Wodka schmeckt besser als Bourbon
Interview mit Die Apokalyptischen Reiter
Metal aus Deutschland - Apolda / Weimar
Metal aus Deutschland - Apolda / Weimar
DIE APOKALYPTISCHEN REITER sind derzeit kreuz und quer durch Europa unterwegs, um ihr neues Album "Licht" den Fans von der Bühne herunter zu präsentieren. Trotz des ganzen Stresses nahm sich der wie immer sehr sympathisch und fannah wirkende Bassist Volk-Man meiner Fragen an. Leider hat ein Treffen auf der Tour nicht geklappt, so dass ich ihn per E-Mail löchern konnte.
Hallo Volkmar, schön, dass du dir auf Tour die Zeit für ein Interview nimmst. Wie geht’s euch so? Was siehst du, wenn du gerade aus dem Fenster siehst und wie sind die bisherigen Reaktionen (die Antwort kann ich mir zwar schon denken, aber ich frage trotzdem)?
Aus dem Fenster sehen ist gut, der Raum in dem ich mich befinde ist gänzlich ohne Fenster, ein Backstageraum, wie man ihn sich wünscht. Dunkel, etwas ungemütlich und karg. Aber draußen vor der Tür ist es ganz nett, wir sind im Salzburger Land, habe vorhin schon einen Walk durch den Wald gemacht. Nebel, November, Blätter die von den Bäumen fallen, das hat was. Man muss auf Tour immer mal raus aus dem Bus, raus aus dem Tourtross, sonst wird man leicht irre. Obwohl diese Tour bislang sehr entspannt ist. Unsere Supports sind nett, die Crew arbeitet bestens, wir haben jeden Abend volles Haus und mega gut gelaunte Fans. Viele Tourneen gehen ja zur Zeit total krachen, weil es einfach über 150 Touren im Zeitraum Oktober/November gibt, die in Deutschland auf der Straße sind. Da ist es umso bemerkenswerter, dass es für uns so gut läuft und auch eine sehr schöne Form der Anerkennung von Seiten der Musikhörer.
Euer Auftritt auf dem Party San im vergangenen Jahr hat mir sehr gefallen. Wer hatte die Idee zu dieser besonderen Show? Ich kann mir vorstellen, dass es viele Fans gibt, die so einem Ereignis entgegengefiebert haben. Was haltet ihr rückblickend von dem Gig? Werdet ihr solche „Specials“ in dieser oder einer anderen Form (zu den entsprechenden Anlässen) wiederholen?
Nein, das wird wohl eine einmalige Aktion bleiben. Wir wollten einfach die enorme Bandbreite der Reitersongs dokumentieren, weil die DVD für uns auch so etwas wie das Ende einer Ära bedeutet. Das soll jetzt nicht so negativ klingen, aber nach einem Dutzend Jahren auf den Bühnen, über 800 Shows, sieben Platten war es längst Zeit, eine anständige DVD auf den Markt zu bringen. Die dunklere Frühphase von uns steht dabei gleichberechtigt zur neueren musikalischen Ausrichtung der Reiter und so bot sich die Chance, zwei unterschiedliche Shows mit völlig unterschiedlichen Sets zu planen. Natürlich gibt es viele Anfragen, ob wir den alten Kram nochmal im Rahmen einen speziellen Tour aufführen werden. Dazu kann ich momentan nur sagen, dass die Idee durchaus reizvoll ist, aber wir da sicherlich noch einige Zeit verstreichen lassen werden.
Inwieweit haben eure Reisen nach Russland Einfluss auf die neuen Songs gehabt? Kannst du irgendwelche Genres benennen, die mit großer Wahrscheinlichkeit nie in einem Reiter-Song verarbeitet werden?
Da möchte ich mich nicht festlegen. Russland hatte immer einen starken Einfluss auf uns, weil wir als ostdeutsche Buben die russische Kultur mit der Muttermilch aufgesogen haben und speziell slawische Volksmusik sehr gern bei uns gehört wird. Wir mögen einfach diese Melodien, die dieser Musik innewohnen, uns hat es immer schon nach Osten gezogen und es ist sicher kein Zufall, dass wir in Russland viel erfolgreicher sind als beispielsweise in den USA. Wodka ist ja auch deutlich leckerer als Bourbon. In wenigen Tagen werden wir unsere zweite Russland/Ukraine-Tour beginnen, es wird wieder ein großes Abenteuer werden. Neben den großen Städten wie Kiew, Moskau und St. Petersburg werden wir auch das erste mal in Rostow am Don und sogar in Krasnodar im Kaukasus spielen. Es gibt sogar Angebote für Shows in Sibirien.
