Das Buch zum Genre - Dayal Patterson "Black Metal - Evolution of the Cult"
Das Buch zum Genre - Dayal Patterson "Black Metal - Evolution of the Cult"
Special
29.04.2014
29.04.2014
Im Laufe der vergangenen Jahre haben sich wiederholt Vertreter der schreibenden Zunft mit Black Metal und dessen Geschichte auseinandergesetzt. Das ist verständlich, schließlich haben die Ereignisse im Norwegen der frühen 90er Jahre einen Medienrummel und eine Hysterie um die genannte radikale Spielart metallischer Musik verursacht, die dafür sorgte, dass das Label „True Norwegian Black Metal‟ durch eine in diesem Zuge entstandene Eigendynamik bald fest mit Brandstiftung, Mord und Totschlag konnotiert war. So spannend und tragisch diese Ereignisse gewesen sind, so sehr nahmen sie im Laufe der Jahre die Züge einer Seifenoper an, die der Tragweite des Geschehens nicht angemessen war. Natürlich gehört das Geschehen um MAYHEM und BURZUM, Dead und Euronymous unweigerlich zum Kanon schwarzmetallischer Geschichte, doch droht auch allgegenwärtig die Gefahr, dass eine Fixierung auf diesen Punkt schwarzmetallische Geschichtsschreibung auf das Niveau von Gala und Bunte herabzieht.
Umso besser ist es, dass Dayal Patterson mit „Black Metal – Evolution of the Cult‟ ein Werk veröffentlicht hat, dem es bravourös gelingt, die genannten Klippen zu umschiffen. Der Autor sieht Black Metal als in sich vielfältiges und heterogenes Phänomen, das bei aller Konstanz im Laufe von mehr als drei Jahrzehnten Veränderungen durchgemacht und Blüten getrieben hat wie kein anderes Subgenre im weiten schwermetallischen Rund. Auf nahezu 500 dichtbedruckten und großformatigen Seiten werden, aufgeteilt auf 50 Kapitel, verschiedenste Bands und ihre Dunstkreise portätiert. Dabei geht der Weg von der Entstehung der Szene in den frühen 80ern bis zum Post Black Metal der Gegenwart. Natürlich fängt alles bei VENOM, BATHORY, HELLHAMMER und MERCIFUL FATE an, doch allein die Tatsache, dass auch Truppen wie MASTER'S HAMMER, TORMENTOR oder VON ein Kapitel gewidmet bekommen, beweist, wie sehr Dayal Patterson aus historischer Akuratesse heraus und mit Blick für Details schreibt, ohne stets das zu wiederholen, was inzwischen sowieso Gemeingut ist.
Spannend ist hierbei vor allem seine Methode. Patterson ist Journalist, der insbesondere für Terrorizer und Metal Hammer schreibt. Dadurch hat er seit Jahren die Gelegenheit, mehr oder weniger bekannte Akteure zu interviewen, und hieraus hat er ein Buch gemacht. Natürlich kann sich kein Buch von der spezifischen Sichtweise seines Autors freisprechen, doch zentral ist bei Patterson, dass er die Musiker selbst zu Wort kommen lässt. Jedes einzelne Kapitel ist aus ausführlichen Interviews heraus gestaltet und beinhaltet umfassende wörtliche Beiträge seitens der Befragten. Es ist allein schon spannend, aus der Sicht von Necrobutcher und Kjetil Manheim geschildert zu bekommen, wie die Geschichte von MAYHEM in der ersten Hälfte der 90er verlaufen ist. Ebenso faszinierend sind die Beschreibungen von Niklas Kvarforth, der in ungemein persönlicher Weise Einblick in seine seelischen Abgründe gibt. Und zutiefst ergreifend sind auch die beiden Kapitel, die den Bands von Tom G. Warrior gewidmet sind, denn der Kopf von HELLHAMMER und CELTIC FROST berichtet sehr offen über den steinigen Weg seiner persönlichen und musikalischen Biografie.
Der Aufbau des Werkes ist vornehmlich chronologisch. Dabei nimmt sich Patterson aber immer wieder auch Zeit, links und rechts der ausgetretenen Pfade zu schauen. Ob Bands wie FLEURETY, SIGH oder auch die französischen Légions Noires, nicht nur die allseits bekannten Zentralfiguren der Szene bekommen ihren Raum. Dazu zählt auch eine dezidierte Auseinandersetzung mit Fusions-Phänomenen, vor allem der Verknüpfung von Black Metal und Folk bzw. Industrial.
