Himmel, Hölle und Valhalla...


Interview mit Doomshine
Doom Metal aus Deutschland - Ludwigsburg
Vor geraumer Zeit haben die Ludwigsburger DOOMSHINE mit "The Piper At The Gates Of Doom" ein bärenstarkes Epic Doom Manifest veröffentlicht, das von keinem Genre-Fan ignoriert werden sollte. Gitarrist und Sänger Tim lässt die Veröffentlichung nochmal Revue passieren, gibt Einblick in das Bandgeschehen und lüftet die Perlen in seinem privaten Plattenschrank.

Hey Jungs! Vorneweg erstmal Glückwunsch für "The Piper At The Gates Of Doom", mit dem ihr ein bärenstarkes Album abgeliefert habt. Wenn man die Presse so verfolgt, gibt es ja niemanden, der ernsthaft an diesem Album rumnörgelt, oder?

Ja, das ist tatsächlich so. Es gibt kaum kritische Bemerkungen, die uns ärgern. Es wird zwar mal bemängelt, dass wir zu wenig mit dem Tempo variieren, manche finden das Album etwas zu lang und das Cover kommt auch nicht überall so gut weg. Aber du hast schon recht, fast alle Reviews sind gut bis sehr gut ausgefallen, das freut uns natürlich riesig.

Das Album wurde ja bereits vor ein paar Monaten veröffentlicht. Konntet ihr bereits Abstand gewinnen und wie steht ihr heute zu eurem Werk?

Ich hab das Album absichtlich mal ein paar Wochen auf die Seite gelegt. Als dann unser Drummer Schlaps seinen letzten Geburtstag mit einer kleinen Releaseparty verbunden hat, hab ich das komplette Werk nach längerer Zeit mal wieder am Stück gehört und war echt beeindruckt, haha. Ich leg das Ding zwar nicht regelmäßig auf, aber ab und zu hab ich tatsächlich Lust auf uns selbst und will "River Of January" oder "The Crow Pilot" hören. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen. Ich hab mal gehört, dass es da draußen den einen oder anderen Death Metal Musiker gibt, der zwar härtesten Stoff spielt und veröffentlicht, daheim dann aber doch lieber U2 hört. So will ich nicht enden…

Der Titel "The Piper At The Gates Of Doom" ist eine starke Anlehnung an das Debüt von PINK FLOYD. Eine Art Hommage an eure Helden oder nur ein verflixt geiler Titel?

Echt? PINK FLOYD? Nie gehört. Okay, okay, du hast natürlich recht. "The Piper At The Gates Of Dawn" von PINK FLOYD verfolgt mich schon seit Jahren. Es gibt kaum einen besser klingenden Albumtitel, da wollten wir einfach noch einen draufsetzen. Musikalisch haben wir zwar nicht so viel mit den Altmeistern zu tun, aber bei unserem letzten Album hatte ich mit "Shine On Sad Angel" schließlich auch schon ein bisschen bei PINK FLOYD geklaut. Sehr genial übrigens auch, wie sich MINISTRY mit "Dark Side Of The Spoon" ebenfalls mal bei PINK FLOYD bedient haben.

Zwischen eurem Debüt und dem aktuellen Album liegen doomige 6 Jahre. Warum diese lange Wartezeit, was habt ihr in all der Zeit getan?

Och, gar nicht mal so außergewöhnliche Sachen. Das ganz normale Leben eben. Unsere Rhythmussektion war in Sachen Nachwuchs ziemlich fleißig, unsere Jobs, Familien und sonstige Privatvergnügen kosten auch ´ne Menge Zeit, ab und zu spielen für ja auch mal einen Gig und so nebenbei haben wir auch noch 70 Minuten für den "Piper" aufgenommen. Da das komplette Produkt von vorn bis hinten ja fast eine Eigenproduktion ist, kannst du dir vorstellen, dass so was kaum in ein paar Wochen zu machen ist. Sechs Jahre können so unglaublich schnell vorbeigehen.

Habt ihr den Erfolg von "Thy Kingdoom Come" in irgendeiner Form analysiert und die Komposition von neuen Tracks daran ausgerichtet? Wie geht ihr an ein neues Album und an neue Stücke heran?