Wie apokalyptisch seht ihr eure Texte im Vergleich zur Realität, auf die ihr euch bezieht? Was bedeutet Realität überhaupt? Ist es nicht nötig, der Realität jeden Tag ein Stückchen zu entfliehen, um ihr nicht irgendwann vollkommen erlegen zu sein?
Das kommt darauf an, wie man apokalyptisch definieren will. Apokalypse/Weltuntergang hat ja speziell im Metal einen eher comicartigen Anstrich, es ist wahrlich nichts besonderes, das Ende der Welt zu besingen, es wirkt auch nicht sonderlich bedrohlich, da es eher als Symbol in unserer Szene anzutreffen ist. Apokalypse kann man ja nicht auf den Aspekt des Untergangs reduzieren, sondern man muss immer im Blick haben, dass der Untergang die notwendige Reinigung/Vernichtung darstellt, aus der etwas Neues, Besseres entstehen kann/wird. Bei der aktuellen Bestandsaufnahme der Welt anno 2008 muss man kein großer Prophet sein, um einen nahenden Kollaps/Untergang innerhalb der nächsten Dekade(n) als realistische Option in sein Weltbild zu integrieren. Und natürlich gibt es auch jene, die gern laut schreien, dass diese Welt besser heute als morgen in Schutt und Asche fallen möge, es ist ja alles so verkommen/korrupt. Doch Untergang im biblischen Sinne meint ja dann doch, dass auch das eigene Leben dahingerafft werden wird, dass der Familie, Freunde. Unter dem Gesichtspunkt scheint es dann doch allzu menschlich, trotz offensichtlicher gesellschaftlicher Missstände darauf zu hoffen, dass es noch ein bisschen dauern wird, bis alles Leben ausgelöscht werden wird. Hoffnung ist letztlich auch DAS zentrale Thema von LICHT. Aber es ist eben aus der Perspektive verfasst, die ich eben dargelegt habe. Die Frage nach dem ob stellt sich nicht mehr, nur nach dem wann. Welche Schlüsse jeder daraus ziehen will, kann schwer vorausgesagt werden. Realitätsflucht mag hin und wieder ganz spannend sein, denn der, der immerzu grübelt, meint irgendwann, alle Pein der Welt auf seinen Schultern tragen zu müssen. Ich versuche, so weit möglich, viele Realitäten auf dem ganzen Globus zu erfahren, denn es gibt viele Wahrheiten.
Wer oder was ist „Der Elende“, den ihr besingt? Immerhin sind die beiden ersten Strophen in der Ich-Form geschrieben und mit dem Refrain wechselt bis zum Ende des Lieds die Perspektive.
Fuchs hat in Bangkok den Elenden auf der Straße gesehen. Ihn und seinen Freund, den Buckligen. Ein Mann ohne Beine, der auf der Straße herumgekrochen ist und von Bettelei lebt. Der Text beschreibt sehr gut, warum der Elende so ohne Hoffnung dahinsiecht. Der Perspektivwechsel von Strophe und Refrain ist ein Stilmittel, um den Hörer noch intensiver mit dem Thema zu konfrontieren. Live entfacht der Song eine fast gespenstische Stimmung. Fuchs schlüpft in die Rolle des Elenden und bittet mit einer Bettelschale um Almosen. Bislang hat das allerdings fast niemand kapiert, bisherigen Bettelrekord sind 24 Cent in Frankfurt/Main und ein Kondom in München.
Ich suche jetzt aus jeweils einem der letzten drei Cothurnus-Magazine eine Frage raus, die du einer Band gestellt hast. Ich versuche, es fair zu machen, damit du die Frage auch beantworten kannst. Du darfst gerne auch grübeln und uns mitteilen, wem du die Frage schon mal gestellt hast (quasi eine andere Form des Blind Fold Tests). Was fällt dir sonst noch zu den jeweiligen Interviews ein?
