Man muss als Band für irgendwas stehen
Interview mit Serpent Eater
Black Sludge Metal / Hardcore aus Deutschland - Köln & Bonn
Black Sludge Metal / Hardcore aus Deutschland - Köln & Bonn
So rabiat ihre Musik ist, so umgänglich sind SERPENT EATER beim persönlichen Treffen, das dementsprechend auch nicht in einer finsteren Kaschemme stattfindet, sondern in einem hell erleuchteten Café. Dank der Redefreudigkeit von Gitarrist Dirk und Bassist Ron wird aus dem Interview schnell ein offenes Gespräch, das über die Band hinaus geht und nicht nur die Bedeutung des Bandnamens erläutert, sondern unter anderem auch einen persönlichen Einblick in die Bedeutung von Albumkritiken gibt sowie die Bedeutung des DIY-Gedankens thematisiert. Noch sind SERPENT EATER (für euch) möglicherweise eine Unbekannte, aber das wird sich schon in Kürze ändern.
Findungsprozesse
Ihr habt alle vorher schon in Bands in der Region gespielt (u.a. TUMULT, HAMMERHEAD & DASKRILL). Wie habt ihr euch dann als SERPENT EATER zusammengefunden?
Ron: Daniel, Dirk und Ich kennen uns inzwischen schon seit etwa 25 Jahren, nehme ich an. Alle aus dem Umfeld der genannten Bands, die sich so im Hardcorebereich bewegt haben. Dann lernt man sich kennen, aber näheren Kontakt hatten wir nicht so richtig.
Dirk: Mit dem Daniel (der andere Gitarrist) hatte ich Kontakt, mit dir nicht. Richtig kennengelernt haben wir uns erst, als wir die Band gemacht haben. Daniel war ein großer TUMULT-Fan und ich bin ein riesiger HAMMERHEAD-Fan gewesen, ich hab HAMMERHEAD bestimmt 20 Mal gesehen und Daniel hat TUMULT häufig gesehen. Irgendwann meinte er zu mir, ich hätte so einen tollen Gitarrensound und wir sollten doch mal zusammen Musik machen. Dann hast du auch gesagt, dass du mal was anderes machen möchtest als HAMMERHEAD, und dann sind wir in den Proberaum gegangen und haben erstmal einfach verschiedene Leute ausprobiert am Schlagzeug und Gesang. Als wir dann die passenden Mitglieder gefunden hatten, war es klar, dass es kein Projekt mehr sein würde, sondern eine richtige Band. Also nicht einfach nur Spaß im Proberaum, sondern tatsächlich ernsthaft was machen.
Ron: Prinzipiell wollten wir uns mit diesem Ur-Nukleus musikalisch neuen Ufern widmen. Ganz zu Anfang war die Idee, dass wir eine recht basale Death Metal Band gründen, basal im Sinne von Low Tech, zur Abgrenzung vom Tech Death, und haben versucht, uns so nah wie möglich BOLT THROWER zu nähern, vom Sound her. Das hat in Teilen geklappt, hat auch in Teilen Spaß gemacht, aber in weiten Teilen haben wir irgendwann nicht mehr… Erstens gibt es BOLT THROWER schon, zweitens kann man es nicht besser machen, als die es gemacht haben, und drittens hat es irgendwann auch einfach gelangweilt.
Dirk: Ja, volles Rohr gelangweilt.
Ron: Ständig diese gleiche Art von Riffing zu machen.
Deshalb veröffentlichen die auch nur so selten Alben, hehe.
Ron: Ja, da muss man schon sehr selektiv sein.
Dirk: Das kam dann auch dadurch, dass Chris (Schlagzeug) und Gunnar (Gesang) in die Band eingestiegen sind. Die haben nochmal so einen Kreativitätsinput in die Band gebracht. Sie haben gesagt, lasst uns doch mal dies oder das probieren, was dazu geführt hat, dass wir noch offener geworden sind. Lass uns einfach alles das machen, woran wir Spaß haben. Praktisch überhaupt keine Zügel mehr anlegen, daraus ist dann SERPENT EATER geworden.
Ron: Der Grund war ja zu machen, was uns Spaß macht, und wir haben auch einen musikalischen Grund. So ein Gefühl der Düsternis.
Gehört dazu auch der Gedanke, ob das relevant ist?
Ron: Ne, gar nicht.
Dirk: Wie meinst du relevant?
Wenn man einfach nur BOLT THROWER kopieren würde, ist die Frage, wie relevant das ist, oder ob man dann nicht einfach besser direkt BOLT THROWER covert.
Ron: Ne, in dem Sinne die Relevanzfrage, also ob die Band relevant ist oder nicht, haben wir uns nicht gestellt. Auf jeden Fall haben wir es nicht bewusst thematisiert.
Dirk: Ne, überhaupt gar nicht. Bis wir tatsächlich SERPENT EATER gemacht haben, war das Im-Proberaum-Rumstehen. Wir haben zwei oder drei Liveshows gespielt, die waren aber schrecklich, weil wir eher so lustlos und untight gewesen sind. Die Band würde ich wahrscheinlich selber auch schlecht gefunden haben, das waren einfach zusammengeklaute Riffs und mit denen haben wir ein paar Songs zusammengestoppelt oder auch mal was aufgenommen im Proberaum. Aber das hat keiner von uns wirklich ernst genommen und daher hat sich auch die Relevanzfrage für uns nicht gestellt, weil wir wussten, wir murksen halt rum.
Über Relevanz hab ich überhaupt noch nie nachgedacht, also ob SERPENT EATER relevant ist. Aber da würde ich schon eher denken, dass SERPENT EATER für mich persönlich mehr Relevanz hat, als alles was ich vorher gemacht habe, ganz besonders als diese Death Metal BOLT THROWER Sache.
Ron: Ich glaube, die Relevanzfrage sollte man sich als Band auch nicht stellen. Mir ist natürlich durchaus bewusst, dass es viele Bands gibt, die mit dem Ansinnen an die Sache herangehen, irgendwas zu machen, das in irgendeiner Form Erfolg hat.
Es ging mir bei der Frage nicht darum, ob ihr denkt, wenn wir irgendwas kopieren, fallen wir nicht auf. Ihr beschäftigt euch ja auch viel mit Musik und setzt euch damit auseinander, deshalb wolltet ihr etwas spielen, das ihr gerne hören würdet, weil es was anderes ist und wo man nicht sofort sagt, es klingt wie Band XY?
Ron: Aus der Perspektive betrachtet, ja, spielt es schon eine Rolle. Weil wir ne Band machen wollten, die so klingt, wie wir glauben, dass ne Band klingen sollte, die so ne Musik macht.
Dirk: Ich hab ich mich jetzt gerade auch ein wenig im Dickicht der Relevanz verlaufen. Wir wollten natürlich schon eine Band gründen – nachdem wir es ernst genommen haben und als wir noch zwei Mitglieder gefunden hatten, die das genauso gesehen haben wie wir – da wollten wir natürlich schon eine Band gründen, die so klingt, wie wir wollen, dass eine Band klingt. Aber das heißt natürlich nicht, die Band klingt gut und wir wollen klingen wie die. Wir wollten schon was Ureigenes machen und eben nicht mehr, „Guck mal, das ist ein tolles BOLT THROWER Riff, lass uns mal zwei Töne ändern und dann nehmen wir das.“
Insofern ist das dann die Relevanz für uns ganz persönlich. Da muss man ja auch trennen, gibt es eine Relevanz für die Musikszene insgesamt oder gibt es eine persönliche Relevanz? Persönlich finde ich SERPENT EATER sehr relevant, für mich, wie das mit der Musikszene ist, ist mir ehrlich gesagt total egal.
Ron schmunzelt.
Dirk: Wenn die Leute es gut finden, gut. Und wenn die Leute es nicht gut finden, ist mir das auch Wurst, weil ich weiß, dass wir ne starke Platte gemacht haben und dass wir ne starke Band sind, auch wenn sich das jetzt vielleicht ein ganz klein bisschen hochnäsig anhört. Wir machen schon lange genug Musik, um halbwegs objektiv sagen zu können, dass es schon eine gute Platte ist, die wir gemacht haben.
Ron: Was man schon sagen kann, finde ich, wenn man schon länger Musik macht, mehrere Jahre in Bands gespielt hat, dass man bei aller Subjektivität objektiv entscheiden kann, ok, das ist gut und das nicht. Man kann sagen, bevor Gunnar und Chris, und jetzt Jens (der Nachfolger von Chris am Schlagzeug), eingestiegen sind, war das nicht gut, objektiv, dafür kann man jetzt mit Fug und Recht behaupten, auch objektiv ist das eine runde Sache. Zumindest bin ich dieser Auffassung.
Dirk: Seh ich auch so. Es ist natürlich auch so, das muss man vielleicht doch dazu sagen, dass es nicht daran liegt, dass wir unfähig gewesen sind, dass die Band vorher so scheiße gewesen ist, sondern wir haben nichts wirklich investiert. Wir haben uns auch keine Gedanken gemacht, was den Sound angeht. Wir experimentieren mit SERPENT EATER ziemlich viel am Sound rum; was für nen Proberaumsound haben wir, wie wollen wir live klingen. Das ist ein ziemlich langer Prozess gewesen, bis wir erstmal einen Sound gehabt haben, der uns zufrieden gestellt hat. Mit der Band davor war das einfach nur einstöpseln und rumkrachen.
Ist dann dafür, wie die Band heute ist und klingt, die Frühphase der Band wichtiger gewesen als die Erfahrungen, die ihr vorher in anderen Bands gemacht habt?
Ron: Für die Band auf jeden Fall. Dazu, und das darf man nicht vergessen, war die Besetzung immer sehr … volatil, sag ich mal. Eigentlich waren es immer Dirk, Daniel und Ich, mit wechselnden Sängern und wechselnden Schlagzeugern vor allen Dingen, so dass sich nicht richtig manifestieren konnte, was wir machen wollten. Das war wahrscheinlich auch ein Grund, warum es nicht so funktioniert hat wie später, als die Band ein fixes Gefüge hatte, dann schon als SERPENT EATER.
Dirk: Was ganz viele Leute gar nicht für möglich halten oder nicht glauben ist, dass es ganz unterschiedliche Schlagzeuger- und Sängertypen gibt und dass ein Schlagzeugertyp das Songwriting und den Sound einer Band maßgeblich beeinflussen kann. Wenn du einen Metalschlagzeuger hast, kommen automatisch metallischere Sachen raus, als wenn du jemanden hast, der aus der Punkszene kommt. Und mit dem Chris war es so, der ist einfach ein Universaltalent. Der Jens ist genauso, den kannst du genauso gut Uffta-Uffta Punk wie Hardcore, Powerviolence oder Metal spielen lassen.
Die können sich darauf einstellen, was die Band braucht?
Ron: Genau. Genauso wie alle anderen Instrumentalisten das auch tun und es auch der Sänger tun sollte, dem Sound, den man gemeinschaftlich entwickelt, das Dienlichste bringen, was möglich ist.
Auf eurer Facebookseite stehen (inzwischen: standen) fünf Bands unter „Sounds like“, da hat jeder von euch eine genannt, oder? Ich fand die Zusammenstellung klang so… ENTOMBED, WATAIN, DISCHARGE, BLACK ANVIL und BOLT THROWER. Das las sich für mich wie „Jeder nennt eine Band“.
Ron: Keine Ahnung.
Dirk: Da ist aber gar keine Band dabei von mir. Von mir ist keine dabei.
Ron: Das sind sicher Bands, die geliked sind, die sind gar nicht zugeordnet.
Nein, in der Beschreibungsseite hat das jemand hingeschrieben, unter „Sounds like“.
Ron: Ach so, hmm. Steht da überhaupt was?
Dirk: Das ist auf jeden Fall nicht die Auswahl, die ich getroffen hätte. Wir haben uns ja aber auch tatsächlich im Lauf von SERPENT EATER soundmäßig verändert. Keine zweiminütigen extremmetallische Sachen mehr, sondern etwas epischere, düster-atmosphärische Songs. Da kann es schon sein, dass es für die Anfangszeit, gerade in der neuen Besetzung, die ersten sieben, acht, neun Songs, dass es da tatsächlich noch hinhaut. Mittlerweile finde ich aber andere Bands „Sounds like“.
Ron: Ein guter Hinweis, das mal wieder upzudaten. Mir war gar nicht bewusst, dass die da stehen, aber ich werde es wahrscheinlich geschrieben haben, ich kann mich aber nicht erinnern.
Dirk: Wenn WATAIN dabei ist, warst du es bestimmt, ja.
Konzepte & DIY
Also werden nicht in Zukunft besudelte Jacken im Wald vergraben, bevor ihr auftretet?