Nein, überhaupt nicht. Der Übergang war damals eher fließend. Wir hatten "The Cross" vom Debüt fertig und haben direkt im Anschluß bereits mit "Actors Of The Storm" vom neuen Album weitergemacht. Dementsprechend alt sind die Songs auf "The Piper At The Gates Of Doom". Wenn wir einen neuen Song starten, wissen wir eigentlich nie so recht, wo die Reise hingeht. Bei uns ist definitiv mehr Bauch als Kopf im Spiel. Und das meine ich jetzt nicht anatomisch, haha. Was wir bzw. Carsten aber tatsächlich so gewollt haben, ist der viel erdigere Mix des Albums. Wir wollten einfach, dass wir etwas mehr wie wir selbst klingen, das war beim Debut teilweise leider nicht der Fall.

Apropos „ihr“, stellt unseren Lesern die Köpfe hinter Doomshine und eure Historie doch mal etwas genauer vor.

Also, wenn man die ganze Sache chronologisch betrachtet, müsste man wohl so im Jahr 1988 anfangen, als Sven (git.) und ich uns kennengelernt haben. Zwei, drei Jahre später liefen uns dann auch Schlaps (dr.) und Carsten (bs.) über den Weg. Allerdings habe ich anfangs nur mit Schlaps musiziert, Carsten kam dann Mitte der 90er zu uns, als mein Bruder noch bei uns gesungen hat. Mit Sven ging es dann erst im Jahr 2000 los, als wir unter unserem früheren Namen SLEEP WITH THE DEVIL einen, einzigen Gig gespielt haben. Sven war in den 90ern Gitarrist bei VARIETY OF ARTS, aus denen später TRAGEDY DIVINE wurden. Die haben ein richtig klasse Power Metal Album ("Visions of Power") so im Stil von HELSTAR und LIEGE LORD rausgebracht. Aus zwei drittel TRAGEDY DIVINE wurden später übrigens SACRED STEEL. Der Rest inklusive Sven wurde dann zu SPIRAL TOWER, auch die haben ein bockstarkes Album ("Mindkiller") gemacht, das sollte man als Power Metal Fan unbedingt in seiner Sammlung haben. Jedenfalls ist mein Bruder dann 2001 ausgestiegen und wir haben uns kurz darauf DOOMSHINE genannt und haben unsere ersten zwei Songs "Shine On Sad Angel" und "Where Nothing Hurts But Solitude" aufgenommen und über Metal Supremacy als 7“ Vinyl Single rausgebracht. 2003 haben wir das erste Doom Shall Rise Festival eröffnet und 2004 kam über Iron Glory unser Debut "Thy Kingdoom Come" raus. Die sechs Jahre Pause habe ich ja schon erklärt und ruckzuck sind wir schon im Jahr 2010 angekommen.

"The Piper At The Gates Of Doom" ziert ein sehr fantasievolles Cover. Steht da eine besondere Idee dahinter, oder wolltet ihr den Hörer auch visuell in andere Welten entführen, wie ihr es ja auch musikalisch tut?

Als ich Carsten die Texte erklärt habe und wir uns auf den Albumtitel geeinigt haben, hat er dies auf seine Art und Weise umgesetzt. Das komplette Artwork steht also ganz im Dienste der textlichen Inhalte. Mit dem fiktiven "Piper" als Hauptcharakter steht der personifizierte Wächter der bitteren Wahrheit im Blickpunkt. Ich finde, dass Carsten mit diesem Bild perfekt die Stimmung des Albums eingefangen hat, ich bin wirklich schwer begeistert davon. Vor allem, wenn man weiß, wie viel Arbeit dahinter steckt.

Für was stehen die Texte bei DOOMSHINE? Wollt ihr den Hörern einfach nur eine tolle Geschichte erzählen oder steht da wesentlich mehr dahinter?

Wir hatten zwar nicht geplant, ein Konzeptalbum zu machen, aber von der textlichen Seite her ist es auf jeden Fall so was in der Art geworden. Es geht im Prinzip ständig um das Verhältnis zwischen unserem Planet und der Menschheit an sich. Diese Basis hat uns ermöglicht, alle möglichen Themen anzuschneiden. Es geht, grob gesagt, um Gott und die Welt, Religionen, Kriege und um die Respektlosigkeit gegenüber unserer Natur. Am Ende wird das unseren Planeten kaum jucken, wir richten uns schon selbst zu Grunde, alles andere erholt sich wieder von uns. Einer meiner Lieblingswitze ist: Treffen sich zwei Planeten, sagt der eine: „Du, ich glaub ich hab Homo Sapiens.“ Sagt der andere: „Macht nix, das geht wieder weg.“ Genau darum geht´s eigentlich.

