder Bekannten verwurzelt.
Daneben gibt es aber auch Geschichten aus dem Leben einer blutdurstigen Ungarin – wie bei „Erzsebet“ - und selbstverständlich ist es hier und da hilfreich, ein paar Übertreibungen einzufügen, damit die Botschaft auch eindeutig rüberkommt... ;-)

Auch sehr ansprechend fand ich die Doom-Schlagseite in Tracks wie „Agonized“ und „A Suicidal Mind“. Was magst du an Doom eigentlich speziell und was gab den Ausschlag, diese Einflüsse bei TCAS einzubringen?
Damit könnte man zumindest ein paar Liebhaber des female-fronted Gothic Metal gehörig verschrecken...


Wir sind mit Doom Metal aufgewachsen und über die Jahre ist dieser Musikstil gewissermaßen zu einem Teil von uns geworden. Natürlich gab es später auch andere Impulse, aber unsere erste Liebe – noch vor Gothic – war nun mal der Doom und deswegen fühlen wir uns diesem Genre bis heute auch eher verbunden.
Wir sind uns allerdings darüber im Klaren, dass man uns aufgrund unserer weiblichen Fronterin fast unausweichlich ins Gothic-Schublädchen packen wird, was uns wiederum nicht wirklich stört. Wir mögen viele Gothic-Bands, also müssen wir niemandem predigen, dass wir gefühlsmäßig ein wenig anders drauf sind – das lohnt sich einfach nicht. Wir machen Musik hinter welcher wir emotional stehen, Musik die uns – und in der Folge hoffentlich auch anderen Menschen – etwas bedeutet. Folglich halte ich auch nichts davon, diese Herzensangelegenheit so zu gestalten, dass man vielleicht ein etwas größeres Stück des gerade relevanten Marktes abdeckt...

TO CAST A SHADOW ist ein recht langer Name – gibt es da irgendeine Geschichte dazu? Vielleicht ästhetisch, bezogen auf Schatten, oder ein Bedürfnis, als Person oder Band einen solchen zu werfen...?

Wir wollten einen metaphorischen und symbolischen Namen, der unsere Musik reflektiert und der Stimmung gerecht wird. Und selbst wenn er sich durch die Länge etwas schwieriger im Kopf der Menschen festsetzt, so denken wir doch, dass er dann umso länger dort verweilen wird...

Ich sagte es bereits im Review: Es ist unglaublich, dass sich kein Label für „All Alone“ erwärmen konnte! Wie lange habt ihr nach einem Partner gesucht?

Um ehrlich zu sein, haben wir vor dem Release nicht unbedingt ausdauernd nach einem Partner oder Label gesucht. TCAS war schon immer unser eigenes Projekt, unser kleiner Liebling, und das Album sollte dementsprechend eben genau so werden, wie wir uns das vorstellen. Davon abgesehen ist es natürlich sehr schwer, als Neuling und ohne weitreichende Kontakte im Bussiness Fuß zu fassen.
Mittlerweile haben wir einen Vertriebsdeal mit Indie Distribution, da wir natürlich wollen, dass jeder an dieser Art von Musik Interessierte die Möglichkeit hat, sich die Scheibe zuzulegen. Und vielleicht findet sich auch ein Label, welches ein zweites Album finanzieren würde – wir werden sehen, was die Zeit bringt und wie wir uns schlagen...

Im Booklet wird Gunhild als Gastsänerin geführt und auf eurer Myspace-Seite gibt es auch Fotos von ihr – ist sie ein ehemaliges Mitglied der Band oder wirklich nur Session-Sopran?

Es ergab sich, dass Gunhild ins Studio kam und für ein paar Songs die Vocals einsang. Sie ist eine sehr talentierte Studentin im Bereich Operngesang und bot sich daher für die Sopranparts und die Leadvocals in „Unjust“ einfach an.

Wann hat sich die Band eigentlich getroffen? Und habt ihr einfach drauflos gespielt, oder gab es schon eine gewisse Grundrichtung, die ihr verfolgen wolltet?