Ron: Nein, obwohl ich natürlich ein Konzept für eine Band ganz smart finde, vielleicht weil ich es auch noch nie so gemacht habe wie WATAIN, sowas konsequent durchzuziehen. Das kann man ernst nehmen, muss man aber nicht. Ich finde es mittlerweile eine ganz spannende Facette an Bands, wenn die so…
Dirk: Das ist ein zweischneidiges Schwert: Wenn es gut ist, ist es gut, aber wenn nicht, ist es schrecklich. Gerade diese ganzen Bands, die als Gesamtkunstwerk auftreten, mit Kostüm und schlimmstenfalls noch mit Videoinstallation und irgendwelchen komischen Sachen auf der Bühne. Das ist wirklich gefährlich. Das muss schon wirklich Bombe sein, damit es gut ist, denn alles andere als Bombe ist peinlich.
Also, GHOST ist gut?
Ron: GHOST ist großartig!
Und die GRAILKNIGHTS sind peinlich?
Ron & Dirk: Hmmm.
Die eine Skeletor-Burg auf der Bühne haben und als Superhelden verkleidet sind?
Ron: Na, das ist die Trashversion, aber…
Dirk: Man soll es mit dem Trashfaktor nicht übertreiben, aber ich kenne die Band auch gar nicht. Aber das klingt wie eine charmante Idee.
Ron: Abgesehen davon glaube ich nicht, dass GHOST das ernstgenommen haben wollen wissen, dafür ist es zu theatralisch. Ich glaub manchmal, dass nicht mal WATAIN das ernst meinen, was sie da machen. Es wirkt halt ganz gut. Abgesehen davon ist auch jede Band, die versucht, kein Konzept zu haben, immer mit einem Konzept in irgendeiner Form zugange, sonst wäre es keine Band und man bräuchte sich auch nicht auf die Bühne zu stellen. Ist ja eigentlich klar. Die Frage ist, ob es durchdacht ist oder eher dem Zufall überlassen.
Das kann vielleicht auch automatisch kommen. Wenn man eh immer wie so ein Rock’n’Roll Typ rumläuft, spielt man ja auch keine Rolle, sondern das Konzept ist quasi automatisch da.
Ron: Genau. Aber ich denke, es kommt automatisch, sobald man sich auf eine Bühne stellt, dass die Wahrnehmung dazu führt, in irgendeiner Form steckte dahinter ein Konzept. Sowohl der Dirk als auch andere Teile der Band kommen ja aus einer Szene, wo Konzeptstrukturen nicht gern gesehen sind oder zumindest nicht durchgezogen werden.
Dirk: Ich würde nicht gerade sagen verpönt, aber in der Fast-Ultrahighspeedszene sind Konzepte nicht gang und gäbe. Wenn du 20 Minuten Show spielst, hast du auch nicht gerade die ideale Grundlage dafür,
Ron: irgendetwas Theatralisches zu machen. Aber trotzdem ist das ja auch irgendwie ein Konzept, und wenn es ist, nichts zu tun.
Dirk: Die einzige Band, die mir gerade einfällt, die tatsächlich so ein Gebolze macht und sowas wie ein Konzept hat, ist YOUNG AND IN THE WAY, aber deren Konzept ist, glaub ich, einfach nur, auf die Bühne zu gehen und die brutalstmögliche Show jeden Abend zu spielen. Die imponieren mir wirklich.
Sagt mir gar nichts.
Ron: Ein Plan sollte es für uns ja zumindest auch sein, dass wir so eine Art Bikerclub für die Band irgendwie als… Hast du irgendwie mal entwickelt.
Dirk lacht.
Ron: Fänd ich super, aber vielleicht wird das auch nichts, hehe.
Zu eurem Konzept gehört die Optik, also die Gestaltung der Cover & Shirtmotive, und auch, dass das alles in eurer Hand liegt, oder?
Ron: Genau.
Dirk: Natürlich. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, wie irgendeine Band damit zufrieden sein kann, irgendwas aus der Hand zu geben. Damit meine ich natürlich nicht Vertrieb oder sowas, wir verfügen einfach nicht über so ein Netzwerk wie Alerta Antifacista das tun. Selbst wenn wir ne 500er Auflage von einer LP gemacht hätten, ich wüsste gar nicht, wie ich die loswürde. Diese Netzwerke hast du mit HAMMERHEAD womöglich mal aufgebaut, aber ich war nie so der Netzwerker. Da muss ich tatsächlich sagen, dass ich da ein zu fauler Arsch bin, um mich um den Vertrieb von sowas selbst zu kümmern. Das macht deshalb der Timo, aber der ist genauso DIY wie wir.
Ich würde aber zum Beispiel niemals sagen, lass doch mal jemanden ein Cover für uns malen. Selbst wenn wir nicht den Gunnar hätten, der das Cover wirklich handgezeichnet hat, dann hätten wir selber was Schlechtes gemacht. Lieber was selbstgemachtes Schlechte, als irgendwas dann Besseres, was aber nicht von uns ist. Musik, Artwork, das alles bleibt in unserer Hand. Termingestaltung und mit wem wir wo spielen, das machen wir alles selber. Das ist auch wichtig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand damit glücklich ist, wenn er von seinem Label oder Manager gesagt bekommt, was er als nächstes zu tun hat. Wie das Artwork und die Shirts auszusehen haben… Das finde ich schauderhaft.
Ron: Wir sind der Überzeugung, dass wir das Beste für die Band selbst wissen. Was wir damit ausdrücken wollen. In der Regel ist das so, wenn das Label an dich herantritt und sagt, wir kümmern uns um das Artwork und sonst irgendwas, dann ist das die Herangehensweise, die quasi ausdrückt, wenn das Label das macht, verkaufen wir mehr Platten. Und das ist ja nicht unser Ziel eigentlich. Unser Ziel ist es, genau dieses Ding und, um wieder den Konzeptbegriff zu bemühen, unser Konzept so durchzuziehen, wie wir glauben, dass es sein soll. Das ist die beste Herangehensweise, die wir für eine Band kennen.
Nur so seid ihr mit dem Ergebnis zufrieden.
Ron: Genau, zu 90%...
Und dann schicken euch Hammerheart Records für die nächste Platte die Adresse von Ed Repka, Felipe Machado etc…
Ron: Müsste man sich drüber unterhalten, aber ich glaube, dass wir es nach wie vor so wie bisher handhaben würden. Ich sehe im Moment auch nicht, dass die Kollegen von Hammerheart da eine andere Politik fahren würden. Ich glaube, denen ist es durchaus Recht und die sind es auch gewohnt, dass die Bands weiterhin viel selbst in der Hand haben. Bei dem, zugegeben wenigen, Kontakt, den wir bisher mit ihnen hatten, ist es tatsächlich so, dass sie uns nirgends auch nur annähernd irgendwie reingeredet hätten. Sie fragen uns, ob sie die Artworks verwenden können, für T-Shirts z.B., fragen uns, was für Reviews wir wo haben wollen würden, mit wem wir Kontakt haben wollen… Ist alles noch in den Kinderschuhen, was den Kontakt betrifft bisher, aber alles was bisher war, war ok. Die sind da wohl auch recht unkompliziert in der Zusammenarbeit, sagt zumindest der Timo von Alerta.
Ich glaube auch umgedreht, dass Hammerheart und Alerta so Wenige-Personen-Betriebe sind, dass die auch ganz froh sind, wenn sie Sachen auslagern können. Deshalb kommt da auch keiner auf die Idee, einem reinzureden.
Ron: Genau, es wird nicht nur Labelpolitik sein, die Künstler nicht an die Kandare zu nehmen, sondern wahrscheinlich bleibt ihnen auch Manpower-mäßig zu wenig Zeit dafür.
Spielt das DIY auch für euch eine Rolle beim Beurteilen anderer Bands oder zählt da nur die Musik?
Dirk: Schwierige Frage. Wenn die Band unglaublich gut ist… Im Prinzip muss ich sagen, bei mir zählt immer das Gesamtkonzept. Ich würde niemals, niemals, niemals, niemals eine Grauzonen- oder Faschoband hören, wenn mir die Musik gut gefällt. Das scheidet absolut aus. Ich würde keine Band hören, die rassistisch, sexistisch, irgendwas –istisches ist, selbst wenn mir die Musik irgendwie gut gefällt, weil ich das total armselig finde. Man muss als Band auch für irgendwas stehen, finde ich.
Was war die ursprüngliche Frage? Ach so, ja. Dieser DIY-Gedanke selbst, da müssen die Leute selbst wissen, wie sie das sie machen. Ich möchte niemandem vorschreiben, wie er das macht. Das ist unser Weg und ich würde mir möglicherweise wünschen, dass bestimmte Bands lieber den DIY-Weg gehen würden, wenn ich sehe, da stimmt irgendwas nicht. Da ist etwas unstimmig. Mir fällt jetzt gerade KYLESA ein, die nächste Woche im Underground spielen - und die spielen da für 23 Euro. Also dass du möglicherweise als DIY-Band Einfluss darauf hast, wie die Preisgestaltung aussieht. Ich zahl nicht 18 Euro für ein Shirt, von dem ich weiß, dass es in der Produktion vier gekostet hat.
Dass eine Verhältnismäßigkeit gewährleistet bleibt?
Dirk: Verhältnismäßigkeit ist genau das richtige Wort. Da denke ich, dass DIY da eher der Weg ist, diese Verhältnismäßigkeit zu bewahren, als wenn du dich an ein Wie-groß-auch-immer Label hängst, das dir dann sagt, du musst das Shirt für 25€ verkaufen, selbst wenn es das nicht wert ist.
Ron: Zum DIY-Gedanken selbst: Bei mir ist es einfach so, dass meine Verwurzelung daher kommt. Ich hab immer noch eine gewisse emotionale und soziale Bindung an diese Zusammenhänge, wie man so schön sagt. Deshalb bin ich da, was Bands anbelangt, eher wohlwollender als bei einer Band, wenn sie auf einem großen Label ist. Wobei ich nicht sagen kann, dass ich Bands, die nicht DIY sind, nicht aus dieser Szene stammen oder keinen Bezug dazu haben, deshalb nicht gut finde.
Ich weiß um die Schwierigkeiten, wie es ist, wenn man versucht, davon zu leben, was völlig legitim ist, und wenn man davon leben möchte, muss man Kompromisse eingehen. Gerade viele tourende Bands, die wir aus Übersee hier haben, haben nur bedingt Einfluss auf die Türpreise, auf die Shirtpreise und wollen da wahrscheinlich auch nicht so viel Einfluss nehmen, weil sie denken, sie verkaufen keine Platten mehr – verkauft ja auch keiner mehr welche – und das Ganze also über Merchandise und Konzerte einspielen müssen. Von daher bin ich da ein wenig zwiegespalten.
Dirk: Ich bin definitiv auch zwiegespalten. Nehmen wir zum Beispiel DOWNFALL OF GAIA. Gestartet als klassische DIY-Band, mittlerweile sind sie auf Metal Blade. Da bin ich dann tatsächlich hin und her gerissen. Einerseits wäre es vielleicht auch schön gewesen, wenn sie unserer Szene noch ein bisschen länger angehört hätten, andererseits denke ich auch, dass die so eine Türöffnerfunktion haben können. Wenn so eine Band auf Metal Blade drauf ist… Dass möglicherweise Bands, die nicht ein total sauberes Genre bedienen, vielleicht mal ein bisschen mehr Zuspruch erfahren.
Auch so eine Gratwanderungs- oder Zwischenband sind doch THE OCEAN. Die CDs kommen auf einem größeren Label raus (Metal Blade) und die Platten & die Sondereditionen wie die mit den Meeresbödenschichten macht Robin Staps selber mit seinem Label, Pelagic Records. Die haben auch unfassbar viele verschiedene Shirts im Angebot.
Dirk: Ja, jetzt muss man aber auch dazu sagen, dass… Da stehe ich hier möglicherweise alleine. Ich finde THE OCEAN einfach… Es nötigt mir unglaublich viel Respekt ab, dass der Staps da tatsächlich seit zehn oder zwölf Jahren als Ein-Mann-Kommando diese Band führt, gleichzeitig noch das Label hat, wo starke Bands drauf sind, wie ich finde. Sehr liebevolle Sondereditionen von den Platten macht und tatsächlich auch ein paar starke Platten gemacht hat. Es sind nicht alle gleich gut, aber es sind einige, die zählen tatsächlich zu meinen Top10 aller Zeiten. Das nötigt mir unabhängig davon, ob das auf Metal Blade rausgekommen ist oder nicht, großen Respekt ab. Eine meiner Lieblingsbands überhaupt. Jetzt hab ich den Faden schon wieder verloren…
Ron: Ich kann mich erinnern, dass ich früher eisenhart behauptet hätte, alles was nicht DIY ist, ist nicht akzeptabel.
