Dayal Patterson: "The Cult Never Dies Vol.1" und "Prelude to the Cult"
Dayal Patterson: "The Cult Never Dies, Vol.1" und "Prelude to the Cult"
Special
09.10.2015
09.10.2015
Wenn es mal etwas Vernünftiges zum Thema Metal im Buchformat gibt, dann ist das eine feine Sache. Wenn dann auch noch Dayal Patterson der Autor ist, dann ist das ein dicker Grund zur Freude. Mit seinem Erstwerk Black Metal: Evolution of the Cult hat er das definitive Werk zum Genre verfasst und weltweit Lorbeeren einsammeln können. Aber auch wenn er wie bislang kein Zweiter in diesem Buch die Entwicklungslinien des Genres nachgezeichnet hat und Blicke in die Nischen und auf die Abweichungen geworfen hat, bleibt immer noch eine Menge zu sagen, respektive zu schreiben. Denn mit über 30 Jahren Geschichte ist Black Metal nun mal keine einfache Sache und bei aller Arbeit bleiben am Ende immer noch Fragen und Leerstellen. Das war dem Autor von Anfang an bewusst. Aus diesem Grunde war für ihn auch klar, dass die Evolution nicht abgeschlossen ist und dass die Szene weiterlebt. Dem trägt nun der erste Band der Reihe, in der sich Patterson weiterhin als begnadeter Interviewer mit der Szene beschäftigt, Rechnung.
Black Metal: The Cult Never Dies, Vol.1 stellt in vielerlei Hinsicht einen Neuansatz für den Autor dar, der mit diesem Buch erstmals auch zum Verleger seiner selbst geworden ist. Das Werk gibt es nicht über den allgemeinen Buchhandel, sondern ist in Dayals eigenen Webshop zu erwerben. Das bedeutet für ihn auch, dass er allein federführend für die Gestaltung des Buches ist und keine Kompromisse mit einem Verleger eingehen muss. Es ist spannend, wie lange er diese Aufgabe weiterführen wird, denn es sind Fortsetzungen geplant.
„The Cult Never Dies‟ ist kein chronologisch vorgehendes Werk. Vielmehr hat der Autor sich drei Themengebiete gesucht und diese in Form einzelner Artikel, deren Grundlage jeweils ausführliche Interviews sind, ausdifferenziert. Zunächst geht es mit „Norway Revisited‟ noch einmal nach Norwegen, um dort die größte Lücke von „Evolution of the Cult‟ zu füllen und noch ein paar mehr oder weniger abseitigen Bands ein Sprachrohr zu verleihen. Das umfangreichste Kapitel ist mit seinen 35 Seiten SATYRICON und dem Label Moonfog gewidmet. Weiterhin gibt es Texte zu MANES, KAMPFAR, SOLEFALD und WARDRUNA. Diese sind teils sehr aufschlussreich, da beispielsweise Dolk von KAMPFAR eine ganz eigene Sichtweise auf die norwegische Szene hat, die sich in weiten Teilen nicht mit den gängigen Klischees von norwegischem Black Metal deckt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass es Akteure in der Szene der Neunziger gegeben hat, die abseits der Zentren Oslo und Bergen wohnten und somit im gewissen Maße zu einer Außenseiterposition gezwungen waren. Bemerkenswert ist auch das Kapitel zu SOLEFALD, einer Band, die von vielen nicht unbedingt zu den klassischen Vertretern norwegischen Black Metals gezählt wird. Dafür ist Cornelius eine umso interessanterer Gesprächspartner, der in seiner bedachten und recht intellektuellen Art und Weise einen interessanten Konterpart zu so mancher prominenten Dumpfbacke abgibt. Hier zeigt sich schon Dayal Pattersons Talent als Interviewer, sich auf seine Gesprächspartner einlassen zu können und mit seiner intensiven Kenntnis des jeweiligen Werkes in die Tiefe der Bandgeschichte und den damit verbundenen Gedanken und Gefühlen eintauchen zu können. Ein krönender Abschluss ist noch ein kurzes Kapitel über den norwegischen Maler Theodor Kittelsen, dessen Werke von BURZUM, SATYRICON und vielen anderen zu Coverartworks gemacht wurden und hierdurch weithin bekannt wurden.
