Überleben im Dschungel von Athen


Interview mit Sun Of Nothing
Black Sludge Metal / Noisecore aus Griechenland - Athen
Inzwischen sind eineinhalb Jahre ins Land gezogen, seitdem SUN OF NOTHING ihr drittes Album „The Guilt Of Feeling Alive“ herausgebracht haben. Nach der begeisterten Kritik (9 Punkte) verflossen die Monate und Jahre, bis sich durch wundersame Begegnungen im weltweiten Netz die Möglichkeit ergab, die griechisch-deutsche Freundschaft zu pflegen und Sänger Ilias mit einigen Fragen zu löchern. Er freute sich offenkundig über das Gesprächsangebot und sprach mit der Bloodchamber über den musikalischen Underground in Griechenland, die Bedeutung von Zorn und Trauer für die Kunst und – wie sollte es in Zeiten wie diesen auch anders sein – natürlich die Finanzkrise und die Situation in seinem Heimatland.

Hallo Ilias, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, ein paar Fragen zu beantworten. Du bist der Sänger von SUN OF NOTHING aus Griechenland. Würdest du bitte deine Band und ihre Geschichte kurz vorstellen?


Zunächst wollen wir uns für die Möglichkeit bedanken mit eurem Magazin zu sprechen. Wir wissen das wirklich zu schätzen. Die Band wurde im Sommer 1999 gegründet und hatte das Ziel, das auszudrücken, was uns zu der Zeit gestört hat. Du könntest sagen, es war ein Mittel um im Dschungel von Athen zu überleben. Seitdem sind eine Menge Dinge passiert, wir haben drei Alben rausgebracht, dazu kommt ein Demo und wir haben bei ein paar Compilations mitgemacht, die letzte davon war das AMEBIX Balkans-Tribute.

Ich war von eurem letzten Album echt begeistert, das übrigens meinen ersten Kontakt mit eurer Musik darstellte. Seit dem Release sind zwei Jahre vergangen. Welches Feedback habt ihr über die Zeit bekommen? Und was denkst du selbst über dieses Album aus der zeitlichen Distanz heraus?

Es ist uns eine Ehre, Leute zu treffen, die unsere Musik mögen. Das Feedback zu unserem dritten Album war mehr als positiv. Wir haben sehr gute Reviews bekommen und das von Leuten, die nie zuvor von uns gehört haben. Wenn ich zurückblicke, kann ich nicht sagen, dass ich irgendetwas bereue und ich glaube, dass wir für das, was wir geboten haben, einen ordentlichen Adrenalinschub bekommen haben. Von nun an wird die Zeit zeigen, was geschehen mag. Meiner Meinung nach sollte man weniger reden und mehr handeln.

Ihr seid durch Europa getourt. Wie war's und welche Erfahrungen durftet ihr machen?

Es war unsere erste Tour und wir hatten keine Ahnung, was wir erwarten sollten. Wir haben eine Menge Leute getroffen, wir haben unsere Musik gespielt, wir haben neue Orte gesehen. Im Allgemeinen glaube ich, dass wir einen guten Eindruck hinterlassen haben und wir sind zufrieden damit. Wir sind zwar nicht reicher geworden und haben immer noch Schulden, aber wir würden es wieder machen, wenn wir morgen die Möglichkeit hätten auf Tour zu gehen. Es war etwas, das wir sehr mochten; es hat unsere Stärke gefordert und uns gezeigt, zu was wir in der Lage sind. Es war eine frische Brise und wir sind sehr zufrieden damit als einer Erfahrung für das Leben.

Meiner Einschätzung nach ist es ziemlich schwierig, eine eindeutige Kategorie für SUN OF NOTHING zu finden. Euer Sound ist einzigartig und beinhaltet eine Menge unterschiedlicher Einflüsse. Was denkst du selbst, was die die wichtigsten Einflüsse für eure Musik sind – sowohl musikalischer wie auch nicht-musikalischer Natur?

Ich würde sagen, das in musikalischer Hinsicht das Wichtigste ist, was wir in uns tragen und zwar von uns allen vieren. Unsere persönlichen Erfahrungen und unsere Sichtweise der Welt, ihr Leiden und ihre Fehler, unsere Leiden und unsere Fehler. Wir sind sehr empfindsame Persönlichkeiten und das spiegelt sich in unserer Musik. Als direkte Einflüsse würde ich Black Metal und eine Menge Bands vom Label Hydra Head Records nennen, aber auch andere Teile der Musikgeschichte haben uns beim Erschaffen unseres Sounds geholfen. Wir hören eine ganze Menge, von Sludge bis Post-Punk und überhaupt alles, das gut klingt. Das engültige Resultat kommt jedoch aus der Tiefe unserer Seelen.