Dirk: Ach Gott, ich hab früher noch nicht mal Platten gekauft, wenn so ein Barcode drauf war.
Ron: Genau, solche Geschichten halt. Und da hat es nicht nur mit dem voranschreitenden Alter zu tun, sondern auch mit einer kompromissbereiteren Haltung, dass ich mittlerweile verstehen kann, wenn Menschen sagen, „Ich will davon leben und dafür muss ich halt was tun“, was ich früher nicht so gesehen hätte. Eher lebe ich mehr oder minder auf der Straße, als dass ich mich selbst mit einem DIY-Label, das in meinem Empfinden zu groß war, eingelassen hätte, um da eine Platte zu veröffentlichen.
Im Sinne von, lieber Hungern als die Ideale zu verraten?
Ron: Genau so.
Dirk: Aber so waren wir früher alle.
Ron: Ist, wie gesagt, eine sehr eigenartige Szene, aus der wir uns rekrutieren. Eine äußerst rigide Haltung, die in vielen Punkten an den Tag gelegt wird.
Dirk: Hat nicht sogar das Maximum Rocknroll früher keine Platten reviewt, die einen Barcode drauf hatten? Doch, da war irgendwas. Die Hardcoreszene war, glaube ich tatsächlich, Anfang der 90er unglaublich engstirnig. Aber ich habs gleichzeitig auch genossen, so engstirnig zu sein. Damals war ich, glaub ich, auch noch straight edge, vegan…
Ron: Nichts, was Spaß macht, hehe.
Dirk: Man war einfach total intolerant allen Leuten gegenüber. Das ist auch einfach so eine Phase, die macht jeder mal durch. Bei uns war es dann eben gegen das Saufen, das Rauchen und…
Ron: Das Feuer der Jugend, hehe.
Dirk: Ich verstehe das heute auch nicht mehr, ich würde mich mit Sicherheit auch nicht gemocht haben.
Ron: Das kommt erschwerend hinzu, hehe. Aber in der Tat. So eine gewisse Verbundenheit dazu? Auf jeden Fall! Und nach dem Handeln glaube ich persönlich auch, dass die Band so einer Art Lebensleitlinie folgt, aber nicht in der Form, wie es mal gewesen ist. Ich kann mir auch durchaus vorstellen, auf einem größeren Label als aktuell zu veröffentlichen. Das kommt immer auf die Situation, die Konditionen an.
Dirk: Es ist ohnehin Quatsch, von vorneherein was auszuschließen. Wenn wir größer werden wollen dürften, müssten wir schon zwangsläufig zu einem größeren Label wechseln. Und ich kann mir auch vorstellen, dass es da genauso Leute gibt, mit denen man genauso wie mit dem Timo zusammenarbeiten kann, nur eben auf der nächsthöheren Ebene.
Kritiken & der Sekretär
Selbst mit der Erfahrung, die ihr habt, im Rücken: Wenn wieder mal so ein neues Baby erscheint wie jetzt die Platte, wie geht man damit um, wenn irgendwelche Leute aus aller Herren Länder ihren Senf dazu abgeben. Ich meine jetzt Leute, die darüber schreiben für Zines oder Mags, nicht nur reine Hörer.
Ron: Ich glaub, wir waren selbst ziemlich überrascht. Ich zumindest war total überrascht, dass es so eine Resonanz hat. Natürlich, es ist das Zeitalter des Internets und die Verfügbarkeit ist viel größer als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Da ist es eigentlich nur natürlich, dass es Reaktionen gibt, aber dass sie in weitesten Teilen doch so positiv sind, fand ich sehr überraschend. Deshalb haben wir wohl auch so inflationär Reviews gepostet, haha.
Dirk: Da war ich auch ziemlich weggeblasen. Wir wussten gleichwohl, als wir aus dem Studio rausgekommen sind, dass wir eine ziemlich gute Platte aufgenommen haben, aber das heißt ja nicht, dass sie den Leuten auch gefällt. Wenn wir sagen, wir haben nicht nur unser Bestmöglichstes geleistet, sondern sogar fast mehr geleistet, als wir vermutet hatten, leisten zu können. Und dann kommt da dieser fantastische Sound, den der Ole von der Tonmeisterei draufgezaubert hat, das ist ein starkes Ding gewesen. Aber dass es tatsächlich viele Leute aus der ganzen Welt auch so sehen, außer dem Metal Hammer, das hat mich schon… Es ist ja nicht nur so, dass die Leute gesagt haben, „Ja, die ist ganz ordentlich“, sondern es gab wirklich Reviews, die gesagt haben, dass es eine unglaublich gute Scheibe ist. Das bestätigt einen dann ja auch.
Vor allem mir bedeutet es dann viel, wenn wir live spielen, dass ich mich selbst dann nicht so unsicher fühle, ob es den Leuten jetzt überhaupt gefällt. Es ist schon manchmal wichtig, wie das Feedback ausfällt. Wenn ich total angefeindet und gehasst werde, das macht mir auch keinen Spaß mehr. Das war früher mal anders, aber es gibt einem doch eine gewisse Sicherheit, wenn man sich auf eine Bühne stellt vor lauter Leute, die man überhaupt nicht kennt. Mir zumindest.
Wobei das wahrscheinlich interessanter ist, als wenn die Leute nur gelangweilt da stehen und an ihrem Bier nippen.
Ron: Das ist natürlich der Tod jeder Band, dieses „Ja, ganz nett, aber ich geh jetzt ein Bier trinken“, obwohl ich eigentlich fast immer ein Bier trinken gehe bei der Band, hehe. Aber ganz im Ernst, wir waren sehr erstaunt, dass es so eine positive Reaktion gab. Mir fehlt im Moment das Einordnen, ich kann gar nicht sagen, ob das viel oder wenig ist. Man hat immer so einen Bezugshorizont.
Dirk: Was meinst du mit viel oder wenig?
Ron: Ob das jetzt viele positive Reaktionen sind oder ob das ein normales Level ist für eine Band, die eine neue Platte rausgebracht hat. Mir fehlt da ein bisschen der Bezugshorizont, deshalb kann ich das schlecht sagen.
Du wirst doch ungefähr wissen, wie viele Leute das Ding in die Hand bekommen haben, um darüber zu schreiben, oder?
Ron: Ne, weiß ich tatsächlich nicht. Ich weiß, dass viele Reaktionen – und das mag wiederum dafür sprechen, dass die Platte eine gute Geschichte ist – von alleine kamen. Leute, die das machen wollten, ohne dass das Label, also Timo von Alerta bzw. die Promoagentur, mit der er auch zusammenarbeitet – so viel zu DIY -, die damit bestückt haben; also Promoarbeit geleistet haben. Vieles kam unmittelbar, nachdem die Sachen auf der Bandcampseite von Alerta online waren. Das wiederum spricht dafür, dass es eine ganz gute Geschichte ist und den Leuten gefällt. Auf der anderen Seite weiß ich nicht, wie eine andere Band, sagen wir COFFINS aus Japan, ob die ähnliche Reaktionen, mehr positive Reaktionen, bekommen haben. Natürlich, weil sie länger dabei sind, schon, aber das Koordinatensystem stimmt für mich noch nicht so richtig.
Dirk: Aber es ist ja schon so, dass die Reviews, die wir bekommen haben, nicht nur positiv sind, sondern fast schon euphorisch. Von daher ist die Vermutung durchaus begründet, dass die Platte gute Resonanzen hat.
Ron: Wir hegen begründeten Verdacht, dass
Ihr nicht die einzigen seid, die eure Platte sehr gut finden.
Dirk: Wenn du das so sagst, hört sich das irgendwie komisch an…
Ron: Nee, ich find das voll ok so, haha.
Ihr wisst selbst und wolltet das wohl auch, dass man keinen einfachen Genrebegriff für euch anwenden kann. Was war das positiv originellste Genre, das euch zugeschrieben wurde, und was war auf der anderen Seite das rätselhafteste, also wo ihr nicht verstanden habt, was euch zugeschrieben wurde?
Ron: Letzteres kann ich sofort beantworten: Punkrock.
Dirk: Da stimme ich dir zu. „Da gibt es eine neue Punkrockband.“ Also wenn irgendjemand diese Musik für Punkrock hält, hat er einfach die letzten 50 Jahre verschlafen. Ich möchte niemandem vorschreiben, wie er was bezeichnet, aber das ist kein Punkrock. Punkt. Aus. Das originellste? Da fällt mir gerade nichts ein.
Ron: Wüsste ich auch nicht, aber was ich auch fragwürdig fand und nicht ganz nachvollziehen konnte, waren Deathcorebezüge oder Metalcorebezüge, von denen ich ab und zu gelesen hab, denn die höre zumindest ich überhaupt nicht raus. Wüsste ich nicht, wo es herkommt, aber es sei jedem freigestellt, meine Güte. Sonst sind die Genrebezeichnungen schon in so einem Drei- oder Viereck, in dem wir uns irgendwie auch bewegen. Death Metal, Black Metal, Hardcore, Sludge, da bewegen wir uns ja schon - wobei wir uns natürlich nicht in einer Schublade bewegen wollen.
Dirk: Weil es etwas blöd klingt: Wollen sowieso nicht. Das ist ja nicht so, dass wir gesagt haben, wir machen jetzt mal einen Genremix, sondern das hat sich ganz einfach so ergeben.
Ron: In unserer unbekümmerten Herangehensweise war uns wahrscheinlich nicht mal bewusst, welche Genres da auf uns zukommen werden.
Dirk: Wenn mich jemand fragt, was wir für Musik machen, sag ich immer Brutalo Sludge. Das ist einfach das kürzeste und prägnanteste, was mir so einfällt. Statt irgendwie Blackened Death Sludge Hardcore nur Brutalo Sludge. Hört sich gut an.
Ron: Du siehst, es fällt uns selber auch relativ schwer, irgendwas dazu zu sagen. Vielleicht hat ja irgendwer mal eine treffende Bezeichnung dafür.
Woher die Faszination Tierwelt? Der Name der Platte, der Name der Band. Ich hab auch gehört, dass ein Review sich auf den Sekretär konzentriert hat, den Greifvogel. Gibt es einen direkten Bezug zu eurem Namen?
Ron: Der Ornithologe ist gefragt.
Dirk: Ja, wir haben uns tatsächlich für den Namen SERPENT EATER entschieden, weil ich den Sekretärsvogel… Der Gunnar ist derjenige gewesen, der mit dem Namen angekommen ist. Zuerst haben wir mit Namen gescrabblet. Mit Wörtern gespielt, die sich gut anhören, sie kombiniert, wie ein kleines Puzzle.
Irgendwann hat Gunnar Serpent Eater zusammengepuzzelt. Da hab ich gesagt, das ist ja lustig, das ist der englische Name für den Sekretärsvogel. Von meinen Bandkollegen kannte keiner den Sekretärsvogel. Dann hab ich erklärt, was das für ein Raubvogel ist, dass der seine Opfer zu Tode stampft, ganz kurios aussieht und eigentlich sowieso ein ganz schräges Tier ist. Es hört sich auch einfach gut an. Man darf auch nicht vergessen, dass ein Bandname sich auch gut anhören muss. SERPENT EATER hat, finde ich, einfach alles.
Ist jetzt nur leider entmystifiziert.
Ron: Ne, das wird ja gestrichen, hehe. Es gibt in der Tat, das ist aber erst in der späteren Recherche rausgekommen, so mythologische Gestalten, gerade im Grenzgebiet zwischen Hinduismus und Buddhismus, wo der Serpent Eater oder Garuda eine Art Götterbote ist.
Dirk: Das wusste ich nicht, wieder was gelernt.
Ron: Tja, das Internet.
Ich denke beim Schlangenfresser zuerst an den Mungo, weil er der Feind der Cobra ist.
Ron: Ja, aber er ist ja nicht der einzige.
Dirk: Serpent ist ja tatsächlich im Englischen auch nicht der zoologische Begriff für die Schlange, sondern es kommt aus dem Mythologischen, Epischen. Serpent, der Verführer. Letztlich wäre dann Snake eher so der zoologische Begriff. Weil Serpent eher so diesen…
Größeren Bedeutungshorizont hat.
Dirk: Genau, das hast du sehr gut formuliert. Ich wünschte, mir wäre das eingefallen. Ja, deshalb finde ich den Namen einfach stark. Und „Hyena“ ist halt einer der Songs.
Aber das ist Zufall, dass das auch ein Tier ist.
Ron: Ja.
Dirk: Ja, das ist nicht Konzept. Ich bin sowieso großer Tierfreund, dass der Gunnar ein großer Freund von Primaten ist, hast du dir womöglich schon denken können. (wegen Gunnars Shirtauswahl bei Auftritten) Und warum nicht?