Von Norwegen aus geht es im Kapitel „Polish Black Metal‟ entsprechend zu unseren polnischen Nachbarn. Hier setzt der Autor einen Schwerpunkt auf die Entwicklung der polnischen Szene in den 90ern und zeichnet ein sehr differenziertes Bild abseits der auf der Hand liegenden Namen. Mit XANTOTOL, MASTIPHAL, ARKONA und EVILFEAST hat er interessante Bands ausgesucht, die nicht an die Prominenz von BEHEMOTH und Konsorten heranragen, doch ein sehr spannendes Bild von den frühen Jahren der Szene im postkommunistischen Polen präsentieren. Wir erfahren eine Menge über die teilweise Distanz zum Rest der Welt, wenn es um Black Metal geht, um Fanatismus und Aggressionen unter den Akteuren und die Schwierigkeit, in einem Land, das damals bedeutend ärmer und weniger entwickelt war als heute, eine Undergroundszene ins Leben zu rufen. Dass Polen eines der spannendsten Länder in Sachen Black Metal ist, ist kein Geheimnis mehr. Und dass es dort auch eine Art zweiter Welle gegeben hat, wird ebenfalls bei der Auswahl der Interviewpartner berücksichtigt, wenngleich hier für meinen Geschmack noch Luft nach oben gewesen wäre. Ein Kapitel zu MGŁA und KRIEGSMASCHINE gibt es. Wenn noch Bands wie FURIA, MEDICO PESTE, MOROWE oder vergleichbare Acts berücksichtig worden wären, hätte das Kapitel Polen vorerst abgeschlossen werden können. So bleibt hier am Ende das Gefühl, dass man gerne noch mehr über den kreativen Output dieses Landes gelesen hätte.
Das dritte und letzte Kapitel widmet sich keiner nationalen Szene, sondern vielmehr einem Subgenre, das so widersprüchlich wie spannend ist. Es geht um „Depressive Black Metal‟, eine populäre Stilrichtung mit ganz eigener Thematik und Ästhetik. Die Auseinandersetzung beginnt mit den ultraobskuren, aber ungleich stilprägenderen STRID, deren gesamtes Werk aus gerade einmal drei Songs besteht. Ausgesprochen interessant ist auch das dreißigseitige Kapitel zu BETHLEHEM und deren persönlichen Hintergründen. Mit SILENCER, FORGOTTEN TOMB und TOTAL NEGATION finden noch drei sehr verschiedene, aber durchweg interessante Acts Berücksichtigung.
Dayal Patterson hat zwei Säulen, auf denen er seine Texte aufbaut. Zum einen ist dies seine unglaublich umfassende und detaillierte Kenntnis der Szene, ihrer Geschichte und ganz besonders der Musik. Wenn es nötig ist, geht er mit seinen Gesprächspartnern in den einzelnen Song, ja sogar hin zu einem bestimmten Riff und schafft es dennoch, den großen Bogen zu spannen und sich nicht in Kleinigkeiten zu verstricken. Zweitens liegt sehr umfangreiches Material in Form von Interviews vor. Und diese beiden Ebenen verbindet er in seinen Texten, sodass „The Cult Never Dies‟ nicht bloß eine Aneinanderreihung von abgedruckten Interviews ist, sondern einen feuilletonistischen Charakter hat. Die Texte sind Pattersons Texte, in denen die Struktur der Interviews nachgezeichnet werden und in denen seine Gesprächspartner ausführlich zu Wort kommen. Doch Patterson ist der Autor und der Interpret, nicht bloß der Stichwortgeber. Das macht „The Cult Never Dies‟ so ungemein gut lesbar und spannend, auch wenn einem die ein oder andere Band nichts sagen sollte oder sogar nicht besonders gut gefällt. Die Texte sind durchweg interessant und unterhaltsam, im Einzelfall könnten sie sogar der Anlass dafür sein, die eigene Meinung einer Band gegenüber noch einmal zu überdenken und sich noch einmal mit ihr auseinanderzusetzen.
