Melencolia Estatica - Hel
Bloodchamber-Wertung:
Tracklist
1. Hel I
2. Hel II
3. Hel III
4. Hel IV
5. Hel V
6. Hel VI
Die Bloodchamber meint:
Dystopisch, drängend, verstörend, ätherisch – MELENCOLIA ESTATICA ziehen auf ihrem dritten Album „Hel“ eine Menge Register, was angesichts des bisher eher unauffälligen Personals die Angst nähren könnte, dass man sich hier gehörig vergallopiert. Selbige ist allerdings völlig unangebracht: Die Italiener um Autokratin Climaxia liefern mit dieser Scheibe in jeder Hinsicht einen wahren Leckerbissen ab.
Das Konzept des Albums deutet sich bereits beim Layout an: Monochrome Stummfilmästhetik mit „Metropolis“-Schlagseite trifft auf goldfarbene Akzente, elegante Art Deco-Lettern umschmeicheln düster thronende Monumentalsymbolik, und das dicke Papier unterstreicht die Ambition des musikalischen Unterfangens mit unerwartet solider Haptik. Dazu ein paar Ahnungen von Doré oder Blake - fertig ist die vielleicht stilvollste Verpackung 2012, die in den folgenden gut 42 Minuten mit akustischem Leben erfüllt werden soll.
Stilistisch lassen sich die dafür aufgefahrenen Geschütze im atmosphärischen Black Metal verorten, wofür vor allem die oftmals flirrenden Gitarren verantwortlich sein dürften: Stücke wie „I“, „II“ oder „V“ bestechen durch Saitenläufe, die sich vor abwechslungsreichem Schlagwerk immer tiefer ins Trommelfell schleifen und dabei eine vom Dreck und Maschinenlärm stickige Großstadt Lang’schen Kalibers heraufbeschwören. Es zischt und röhrt an allen Enden, Artikuliertes verbrennt sich im Kampf mit allgegenwärtiger Statik, während die vereinzelt aufflackernde Menschlichkeit in Form weiblicher Vocals nur kurzlebiges Ornament an stahlgrau verputzten Fabrikwänden sein darf. Am Ende siegt stets der dämonisch verhallte Gestus von Gastsänger Afthenktos, siegt das todesmetallische Röhren, das Fauchen und das nächtliche Flüstern, das die Fieberträume der fiktiven Metropole ohne Unterlass mit brütender Unruhe befeuert.
Trügerische Entlastung im musikalischen Sinne bieten die gemäßigteren Stücke, wie etwa das mit unverzerrtem Gitarrensound und geflüsterten Zeilen aufwartende „IV“ oder das deliriöse Outro. Selbst diese Inseln bewahren sich jedoch bei aller Behäbigkeit eine lauernde Grundhaltung, indem beispielsweise potenziell entspannendes Hinterland ambienter Natur gekonnt mit Marschrhythmen kontrastiert und so stets eine bedrohliche Aura aufrechterhalten wird. Und es stimmt ja: Wirkliche Ruhe kann die titelgebende Hölle nicht gewähren. Über jeder Atempause schwebt immer auch die Rastlosigkeit der Moderne, wenngleich die Eindrücke – analog zum auf alt getrimmten Layout - wie durch eine schmutzige Linse gefiltert wirken.
Elementare Bestandteile der Drohkulisse sind übrigens die ebenso eigenwilligen wie treffenden Orchestrationen, die Gastmusiker Mories (GNAW THEIR TONGUES) beigesteuert hat: Viele dieser teils klassischen, teils soundorientierten Details erschließen sich erst bei wiederholten Durchgängen, wodurch es auch später immer wieder zu erstaunlichen Entdeckungen und Lieblingsstellen kommen kann – eine wohldosierte und keinesfalls verwässernde Ausnahmearbeit.
„Hel“ ist ein ambitioniertes Konzeptalbum geworden, das vor allem durch das Ineinandergreifen seiner Komponenten – vom Layout, über die Musik, bis hin zu den Texten - überzeugen kann. Hinter dem vermeintlich (allzu?) klassischen Lang-Zitat verbirgt sich eine gleichermaßen philosophische wie gesellschaftskritische Parabel auf die Untiefen der technologisch durchwirkten Gegenwart: Diese namenlose Metropole ist zugleich unsere Metropole, dieser stahlgraue Himmel wölbt sich über unseren Köpfen, diese jeglichen Einsichts- und Änderungswillens entfremdeten Arbeitskraftreservoire könnten uns schon morgen im Spiegel begegnen.
Das ist keinesfalls die einzige Deutung, die Autor Afthenktos dem Hörer anbietet (Hel als Figur in „Metropolis“ wäre bspw. ein weiterer naheliegender Ansatz), aber gerade durch diese Vielschichtigkeit wird „Hel“ zu einer rundum interessanten Angelegenheit.