Ron: Dass es stimmig wirkt mit diesem Bandnamen, Albumtitel und sich so ein bisschen ein Totem zu geben, ist uns natürlich schon bewusst und eigentlich auch gewollt. Dass es dann so passte, ist aber nicht on purpose passiert. Dass der Song „Hyena“ heißt, ist der Schreibe von Gunnar zu verdanken. Er hat aber nicht gedacht, wir heißen SERPENT EATER, ich mach jetzt Songtitel, die Tiernamen tragen.
Es ist ja auch der einzige. Sonst wäre es auch wirklich sehr auffällig, wenn alle Lieder Tiernamen hätten.
Ron: Gib mir Tiernamen!
Fängt „In The Wall“ mit SLAYER an?
Ron: Nee.
Dirk schmunzelt: Jeder, der das nicht hört, dass das von SLAYER beeinflusst ist… Es ist ein Riff von mir und es fängt mit einem Riff an, das ziemlich von SLAYER beeinflusst ist. Ursprünglich sollte das viel, viel langsamer gespielt werden, wir haben im Laufe der Zeit im Proberaum die Geschwindigkeit immer mehr angezogen. Mittlerweile spielen wir das auch live in einer Geschwindigkeit, dass sich als erstes eine SLAYER-Assoziation aufträgt, aber ich finde, dass sogar ein schlechtes SLAYER-Riff besser ist als das, was die meisten Bands sonst so machen. Jeff Hanneman war unantastbar und wenn die Leute tatsächlich da SLAYER raushören, ohne zu sagen „Ah, kopiert!“, dann finde ich das stark. Klar, jeder, der das Riff zum ersten Mal hört und schon mal SLAYER gehört hat, wird sofort an SLAYER erinnert, aber das ist auch nicht schlimm.
Inhalte & Ausblicke
Ohne Lieder und Textblätter hab ich überhaupt keine Ahnung, wovon die Lieder handeln. Man versteht es ja auch nicht wirklich, aber ich gehe mal davon aus, dass das nicht viel weniger wütend ist als die Musik?
Ron: Ja, davon ist auszugehen. Es ist natürlich jetzt ein bisschen undankbar, dass der Gunnar nicht dabei ist, der als Sänger die Texte verfasst und schreibt, und wir dazu nicht viel sagen können oder vielleicht auch wollen, was ihn da umtreibt. Klar, dass das Unwohlsein, was man in manchen Lebenssituationen an den Tag legt, sich auch durchaus in den Texten wiederspiegelt. Darüber hinaus geht es teilweise eher um fantastische Geschichten, die in gewisser Weise einen Bezug zur Realität haben, soweit ich das interpretiere. Ich glaube, so äußert er sich selbst auch dazu. Eine gewisse Morbidität, mit Fantasiehintergrund, Horrorhintergrund, und einem gewissen Bezug zur Realität.
Also der Anstoß oder Treibstoff kommt aus persönlichen Erfahrungen und wird übertragen auf fantastische Gebilde?
Ron: Genau. Häufiger ist es, soweit ich weiß, aber auch von Geschichten, die er gelesen hat.
Dirk: Es ist tatsächlich so, dass der Gunnar manchmal auch Sachen liest, die er so irre findet, dass er einen Text daraus macht. Mir fällt gerade dieser Musiker nicht ein, der sein Kurzzeitgedächtnis verloren hat und also keine neuen Informationen speichern kann. Davon handelt ein Lied. Wenn er irgendwas liest, das ihn so fasziniert, dass es ihn nicht loslässt, das verarbeitet er dann zu Texten. Das sind natürlich durch die Bank schon sehr skurrile und…
Es ist nicht, wie er bei Aldi einen Euro im Wagen gefunden hat.
Dirk: Nein.
Ron: Kann sein, aber es wäre dann so chiffriert, dass man es nicht zurückführen könnte.
Sind die zwei Lieder vom Album davor jetzt nochmal dabei („Leitmotif“ & „Trepanation Nation“), weil ihr der Meinung wart, dass das die besten zwei Lieder waren und ihr wolltet sie im neuen Sound nochmal einspielen?
Dirk: Ja. Zumindest haben wir den Eindruck gehabt, dass die am besten zu den ganz neuen Songs passen, und wir haben uns natürlich schon geärgert, dass wir etwas aufgenommen haben und das hat uns nicht gefallen. Also ich spreche jetzt von dieser Demo-CD. Es ist einfach irre traurig, wenn du zumindest ein paar Songs hast, die dir wirklich gut gefallen, aber du hast die nicht mal vernünftig aufgenommen, so dass du sagen kannst, ich hör mir den Song jetzt einmal an und kann beurteilen, wie er wirklich ist, weil das durch die Aufnahmen, den Schnitt und alles total vermurkst gewesen ist.
Das waren die beiden Songs, die wir dann ausgewählt haben, weil sie am besten zu den anderen vier gepasst haben. Wir haben tatsächlich abgestimmt, welche Songs wir aufnehmen wollen. Ich glaube, drei standen zur Auswahl, und das sind dann die beiden geworden, die wir ausgewählt haben. Es war wirklich so, dass wir uns gesagt haben, wir müssen mindestens zwei Songs neu aufnehmen.
Basisdemokratisch abgestimmt.
Ron: Ja, wir sind prinzipiell basisdemokratisch strukturiert.
Dirk: Ich muss tatsächlich sagen, dass ich für einen anderen Song gestimmt hab, aber im Nachhinein froh bin, dass es so gekommen ist.
Ron: Ich hab auch für andere Songs gestimmt.
Dirk: Echt? Wer hat denn dann überhaupt für die beiden Songs gestimmt?
Ron lacht: Keine Ahnung.
Nur die anderen, hahaha.
Ron: Wie du siehst, Demokratie funktioniert bei uns intern auch nicht.
Obwohl, es gehen auch alle wählen und sagen zum Ergebnis nachher, sie wären es nicht gewesen.
Dirk: In unserem Songwritingprozess versuchen wir, es einstimmig zu machen. Keine Mehrheitsentscheidung. Deshalb braucht es auch so quälend lange, bis wir einen neuen Song fertig haben. Wenn einem irgendwas nicht gefällt, versuchen wir solange dran zu arbeiten, bis wirklich alle damit leben können. Gestern bei der Probe haben wir einen neuen Song gemacht und als er mehr oder weniger stand, haben wir ihn komplett verworfen, weil wir gesagt haben, eigentlich gefällt er uns doch nicht. Deshalb dauert es immer ewig, bis wir einen Song fertig haben.
Ron: Aber ich finde, das ist auch unser Weg, das zu machen. Alles andere fände ich…
Dirk: Natürlich ist das gut geregelt.
Ron: Mir fehlt da ein wenig die Erfahrung, aber ich glaube, Konsens darüber, was die Band ausmacht, ist wichtig, auch um als Band zu funktionieren.
Zwei kurze Fragen noch, auch wenn ich schon sehe, dass die nicht kurz beantwortet werden. Aus regionaler Sicht: Was findet ihr gut in der härteren Musikszene in Köln & Bonn und was findet ihr schlecht?
Dirk: Meinst du…
Auftrittsmöglichkeiten, was für Arten von Bands es gibt – mir zum Beispiel gibt es zu wenig vernünftige Power Metal Bands.
Dirk: Tatsächlich? Mit Power Metal kenn ich mich gar nicht aus. Aber Auftrittsmöglichkeiten, da ist es ein wenig dünn. Gerade für die Untergrundbands, die ein bisschen krawallige Musik machen, gibt es definitiv zu wenig. Möglicherweise liegt es aber auch einfach daran, dass es überhaupt nicht mehr viele Leute gibt, die sich das noch antun, Shows zu organisieren, oder überhaupt tätig zu werden in irgendeiner Art und Weise
Was mir gut gefällt sind die wenige Läden, die es gibt, wo man mit so einer Musik auftreten kann.
Oder zum Beispiel, wie ist das Verhältnis der verschiedenen kleinen oder auch größeren Bands zueinander?
Ron: Prinzipiell finde ich es gut, dass man hier im Großraum die meisten Bands, die man sehen will, auch zu sehen bekommt. Ich komme eher aus einer provinzielleren Gegend und da ist es natürlich anders. Das finde ich ganz gut. Darüber hinaus denke ich, dass in Köln und Bonn Gitarrenmusik nicht die größte Gruppierung ist, im Elektro ist viel mehr geboten. Wenn man sich in noch größeren Gegenden umsieht wie Berlin oder Hamburg, da ist es schon bisschen mehr, glaube ich. Sowohl der Underground, als auch das größere.
Das Verhältnis der Bands zueinander? Mit den Leuten, mit denen wir Kontakt haben, gab es nur gute Verhältnisse. Mit den Bonner Bands, die Leute kennen wir eigentlich alle auch, also aus unserem Genre, und sind da freundschaftlich verbunden.
Dirk: Es gibt definitiv kein Konkurrenzdenken, also dass man denkt, man muss dem oder dem was beweisen. Mir ist es mittlerweile lieber, so ein Buddykonzert zu machen, also mit einer Band zusammen zu spielen, die wir auch persönlich kennen, statt mit Unbekannten. Da stimmt einfach alles, da ist keiner böse, wenn er als erstes spielen muss. Streit gibt es sowieso eigentlich nie, es sei denn, es sind wirklich…
Irgendwer hat sich extrem daneben benommen.
Dirk: Ja.
Ron: Also Metalszene, da sind wir ja so ein wenig Grenzgänger, aber nicht so tief in der Kölner oder Bonner Metalszene angekommen bisher, dass wir irgendwas beurteilen könnten, oder?
Dirk: Ich bin überhaupt gar nicht in der Kölner oder Bonner Metalszene. Ich wundere mich schon, dass du uns als Grenzgänger bezeichnest.
Ron: Musikalisch.
Dirk: Ja, das heißt aber nicht, dass dann auch wirklich Metalleute hinkommen.
Ron: Wir reden ja davon, wahrgenommen zu werden. Wie bei diesem Rhein in Blood, da sind wir ja schon wahrgenommen worden, was als reine Hardcoreband oder Darkened Crust Band nicht passieren würde.
Grenzgängerbands in ganz verschiedener Hinsicht sind ja auch gerade angesagt, DEAFHEAVEN oder BEASTMILK.
Ron: Ich finde das auch gut. Strikte Grenzen machen keinen Sinn mehr, das wird auch langweilig irgendwann.
Letzte Frage: Nahziele für dieses Jahr?
Dirk: Ganz wichtig ist es erstmal, den neuen Schlagzeuger anzulernen. Unsere Songs sind, gerade was das Schlagzeug angeht, nicht gerade leicht zu spielen. Selbst wenn der Jens ein fantastischer Schlagzeuger ist, muss der sich das ganze Zeug erstmal draufschaffen. Es ist nicht so, dass der sich ans Schlagzeug setzt und macht das sofort super. Das ist ein langer Prozess.
Dann haben wir uns überlegt, ob wir es nicht hinkriegen könnten, Ende des Jahres nochmal was aufzunehmen. Also, dass wir genug Zeug zusammen haben, um vielleicht im Spätherbst nochmal nach Oldenburg zu fahren und einfach vielleicht so fünf, sechs, sieben Songs aufzunehmen. Aber das ist alles Zukunftsmusik. Wir spielen dieses Jahr auch relativ viel, und weil es so lange dauert, bis wir einen Song fertig haben, müssen halt wir mal schauen, ob wir das überhaupt hinkriegen, genug zusammen zu kriegen, um nochmal eine EP aufzunehmen. Wir könnten prinzipiell auch mit einer Band, die wir wirklich gut finden, eine Split aufnehmen, aber ich bin schon ein großer Fan davon, Nicht-Splits aufzunehmen.
Ron: Wir spielen relativ viel ab April. Und geplant haben wir die Neuaufnahme für Ende diesen Jahres. Wir wollen das machen, aber wenn es nicht klappt, ist es auch nicht schlimm. Dann halt nächstes Jahr, wir setzen uns jetzt nicht unter Druck.
Ihr müsst dann nicht drei Monate vorher das Studio buchen?
Dirk: Das sollten wir schon.
Ron: Das würden wir schon gegen Mitte des Jahres entscheiden, ob es im Herbst dahin geht.
Dirk: Wir sind ja noch jung. Und wenn das jetzt auch Frühjahr 2015 werden sollte… Mir ist es jetzt erstmal wichtig, dass der Jens das vernünftig hinkriegt. Ich will nicht sagen, dass wir sehr stark von unserem Schlagzeug abhängen, aber Christian ist schon ein Schlagzeuger, der auch zu dem Sound auf der Platte viel beigetragen hat, mit seinem Sound und seinem Spiel. Der Jens soll den Christian natürlich nicht eins zu eins kopieren, aber dieser Schlagzeugcharakter darf nicht verloren gehen. Das wird, denke ich, noch mindestens einen Monat in Anspruch nehmen, je nachdem wie oft wir proben.