Parallel zum ersten Band „The Cult Never Dies‟ hat Dayal Patterson aber noch ein zweites Werk veröffentlicht, das aber nur bedingt mit seinen zwei „richtigen‟ Büchern vergleichbar ist. „Black Metal: Prelude to the Cult‟ hat das Format und Design eines Fanzines und versammelt Interviews mit einzelnen Bands, die nach der Veröffentlichung von „Evolution of the Cult‟ noch übrig waren oder in ungekürzter Form zugänglich gemacht werden sollten. Einen roten Faden wie bei seinen anderen Werken sucht man hier vergebens und auch die einzelnen Kapitel, die der Autor immer charmant und teils sehr selbstkritisch einleitet, sind von sehr unterschiedlicher Qualität. Es finden sich Artikel zu MAYHEM, GORGOROTH, ARCHGOAT, MARDUK, IMPALED NAZARENE, BEHERIT, finnischem Black Metal, SKITLIV, Frost, SIGH, TAAKE, ENTHRONED, CLANDESTINE BLAZE und HADES ALMIGHTY. In einigen dieser Texte folgt der Autor seiner Strategie, sich selbst und seine eigene Meinung zurückzunehmen, um dem Gesprächspartner möglichst viel Raum zu geben, seinen Gedanken und Meinungen freien Lauf zu lassen. Das kann bisweilen zur Selbstentblößung von Menschen führen, die, mit Verlaub, einfach nicht zu den großen Leuchten der Menschheit zählen, wie man es zweifelsohne im Interview mit IMPALED NAZARENE erleben darf. An anderer Stelle ist der Leser aufgefordert, sich eine eigene Meinung zum Gesagten zu bilden, insbesondere wenn dort rassistisches und sonstiges reaktionäres Gedankengut geäußert wird, wie im Falle von CLANDESTINE BLAZE. Patterson erwartet einen mündigen Leser und hält sich mit Wertungen stark zurück. Vielleicht ist dies aber auch die Gelingensbedingung dafür, dass sich die Interviewten so öffnen, wie wir es in seinen Werken erleben dürfen.
„The Cult Never Dies‟ ist eine sinnvolle und mehr als nur lesenswerte Fortsetzung dessen, was mit „Evolution of the Cult‟ begonnen wurde. „Prelude to the Cult‟ ist eine interessante Dreingabe, die man sich ruhig mitbestellen kann, zumal das Heft recht günstig ist. Für jeden Interessierten kann die Lektüre der neuesten Werke von Dayal Patterson nur empfohlen werden. So hochwertigen Musikjournalismus bekommt man nicht alle Tage geboten.
Hier geht es zum Webshop , in dem ihr alle Werke von Dayal Patterson kaufen könnt. „The Cult Never Dies, Vol.1‟ gibt es hier für £15,-, das ungleich schmalere „Prelude to the Cult‟ für £5,-.
Black Metal: The Cult Never Dies, Vol.1 stellt in vielerlei Hinsicht einen Neuansatz für den Autor dar, der mit diesem Buch erstmals auch zum Verleger seiner selbst geworden ist. Das Werk gibt es nicht über den allgemeinen Buchhandel, sondern ist in Dayals eigenen Webshop zu erwerben. Das bedeutet für ihn auch, dass er allein federführend für die Gestaltung des Buches ist und keine Kompromisse mit einem Verleger eingehen muss. Es ist spannend, wie lange er diese Aufgabe weiterführen wird, denn es sind Fortsetzungen geplant.