1. (2004) Gibt es demografische Daten über die Zusammensetzung eurer Fanschicht?
Leider keine genauen Zahlen bekannt, aber man hat ja auch Augen im Kopf und kann jeden Abend sehen, was so für Leute kommen. Unser Publikum wird immer jünger und weiblicher (der erste Trend), gleichzeitig aber auch bunter und nicht mehr ausschließlich metallischen Ursprungs. Ich denke, die Reiter sind mittlerweile ein Phänomen, dass sich nicht mehr auf einen einzige Szene beschränken/eingrenzen lässt.
2. (2001) Wenn deine Aufgabe bestände, darzulegen, weshalb Black Metal im Grunde eine Absurdität ist, wie wäre deine Reaktion?
Versuch mal einem Naturvolk, das nicht in schwarz/weiß bzw. gut/böse Kategorien unterscheidet klarzumachen, was Black Metal sein soll. Diese verkürzte Sichtweise auf die Welt hat uns das Christentum gebracht. Wenn BM-Bands das Christentum bekämpfen wollen, sich aber auf dieselbe Weltsicht Gott vs. Satan, Himmel vs. Hölle berufen, dann ist das schon ein sehr absurdes Ding. Fast so absurd, wie sich an Christ Himmelfahrt als Schwarzmetaller über den freien Tag zu freuen.
3. (1999) Was entgegnest du den Leuten, die immerfort predigen, das Leben sei sinnlos und überflüssig, und alle Dinge, die wir tun, sind nur Versuche, unseren Schmerz zu lindern?
Das sie aufhören sollen herum zu nerven. Wenn ihnen das Leben auf den Sack geht, dann sollen sie sich von einer Klippe stürzen. Nachdenken ist richtig und wichtig, aber zu viel Nachzudenken hat oft auch ganze Existenzen in den Wahnsinn getrieben. Manchmal muss man die Dinge so nehmen wie sie sind und manchmal muss man sich nicht schämen, sich ablenken zu lassen. Gerade ich als Unterhaltskünstler weiß, wovon ich spreche. Die Leute kommen zu uns, weil sie eine gute Zeit haben wollen und Ablenkung suchen. Wir sind somit ein Teil des Systems, das wir immer bekämpfen wollten. Shit.
Welche CDs hast du dir für dich ganz persönlich mit auf diese Tour genommen?
Alle. Ipod und fertig. CD ist tot, ich brauch das nicht mehr. Einfach alles dabei haben, Zufallsmodus an und genießen.
Was zieht dich immer wieder zurück zum Asphalt deiner Heimatstadt? Worauf freust du dich?
Der Asphalt reizt mich zu Hause eher weniger, dafür die Seen, Wälder und das viele Grün. Am meisten freue ich mich auf Familie und Freunde, meine Frau, meinen Sohn, auf Alltäglichkeit, keinen Soundcheck zu haben.
Du hast mir mal gesagt, dass du sehr gerne Apfelmus (natürlich aus biologisch versuchtem Anbau, wegen des Geschmacks) mit Zimt ist. Weihnachen steht vor der Tür, also Karten auf den Tisch: wann wirst du es das nächste Mal essen? Habt ihr mittlerweile einen Status, dass ihr euch Essen auf Tour wünschen (oder gar ordern) könnt?
Ja, mittlerweile ist das Essen auf Tour richtig gut. Wir haben einen Rider, wo wir unsere Wünsche drauf schreiben. Wir bevorzugen leichte Kost auf Tour, weil das viele fette Essen erstens träge und zweitens krank macht. Also Fisch, Thaifood und arabische Küche stehen ganz hoch im Kurs bei uns. Obwohl wir jetzt gerade, wo wir in Sachsen waren, herrliche Ente mit Rotkohl und Klößen verputzt haben. Gerade in der Vorweihnachtszeit schmeckt das richtig gut. Ich gehe ansonsten, wenn ich nicht gerade auf Tour bin, ganz gern Essen. Weimar hat ja die höchste Kneipendichte in Deutschland, das Angebot ist riesig.
So, dass war es auch schon. Ich hoffe, ich konnte dir die Zeit im Tourbus ein wenig verkürzen, wobei bei euch sicher nicht so schnell Langeweile aufkommt. Danke für deine Zeit, grüß bitte den Rest des Pferdeclubs und auch den Busfahrer (der ist wichtig, das weiß ich von meinen Fahrten zu Auswärtsspielen)! Die letzten Worte gehören dir!