Gut, danke euch.
Dirk: Willst du mal letzte Worte sagen?
Ihr könnt gerne letzte Worte sagen.
Dirk: Ach nee, jetzt fällt mir da auch nichts Gutes ein.
Ron: Die nächste Platte wird so sein, dass die Diana (die Reviewschreiberin des Metal Hammer) die gut findet. Die absolute Maßgabe ist, Diana muss die Platte gut finden. Hehe.
(Bild 1 Ron & Dirk, Bild 2 vlnr: Dirk, Chris, Daniel, Ron & Gunnar)
(Bild 1, 5 & 6 von Marc Gärtner, Bild 4 aus der Wikipedia)
Findungsprozesse
Ron: Daniel, Dirk und Ich kennen uns inzwischen schon seit etwa 25 Jahren, nehme ich an. Alle aus dem Umfeld der genannten Bands, die sich so im Hardcorebereich bewegt haben. Dann lernt man sich kennen, aber näheren Kontakt hatten wir nicht so richtig.
Dirk: Mit dem Daniel (der andere Gitarrist) hatte ich Kontakt, mit dir nicht. Richtig kennengelernt haben wir uns erst, als wir die Band gemacht haben. Daniel war ein großer TUMULT-Fan und ich bin ein riesiger HAMMERHEAD-Fan gewesen, ich hab HAMMERHEAD bestimmt 20 Mal gesehen und Daniel hat TUMULT häufig gesehen. Irgendwann meinte er zu mir, ich hätte so einen tollen Gitarrensound und wir sollten doch mal zusammen Musik machen. Dann hast du auch gesagt, dass du mal was anderes machen möchtest als HAMMERHEAD, und dann sind wir in den Proberaum gegangen und haben erstmal einfach verschiedene Leute ausprobiert am Schlagzeug und Gesang. Als wir dann die passenden Mitglieder gefunden hatten, war es klar, dass es kein Projekt mehr sein würde, sondern eine richtige Band. Also nicht einfach nur Spaß im Proberaum, sondern tatsächlich ernsthaft was machen.
Ron: Prinzipiell wollten wir uns mit diesem Ur-Nukleus musikalisch neuen Ufern widmen. Ganz zu Anfang war die Idee, dass wir eine recht basale Death Metal Band gründen, basal im Sinne von Low Tech, zur Abgrenzung vom Tech Death, und haben versucht, uns so nah wie möglich BOLT THROWER zu nähern, vom Sound her. Das hat in Teilen geklappt, hat auch in Teilen Spaß gemacht, aber in weiten Teilen haben wir irgendwann nicht mehr… Erstens gibt es BOLT THROWER schon, zweitens kann man es nicht besser machen, als die es gemacht haben, und drittens hat es irgendwann auch einfach gelangweilt.
Dirk: Ja, volles Rohr gelangweilt.
Ron: Ständig diese gleiche Art von Riffing zu machen.
Deshalb veröffentlichen die auch nur so selten Alben, hehe.
Ron: Ja, da muss man schon sehr selektiv sein.
Dirk: Das kam dann auch dadurch, dass Chris (Schlagzeug) und Gunnar (Gesang) in die Band eingestiegen sind. Die haben nochmal so einen Kreativitätsinput in die Band gebracht. Sie haben gesagt, lasst uns doch mal dies oder das probieren, was dazu geführt hat, dass wir noch offener geworden sind. Lass uns einfach alles das machen, woran wir Spaß haben. Praktisch überhaupt keine Zügel mehr anlegen, daraus ist dann SERPENT EATER geworden.
Ron: Der Grund war ja zu machen, was uns Spaß macht, und wir haben auch einen musikalischen Grund. So ein Gefühl der Düsternis.
Gehört dazu auch der Gedanke, ob das relevant ist?
Ron: Ne, gar nicht.
Dirk: Wie meinst du relevant?
Wenn man einfach nur BOLT THROWER kopieren würde, ist die Frage, wie relevant das ist, oder ob man dann nicht einfach besser direkt BOLT THROWER covert.
Ron: Ne, in dem Sinne die Relevanzfrage, also ob die Band relevant ist oder nicht, haben wir uns nicht gestellt. Auf jeden Fall haben wir es nicht bewusst thematisiert.
Dirk: Ne, überhaupt gar nicht. Bis wir tatsächlich SERPENT EATER gemacht haben, war das Im-Proberaum-Rumstehen. Wir haben zwei oder drei Liveshows gespielt, die waren aber schrecklich, weil wir eher so lustlos und untight gewesen sind. Die Band würde ich wahrscheinlich selber auch schlecht gefunden haben, das waren einfach zusammengeklaute Riffs und mit denen haben wir ein paar Songs zusammengestoppelt oder auch mal was aufgenommen im Proberaum. Aber das hat keiner von uns wirklich ernst genommen und daher hat sich auch die Relevanzfrage für uns nicht gestellt, weil wir wussten, wir murksen halt rum.
Über Relevanz hab ich überhaupt noch nie nachgedacht, also ob SERPENT EATER relevant ist. Aber da würde ich schon eher denken, dass SERPENT EATER für mich persönlich mehr Relevanz hat, als alles was ich vorher gemacht habe, ganz besonders als diese Death Metal BOLT THROWER Sache.
Ron: Ich glaube, die Relevanzfrage sollte man sich als Band auch nicht stellen. Mir ist natürlich durchaus bewusst, dass es viele Bands gibt, die mit dem Ansinnen an die Sache herangehen, irgendwas zu machen, das in irgendeiner Form Erfolg hat.
Es ging mir bei der Frage nicht darum, ob ihr denkt, wenn wir irgendwas kopieren, fallen wir nicht auf. Ihr beschäftigt euch ja auch viel mit Musik und setzt euch damit auseinander, deshalb wolltet ihr etwas spielen, das ihr gerne hören würdet, weil es was anderes ist und wo man nicht sofort sagt, es klingt wie Band XY?
Ron: Aus der Perspektive betrachtet, ja, spielt es schon eine Rolle. Weil wir ne Band machen wollten, die so klingt, wie wir glauben, dass ne Band klingen sollte, die so ne Musik macht.
Dirk: Ich hab ich mich jetzt gerade auch ein wenig im Dickicht der Relevanz verlaufen. Wir wollten natürlich schon eine Band gründen – nachdem wir es ernst genommen haben und als wir noch zwei Mitglieder gefunden hatten, die das genauso gesehen haben wie wir – da wollten wir natürlich schon eine Band gründen, die so klingt, wie wir wollen, dass eine Band klingt. Aber das heißt natürlich nicht, die Band klingt gut und wir wollen klingen wie die. Wir wollten schon was Ureigenes machen und eben nicht mehr, „Guck mal, das ist ein tolles BOLT THROWER Riff, lass uns mal zwei Töne ändern und dann nehmen wir das.“
Insofern ist das dann die Relevanz für uns ganz persönlich. Da muss man ja auch trennen, gibt es eine Relevanz für die Musikszene insgesamt oder gibt es eine persönliche Relevanz? Persönlich finde ich SERPENT EATER sehr relevant, für mich, wie das mit der Musikszene ist, ist mir ehrlich gesagt total egal.
Ron schmunzelt.
Dirk: Wenn die Leute es gut finden, gut. Und wenn die Leute es nicht gut finden, ist mir das auch Wurst, weil ich weiß, dass wir ne starke Platte gemacht haben und dass wir ne starke Band sind, auch wenn sich das jetzt vielleicht ein ganz klein bisschen hochnäsig anhört. Wir machen schon lange genug Musik, um halbwegs objektiv sagen zu können, dass es schon eine gute Platte ist, die wir gemacht haben.
Ron: Was man schon sagen kann, finde ich, wenn man schon länger Musik macht, mehrere Jahre in Bands gespielt hat, dass man bei aller Subjektivität objektiv entscheiden kann, ok, das ist gut und das nicht. Man kann sagen, bevor Gunnar und Chris, und jetzt Jens (der Nachfolger von Chris am Schlagzeug), eingestiegen sind, war das nicht gut, objektiv, dafür kann man jetzt mit Fug und Recht behaupten, auch objektiv ist das eine runde Sache. Zumindest bin ich dieser Auffassung.
Dirk: Seh ich auch so. Es ist natürlich auch so, das muss man vielleicht doch dazu sagen, dass es nicht daran liegt, dass wir unfähig gewesen sind, dass die Band vorher so scheiße gewesen ist, sondern wir haben nichts wirklich investiert. Wir haben uns auch keine Gedanken gemacht, was den Sound angeht. Wir experimentieren mit SERPENT EATER ziemlich viel am Sound rum; was für nen Proberaumsound haben wir, wie wollen wir live klingen. Das ist ein ziemlich langer Prozess gewesen, bis wir erstmal einen Sound gehabt haben, der uns zufrieden gestellt hat. Mit der Band davor war das einfach nur einstöpseln und rumkrachen.
Ron: Für die Band auf jeden Fall. Dazu, und das darf man nicht vergessen, war die Besetzung immer sehr … volatil, sag ich mal. Eigentlich waren es immer Dirk, Daniel und Ich, mit wechselnden Sängern und wechselnden Schlagzeugern vor allen Dingen, so dass sich nicht richtig manifestieren konnte, was wir machen wollten. Das war wahrscheinlich auch ein Grund, warum es nicht so funktioniert hat wie später, als die Band ein fixes Gefüge hatte, dann schon als SERPENT EATER.
Dirk: Was ganz viele Leute gar nicht für möglich halten oder nicht glauben ist, dass es ganz unterschiedliche Schlagzeuger- und Sängertypen gibt und dass ein Schlagzeugertyp das Songwriting und den Sound einer Band maßgeblich beeinflussen kann. Wenn du einen Metalschlagzeuger hast, kommen automatisch metallischere Sachen raus, als wenn du jemanden hast, der aus der Punkszene kommt. Und mit dem Chris war es so, der ist einfach ein Universaltalent. Der Jens ist genauso, den kannst du genauso gut Uffta-Uffta Punk wie Hardcore, Powerviolence oder Metal spielen lassen.
Die können sich darauf einstellen, was die Band braucht?
Ron: Genau. Genauso wie alle anderen Instrumentalisten das auch tun und es auch der Sänger tun sollte, dem Sound, den man gemeinschaftlich entwickelt, das Dienlichste bringen, was möglich ist.
Auf eurer Facebookseite stehen (inzwischen: standen) fünf Bands unter „Sounds like“, da hat jeder von euch eine genannt, oder? Ich fand die Zusammenstellung klang so… ENTOMBED, WATAIN, DISCHARGE, BLACK ANVIL und BOLT THROWER. Das las sich für mich wie „Jeder nennt eine Band“.
Ron: Keine Ahnung.
Dirk: Da ist aber gar keine Band dabei von mir. Von mir ist keine dabei.
Ron: Das sind sicher Bands, die geliked sind, die sind gar nicht zugeordnet.
Nein, in der Beschreibungsseite hat das jemand hingeschrieben, unter „Sounds like“.
Ron: Ach so, hmm. Steht da überhaupt was?
Dirk: Das ist auf jeden Fall nicht die Auswahl, die ich getroffen hätte. Wir haben uns ja aber auch tatsächlich im Lauf von SERPENT EATER soundmäßig verändert. Keine zweiminütigen extremmetallische Sachen mehr, sondern etwas epischere, düster-atmosphärische Songs. Da kann es schon sein, dass es für die Anfangszeit, gerade in der neuen Besetzung, die ersten sieben, acht, neun Songs, dass es da tatsächlich noch hinhaut. Mittlerweile finde ich aber andere Bands „Sounds like“.
Ron: Ein guter Hinweis, das mal wieder upzudaten. Mir war gar nicht bewusst, dass die da stehen, aber ich werde es wahrscheinlich geschrieben haben, ich kann mich aber nicht erinnern.
Dirk: Wenn WATAIN dabei ist, warst du es bestimmt, ja.
Konzepte & DIY
Also werden nicht in Zukunft besudelte Jacken im Wald vergraben, bevor ihr auftretet?