Von Norwegen aus geht es im Kapitel „Polish Black Metal‟ entsprechend zu unseren polnischen Nachbarn. Hier setzt der Autor einen Schwerpunkt auf die Entwicklung der polnischen Szene in den 90ern und zeichnet ein sehr differenziertes Bild abseits der auf der Hand liegenden Namen. Mit XANTOTOL, MASTIPHAL, ARKONA und EVILFEAST hat er interessante Bands ausgesucht, die nicht an die Prominenz von BEHEMOTH und Konsorten heranragen, doch ein sehr spannendes Bild von den frühen Jahren der Szene im postkommunistischen Polen präsentieren. Wir erfahren eine Menge über die teilweise Distanz zum Rest der Welt, wenn es um Black Metal geht, um Fanatismus und Aggressionen unter den Akteuren und die Schwierigkeit, in einem Land, das damals bedeutend ärmer und weniger entwickelt war als heute, eine Undergroundszene ins Leben zu rufen. Dass Polen eines der spannendsten Länder in Sachen Black Metal ist, ist kein Geheimnis mehr. Und dass es dort auch eine Art zweiter Welle gegeben hat, wird ebenfalls bei der Auswahl der Interviewpartner berücksichtigt, wenngleich hier für meinen Geschmack noch Luft nach oben gewesen wäre. Ein Kapitel zu MGŁA und KRIEGSMASCHINE gibt es. Wenn noch Bands wie FURIA, MEDICO PESTE, MOROWE oder vergleichbare Acts berücksichtig worden wären, hätte das Kapitel Polen vorerst abgeschlossen werden können. So bleibt hier am Ende das Gefühl, dass man gerne noch mehr über den kreativen Output dieses Landes gelesen hätte.
Das dritte und letzte Kapitel widmet sich keiner nationalen Szene, sondern vielmehr einem Subgenre, das so widersprüchlich wie spannend ist. Es geht um „Depressive Black Metal‟, eine populäre Stilrichtung mit ganz eigener Thematik und Ästhetik. Die Auseinandersetzung beginnt mit den ultraobskuren, aber ungleich stilprägenderen STRID, deren gesamtes Werk aus gerade einmal drei Songs besteht. Ausgesprochen interessant ist auch das dreißigseitige Kapitel zu BETHLEHEM und deren persönlichen Hintergründen. Mit SILENCER, FORGOTTEN TOMB und TOTAL NEGATION finden noch drei sehr verschiedene, aber durchweg interessante Acts Berücksichtigung.
Dayal Patterson hat zwei Säulen, auf denen er seine Texte aufbaut. Zum einen ist dies seine unglaublich umfassende und detaillierte Kenntnis der Szene, ihrer Geschichte und ganz besonders der Musik. Wenn es nötig ist, geht er mit seinen Gesprächspartnern in den einzelnen Song, ja sogar hin zu einem bestimmten Riff und schafft es dennoch, den großen Bogen zu spannen und sich nicht in Kleinigkeiten zu verstricken. Zweitens liegt sehr umfangreiches Material in Form von Interviews vor. Und diese beiden Ebenen verbindet er in seinen Texten, sodass „The Cult Never Dies‟ nicht bloß eine Aneinanderreihung von abgedruckten Interviews ist, sondern einen feuilletonistischen Charakter hat. Die Texte sind Pattersons Texte, in denen die Struktur der Interviews nachgezeichnet werden und in denen seine Gesprächspartner ausführlich zu Wort kommen. Doch Patterson ist der Autor und der Interpret, nicht bloß der Stichwortgeber. Das macht „The Cult Never Dies‟ so ungemein gut lesbar und spannend, auch wenn einem die ein oder andere Band nichts sagen sollte oder sogar nicht besonders gut gefällt. Die Texte sind durchweg interessant und unterhaltsam, im Einzelfall könnten sie sogar der Anlass dafür sein, die eigene Meinung einer Band gegenüber noch einmal zu überdenken und sich noch einmal mit ihr auseinanderzusetzen.
„The Cult Never Dies‟ ist eine sinnvolle und mehr als nur lesenswerte Fortsetzung dessen, was mit „Evolution of the Cult‟ begonnen wurde. „Prelude to the Cult‟ ist eine interessante Dreingabe, die man sich ruhig mitbestellen kann, zumal das Heft recht günstig ist. Für jeden Interessierten kann die Lektüre der neuesten Werke von Dayal Patterson nur empfohlen werden. So hochwertigen Musikjournalismus bekommt man nicht alle Tage geboten.
Hier geht es zum Webshop , in dem ihr alle Werke von Dayal Patterson kaufen könnt. „The Cult Never Dies, Vol.1‟ gibt es hier für £15,-, das ungleich schmalere „Prelude to the Cult‟ für £5,-.