Für mich ist der Song "Hark! The Absurd Angels Fall" DAS Highlight des Album, das gerade durch seinen genialen Refrain hervor sticht. Habt ihr eindeutige Favoriten auf dem Album?

Freut mich zu hören, da stimme ich dir bezüglich des Refrains absolut zu. Wir haben untereinander sicherlich immer wieder mal einen Lieblingssong, das ändert sich aber von Woche zu Woche. Ich denke aber trotzdem, dass wir mit "Sanctuary Demon" und "River of January" zwei echt Kracher kreiert haben. "Doomshine Serenade" finde ich auch sehr gelungen.

Ihr werdet sicherlich alle Nase lang darauf angesprochen, aber der Song "Waltzhalla" sticht auf Grund seines doch speziellen Titels besonders hervor. Was hat es genau mit "Waltzhalla" auf sich, wo findet man diesen Ort?

Nach "Waltzhalla" haben uns schon einige Leute gefragt. Das war bei dem seltsamen Titel in der Tat zu erwarten. Eigentlich war es ja nur der Arbeitstitel, da der Song so einen schönen Walzertakt hat. Speziell Sven fand den Titel aber so gut, dass er ihn behalten wollte, was sollte ich da schon dagegen tun? Also habe ich mir einen Text dazu einfallen lassen, in dem alle Kriegsverbrecher und alle, die sinnlose Gewalt anwenden, nach ihrem Tod eine extra Portion Strafe abbekommen. Statt Himmel, Hölle oder Valhalla heißt der Ort des Geschehens eben "Waltzhalla". Die Verbrecher werden dort auf schmerzhafte Weise mit ihrem Gewissen konfrontiert und müssen dazu zu schlechter Musik auf Ewigkeit ihrem niemals zu erreichenden, endgültigen Tod entgegen tanzen. Zusätzlich plagt diese Gestalten ständiger Durst, dabei gibt es nur furchtbar schmeckende, nicht durstlöschende Getränke. Alkoholfrei!

Auf "The Piper At The Gates Of Doom" befindet sich mit "Vanished" ein Cover eurer deutschen Kollegen MIRROR OF DECEPTION. Wie genau kam es dazu?

Vor fünf Jahren haben die Jungs ihr 15jähriges Bandjubiläum gefeiert und ein paar befreundete Bands dazu eingeladen ein paar eigene Stücke plus ein MIRROR Cover zu spielen. Wir haben uns "Vanished" von der "Conversion"-EP rausgesucht, die MIRROR OF DECEPTION damals bei unserem Carsten aufgenommen hatten. Wir waren alle sehr begeistert von unserer Version, so dass wir das Stück dann aufs Album gepackt haben. Ich finde dies ein schönes Statement für die Ewigkeit.

Von MIRROR OF DECEPTION mal Richtung Deutschland. Gibt es eigentlich sowas wie eine Doom-Szene hier, die sich unterstützt und gegenseitig anregt. Oder ist das eine übersichtliche Sache, bei der man nur selten in Kontakt kommt?

Wenn du darauf eine richtig gute Antwort willst, solltest du Jochen von MIRROR OF DECEPTION mal fragen. Der Kerl ist schon seit weit über 20 Jahren Deutschlands Doompapst und hat nicht zuletzt als Doom Shall Rise Organisator immer den aktuellen Überblick, auch international. Wenn ich dir jetzt sage, dass Deutschlands Doomszene recht übersichtlich ist, würde mich Jochen wahrscheinlich sofort berichtigen, haha.

Wenn man mit der Lupe sucht, findet man bestimmt zig Einflüsse, die euren Sound in irgendeiner Form prägen. Was sind eure Helden, die euer Schaffen prägen und überhaupt dazu geführt haben, mit DOOMSHINE selbst eine Band aus der Taufe zu heben?