Einzig dort, wo es politisch wird, sollte man dem Autor ein wenig kritisch auf die Finger klopfen. Auf so vielen hunderten von Seiten Szenegeschichte kann man das problematische Kapitel der Rechten innerhalb der Szene nicht außer Acht lassen. Dem leidigen Aspekt NSBM ist denn auch ein ganzes Kapitel gewidmet, doch ist es das am wenigsten überzeugende. Es mag sein, dass dies zum Teil einer deutschen Lesart des Buches geschuldet ist, aber Patterson gelingt es nicht, sich an dieser Stelle deutlich kommentierend abzugrenzen. Vielleicht ist das auch die Schwäche seiner Methode, wenn neben zahlreichen anderen auch eine Gestalt wie Rob Darken von GRAVELAND die Gelegenheit bekommt sich auszulassen. Die von ihm und auch anderen Akteuren des rechten Rands proklamierte Trennung von Nationalismus und Nationalsozialismus, dem natürlich keiner von ihnen zuzurechnen ist, ist dabei ebenso platt wie durchsichtig. Sofern man sich das Label „NS‟ nicht anheftet, scheint es in Ordnung zu sein, nationalistisch-chauvinistischen Unfug und rassistisches Gedankengut zu vetreten. Hier wäre eine klarere Positionierung des Autors mindestens wünschenswert gewesen, seine ansonsten vorbildliche Zurückhaltung ist an dieser Stelle fehl am Platze. Doch sollte man diesen Aspekt auch nicht zu hoch hängen, denn schließlich ist der Rechtsextremismus glücklicherweise doch nicht mehr als ein Randphänomen im Black Metal und in diesem Maße bekommt er auch Raum in „Evolution of the Cult‟ eingeräumt.
Besonders erwähnenswert ist zudem die Tatsache, dass das ohnehin reichlich illustrierte Werk in der Mitte noch einen zusätzlichen 64seitigen Bildteil enthält. In Hochglanz und (teils in) Farbe wird ergänzend zum unfangreichen Textteil auch die Bilderwelt und Ikonografie von über 30 Jahren Black Metal veranschaulicht. Letztlich kann man dem Autor für diese umfassende Arbeit nur tiefen Dank aussprechen. „Black Metal – Evolution of the Cult‟ ist ein Buch, das der Vielschichtigkeit und dem Facettenreichtum des Genres Rechnung trägt. Und eben dies wird auch geschickt von Patterson zum Thema gemacht, indem er an geeigneter Stelle immer wieder die Frage aufbringt, was denn nun das verbindende Element ist. Der Sound? Die Ideologie? Die Nieten? Der Wald? Das ist nicht leicht zu beantworten, weil Black Metal widersprüchlich ist, es zu jedem Beispiel auch ein Gegenbeispiel gibt und er sich darin wohl deutlich vom Rest der Metalszene abhebt. In keinem anderen Genre sind die Unterschiede so groß, die Entwicklungen so weitreichend und dennoch ist man sich bei allen Grabenkämpfen meist einig: Auch das ist Black Metal.
Allen, die des Englischen einigermaßen mächtig sind, kann „Black Metal – Evolution of the Cult‟ nur wärmstens empfohlen werden. Ganz egal, ob man die Szene lange kennt, als Neuling einen umfassenden Überblick inklusive reichhaltiger Anspieltipps haben will, oder ob man einfach nur ein wenig besser verstehen will, was es denn mit diesem merkwürdigen Krach auf sich haben mag, Dayal Patterson bietet zwar keine vollständigen Antworten, aber er bietet unglaublich viel Material, anhand dessen man sich selbst eine Meinung bilden darf.
Dayal Patterson:
Black Metal – Evolution of the Cult
Feral House Books
$27,95 bzw. 17,95€
Offizieller Blog zum Buch
Das Buch bei Amazon
Hinsichtlich weiterer Fragen zum Werk, zur Person des Autors und zu den zukünftigen Plänen haben wir Kontakt zu Dayal Patterson aufgenommen und ihm eine Reihe an Fragen stellen dürfen. Das daraus resultierenden Interview gibt es hier zu lesen.
