Fäulnis - Gehirn Zwischen Wahn Und Sinn
Bloodchamber-Wertung:
Tracklist
1. MorgenGrauen
2. Angstzustand
3. Weiße Wände
4. Kopfkrieg
5. Landgang
6. Trümmer
7. Spiegel, Splitter, Schrott
8. Weltuntergang folgt
Die Bloodchamber meint:
Durchaus angenehmer Natur ist die Überraschung, die FÄULNIS mit ihrer aktuellen Scheibe „Gehirn zwischen Wahn und Sinn“ abliefern. Doch warum überraschend? – Nun, in Unkenntnis der Band konnte man durchaus ein Staubsaugerprojekt zwischen rare und medium erwarten, ein furchtbar unheiliges Verdikt aus dem wurzelschwangeren Untergrund also, dem in puncto Anspruch und Umsetzung jedoch schnell die monotone Puste ausgeht.
Glücklicherweise wird bereits beim ersten Blick auf Artwork und Texte klar, dass die Deutschen nicht nur wissen, was sie wollen, sondern dass sie ihre Visionen auch gesamtheitlich umsetzen können: FÄULNIS beschreiben mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln den kleinen Wahnsinn dieser Welt, entkleiden die Zivilisation in stinkenden Seitengassen genüsslich – oder zwanghaft? - ihrer Maskerade und gewähren auf diese Weise schließlich Einblick in die Perversion, die dem Laufrad Leben insgesamt innewohnt.
FÄULNIS ist Gestank, FÄULNIS ist Zerfall, FÄULNIS ist aber auch die schwärende Wunde, die man einfach nicht in Ruhe lassen kann, weil der Schmerz einem zumindest sagt, dass noch nicht alles vorbei ist. Und deswegen lass‘ den Finger noch einmal hinab ins rote Fleisch gleiten, lass‘ ihn wühlen an diesem feuchten Ort - und fühle, dass du lebst.
Dass man über derlei Gegenstand eher dem Wahn als dem Sinn die Pforten öffnet, sollte klar sein, wohingegen auf der anderen Seite gesagt werden sollte, dass die Definition dieser beiden Zustände nicht nur willkürlich, sondern vor Allem unscharf gegeneinander abzugrenzen ist.
Musikalisch setzt die Band diese Unsicherheit um, indem sie schwarzmetallische Einflüsse aus Norwegen mit einer deutlich (post)punkigen Attitüde versieht, in den schnelleren Passagen also durchaus wie der dreckige Zwilling von AGRYPNIE wirkt: Auch hier ist die Großstadt redundantes Thema, wieder und wieder gespiegelt in individueller Misere, ein herausgeschrienes Panoptikum der kleinen Tode, an dessen Ende – man weiß es bereits - dann doch nur der nächste Morgen stehen wird. Schneidend dissonante Gitarrenwände. Knöchernes Neonlicht. Störgeräusche vor weißen Wänden. Und das Flüstern will und will nicht weichen.
Es folgt, was folgen muss: Introversion. Raus aus der Kälte, hinein ins eigene Hirn, wo doomige Passagen das Brüten über – ja, was eigentlich? – illustrieren, wo diverse Geräuschsamples mit herzschlagartig dahinpluckernden Basslinien um Aufmerksamkeit ringen und das Atmen zwischen all den verschiedenen Stimmen zunehmend schwer fällt. Hier gibt sich das Album oftmals auf den ersten Blick ruhig, nur um Minuten später in einer schizophrenen Drohkulisse zu münden, von der man – Verdammt! - nicht einmal genau sagen könnte, wie sie eigentlich entstanden ist.
Es sind dunkle Halbwelten, die sich hier türmen, der mehrmals gewagte Landgang gerät zum Untergang, gefolgt von atemloser Hatz durch Trümmer, Spiegel, Splitter, Schrott – wirklich, so viel Zeit für sprachliche Feinheiten sollte selbst im Schleudersitz der Existenz noch sein. Umso mehr, da der abschließende Weltuntergang unter Erbrechen einer einschmeichelnden Melodie auf später verschoben wird. Morgen vielleicht. Oder auf der nächsten Scheibe. Wer weiß das schon?
FÄULNIS und der Karge Welten Kunstverlag liefern mit „Gehirn zwischen Wahn und Sinn“ einen unbequemen, per se mitunter widerwärtigen Kommentar zur Gegenwart ab, der - salopp formuliert - beeindruckende Turnkünste zur Schau stellt: Die Scheibe wirkt im Zusammenspiel ihrer Ausdrucksmöglichkeiten (Musik, Lyrik, Fotografie) durchaus verrückt, ist aber gleichzeitig ein sehr gut hörbarer Black/Punk/Doom-Bastard, den man auch ohne Interesse an lyrischem Gehalt von vorn bis hinten genießen kann. Klar, damit würde man sich um eine wichtige Dimension des Erlebens bringen - es zeigt aber, dass sich Anspruch und Zugänglichkeit nicht unbedingt ausschließen müssen.