Wenn es also neben der post-polierten, letzten Endes stets egoistischen Introspektive urbanen Black Metals so etwas wie eine dreckige, zweifelnde und in ihrer avantgardistischen Pose dann doch wieder auf die Kraft der anonymen Massen zielende Hoffnung gibt, dann haben ihr MELENCOLIA ESTATICA mit diesem Album einen überzeugenden Ausdruck verliehen. Für Wanderer zwischen ATMF-Bands, urbanem Black Metal und etwa frühen SEPTIC FLESH eine absolute Empfehlung.
MELENCOLIA ESTATICA – Hel Pt. I
Das Konzept des Albums deutet sich bereits beim Layout an: Monochrome Stummfilmästhetik mit „Metropolis“-Schlagseite trifft auf goldfarbene Akzente, elegante Art Deco-Lettern umschmeicheln düster thronende Monumentalsymbolik, und das dicke Papier unterstreicht die Ambition des musikalischen Unterfangens mit unerwartet solider Haptik. Dazu ein paar Ahnungen von Doré oder Blake - fertig ist die vielleicht stilvollste Verpackung 2012, die in den folgenden gut 42 Minuten mit akustischem Leben erfüllt werden soll.
Stilistisch lassen sich die dafür aufgefahrenen Geschütze im atmosphärischen Black Metal verorten, wofür vor allem die oftmals flirrenden Gitarren verantwortlich sein dürften: Stücke wie „I“, „II“ oder „V“ bestechen durch Saitenläufe, die sich vor abwechslungsreichem Schlagwerk immer tiefer ins Trommelfell schleifen und dabei eine vom Dreck und Maschinenlärm stickige Großstadt Lang’schen Kalibers heraufbeschwören. Es zischt und röhrt an allen Enden, Artikuliertes verbrennt sich im Kampf mit allgegenwärtiger Statik, während die vereinzelt aufflackernde Menschlichkeit in Form weiblicher Vocals nur kurzlebiges Ornament an stahlgrau verputzten Fabrikwänden sein darf. Am Ende siegt stets der dämonisch verhallte Gestus von Gastsänger Afthenktos, siegt das todesmetallische Röhren, das Fauchen und das nächtliche Flüstern, das die Fieberträume der fiktiven Metropole ohne Unterlass mit brütender Unruhe befeuert.
Trügerische Entlastung im musikalischen Sinne bieten die gemäßigteren Stücke, wie etwa das mit unverzerrtem Gitarrensound und geflüsterten Zeilen aufwartende „IV“ oder das deliriöse Outro. Selbst diese Inseln bewahren sich jedoch bei aller Behäbigkeit eine lauernde Grundhaltung, indem beispielsweise potenziell entspannendes Hinterland ambienter Natur gekonnt mit Marschrhythmen kontrastiert und so stets eine bedrohliche Aura aufrechterhalten wird. Und es stimmt ja: Wirkliche Ruhe kann die titelgebende Hölle nicht gewähren. Über jeder Atempause schwebt immer auch die Rastlosigkeit der Moderne, wenngleich die Eindrücke – analog zum auf alt getrimmten Layout - wie durch eine schmutzige Linse gefiltert wirken.
Elementare Bestandteile der Drohkulisse sind übrigens die ebenso eigenwilligen wie treffenden Orchestrationen, die Gastmusiker Mories (GNAW THEIR TONGUES) beigesteuert hat: Viele dieser teils klassischen, teils soundorientierten Details erschließen sich erst bei wiederholten Durchgängen, wodurch es auch später immer wieder zu erstaunlichen Entdeckungen und Lieblingsstellen kommen kann – eine wohldosierte und keinesfalls verwässernde Ausnahmearbeit.
„Hel“ ist ein ambitioniertes Konzeptalbum geworden, das vor allem durch das Ineinandergreifen seiner Komponenten – vom Layout, über die Musik, bis hin zu den Texten - überzeugen kann. Hinter dem vermeintlich (allzu?) klassischen Lang-Zitat verbirgt sich eine gleichermaßen philosophische wie gesellschaftskritische Parabel auf die Untiefen der technologisch durchwirkten Gegenwart: Diese namenlose Metropole ist zugleich unsere Metropole, dieser stahlgraue Himmel wölbt sich über unseren Köpfen, diese jeglichen Einsichts- und Änderungswillens entfremdeten Arbeitskraftreservoire könnten uns schon morgen im Spiegel begegnen.
Das ist keinesfalls die einzige Deutung, die Autor Afthenktos dem Hörer anbietet (Hel als Figur in „Metropolis“ wäre bspw. ein weiterer naheliegender Ansatz), aber gerade durch diese Vielschichtigkeit wird „Hel“ zu einer rundum interessanten Angelegenheit.
Wenn es also neben der post-polierten, letzten Endes stets egoistischen Introspektive urbanen Black Metals so etwas wie eine dreckige, zweifelnde und in ihrer avantgardistischen Pose dann doch wieder auf die Kraft der anonymen Massen zielende Hoffnung gibt, dann haben ihr MELENCOLIA ESTATICA mit diesem Album einen überzeugenden Ausdruck verliehen. Für Wanderer zwischen ATMF-Bands, urbanem Black Metal und etwa frühen SEPTIC FLESH eine absolute Empfehlung.
MELENCOLIA ESTATICA – Hel Pt. I