Wir versuchen Musik zu machen, die uns selbst überrascht


Interview mit Pigeon Toe
Progressive Rock aus Deutschland - Freiburg
Die Freiburger Formation FEAR MY THOUGHTS ist bekanntermaßen leider Geschichte, die Quasi-Nachfolgeband PIGEON TOE beschritt mit ihrem Debütalbum "The First Perception" recht neue musikalische Pfade. Wie die Progger zu ihrem Sound gefunden haben und was sie mit David Lynch und "Alice im Wunderland" verbindet, verriet uns Drummer Norman Lonhard, der auch schon bei besagten FEAR MY THOUGHTS aktiv war, im E-Mail-Interview.

Hallo Norman! Ich hoffe, es geht dir und deinen Kollegen gut? Bevor ich loslege, wollte ich mich erst einmal bei dir für diese Gelegenheit, dir ein paar Fragen zu stellen, herzlich bedanken!

Das beruht auf Gegenseitigkeit!

Für den Einstieg in das Interview muss euer ungewöhnlicher Bandname herhalten – seid ihr ein eingeschworener Haufen FU MANCHU-Fans oder wie seid ihr auf den Namen PIGEON TOE gekommen?

Da liegst du verdammt richtig! Marsen [Martin Fischer, Gesang & Gitarre - tse] kam mit der Idee, und da wir wirklich alle FU MANCHU Fans sind, hatte die wie immer langwierige Suche nach dem Bandnamen ein Ende.

Mit einer wohl unvermeidlichen Frage, die ihr möglicherweise schon leid seid, geht es weiter: An den Death Metal-Sound von FEAR MY THOUGHTS, der ehemaligen Spielwiese einiger PIGEON TOE-Mitglieder, erinnert auf eurem Debüt „The First Perception“ kaum noch etwas. Ehrlich gesagt würde ich euch sogar eher im progressiven Rock als im Metal verorten. Wo würdet ihr euch selbst einsortieren?

Ich denke progressiver Rock trifft am besten zu. Wobei es auch immer wieder harte Passagen gibt. Ob man das unter Metal einordnen kann, dazu soll sich besser jeder selbst eine Meinung machen. Uns ist es auch nicht wirklich wichtig, wie man die Musik bezeichnet, das hat schließlich viel mit dem eigenen Geschmack zu tun. Wir versuchen Musik zu machen, die uns selbst überrascht, und machen uns eigentlich wenig Gedanken darüber, wie wir das einsortieren sollen. Von außen ist das wahrscheinlich etwas einfacher, aber mit Progessive Rock/Metal können wir alle leben.

Gehen wir genauer auf euer Album „The First Perception“ ein, das bei mir ja durchaus gut ankam. Das liegt vor allem an eurem eigenständigen Sound, zu dem mir keine so recht passende Vergleichsmöglichkeit einfiel. Manche Instrumentalabfahrt erinnert an KING CRIMSON, ansonsten klingt ihr einfach schon sehr nach PIGEON TOE! Die Einflüsse welcher Bands haben euch zu diesem Sound verholfen, was waren eure Inspirationsquellen?


Freut uns zu hören, dass es dir gefällt. Wir sind eigentlich auch der Meinung, dass es schon nach PIGEON TOE klingt und nicht nach einem Abklatsch einiger anderer grosser Bands. Natürlich aber hört man unsere Einflüsse von KING CRIMSON, PINK FLOYD bis hin zu MR. BUNGLE usw. und das darf ja auch ruhig so sein. Wir hören alle ziemlich viel Musik, und teilweise wohl auch sehr unterschiedliche. Diese Einflüsse treffen dann beim Songwriting aufeinander, was man dann erst mal unter einen Hut kriegen muss.

Die markanten Stimmen der Fischer-Brüder sind meines Erachtens auch ein Grund dafür, dass PIGEON TOE so eigenständig klingen. Dennoch gebt ihr vor allem gegen Ende des Albums den Instrumenten den nötigen Raum sich zu entfalten – mit „The Crooked Path“ und den beiden „The Wizard“-Teilen folgen gleich drei sphärische Instrumentals aufeinander. Steckt da heimlich eine instrumentale Post Rock-Band in euch oder habt ihr ein Faible für Soundtracks?

Es war uns von vornherein klar, dass in erster Linie die Musik sprechen soll, deswegen ist auch der Gesang teilweise etwas rar ausgefallen. Ausserdem hören wir, glaube ich, so ziemlich alle auch Soundtracks oder Post Rock Bands. Solange die Musik den Text ansagt und nicht langweilig wird, ist es ok für uns.