Spannend ist hierbei vor allem seine Methode. Patterson ist Journalist, der insbesondere für Terrorizer und Metal Hammer schreibt. Dadurch hat er seit Jahren die Gelegenheit, mehr oder weniger bekannte Akteure zu interviewen, und hieraus hat er ein Buch gemacht. Natürlich kann sich kein Buch von der spezifischen Sichtweise seines Autors freisprechen, doch zentral ist bei Patterson, dass er die Musiker selbst zu Wort kommen lässt. Jedes einzelne Kapitel ist aus ausführlichen Interviews heraus gestaltet und beinhaltet umfassende wörtliche Beiträge seitens der Befragten. Es ist allein schon spannend, aus der Sicht von Necrobutcher und Kjetil Manheim geschildert zu bekommen, wie die Geschichte von MAYHEM in der ersten Hälfte der 90er verlaufen ist. Ebenso faszinierend sind die Beschreibungen von Niklas Kvarforth, der in ungemein persönlicher Weise Einblick in seine seelischen Abgründe gibt. Und zutiefst ergreifend sind auch die beiden Kapitel, die den Bands von Tom G. Warrior gewidmet sind, denn der Kopf von HELLHAMMER und CELTIC FROST berichtet sehr offen über den steinigen Weg seiner persönlichen und musikalischen Biografie.
Der Aufbau des Werkes ist vornehmlich chronologisch. Dabei nimmt sich Patterson aber immer wieder auch Zeit, links und rechts der ausgetretenen Pfade zu schauen. Ob Bands wie FLEURETY, SIGH oder auch die französischen Légions Noires, nicht nur die allseits bekannten Zentralfiguren der Szene bekommen ihren Raum. Dazu zählt auch eine dezidierte Auseinandersetzung mit Fusions-Phänomenen, vor allem der Verknüpfung von Black Metal und Folk bzw. Industrial.
Einzig dort, wo es politisch wird, sollte man dem Autor ein wenig kritisch auf die Finger klopfen. Auf so vielen hunderten von Seiten Szenegeschichte kann man das problematische Kapitel der Rechten innerhalb der Szene nicht außer Acht lassen. Dem leidigen Aspekt NSBM ist denn auch ein ganzes Kapitel gewidmet, doch ist es das am wenigsten überzeugende. Es mag sein, dass dies zum Teil einer deutschen Lesart des Buches geschuldet ist, aber Patterson gelingt es nicht, sich an dieser Stelle deutlich kommentierend abzugrenzen. Vielleicht ist das auch die Schwäche seiner Methode, wenn neben zahlreichen anderen auch eine Gestalt wie Rob Darken von GRAVELAND die Gelegenheit bekommt sich auszulassen. Die von ihm und auch anderen Akteuren des rechten Rands proklamierte Trennung von Nationalismus und Nationalsozialismus, dem natürlich keiner von ihnen zuzurechnen ist, ist dabei ebenso platt wie durchsichtig. Sofern man sich das Label „NS‟ nicht anheftet, scheint es in Ordnung zu sein, nationalistisch-chauvinistischen Unfug und rassistisches Gedankengut zu vetreten. Hier wäre eine klarere Positionierung des Autors mindestens wünschenswert gewesen, seine ansonsten vorbildliche Zurückhaltung ist an dieser Stelle fehl am Platze. Doch sollte man diesen Aspekt auch nicht zu hoch hängen, denn schließlich ist der Rechtsextremismus glücklicherweise doch nicht mehr als ein Randphänomen im Black Metal und in diesem Maße bekommt er auch Raum in „Evolution of the Cult‟ eingeräumt.
Allen, die des Englischen einigermaßen mächtig sind, kann „Black Metal – Evolution of the Cult‟ nur wärmstens empfohlen werden. Ganz egal, ob man die Szene lange kennt, als Neuling einen umfassenden Überblick inklusive reichhaltiger Anspieltipps haben will, oder ob man einfach nur ein wenig besser verstehen will, was es denn mit diesem merkwürdigen Krach auf sich haben mag, Dayal Patterson bietet zwar keine vollständigen Antworten, aber er bietet unglaublich viel Material, anhand dessen man sich selbst eine Meinung bilden darf.
Dayal Patterson:
Black Metal – Evolution of the Cult
Feral House Books
$27,95 bzw. 17,95€
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Hinsichtlich weiterer Fragen zum Werk, zur Person des Autors und zu den zukünftigen Plänen haben wir Kontakt zu Dayal Patterson aufgenommen und ihm eine Reihe an Fragen stellen dürfen. Das daraus resultierenden Interview gibt es hier zu lesen.