Ron: Nein, obwohl ich natürlich ein Konzept für eine Band ganz smart finde, vielleicht weil ich es auch noch nie so gemacht habe wie WATAIN, sowas konsequent durchzuziehen. Das kann man ernst nehmen, muss man aber nicht. Ich finde es mittlerweile eine ganz spannende Facette an Bands, wenn die so…
Dirk: Das ist ein zweischneidiges Schwert: Wenn es gut ist, ist es gut, aber wenn nicht, ist es schrecklich. Gerade diese ganzen Bands, die als Gesamtkunstwerk auftreten, mit Kostüm und schlimmstenfalls noch mit Videoinstallation und irgendwelchen komischen Sachen auf der Bühne. Das ist wirklich gefährlich. Das muss schon wirklich Bombe sein, damit es gut ist, denn alles andere als Bombe ist peinlich.
Also, GHOST ist gut?
Ron: GHOST ist großartig!
Und die GRAILKNIGHTS sind peinlich?
Ron & Dirk: Hmmm.
Die eine Skeletor-Burg auf der Bühne haben und als Superhelden verkleidet sind?
Ron: Na, das ist die Trashversion, aber…
Dirk: Man soll es mit dem Trashfaktor nicht übertreiben, aber ich kenne die Band auch gar nicht. Aber das klingt wie eine charmante Idee.
Ron: Abgesehen davon glaube ich nicht, dass GHOST das ernstgenommen haben wollen wissen, dafür ist es zu theatralisch. Ich glaub manchmal, dass nicht mal WATAIN das ernst meinen, was sie da machen. Es wirkt halt ganz gut. Abgesehen davon ist auch jede Band, die versucht, kein Konzept zu haben, immer mit einem Konzept in irgendeiner Form zugange, sonst wäre es keine Band und man bräuchte sich auch nicht auf die Bühne zu stellen. Ist ja eigentlich klar. Die Frage ist, ob es durchdacht ist oder eher dem Zufall überlassen.
Das kann vielleicht auch automatisch kommen. Wenn man eh immer wie so ein Rock’n’Roll Typ rumläuft, spielt man ja auch keine Rolle, sondern das Konzept ist quasi automatisch da.
Ron: Genau. Aber ich denke, es kommt automatisch, sobald man sich auf eine Bühne stellt, dass die Wahrnehmung dazu führt, in irgendeiner Form steckte dahinter ein Konzept. Sowohl der Dirk als auch andere Teile der Band kommen ja aus einer Szene, wo Konzeptstrukturen nicht gern gesehen sind oder zumindest nicht durchgezogen werden.
Dirk: Ich würde nicht gerade sagen verpönt, aber in der Fast-Ultrahighspeedszene sind Konzepte nicht gang und gäbe. Wenn du 20 Minuten Show spielst, hast du auch nicht gerade die ideale Grundlage dafür,
Ron: irgendetwas Theatralisches zu machen. Aber trotzdem ist das ja auch irgendwie ein Konzept, und wenn es ist, nichts zu tun.
Dirk: Die einzige Band, die mir gerade einfällt, die tatsächlich so ein Gebolze macht und sowas wie ein Konzept hat, ist YOUNG AND IN THE WAY, aber deren Konzept ist, glaub ich, einfach nur, auf die Bühne zu gehen und die brutalstmögliche Show jeden Abend zu spielen. Die imponieren mir wirklich.
Sagt mir gar nichts.
Ron: Ein Plan sollte es für uns ja zumindest auch sein, dass wir so eine Art Bikerclub für die Band irgendwie als… Hast du irgendwie mal entwickelt.
Dirk lacht.
Ron: Fänd ich super, aber vielleicht wird das auch nichts, hehe.
Ron: Genau.
Dirk: Natürlich. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, wie irgendeine Band damit zufrieden sein kann, irgendwas aus der Hand zu geben. Damit meine ich natürlich nicht Vertrieb oder sowas, wir verfügen einfach nicht über so ein Netzwerk wie Alerta Antifacista das tun. Selbst wenn wir ne 500er Auflage von einer LP gemacht hätten, ich wüsste gar nicht, wie ich die loswürde. Diese Netzwerke hast du mit HAMMERHEAD womöglich mal aufgebaut, aber ich war nie so der Netzwerker. Da muss ich tatsächlich sagen, dass ich da ein zu fauler Arsch bin, um mich um den Vertrieb von sowas selbst zu kümmern. Das macht deshalb der Timo, aber der ist genauso DIY wie wir.
Ich würde aber zum Beispiel niemals sagen, lass doch mal jemanden ein Cover für uns malen. Selbst wenn wir nicht den Gunnar hätten, der das Cover wirklich handgezeichnet hat, dann hätten wir selber was Schlechtes gemacht. Lieber was selbstgemachtes Schlechte, als irgendwas dann Besseres, was aber nicht von uns ist. Musik, Artwork, das alles bleibt in unserer Hand. Termingestaltung und mit wem wir wo spielen, das machen wir alles selber. Das ist auch wichtig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand damit glücklich ist, wenn er von seinem Label oder Manager gesagt bekommt, was er als nächstes zu tun hat. Wie das Artwork und die Shirts auszusehen haben… Das finde ich schauderhaft.
Ron: Wir sind der Überzeugung, dass wir das Beste für die Band selbst wissen. Was wir damit ausdrücken wollen. In der Regel ist das so, wenn das Label an dich herantritt und sagt, wir kümmern uns um das Artwork und sonst irgendwas, dann ist das die Herangehensweise, die quasi ausdrückt, wenn das Label das macht, verkaufen wir mehr Platten. Und das ist ja nicht unser Ziel eigentlich. Unser Ziel ist es, genau dieses Ding und, um wieder den Konzeptbegriff zu bemühen, unser Konzept so durchzuziehen, wie wir glauben, dass es sein soll. Das ist die beste Herangehensweise, die wir für eine Band kennen.
Nur so seid ihr mit dem Ergebnis zufrieden.
Ron: Genau, zu 90%...
Und dann schicken euch Hammerheart Records für die nächste Platte die Adresse von Ed Repka, Felipe Machado etc…
Ron: Müsste man sich drüber unterhalten, aber ich glaube, dass wir es nach wie vor so wie bisher handhaben würden. Ich sehe im Moment auch nicht, dass die Kollegen von Hammerheart da eine andere Politik fahren würden. Ich glaube, denen ist es durchaus Recht und die sind es auch gewohnt, dass die Bands weiterhin viel selbst in der Hand haben. Bei dem, zugegeben wenigen, Kontakt, den wir bisher mit ihnen hatten, ist es tatsächlich so, dass sie uns nirgends auch nur annähernd irgendwie reingeredet hätten. Sie fragen uns, ob sie die Artworks verwenden können, für T-Shirts z.B., fragen uns, was für Reviews wir wo haben wollen würden, mit wem wir Kontakt haben wollen… Ist alles noch in den Kinderschuhen, was den Kontakt betrifft bisher, aber alles was bisher war, war ok. Die sind da wohl auch recht unkompliziert in der Zusammenarbeit, sagt zumindest der Timo von Alerta.
Ich glaube auch umgedreht, dass Hammerheart und Alerta so Wenige-Personen-Betriebe sind, dass die auch ganz froh sind, wenn sie Sachen auslagern können. Deshalb kommt da auch keiner auf die Idee, einem reinzureden.
Ron: Genau, es wird nicht nur Labelpolitik sein, die Künstler nicht an die Kandare zu nehmen, sondern wahrscheinlich bleibt ihnen auch Manpower-mäßig zu wenig Zeit dafür.
Spielt das DIY auch für euch eine Rolle beim Beurteilen anderer Bands oder zählt da nur die Musik?
Dirk: Schwierige Frage. Wenn die Band unglaublich gut ist… Im Prinzip muss ich sagen, bei mir zählt immer das Gesamtkonzept. Ich würde niemals, niemals, niemals, niemals eine Grauzonen- oder Faschoband hören, wenn mir die Musik gut gefällt. Das scheidet absolut aus. Ich würde keine Band hören, die rassistisch, sexistisch, irgendwas –istisches ist, selbst wenn mir die Musik irgendwie gut gefällt, weil ich das total armselig finde. Man muss als Band auch für irgendwas stehen, finde ich.
Was war die ursprüngliche Frage? Ach so, ja. Dieser DIY-Gedanke selbst, da müssen die Leute selbst wissen, wie sie das sie machen. Ich möchte niemandem vorschreiben, wie er das macht. Das ist unser Weg und ich würde mir möglicherweise wünschen, dass bestimmte Bands lieber den DIY-Weg gehen würden, wenn ich sehe, da stimmt irgendwas nicht. Da ist etwas unstimmig. Mir fällt jetzt gerade KYLESA ein, die nächste Woche im Underground spielen - und die spielen da für 23 Euro. Also dass du möglicherweise als DIY-Band Einfluss darauf hast, wie die Preisgestaltung aussieht. Ich zahl nicht 18 Euro für ein Shirt, von dem ich weiß, dass es in der Produktion vier gekostet hat.
Dass eine Verhältnismäßigkeit gewährleistet bleibt?
Dirk: Verhältnismäßigkeit ist genau das richtige Wort. Da denke ich, dass DIY da eher der Weg ist, diese Verhältnismäßigkeit zu bewahren, als wenn du dich an ein Wie-groß-auch-immer Label hängst, das dir dann sagt, du musst das Shirt für 25€ verkaufen, selbst wenn es das nicht wert ist.
Ron: Zum DIY-Gedanken selbst: Bei mir ist es einfach so, dass meine Verwurzelung daher kommt. Ich hab immer noch eine gewisse emotionale und soziale Bindung an diese Zusammenhänge, wie man so schön sagt. Deshalb bin ich da, was Bands anbelangt, eher wohlwollender als bei einer Band, wenn sie auf einem großen Label ist. Wobei ich nicht sagen kann, dass ich Bands, die nicht DIY sind, nicht aus dieser Szene stammen oder keinen Bezug dazu haben, deshalb nicht gut finde.
Ich weiß um die Schwierigkeiten, wie es ist, wenn man versucht, davon zu leben, was völlig legitim ist, und wenn man davon leben möchte, muss man Kompromisse eingehen. Gerade viele tourende Bands, die wir aus Übersee hier haben, haben nur bedingt Einfluss auf die Türpreise, auf die Shirtpreise und wollen da wahrscheinlich auch nicht so viel Einfluss nehmen, weil sie denken, sie verkaufen keine Platten mehr – verkauft ja auch keiner mehr welche – und das Ganze also über Merchandise und Konzerte einspielen müssen. Von daher bin ich da ein wenig zwiegespalten.
Dirk: Ich bin definitiv auch zwiegespalten. Nehmen wir zum Beispiel DOWNFALL OF GAIA. Gestartet als klassische DIY-Band, mittlerweile sind sie auf Metal Blade. Da bin ich dann tatsächlich hin und her gerissen. Einerseits wäre es vielleicht auch schön gewesen, wenn sie unserer Szene noch ein bisschen länger angehört hätten, andererseits denke ich auch, dass die so eine Türöffnerfunktion haben können. Wenn so eine Band auf Metal Blade drauf ist… Dass möglicherweise Bands, die nicht ein total sauberes Genre bedienen, vielleicht mal ein bisschen mehr Zuspruch erfahren.
Auch so eine Gratwanderungs- oder Zwischenband sind doch THE OCEAN. Die CDs kommen auf einem größeren Label raus (Metal Blade) und die Platten & die Sondereditionen wie die mit den Meeresbödenschichten macht Robin Staps selber mit seinem Label, Pelagic Records. Die haben auch unfassbar viele verschiedene Shirts im Angebot.
Dirk: Ja, jetzt muss man aber auch dazu sagen, dass… Da stehe ich hier möglicherweise alleine. Ich finde THE OCEAN einfach… Es nötigt mir unglaublich viel Respekt ab, dass der Staps da tatsächlich seit zehn oder zwölf Jahren als Ein-Mann-Kommando diese Band führt, gleichzeitig noch das Label hat, wo starke Bands drauf sind, wie ich finde. Sehr liebevolle Sondereditionen von den Platten macht und tatsächlich auch ein paar starke Platten gemacht hat. Es sind nicht alle gleich gut, aber es sind einige, die zählen tatsächlich zu meinen Top10 aller Zeiten. Das nötigt mir unabhängig davon, ob das auf Metal Blade rausgekommen ist oder nicht, großen Respekt ab. Eine meiner Lieblingsbands überhaupt. Jetzt hab ich den Faden schon wieder verloren…
Ron: Ich kann mich erinnern, dass ich früher eisenhart behauptet hätte, alles was nicht DIY ist, ist nicht akzeptabel.
Dirk: Ach Gott, ich hab früher noch nicht mal Platten gekauft, wenn so ein Barcode drauf war.
Ron: Genau, solche Geschichten halt. Und da hat es nicht nur mit dem voranschreitenden Alter zu tun, sondern auch mit einer kompromissbereiteren Haltung, dass ich mittlerweile verstehen kann, wenn Menschen sagen, „Ich will davon leben und dafür muss ich halt was tun“, was ich früher nicht so gesehen hätte. Eher lebe ich mehr oder minder auf der Straße, als dass ich mich selbst mit einem DIY-Label, das in meinem Empfinden zu groß war, eingelassen hätte, um da eine Platte zu veröffentlichen.