Könnt ihr mir etwas über die Story hinter dem Album verraten? Wie hängen die Geschichten des bereits im eröffnenden Titeltrack besungenen gebrochenen Mannes, des Mannes mit der Katze und des auch auf dem Albumcover abgebildeten Zauberers zusammen?

Das ist schwierig mit ein paar Worten zu erklären. Oft taucht ja auch das Wort "Konzeptalbum" auf, dabei war es uns nicht so sehr wichtig, eine in sich schlüssige Geschichte zu erzählen, als visuelle Eindrücke zu beschreiben, die in erster Linie durch die Musik entstehen. Ich denke, was die Interpretation angeht, sehen wir das eher wie bei einem David Lynch Film. Wir liefern quasi einzelne Puzzlestücke, was der geneigte Hörer damit anfängt, hängt nur von seiner Fantasie ab.

Ich habe das Albumcover bereits angesprochen, aber noch nicht erwähnt, dass dieses wirklich sehr gelungen ist. Wer ist für dieses schmucke Bild verantwortlich und was lässt sich dort alles aus der Story des Albums wiederfinden?

Marsen ist für das Artwork bei PIGEON TOE zuständig. Ich denke in erster Linie aus Kostengründen, das ist immerhin billiger, als einen externen Grafiker zu beauftragen! Der Zauberer steht wohl eher auf der guten Seite, ist also ein Kollege von uns, aber ob man ihm wirklich trauen kann...? Keine Ahnung. Dieses "Alice im Wunderland"-Szenario passt aber meiner Meinung nach schon ganz gut zur Musik, doch ähnlich wie bei den Texten soll beim Artwork auch eher nur ein Teil des Szenenbilds präsentiert werden. Was genau sich da abspielt, muss jeder selbst wissen.

Mir ist aufgefallen, dass ihr euch bei den obligatorischen Danksagungen im Booklet unter anderem auch bei LONG DISTANCE CALLING im Allgemeinen und bei deren Bassist Jan Hoffmann im Speziellen bedankt. Was verbindet euch - abgesehen von der gemeinsamen Tour Ende letzten Jahres – miteinander?

Jan ist unser Manager und hat uns extrem geholfen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ausserdem kennen wir uns noch von Century Media Zeiten mit FEAR MY THOUGHTS. Und natürlich war es für uns eine große Möglichkeit, mit ihnen auf Tour zu gehen. Zumal es schwer ist für unseren Sound, das richtige Publikum zu finden. Bei den Fans von LONG DISTANCE CALLING waren wir bestens aufgehoben. Ausserdem kennen wir uns schon ewig und haben immer mächtig Spass zusammen. Das alleine ist schon eine Danksagung wert!

Da wir bereits die Tour mit LONG DISTANCE CALLING angesprochen haben, wagen wir einen Blick in die Zukunft: Die Clubshowsaison steht vor der Tür, habt ihr eine Tour in Planung? Und habt ihr euch schon Gedanken über ein zweites Album gemacht?

Wir sind erst seit kurzem bei „ExtraTours“ untergekommen. Für Festivals war es dann aber schon zu spät. Und wenn das nächste passende Angebot kommt, gehen wir auf Tour. Bis dahin werden wir vereinzelt alles spielen, was uns irgendwie über den Weg läuft.

Abschließend eine Frage zu eurem Label Lifeforce Records. Ursprünglich schlossen sie vornehmlich Kontrakte mit Bands der härteren Gangart ab, nun haben sie ihr Repertoire aber erweitert und neben euch mit THE CHANT eine weitere Band aus dem Dunstkreis des Prog unter Vertrag. Diese Horizonterweiterung kam euch sicher sehr gelegen, was haltet ihr von dieser Umorientierung?

Das war natürliche eine sehr glückliche Fügung. Tatsächlich hab ich auch den Eindruck, dass sich die Metalszene hin zu experimentellerem Sound immer mehr öffnet. Meiner Meinung nach trifft es der Begriff Horizonterweiterung allerdings besser, da sich das Label dadurch ja nicht grundlegend verändert hat, sondern sich durchaus nachvollziehbar weiterentwickelt.

Nun bleibt mir nichts weiter, als mich nochmals für dieses Interview zu bedanken. Ich wünsche euch alles Gute für die Zukunft, die letzten Worte gebühren selbstverständlich euch!

Der Dank ist ganz auf meiner Seite.
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