Fühlst du dich einer spezifischen Szene zugehörig wie der Black Metal oder Hardcore-Szene?

Ich denke nicht, dass wir uns dieser Frage je stellen mussten. Sie betrifft uns nicht. Wir denken, dass wenn du unsere Musik hörst, wirst du sie auch besser verstehen, ganz egal, ob du Black Metal oder Hardcore-Fan bist. Außerdem sind solche Labels nur für Idioten und Musik ist etwas Universelles.

In den letzten Jahren durfte ich feststellen, dass Griechenland eine ganze Menge interessanter Extreme-Metal Bands zu bieten hat.Erzähl uns doch ein bisschen was über die Szene in Griechenland und insbesondere die von Athen!

Die griechische Szene... na gut, es gibt eine Menge interessanter Bands mit einer Menge Material im Hintergrund, also Alben und dergleichen, sodass du es ohne Probleme mit dem Niveau anderer Länder vergleichen kannst. Ich werde versuchen, eine kleine Karte der Szene zu entwerfen, indem ich eine Liste interessanter Bands verschiedener Genres entwerfe.
Black Metal: END RAVENCULT, DEPHOSHORUS, VACANTFIELD, THE ONE, INJECTING KHAOS, DODSFERD, BOHEMIAN GROVE, ANGSTRIDDEN und wohl noch eine Menge anderer, die ich nicht kenne.
Death Metal / Grindcore: WARGRINDER, MORTAL TORMENT, VULNUS, DEAD CONGREGATION, PROGRESS OF INHUMANITY, TERRORDROME, HEADCLEANER, BLUSTERY CAVEAT, EXTREME VIOLENCE, INVERACITY, SLAVEBREED und viele andere.
Mathmetal: TARDIVE DYSKESIA, CUSTOM MADE NOISE
Experimental / Black Ambient: THIS IS PAST, GHONE, KOMMPOUND, PASCAL CRETAIN.
Punk / Hardcore / Post-Metal / Crust: RUINED FAMILIES, MASS CULTURE, SARABANTE, MY TURN, DELETE THE MASS, I WANT YOU DEAD, KARHOZAT, CUT OFF, LAST RIZLA, DEAD CITY MOTION.
Stoner / Sludge / Doom: LUCKY FUNERAL, PLANET OF ZEUS, 1000 MODS, NIGHTSTALKER, WEATHERS, ROUTES, AGNES VEIN, UNIVERSE 217, NECHAYECHINE (R.I.P.)
Post Rock: AFFORMANCE, SINCE TIME ADOLF PLAYS THE JAZZ usw.
Das wohl verbreiteste Phänomen ist, dass Bands sich gründen und nach zwei Jahren wieder auseinanderbrechen. Was die Szene angeht, weiß ich nicht so recht, was ich sagen soll. Es gibt sehr wenige Orte, an denen man live spielen kann und das Publikum ist recht klein im Verhältnis zur gesamten Bevölkerung Griechenlands. Außerdem gibt es das Phänomen, dass eine Menge Leute einfach Arschlöcher und gemein sind, aber irgendwie beginnt das langsam besser zu werden.

Wie ist die Situation zur Zeit? Die Finanzkrise ist zur Zeit ja ein großes Problem und es ist offensichtlich, dass es für die einfachen Leute in Griechenland verdammt schwer geworden ist, einfach ihr Leben zu führen. Wie erfährst du die Situation und welchen Einfluss hat die Krise auf das kulturelle Leben, insbesondere Bands, Labels usw.?