Im Sinne von, lieber Hungern als die Ideale zu verraten?
Ron: Genau so.
Dirk: Aber so waren wir früher alle.
Ron: Ist, wie gesagt, eine sehr eigenartige Szene, aus der wir uns rekrutieren. Eine äußerst rigide Haltung, die in vielen Punkten an den Tag gelegt wird.
Dirk: Hat nicht sogar das Maximum Rocknroll früher keine Platten reviewt, die einen Barcode drauf hatten? Doch, da war irgendwas. Die Hardcoreszene war, glaube ich tatsächlich, Anfang der 90er unglaublich engstirnig. Aber ich habs gleichzeitig auch genossen, so engstirnig zu sein. Damals war ich, glaub ich, auch noch straight edge, vegan…
Ron: Nichts, was Spaß macht, hehe.
Dirk: Man war einfach total intolerant allen Leuten gegenüber. Das ist auch einfach so eine Phase, die macht jeder mal durch. Bei uns war es dann eben gegen das Saufen, das Rauchen und…
Ron: Das Feuer der Jugend, hehe.
Dirk: Ich verstehe das heute auch nicht mehr, ich würde mich mit Sicherheit auch nicht gemocht haben.
Ron: Das kommt erschwerend hinzu, hehe. Aber in der Tat. So eine gewisse Verbundenheit dazu? Auf jeden Fall! Und nach dem Handeln glaube ich persönlich auch, dass die Band so einer Art Lebensleitlinie folgt, aber nicht in der Form, wie es mal gewesen ist. Ich kann mir auch durchaus vorstellen, auf einem größeren Label als aktuell zu veröffentlichen. Das kommt immer auf die Situation, die Konditionen an.
Dirk: Es ist ohnehin Quatsch, von vorneherein was auszuschließen. Wenn wir größer werden wollen dürften, müssten wir schon zwangsläufig zu einem größeren Label wechseln. Und ich kann mir auch vorstellen, dass es da genauso Leute gibt, mit denen man genauso wie mit dem Timo zusammenarbeiten kann, nur eben auf der nächsthöheren Ebene.
Kritiken & der Sekretär
Selbst mit der Erfahrung, die ihr habt, im Rücken: Wenn wieder mal so ein neues Baby erscheint wie jetzt die Platte, wie geht man damit um, wenn irgendwelche Leute aus aller Herren Länder ihren Senf dazu abgeben. Ich meine jetzt Leute, die darüber schreiben für Zines oder Mags, nicht nur reine Hörer.
Ron: Ich glaub, wir waren selbst ziemlich überrascht. Ich zumindest war total überrascht, dass es so eine Resonanz hat. Natürlich, es ist das Zeitalter des Internets und die Verfügbarkeit ist viel größer als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Da ist es eigentlich nur natürlich, dass es Reaktionen gibt, aber dass sie in weitesten Teilen doch so positiv sind, fand ich sehr überraschend. Deshalb haben wir wohl auch so inflationär Reviews gepostet, haha.
Dirk: Da war ich auch ziemlich weggeblasen. Wir wussten gleichwohl, als wir aus dem Studio rausgekommen sind, dass wir eine ziemlich gute Platte aufgenommen haben, aber das heißt ja nicht, dass sie den Leuten auch gefällt. Wenn wir sagen, wir haben nicht nur unser Bestmöglichstes geleistet, sondern sogar fast mehr geleistet, als wir vermutet hatten, leisten zu können. Und dann kommt da dieser fantastische Sound, den der Ole von der Tonmeisterei draufgezaubert hat, das ist ein starkes Ding gewesen. Aber dass es tatsächlich viele Leute aus der ganzen Welt auch so sehen, außer dem Metal Hammer, das hat mich schon… Es ist ja nicht nur so, dass die Leute gesagt haben, „Ja, die ist ganz ordentlich“, sondern es gab wirklich Reviews, die gesagt haben, dass es eine unglaublich gute Scheibe ist. Das bestätigt einen dann ja auch.
Vor allem mir bedeutet es dann viel, wenn wir live spielen, dass ich mich selbst dann nicht so unsicher fühle, ob es den Leuten jetzt überhaupt gefällt. Es ist schon manchmal wichtig, wie das Feedback ausfällt. Wenn ich total angefeindet und gehasst werde, das macht mir auch keinen Spaß mehr. Das war früher mal anders, aber es gibt einem doch eine gewisse Sicherheit, wenn man sich auf eine Bühne stellt vor lauter Leute, die man überhaupt nicht kennt. Mir zumindest.
Wobei das wahrscheinlich interessanter ist, als wenn die Leute nur gelangweilt da stehen und an ihrem Bier nippen.
Ron: Das ist natürlich der Tod jeder Band, dieses „Ja, ganz nett, aber ich geh jetzt ein Bier trinken“, obwohl ich eigentlich fast immer ein Bier trinken gehe bei der Band, hehe. Aber ganz im Ernst, wir waren sehr erstaunt, dass es so eine positive Reaktion gab. Mir fehlt im Moment das Einordnen, ich kann gar nicht sagen, ob das viel oder wenig ist. Man hat immer so einen Bezugshorizont.
Dirk: Was meinst du mit viel oder wenig?
Ron: Ob das jetzt viele positive Reaktionen sind oder ob das ein normales Level ist für eine Band, die eine neue Platte rausgebracht hat. Mir fehlt da ein bisschen der Bezugshorizont, deshalb kann ich das schlecht sagen.
Du wirst doch ungefähr wissen, wie viele Leute das Ding in die Hand bekommen haben, um darüber zu schreiben, oder?
Ron: Ne, weiß ich tatsächlich nicht. Ich weiß, dass viele Reaktionen – und das mag wiederum dafür sprechen, dass die Platte eine gute Geschichte ist – von alleine kamen. Leute, die das machen wollten, ohne dass das Label, also Timo von Alerta bzw. die Promoagentur, mit der er auch zusammenarbeitet – so viel zu DIY -, die damit bestückt haben; also Promoarbeit geleistet haben. Vieles kam unmittelbar, nachdem die Sachen auf der Bandcampseite von Alerta online waren. Das wiederum spricht dafür, dass es eine ganz gute Geschichte ist und den Leuten gefällt. Auf der anderen Seite weiß ich nicht, wie eine andere Band, sagen wir COFFINS aus Japan, ob die ähnliche Reaktionen, mehr positive Reaktionen, bekommen haben. Natürlich, weil sie länger dabei sind, schon, aber das Koordinatensystem stimmt für mich noch nicht so richtig.
Dirk: Aber es ist ja schon so, dass die Reviews, die wir bekommen haben, nicht nur positiv sind, sondern fast schon euphorisch. Von daher ist die Vermutung durchaus begründet, dass die Platte gute Resonanzen hat.
Ron: Wir hegen begründeten Verdacht, dass
Ihr nicht die einzigen seid, die eure Platte sehr gut finden.
Dirk: Wenn du das so sagst, hört sich das irgendwie komisch an…
Ron: Nee, ich find das voll ok so, haha.
Ihr wisst selbst und wolltet das wohl auch, dass man keinen einfachen Genrebegriff für euch anwenden kann. Was war das positiv originellste Genre, das euch zugeschrieben wurde, und was war auf der anderen Seite das rätselhafteste, also wo ihr nicht verstanden habt, was euch zugeschrieben wurde?
Ron: Letzteres kann ich sofort beantworten: Punkrock.
Dirk: Da stimme ich dir zu. „Da gibt es eine neue Punkrockband.“ Also wenn irgendjemand diese Musik für Punkrock hält, hat er einfach die letzten 50 Jahre verschlafen. Ich möchte niemandem vorschreiben, wie er was bezeichnet, aber das ist kein Punkrock. Punkt. Aus. Das originellste? Da fällt mir gerade nichts ein.
Ron: Wüsste ich auch nicht, aber was ich auch fragwürdig fand und nicht ganz nachvollziehen konnte, waren Deathcorebezüge oder Metalcorebezüge, von denen ich ab und zu gelesen hab, denn die höre zumindest ich überhaupt nicht raus. Wüsste ich nicht, wo es herkommt, aber es sei jedem freigestellt, meine Güte. Sonst sind die Genrebezeichnungen schon in so einem Drei- oder Viereck, in dem wir uns irgendwie auch bewegen. Death Metal, Black Metal, Hardcore, Sludge, da bewegen wir uns ja schon - wobei wir uns natürlich nicht in einer Schublade bewegen wollen.
Dirk: Weil es etwas blöd klingt: Wollen sowieso nicht. Das ist ja nicht so, dass wir gesagt haben, wir machen jetzt mal einen Genremix, sondern das hat sich ganz einfach so ergeben.
Ron: In unserer unbekümmerten Herangehensweise war uns wahrscheinlich nicht mal bewusst, welche Genres da auf uns zukommen werden.
Dirk: Wenn mich jemand fragt, was wir für Musik machen, sag ich immer Brutalo Sludge. Das ist einfach das kürzeste und prägnanteste, was mir so einfällt. Statt irgendwie Blackened Death Sludge Hardcore nur Brutalo Sludge. Hört sich gut an.
Ron: Du siehst, es fällt uns selber auch relativ schwer, irgendwas dazu zu sagen. Vielleicht hat ja irgendwer mal eine treffende Bezeichnung dafür.
Ron: Der Ornithologe ist gefragt.
Dirk: Ja, wir haben uns tatsächlich für den Namen SERPENT EATER entschieden, weil ich den Sekretärsvogel… Der Gunnar ist derjenige gewesen, der mit dem Namen angekommen ist. Zuerst haben wir mit Namen gescrabblet. Mit Wörtern gespielt, die sich gut anhören, sie kombiniert, wie ein kleines Puzzle.
Irgendwann hat Gunnar Serpent Eater zusammengepuzzelt. Da hab ich gesagt, das ist ja lustig, das ist der englische Name für den Sekretärsvogel. Von meinen Bandkollegen kannte keiner den Sekretärsvogel. Dann hab ich erklärt, was das für ein Raubvogel ist, dass der seine Opfer zu Tode stampft, ganz kurios aussieht und eigentlich sowieso ein ganz schräges Tier ist. Es hört sich auch einfach gut an. Man darf auch nicht vergessen, dass ein Bandname sich auch gut anhören muss. SERPENT EATER hat, finde ich, einfach alles.
Ist jetzt nur leider entmystifiziert.
Ron: Ne, das wird ja gestrichen, hehe. Es gibt in der Tat, das ist aber erst in der späteren Recherche rausgekommen, so mythologische Gestalten, gerade im Grenzgebiet zwischen Hinduismus und Buddhismus, wo der Serpent Eater oder Garuda eine Art Götterbote ist.
Dirk: Das wusste ich nicht, wieder was gelernt.
Ron: Tja, das Internet.
Ich denke beim Schlangenfresser zuerst an den Mungo, weil er der Feind der Cobra ist.
Ron: Ja, aber er ist ja nicht der einzige.
Dirk: Serpent ist ja tatsächlich im Englischen auch nicht der zoologische Begriff für die Schlange, sondern es kommt aus dem Mythologischen, Epischen. Serpent, der Verführer. Letztlich wäre dann Snake eher so der zoologische Begriff. Weil Serpent eher so diesen…
Größeren Bedeutungshorizont hat.
Dirk: Genau, das hast du sehr gut formuliert. Ich wünschte, mir wäre das eingefallen. Ja, deshalb finde ich den Namen einfach stark. Und „Hyena“ ist halt einer der Songs.
Aber das ist Zufall, dass das auch ein Tier ist.
Ron: Ja.
Dirk: Ja, das ist nicht Konzept. Ich bin sowieso großer Tierfreund, dass der Gunnar ein großer Freund von Primaten ist, hast du dir womöglich schon denken können. (wegen Gunnars Shirtauswahl bei Auftritten) Und warum nicht?
Ron: Dass es stimmig wirkt mit diesem Bandnamen, Albumtitel und sich so ein bisschen ein Totem zu geben, ist uns natürlich schon bewusst und eigentlich auch gewollt. Dass es dann so passte, ist aber nicht on purpose passiert. Dass der Song „Hyena“ heißt, ist der Schreibe von Gunnar zu verdanken. Er hat aber nicht gedacht, wir heißen SERPENT EATER, ich mach jetzt Songtitel, die Tiernamen tragen.
Es ist ja auch der einzige. Sonst wäre es auch wirklich sehr auffällig, wenn alle Lieder Tiernamen hätten.
Ron: Gib mir Tiernamen!