Vielen Dank für die interessanten Fragen. Ein Interview ganz nach meinem Geschmack. Wer uns noch nicht auf Tour gesehen hat, der sollte sich ranhalten, zu viele Dates sind es nicht mehr. Wir werden dann erstmal eine kleine Pause machen und im Frühjahr das Paganfest Co-Headlinen. Das wird sicherlich ein großer Spaß werden. Liveblog und Bilder von Tour gibt es auf www.reitermania.de. Alles Gute. Volk-Man
Hallo Volkmar, schön, dass du dir auf Tour die Zeit für ein Interview nimmst. Wie geht’s euch so? Was siehst du, wenn du gerade aus dem Fenster siehst und wie sind die bisherigen Reaktionen (die Antwort kann ich mir zwar schon denken, aber ich frage trotzdem)?
Aus dem Fenster sehen ist gut, der Raum in dem ich mich befinde ist gänzlich ohne Fenster, ein Backstageraum, wie man ihn sich wünscht. Dunkel, etwas ungemütlich und karg. Aber draußen vor der Tür ist es ganz nett, wir sind im Salzburger Land, habe vorhin schon einen Walk durch den Wald gemacht. Nebel, November, Blätter die von den Bäumen fallen, das hat was. Man muss auf Tour immer mal raus aus dem Bus, raus aus dem Tourtross, sonst wird man leicht irre. Obwohl diese Tour bislang sehr entspannt ist. Unsere Supports sind nett, die Crew arbeitet bestens, wir haben jeden Abend volles Haus und mega gut gelaunte Fans. Viele Tourneen gehen ja zur Zeit total krachen, weil es einfach über 150 Touren im Zeitraum Oktober/November gibt, die in Deutschland auf der Straße sind. Da ist es umso bemerkenswerter, dass es für uns so gut läuft und auch eine sehr schöne Form der Anerkennung von Seiten der Musikhörer.
Euer Auftritt auf dem Party San im vergangenen Jahr hat mir sehr gefallen. Wer hatte die Idee zu dieser besonderen Show? Ich kann mir vorstellen, dass es viele Fans gibt, die so einem Ereignis entgegengefiebert haben. Was haltet ihr rückblickend von dem Gig? Werdet ihr solche „Specials“ in dieser oder einer anderen Form (zu den entsprechenden Anlässen) wiederholen?
Nein, das wird wohl eine einmalige Aktion bleiben. Wir wollten einfach die enorme Bandbreite der Reitersongs dokumentieren, weil die DVD für uns auch so etwas wie das Ende einer Ära bedeutet. Das soll jetzt nicht so negativ klingen, aber nach einem Dutzend Jahren auf den Bühnen, über 800 Shows, sieben Platten war es längst Zeit, eine anständige DVD auf den Markt zu bringen. Die dunklere Frühphase von uns steht dabei gleichberechtigt zur neueren musikalischen Ausrichtung der Reiter und so bot sich die Chance, zwei unterschiedliche Shows mit völlig unterschiedlichen Sets zu planen. Natürlich gibt es viele Anfragen, ob wir den alten Kram nochmal im Rahmen einen speziellen Tour aufführen werden. Dazu kann ich momentan nur sagen, dass die Idee durchaus reizvoll ist, aber wir da sicherlich noch einige Zeit verstreichen lassen werden.
Da möchte ich mich nicht festlegen. Russland hatte immer einen starken Einfluss auf uns, weil wir als ostdeutsche Buben die russische Kultur mit der Muttermilch aufgesogen haben und speziell slawische Volksmusik sehr gern bei uns gehört wird. Wir mögen einfach diese Melodien, die dieser Musik innewohnen, uns hat es immer schon nach Osten gezogen und es ist sicher kein Zufall, dass wir in Russland viel erfolgreicher sind als beispielsweise in den USA. Wodka ist ja auch deutlich leckerer als Bourbon. In wenigen Tagen werden wir unsere zweite Russland/Ukraine-Tour beginnen, es wird wieder ein großes Abenteuer werden. Neben den großen Städten wie Kiew, Moskau und St. Petersburg werden wir auch das erste mal in Rostow am Don und sogar in Krasnodar im Kaukasus spielen. Es gibt sogar Angebote für Shows in Sibirien.