Die Wirtschaftskrise wird einfach einen Staat voller Egoisten zerstören, die nach dem Motto gelebt haben, sich einfach nicht um andere Menschen und ihre Probleme zu kümmern. Unglücklicherweise ist das Modell, auf großem Fuße zu leben, für die Griechen zur Routine geworden. Hieraus resultierte, dass die Leute jede Menge Scheiße gekauft haben, um einen auf dicke Hose zu machen: große Autos, noch größere Fernseher, und noch mehr für beschissene Unterhaltung. Sie haben einen monströsen Lifestyle entworfen, der alles zerstört hat, was an Anständigem noch übrig war. Die Reichen wurden reicher, die Armen wurden ärmer und die Mittelklasse hat das Maul gehalten. Die Dinge sind echt schief gelaufen und nun werden wir Zeugen von Unruhen in unserem Land. Der Mangel an Bildung über all die Jahre ist dafür verantwortlich, dass eine Nazi-Partei sich in unserem Parlament breit machen konnte. Keiner sagt etwas und keiner tut etwas. „Du wirst ernten, was du säst“ ist auch ein Sprichwort bei uns und es passt genau zur Situation, die wir durchmachen. Aber weil ich nicht einseitig sein will, muss ich sagen, dass der Staat hier aus einem Haufen Diebe besteht, der jeden von uns dauerhaft ausgenommen hat. Unsere Schulden sollten nicht vom griechischen Volk zurück gezahlt werden, sondern von den Dieben, die all die Jahre an der Macht waren. Ich hoffe, dass wir irgendwann aufwachen und kapieren, dass wir nicht das Höllenloch Europas sind und mehr zu bieten haben als Feta und Tzatziki.
Was die Musik angeht, kaufen nur noch wenige Leute Alben, weil du ja alles im Internet finden kannst. Plattenlabel ziehen sich zurück oder machen dicht. Die Bands machen ständig Schulden und können nur überleben, wenn sie immer mehr Live-Shows spielen, damit sie sagen können, sie tun etwas. Die Krise in der Musikindustrie ist ja nicht neu und du brauchst eine Menge Mut, immer wieder etwas zu geben, ohne dafür etwas zurück zu bekommen. Man macht halt Musik aus seiner Seele heraus und für seine Seele, der ganze Rest ist zweitrangig.

Was sind eure Pläne für die Zukunft? Habt ihr schon neues Material geschrieben?

Normalerweise brauchen wir etwas drei Jahre, um neues Material zu schreiben. Wir sind nicht in Eile, um ein neues Album aufzunehmen und niemand drängt uns. Also befinden wir uns noch auf der Suche. Es ist zu früh, um über neues Material zu sprechen.

Jedes Mal, wenn ich „The Guilt Of Feeling Alive“ höre, bin ich fasziniert von deiner Vokal-Performance. Sie gehört zum Extremsten, was ich jemals gehört habe. Wie kriegst du das hin? Vor allem wundere ich mich über die Umsetzung live. Ich stelle es mir echt hart vor, eine ganze Show lang so zu growlen und zu schreien.

Ich danke dir für die freundlichen Worte. Im Wesentlichen tue ich das Gegenteil von dem, was andere Sänger machen. Ich atme Luft ein, statt auszuatmen. Bei unseren Live-Shows haben wir unsrem Publikum bewiesen, dass die Musik zehn Mal lauter gespielt wird als auf dem Album und Gott sei dank kommt meine Stimme dabei immer kräftiger und überzeugender raus.

Wenn mich jemand auffordern würde, eure Musik anhand von zwei Gefühlszuständen zu beschreiben, dann wären es „Traurigkeit“ und „Zorn“. Wie siehst du das? Und welche Bedeutung haben diese Gefühle für dich als Künstler?

Die wichtigsten und berümtesten Kunstwerke sind Resultate von Schmerz und Trauer. Schau dir den „Schrei“ von Munch an oder die Brücken von Monet. In diesem Leben gibt es für jeden rastlosen Geist eine konstante Form des der Traurigkeit und des Schmerzes. Das Wichtigste dabei ist es, diese Gefühle zu kontrollieren und sie kreativ auszudrücken, um damit etwas Größeres zu bewirken. Wann auch immer das passiert, dann glaube ich, dass wir einen kleinen Teil menschlicher Achtsamkeit erzielt haben.

Ilias, ich danke dir ganz herzlich für die Beantwortung meiner Fragen. Ich freue mich darauf, irgendwann neues Material von euch zu hören zu bekommen oder die Chance zu haben, euch eines Tages live erleben zu dürfen. Ich wünsche euch alles Gute und die letzten Worte an unsere Leser gehören dir.

Vielen Dank für das Interview. Ich hoffe, wer auch immer das hier liest, dass er Interesse daran findet, was wir machen. Ich wünsche mir sehr, es möglich zu machen, uns eines Tages live zu sehen. Ich wünsche mir das wirklich sehr! Seid wahrhaftig und keine Fakes! Das ist unsere Message an an alle dort draußen. Vielen Dank noch einmal für diese Gelegenheit!
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