Fängt „In The Wall“ mit SLAYER an?
Ron: Nee.
Dirk schmunzelt: Jeder, der das nicht hört, dass das von SLAYER beeinflusst ist… Es ist ein Riff von mir und es fängt mit einem Riff an, das ziemlich von SLAYER beeinflusst ist. Ursprünglich sollte das viel, viel langsamer gespielt werden, wir haben im Laufe der Zeit im Proberaum die Geschwindigkeit immer mehr angezogen. Mittlerweile spielen wir das auch live in einer Geschwindigkeit, dass sich als erstes eine SLAYER-Assoziation aufträgt, aber ich finde, dass sogar ein schlechtes SLAYER-Riff besser ist als das, was die meisten Bands sonst so machen. Jeff Hanneman war unantastbar und wenn die Leute tatsächlich da SLAYER raushören, ohne zu sagen „Ah, kopiert!“, dann finde ich das stark. Klar, jeder, der das Riff zum ersten Mal hört und schon mal SLAYER gehört hat, wird sofort an SLAYER erinnert, aber das ist auch nicht schlimm.
Inhalte & Ausblicke
Ohne Lieder und Textblätter hab ich überhaupt keine Ahnung, wovon die Lieder handeln. Man versteht es ja auch nicht wirklich, aber ich gehe mal davon aus, dass das nicht viel weniger wütend ist als die Musik?
Ron: Ja, davon ist auszugehen. Es ist natürlich jetzt ein bisschen undankbar, dass der Gunnar nicht dabei ist, der als Sänger die Texte verfasst und schreibt, und wir dazu nicht viel sagen können oder vielleicht auch wollen, was ihn da umtreibt. Klar, dass das Unwohlsein, was man in manchen Lebenssituationen an den Tag legt, sich auch durchaus in den Texten wiederspiegelt. Darüber hinaus geht es teilweise eher um fantastische Geschichten, die in gewisser Weise einen Bezug zur Realität haben, soweit ich das interpretiere. Ich glaube, so äußert er sich selbst auch dazu. Eine gewisse Morbidität, mit Fantasiehintergrund, Horrorhintergrund, und einem gewissen Bezug zur Realität.
Ron: Genau. Häufiger ist es, soweit ich weiß, aber auch von Geschichten, die er gelesen hat.
Dirk: Es ist tatsächlich so, dass der Gunnar manchmal auch Sachen liest, die er so irre findet, dass er einen Text daraus macht. Mir fällt gerade dieser Musiker nicht ein, der sein Kurzzeitgedächtnis verloren hat und also keine neuen Informationen speichern kann. Davon handelt ein Lied. Wenn er irgendwas liest, das ihn so fasziniert, dass es ihn nicht loslässt, das verarbeitet er dann zu Texten. Das sind natürlich durch die Bank schon sehr skurrile und…
Es ist nicht, wie er bei Aldi einen Euro im Wagen gefunden hat.
Dirk: Nein.
Ron: Kann sein, aber es wäre dann so chiffriert, dass man es nicht zurückführen könnte.
Sind die zwei Lieder vom Album davor jetzt nochmal dabei („Leitmotif“ & „Trepanation Nation“), weil ihr der Meinung wart, dass das die besten zwei Lieder waren und ihr wolltet sie im neuen Sound nochmal einspielen?
Dirk: Ja. Zumindest haben wir den Eindruck gehabt, dass die am besten zu den ganz neuen Songs passen, und wir haben uns natürlich schon geärgert, dass wir etwas aufgenommen haben und das hat uns nicht gefallen. Also ich spreche jetzt von dieser Demo-CD. Es ist einfach irre traurig, wenn du zumindest ein paar Songs hast, die dir wirklich gut gefallen, aber du hast die nicht mal vernünftig aufgenommen, so dass du sagen kannst, ich hör mir den Song jetzt einmal an und kann beurteilen, wie er wirklich ist, weil das durch die Aufnahmen, den Schnitt und alles total vermurkst gewesen ist.
Das waren die beiden Songs, die wir dann ausgewählt haben, weil sie am besten zu den anderen vier gepasst haben. Wir haben tatsächlich abgestimmt, welche Songs wir aufnehmen wollen. Ich glaube, drei standen zur Auswahl, und das sind dann die beiden geworden, die wir ausgewählt haben. Es war wirklich so, dass wir uns gesagt haben, wir müssen mindestens zwei Songs neu aufnehmen.
Basisdemokratisch abgestimmt.
Ron: Ja, wir sind prinzipiell basisdemokratisch strukturiert.
Dirk: Ich muss tatsächlich sagen, dass ich für einen anderen Song gestimmt hab, aber im Nachhinein froh bin, dass es so gekommen ist.
Ron: Ich hab auch für andere Songs gestimmt.
Dirk: Echt? Wer hat denn dann überhaupt für die beiden Songs gestimmt?
Ron lacht: Keine Ahnung.
Nur die anderen, hahaha.
Ron: Wie du siehst, Demokratie funktioniert bei uns intern auch nicht.
Obwohl, es gehen auch alle wählen und sagen zum Ergebnis nachher, sie wären es nicht gewesen.
Dirk: In unserem Songwritingprozess versuchen wir, es einstimmig zu machen. Keine Mehrheitsentscheidung. Deshalb braucht es auch so quälend lange, bis wir einen neuen Song fertig haben. Wenn einem irgendwas nicht gefällt, versuchen wir solange dran zu arbeiten, bis wirklich alle damit leben können. Gestern bei der Probe haben wir einen neuen Song gemacht und als er mehr oder weniger stand, haben wir ihn komplett verworfen, weil wir gesagt haben, eigentlich gefällt er uns doch nicht. Deshalb dauert es immer ewig, bis wir einen Song fertig haben.
Ron: Aber ich finde, das ist auch unser Weg, das zu machen. Alles andere fände ich…
Dirk: Natürlich ist das gut geregelt.
Ron: Mir fehlt da ein wenig die Erfahrung, aber ich glaube, Konsens darüber, was die Band ausmacht, ist wichtig, auch um als Band zu funktionieren.
Zwei kurze Fragen noch, auch wenn ich schon sehe, dass die nicht kurz beantwortet werden. Aus regionaler Sicht: Was findet ihr gut in der härteren Musikszene in Köln & Bonn und was findet ihr schlecht?
Dirk: Meinst du…
Auftrittsmöglichkeiten, was für Arten von Bands es gibt – mir zum Beispiel gibt es zu wenig vernünftige Power Metal Bands.
Dirk: Tatsächlich? Mit Power Metal kenn ich mich gar nicht aus. Aber Auftrittsmöglichkeiten, da ist es ein wenig dünn. Gerade für die Untergrundbands, die ein bisschen krawallige Musik machen, gibt es definitiv zu wenig. Möglicherweise liegt es aber auch einfach daran, dass es überhaupt nicht mehr viele Leute gibt, die sich das noch antun, Shows zu organisieren, oder überhaupt tätig zu werden in irgendeiner Art und Weise
Was mir gut gefällt sind die wenige Läden, die es gibt, wo man mit so einer Musik auftreten kann.
Oder zum Beispiel, wie ist das Verhältnis der verschiedenen kleinen oder auch größeren Bands zueinander?
Ron: Prinzipiell finde ich es gut, dass man hier im Großraum die meisten Bands, die man sehen will, auch zu sehen bekommt. Ich komme eher aus einer provinzielleren Gegend und da ist es natürlich anders. Das finde ich ganz gut. Darüber hinaus denke ich, dass in Köln und Bonn Gitarrenmusik nicht die größte Gruppierung ist, im Elektro ist viel mehr geboten. Wenn man sich in noch größeren Gegenden umsieht wie Berlin oder Hamburg, da ist es schon bisschen mehr, glaube ich. Sowohl der Underground, als auch das größere.
Das Verhältnis der Bands zueinander? Mit den Leuten, mit denen wir Kontakt haben, gab es nur gute Verhältnisse. Mit den Bonner Bands, die Leute kennen wir eigentlich alle auch, also aus unserem Genre, und sind da freundschaftlich verbunden.
Dirk: Es gibt definitiv kein Konkurrenzdenken, also dass man denkt, man muss dem oder dem was beweisen. Mir ist es mittlerweile lieber, so ein Buddykonzert zu machen, also mit einer Band zusammen zu spielen, die wir auch persönlich kennen, statt mit Unbekannten. Da stimmt einfach alles, da ist keiner böse, wenn er als erstes spielen muss. Streit gibt es sowieso eigentlich nie, es sei denn, es sind wirklich…
Irgendwer hat sich extrem daneben benommen.
Dirk: Ja.
Ron: Also Metalszene, da sind wir ja so ein wenig Grenzgänger, aber nicht so tief in der Kölner oder Bonner Metalszene angekommen bisher, dass wir irgendwas beurteilen könnten, oder?
Dirk: Ich bin überhaupt gar nicht in der Kölner oder Bonner Metalszene. Ich wundere mich schon, dass du uns als Grenzgänger bezeichnest.
Ron: Musikalisch.
Dirk: Ja, das heißt aber nicht, dass dann auch wirklich Metalleute hinkommen.
Ron: Wir reden ja davon, wahrgenommen zu werden. Wie bei diesem Rhein in Blood, da sind wir ja schon wahrgenommen worden, was als reine Hardcoreband oder Darkened Crust Band nicht passieren würde.
Grenzgängerbands in ganz verschiedener Hinsicht sind ja auch gerade angesagt, DEAFHEAVEN oder BEASTMILK.
Ron: Ich finde das auch gut. Strikte Grenzen machen keinen Sinn mehr, das wird auch langweilig irgendwann.
Dirk: Ganz wichtig ist es erstmal, den neuen Schlagzeuger anzulernen. Unsere Songs sind, gerade was das Schlagzeug angeht, nicht gerade leicht zu spielen. Selbst wenn der Jens ein fantastischer Schlagzeuger ist, muss der sich das ganze Zeug erstmal draufschaffen. Es ist nicht so, dass der sich ans Schlagzeug setzt und macht das sofort super. Das ist ein langer Prozess.
Dann haben wir uns überlegt, ob wir es nicht hinkriegen könnten, Ende des Jahres nochmal was aufzunehmen. Also, dass wir genug Zeug zusammen haben, um vielleicht im Spätherbst nochmal nach Oldenburg zu fahren und einfach vielleicht so fünf, sechs, sieben Songs aufzunehmen. Aber das ist alles Zukunftsmusik. Wir spielen dieses Jahr auch relativ viel, und weil es so lange dauert, bis wir einen Song fertig haben, müssen halt wir mal schauen, ob wir das überhaupt hinkriegen, genug zusammen zu kriegen, um nochmal eine EP aufzunehmen. Wir könnten prinzipiell auch mit einer Band, die wir wirklich gut finden, eine Split aufnehmen, aber ich bin schon ein großer Fan davon, Nicht-Splits aufzunehmen.
Ron: Wir spielen relativ viel ab April. Und geplant haben wir die Neuaufnahme für Ende diesen Jahres. Wir wollen das machen, aber wenn es nicht klappt, ist es auch nicht schlimm. Dann halt nächstes Jahr, wir setzen uns jetzt nicht unter Druck.
Ihr müsst dann nicht drei Monate vorher das Studio buchen?
Dirk: Das sollten wir schon.
Ron: Das würden wir schon gegen Mitte des Jahres entscheiden, ob es im Herbst dahin geht.
Dirk: Wir sind ja noch jung. Und wenn das jetzt auch Frühjahr 2015 werden sollte… Mir ist es jetzt erstmal wichtig, dass der Jens das vernünftig hinkriegt. Ich will nicht sagen, dass wir sehr stark von unserem Schlagzeug abhängen, aber Christian ist schon ein Schlagzeuger, der auch zu dem Sound auf der Platte viel beigetragen hat, mit seinem Sound und seinem Spiel. Der Jens soll den Christian natürlich nicht eins zu eins kopieren, aber dieser Schlagzeugcharakter darf nicht verloren gehen. Das wird, denke ich, noch mindestens einen Monat in Anspruch nehmen, je nachdem wie oft wir proben.
Gut, danke euch.
Dirk: Willst du mal letzte Worte sagen?
Ihr könnt gerne letzte Worte sagen.
Dirk: Ach nee, jetzt fällt mir da auch nichts Gutes ein.
Ron: Die nächste Platte wird so sein, dass die Diana (die Reviewschreiberin des Metal Hammer) die gut findet. Die absolute Maßgabe ist, Diana muss die Platte gut finden. Hehe.
(Bild 1 Ron & Dirk, Bild 2 vlnr: Dirk, Chris, Daniel, Ron & Gunnar)
(Bild 1, 5 & 6 von Marc Gärtner, Bild 4 aus der Wikipedia)