Wie apokalyptisch seht ihr eure Texte im Vergleich zur Realität, auf die ihr euch bezieht? Was bedeutet Realität überhaupt? Ist es nicht nötig, der Realität jeden Tag ein Stückchen zu entfliehen, um ihr nicht irgendwann vollkommen erlegen zu sein?
Das kommt darauf an, wie man apokalyptisch definieren will. Apokalypse/Weltuntergang hat ja speziell im Metal einen eher comicartigen Anstrich, es ist wahrlich nichts besonderes, das Ende der Welt zu besingen, es wirkt auch nicht sonderlich bedrohlich, da es eher als Symbol in unserer Szene anzutreffen ist. Apokalypse kann man ja nicht auf den Aspekt des Untergangs reduzieren, sondern man muss immer im Blick haben, dass der Untergang die notwendige Reinigung/Vernichtung darstellt, aus der etwas Neues, Besseres entstehen kann/wird. Bei der aktuellen Bestandsaufnahme der Welt anno 2008 muss man kein großer Prophet sein, um einen nahenden Kollaps/Untergang innerhalb der nächsten Dekade(n) als realistische Option in sein Weltbild zu integrieren. Und natürlich gibt es auch jene, die gern laut schreien, dass diese Welt besser heute als morgen in Schutt und Asche fallen möge, es ist ja alles so verkommen/korrupt. Doch Untergang im biblischen Sinne meint ja dann doch, dass auch das eigene Leben dahingerafft werden wird, dass der Familie, Freunde. Unter dem Gesichtspunkt scheint es dann doch allzu menschlich, trotz offensichtlicher gesellschaftlicher Missstände darauf zu hoffen, dass es noch ein bisschen dauern wird, bis alles Leben ausgelöscht werden wird. Hoffnung ist letztlich auch DAS zentrale Thema von LICHT. Aber es ist eben aus der Perspektive verfasst, die ich eben dargelegt habe. Die Frage nach dem ob stellt sich nicht mehr, nur nach dem wann. Welche Schlüsse jeder daraus ziehen will, kann schwer vorausgesagt werden. Realitätsflucht mag hin und wieder ganz spannend sein, denn der, der immerzu grübelt, meint irgendwann, alle Pein der Welt auf seinen Schultern tragen zu müssen. Ich versuche, so weit möglich, viele Realitäten auf dem ganzen Globus zu erfahren, denn es gibt viele Wahrheiten.
Wer oder was ist „Der Elende“, den ihr besingt? Immerhin sind die beiden ersten Strophen in der Ich-Form geschrieben und mit dem Refrain wechselt bis zum Ende des Lieds die Perspektive.
Fuchs hat in Bangkok den Elenden auf der Straße gesehen. Ihn und seinen Freund, den Buckligen. Ein Mann ohne Beine, der auf der Straße herumgekrochen ist und von Bettelei lebt. Der Text beschreibt sehr gut, warum der Elende so ohne Hoffnung dahinsiecht. Der Perspektivwechsel von Strophe und Refrain ist ein Stilmittel, um den Hörer noch intensiver mit dem Thema zu konfrontieren. Live entfacht der Song eine fast gespenstische Stimmung. Fuchs schlüpft in die Rolle des Elenden und bittet mit einer Bettelschale um Almosen. Bislang hat das allerdings fast niemand kapiert, bisherigen Bettelrekord sind 24 Cent in Frankfurt/Main und ein Kondom in München.
1. (2004) Gibt es demografische Daten über die Zusammensetzung eurer Fanschicht?
Leider keine genauen Zahlen bekannt, aber man hat ja auch Augen im Kopf und kann jeden Abend sehen, was so für Leute kommen. Unser Publikum wird immer jünger und weiblicher (der erste Trend), gleichzeitig aber auch bunter und nicht mehr ausschließlich metallischen Ursprungs. Ich denke, die Reiter sind mittlerweile ein Phänomen, dass sich nicht mehr auf einen einzige Szene beschränken/eingrenzen lässt.
2. (2001) Wenn deine Aufgabe bestände, darzulegen, weshalb Black Metal im Grunde eine Absurdität ist, wie wäre deine Reaktion?