Marcus, Stian und ich sind eigentlich seit der Grundschule befreundet und wir spielen auch seit dieser Zeit in Bands zusammen – das muss wohl im letzten Jahrtausend, so um 1990, gewesen sein... ...Mann, sind wir alt. Wie die meisten anderen Bands haben wir mit Coversongs von BLACK SABBATH, LED ZEPPELIN, DEEP PURPLE und den anderen Verdächtigen angefangen und schafften es, trotz diverser Umzüge in andere Landes- oder Erdteile in Kontakt zu bleiben, auch wenn die Proben darunter natürlich etwas litten. Vor ein paar Jahren machten wir uns schließlich ernsthaft daran, eigenes Material zu schreiben, was dann auch zu unserem eigenen Stil führte, der eigentlich bis heute Bestand hat.
Zu diesem Zeitpunkt kam dann auch Camilla in die Band, sozusagen das letzte Puzzleteilchen, welches TO CAST A SHADOW komplettierte.

Gerade Camilla hat ja die Fähigkeit, eure Lieder in bestimmte Richtungen zu lenken, einfach indem sie ihre Stimme, ihr Timbre geringfügig modifiziert. Wer ist den für die Gesangslinien zuständig?

Die sind – wie die Texte – von Marcus und mir. Bei mir beginnt das meist mit einer Idee auf der Gitarre, darauf aufbauend folgt die Melodiegitarre, von welcher aus ich durch Änderungen im Arrangement schließlich zu den Gesangslinien komme. Camilla besorgt anschließend das Feintuning und sorgt dafür, dass das Ganze lebendig wird.

Habt ihr manchmal Angst, auf eure Frontdame reduziert zu werden?

Wir versuchen, die Band und unsere Musik in den Mittelpunkt zu rücken, auch wenn Sängerinnen naturgemäß etwas mehr Aufmerksamkeit entgegen gebracht wird. Es gibt bei uns darüber hinaus eine starken Zusammenhalt, der sich auch darin zeigt, dass wir Instrumente und Gesang als gleichwertige Ausdrucksmittel behandeln.

Angesichts des recht bekannten Coverdesigners und der fabelhaften Produktion vermute ich mal, dass „All Alone“ nicht ganz billig zu haben war. Was macht ihr neben der Musik?

Marcus, Stian und ich sind voll berufstätig, weshalb es für „All Alone“ dann schon ein paar Reserven gab, die wir anzapfen konnten. Ausserdem geschah das Ganze ja auch Stück für Stück, in größeren zeitlichen Abständen, so dass uns der gesamte Prozess gar nicht so kostspielig vorkam.
Nimmt man dazu noch die überaus fairen Deals für Studio und alles Andere, dann bleibt unterm Strich ein durchaus machbares Unternehmen...

Seid ihr auch in anderen Projekten aktiv?

Camilla ist hier recht bekannt, da sie ein Soloalbum mit norwegischer Folkmusik und eine Scheibe mit einer Folk-Gruppe namens SKREKK veröffentlicht hat. Der Rest von uns konzentriert sich vollends auf TO CAST A SHADOW.

Und gibt es da schon etwas in puncto Zukunftsplänen zu vermelden?

Nun ja, Tourpläne gibt es derzeit natürlich erst mal nicht, da wir zunächst abwarten müssen, wie unser Erstling ankommt. Zweifellos wäre es aber grandios, wenn wir ein paar Gigs im Ausland spielen könnten – warten wir es einfach ab.
Was neue Songs betrifft, nur soviel: Es gibt da durchaus schon ein paar Ideen... ;-)

OK Kent, ich danke dir für das kleine Interview und hoffe, dass eure wirklich außergewöhnliche Musik von möglichst vielen Menschen gehört und gewürdigt wird. Die letzten Worte darfst du dir natürlich krallen:

Wir möchten all unseren Fans und Freunden in Deutschland danken, vor allem den netten Leuten, die wir über Myspace kennengelernt haben. Denn am Ende zählt, dass unsere Musik andere Menschen berührt und inspiriert – um nichts Anderes geht es.


www.myspace.com/tocastashadow
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