Wer auf das noch recht unverbrauchte Szenario von AGRYPNIE steht und mit schleifendem Black Metal etwas anfangen kann, der sollte sich unbedingt auf diese Scheibe einlassen, zumal die Aufmachung wirklich sehr gelungen ist. Darüber hinaus dürfen sich auch Menschen eingeladen fühlen, die ein Interesse für aktuelle deutsche Lyrik jenseits des Paarreimes unterhalten – Klischees sind themenbezogen zwar nicht durchweg zu vermeiden, aber ich denke, dass FÄULNIS auf diesem Album im Großen und Ganzen ein reizvolles Stimmungsbild gelingt.
Für mich schlicht eine der drei besten deutschen Veröffentlichungen des Jahres.
www.myspace.com/sickblackart
Glücklicherweise wird bereits beim ersten Blick auf Artwork und Texte klar, dass die Deutschen nicht nur wissen, was sie wollen, sondern dass sie ihre Visionen auch gesamtheitlich umsetzen können: FÄULNIS beschreiben mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln den kleinen Wahnsinn dieser Welt, entkleiden die Zivilisation in stinkenden Seitengassen genüsslich – oder zwanghaft? - ihrer Maskerade und gewähren auf diese Weise schließlich Einblick in die Perversion, die dem Laufrad Leben insgesamt innewohnt.
FÄULNIS ist Gestank, FÄULNIS ist Zerfall, FÄULNIS ist aber auch die schwärende Wunde, die man einfach nicht in Ruhe lassen kann, weil der Schmerz einem zumindest sagt, dass noch nicht alles vorbei ist. Und deswegen lass‘ den Finger noch einmal hinab ins rote Fleisch gleiten, lass‘ ihn wühlen an diesem feuchten Ort - und fühle, dass du lebst.
Dass man über derlei Gegenstand eher dem Wahn als dem Sinn die Pforten öffnet, sollte klar sein, wohingegen auf der anderen Seite gesagt werden sollte, dass die Definition dieser beiden Zustände nicht nur willkürlich, sondern vor Allem unscharf gegeneinander abzugrenzen ist.
Musikalisch setzt die Band diese Unsicherheit um, indem sie schwarzmetallische Einflüsse aus Norwegen mit einer deutlich (post)punkigen Attitüde versieht, in den schnelleren Passagen also durchaus wie der dreckige Zwilling von AGRYPNIE wirkt: Auch hier ist die Großstadt redundantes Thema, wieder und wieder gespiegelt in individueller Misere, ein herausgeschrienes Panoptikum der kleinen Tode, an dessen Ende – man weiß es bereits - dann doch nur der nächste Morgen stehen wird. Schneidend dissonante Gitarrenwände. Knöchernes Neonlicht. Störgeräusche vor weißen Wänden. Und das Flüstern will und will nicht weichen.
Es folgt, was folgen muss: Introversion. Raus aus der Kälte, hinein ins eigene Hirn, wo doomige Passagen das Brüten über – ja, was eigentlich? – illustrieren, wo diverse Geräuschsamples mit herzschlagartig dahinpluckernden Basslinien um Aufmerksamkeit ringen und das Atmen zwischen all den verschiedenen Stimmen zunehmend schwer fällt. Hier gibt sich das Album oftmals auf den ersten Blick ruhig, nur um Minuten später in einer schizophrenen Drohkulisse zu münden, von der man – Verdammt! - nicht einmal genau sagen könnte, wie sie eigentlich entstanden ist.
Es sind dunkle Halbwelten, die sich hier türmen, der mehrmals gewagte Landgang gerät zum Untergang, gefolgt von atemloser Hatz durch Trümmer, Spiegel, Splitter, Schrott – wirklich, so viel Zeit für sprachliche Feinheiten sollte selbst im Schleudersitz der Existenz noch sein. Umso mehr, da der abschließende Weltuntergang unter Erbrechen einer einschmeichelnden Melodie auf später verschoben wird. Morgen vielleicht. Oder auf der nächsten Scheibe. Wer weiß das schon?
FÄULNIS und der Karge Welten Kunstverlag liefern mit „Gehirn zwischen Wahn und Sinn“ einen unbequemen, per se mitunter widerwärtigen Kommentar zur Gegenwart ab, der - salopp formuliert - beeindruckende Turnkünste zur Schau stellt: Die Scheibe wirkt im Zusammenspiel ihrer Ausdrucksmöglichkeiten (Musik, Lyrik, Fotografie) durchaus verrückt, ist aber gleichzeitig ein sehr gut hörbarer Black/Punk/Doom-Bastard, den man auch ohne Interesse an lyrischem Gehalt von vorn bis hinten genießen kann. Klar, damit würde man sich um eine wichtige Dimension des Erlebens bringen - es zeigt aber, dass sich Anspruch und Zugänglichkeit nicht unbedingt ausschließen müssen.
Wer auf das noch recht unverbrauchte Szenario von AGRYPNIE steht und mit schleifendem Black Metal etwas anfangen kann, der sollte sich unbedingt auf diese Scheibe einlassen, zumal die Aufmachung wirklich sehr gelungen ist. Darüber hinaus dürfen sich auch Menschen eingeladen fühlen, die ein Interesse für aktuelle deutsche Lyrik jenseits des Paarreimes unterhalten – Klischees sind themenbezogen zwar nicht durchweg zu vermeiden, aber ich denke, dass FÄULNIS auf diesem Album im Großen und Ganzen ein reizvolles Stimmungsbild gelingt.
Für mich schlicht eine der drei besten deutschen Veröffentlichungen des Jahres.
www.myspace.com/sickblackart