Versuch mal einem Naturvolk, das nicht in schwarz/weiß bzw. gut/böse Kategorien unterscheidet klarzumachen, was Black Metal sein soll. Diese verkürzte Sichtweise auf die Welt hat uns das Christentum gebracht. Wenn BM-Bands das Christentum bekämpfen wollen, sich aber auf dieselbe Weltsicht Gott vs. Satan, Himmel vs. Hölle berufen, dann ist das schon ein sehr absurdes Ding. Fast so absurd, wie sich an Christ Himmelfahrt als Schwarzmetaller über den freien Tag zu freuen.
3. (1999) Was entgegnest du den Leuten, die immerfort predigen, das Leben sei sinnlos und überflüssig, und alle Dinge, die wir tun, sind nur Versuche, unseren Schmerz zu lindern?
Das sie aufhören sollen herum zu nerven. Wenn ihnen das Leben auf den Sack geht, dann sollen sie sich von einer Klippe stürzen. Nachdenken ist richtig und wichtig, aber zu viel Nachzudenken hat oft auch ganze Existenzen in den Wahnsinn getrieben. Manchmal muss man die Dinge so nehmen wie sie sind und manchmal muss man sich nicht schämen, sich ablenken zu lassen. Gerade ich als Unterhaltskünstler weiß, wovon ich spreche. Die Leute kommen zu uns, weil sie eine gute Zeit haben wollen und Ablenkung suchen. Wir sind somit ein Teil des Systems, das wir immer bekämpfen wollten. Shit.
Welche CDs hast du dir für dich ganz persönlich mit auf diese Tour genommen?
Alle. Ipod und fertig. CD ist tot, ich brauch das nicht mehr. Einfach alles dabei haben, Zufallsmodus an und genießen.
Was zieht dich immer wieder zurück zum Asphalt deiner Heimatstadt? Worauf freust du dich?
Der Asphalt reizt mich zu Hause eher weniger, dafür die Seen, Wälder und das viele Grün. Am meisten freue ich mich auf Familie und Freunde, meine Frau, meinen Sohn, auf Alltäglichkeit, keinen Soundcheck zu haben.
Du hast mir mal gesagt, dass du sehr gerne Apfelmus (natürlich aus biologisch versuchtem Anbau, wegen des Geschmacks) mit Zimt ist. Weihnachen steht vor der Tür, also Karten auf den Tisch: wann wirst du es das nächste Mal essen? Habt ihr mittlerweile einen Status, dass ihr euch Essen auf Tour wünschen (oder gar ordern) könnt?
Ja, mittlerweile ist das Essen auf Tour richtig gut. Wir haben einen Rider, wo wir unsere Wünsche drauf schreiben. Wir bevorzugen leichte Kost auf Tour, weil das viele fette Essen erstens träge und zweitens krank macht. Also Fisch, Thaifood und arabische Küche stehen ganz hoch im Kurs bei uns. Obwohl wir jetzt gerade, wo wir in Sachsen waren, herrliche Ente mit Rotkohl und Klößen verputzt haben. Gerade in der Vorweihnachtszeit schmeckt das richtig gut. Ich gehe ansonsten, wenn ich nicht gerade auf Tour bin, ganz gern Essen. Weimar hat ja die höchste Kneipendichte in Deutschland, das Angebot ist riesig.
So, dass war es auch schon. Ich hoffe, ich konnte dir die Zeit im Tourbus ein wenig verkürzen, wobei bei euch sicher nicht so schnell Langeweile aufkommt. Danke für deine Zeit, grüß bitte den Rest des Pferdeclubs und auch den Busfahrer (der ist wichtig, das weiß ich von meinen Fahrten zu Auswärtsspielen)! Die letzten Worte gehören dir!
Vielen Dank für die interessanten Fragen. Ein Interview ganz nach meinem Geschmack. Wer uns noch nicht auf Tour gesehen hat, der sollte sich ranhalten, zu viele Dates sind es nicht mehr. Wir werden dann erstmal eine kleine Pause machen und im Frühjahr das Paganfest Co-Headlinen. Das wird sicherlich ein großer Spaß werden. Liveblog und Bilder von Tour gibt es auf www.reitermania.de. Alles Gute. Volk-Man