Wie du aus der letzten Antwort bereits herauslesen konntest, kann man uns nicht gerade als absolute Doomexperten ausfragen. Unser gemeinsamer Nenner in Bezug auf DOOMSHINE sind sicherlich BLACK SABBATH, CANDLEMASS, TROUBLE und SOLITUDE AETURNUS. Ansonsten stehen wir natürlich auf die Metalgötter JUDAS PRIEST, IRON MAIDEN und DIO, auch eine gemeinsame Faszination für Bands wie SANCTUARY, PSYCHOTIC WALTZ, FATES WARNING, HELSTAR oder KING DIAMOND / MERCYFUL FATE können wir nicht von der Hand weisen.

Beschäftigt ihr euch intensiv mit der aktuellen Metalszene im Allgemeinen und dem Doom Metal im Speziellen? Wenn ja, was sind eure Insider-Tipps, die wir unbedingt anchecken müssen?

Ich würde mal sagen, dass wir Metal im Allgemeinen einigermaßen gut im Blick haben, das schließt Doom natürlich mit ein. Seit dem letzten Doom Shall Rise Auftritt sind RITUALS OF THE OAK wohl kein Geheimtipp mehr. Wem das als Doomfan nichts sagt, sollte sich unbedingt mal damit beschäftigen. Wunderschöner, purer Doom Metal mit wahnsinnig gutem, weiblichen Gesang. Wir hören je nach Laune auch mal etwas modernere Sachen oder schönen, düsteren Prog oder das Zeug von ARJEN LUCASSEN. Auch die JORN LANDE Soloscheiben finde ich absolut unterbewertet. Ansonsten mag ich aber auch eher undergroundige Sachen sehr gerne. Meine Empfehlungen: SLOUGH FEG, OBSCURE (aus Norwegen), BIBLE OF THE DEVIL, PRIDE TIGER, WHILE HEAVEN WEPT, HEART OF CYGNUS, ARGUS und natürlich die bereits im Rock Hard hochgelobten ATLANTEAN KODEX, THE DEVIL'S BLOOD, GHOST und die absolut genialen VANDERBUYST.

Stellt euch mal die unwahrscheinliche Situation vor, dass es noch jemanden gibt, der noch nie von euch gehört hat :) Wie würdet ihr ihm in einem Satz von euch überzeugen und euren Stil beschreiben?

Hallo Fremder, bitte nimm dir doch ein kühles Bier, wir sind die netten Jungs von nebenan und spielen Melodic Doomed Metal.

Eure Homepage führt den nächsten Gig von euch erst für den 15. April 2011 an. Für jemanden wie mich, der euch noch nie gesehen, leider ein bißchen wenig. Habt ihr noch andere Pläne oder spielt ihr einfach nicht gerne live? Und was erwartet einen, wenn man euch noch nie livehaftig erlebt hat?

Ja, da geht zur Zeit recht wenig, das stimmt. Wir haben zwar auch den einen oder anderen Gig absagen müssen, aber die Nachfrage ist zur Zeit leider nicht besonders hoch. Ich muss zugeben, dass wir von alleine unsere Ärsche auch nicht wirklich hoch bekommen. Aber Livemuffel sind wir eigentlich nicht. Ich umschreibe unsere Faulheit eigentlich sehr gern so, dass ich sage, wir sind halt ´ne Liverarität. Immerhin besser, als wenn uns die Leute zu schnell satt haben. Ich hoffe, du kommst auch mal in den Genuss, uns live zu erleben. Wir bieten zwar nichts Spektakuläres, aber dafür siehst du eine durch und durch ehrliche Band. Bei uns würdest du sogar im Proberaum Spaß haben. Komm doch einfach mal vorbei, wir proben immer dienstags, haha.

Was wollt ihr noch mit DOOMSHINE erreichen? Gewisse Bands haben da ja einen Masterplan. Ihr auch, oder agiert ihr eher aus dem Bauch heraus und lasst die Zukunft einfach auf euch zukommen?

Masterplan bei DOOMSHINE? Um Himmels Willen… Das ist ja wie AC/DC mit Metalcore Einflüssen. Nee nee, vergiss es. Wir sind schon froh, dass dieser Haufen in Form von DOOMSHINE irgendwie funktioniert.

So, das war's von meiner Seite! Vielen Dank für das Interview, die obligatorischen „letzten Worte“ gehen nun an euch.

Vielen Dank für die netten Fragen. Wir wünschen euch alles Gute, in eurem kleinen, blutigen Kämmerlein.
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