Sängerwechsel - leicht gemacht
Interview mit Fear My Thoughts
Modern Progressive Metal aus Deutschland - Freiburg
Modern Progressive Metal aus Deutschland - Freiburg
Einmal im Jahr macht sie Deutschland unsicher – die Hell On Earth-Tour. Die Melodic-Death-Spezialisten FEAR MY THOUGHTS waren als einzige deutsche Band und Farbtupfer mit am Start. Gute Gelegenheit für die Bloodchamber Redakteure Basti und Yvonne, die Band bei ihrem Stelldichein in Essen, dem vorletzten Halt der Tour, mit Fragen bezüglich ihres Sängerwechsels zu löchern. In der kuscheligen Enge des Tourbusses reflektieren Gitarrist Patrick und der frisch gebackene Frontmann Martin über das Tourprogramm, Eingewöhnungsphasen und warnen sogar schon vorsorglich ob der neuen musikalischen Ausrichtung vor, die mit dem neuen Album anstehen wird.
Yvonne: Wie kam es, dass ihr jetzt bei der Hell On Earth-Tour dabei seid?
Patrick: Wir wurden einfach von unserer Booking Agentur gefragt, die diese Tour macht, ob wir mit wollen. Erst haben wir gedacht, dass wir da nicht so reinpassen, weil wir ja weniger eine Moshband und vielleicht ein bisschen zu melodiös für das Ganze sind. Dann hat sich aber herausgestellt, dass es eigentlich ganz gut passt. Dabei gibt es ja auch ein schön abwechslungsreiches Programm.
Yvonne: Habt ihr im Laufe der Tour nur gute Erfahrungen gemacht? Oder ist es so, dass die Leute dann den Raum verlassen, wenn ihr spielt?
Patrick: Nein, es ist alles super. Außer in England vielleicht. England ist erfahrungsgemäß schwierig für deutsche Bands. Da wurden wir schon nicht so gut behandelt. Die Leute dort haben vor allem mit deutschen Bands ein Problem, auch die Musikpresse. Die stehen dann auch wirklich dann mit verschränkten Armen da. Das ist weniger schön.
Basti: Was war denn bisher die beste Show der Tour?
Martin: Ich würde sagen Dresden.
Patrick: Vom Gefühl würde ich eher sagen gestern in Jena.
Martin: Frankfurt war super und Berlin war auch gigantisch.
Patrick: Ja, da gehen die Meinungen halt ein bisschen auseinander.
Basti: Die Shows hier waren auch besser als in England?
Patrick: Das war auch schon geil. Es sind halt eher die Umstände. Die haben in England selten Leute, die mit aufbauen helfen. Wir hatten zum Beispiel einen Gig in einem Club in Glasgow, im vierten Stock, und da war kein Lift. So mussten wir alles hoch schleppen, und es gab keine Helfer. Ja, und das Essen ist da natürlich nicht so gut. Aber im Großen und Ganzen war es schon ne gute Erfahrung.
Yvonne: Wenn so viele Bands miteinander auf Tour sind, bedeutet das automatisch mehr Stress? Oder ist alles sehr relaxt?
Martin: Es ist schon mehr Stress insofern, dass es mehr Umbaupausen gibt und mehr komprimiert werden muss. Andererseits sind auch mehr Leute da, die helfen. Alle spielen hauptsächlich über ein Schlagzeug, über eine Boxenbatterie, also ist noch weniger Zeug zu schleppen.
Patrick: Mit so vielen Leuten ist es ja auch irgendwie witziger.
Basti: Habt ihr im Vorfeld irgendwie Befürchtungen gehabt, wieder in die Metalcore/Hardcore-Ecke geschoben zu werden? Davon wolltet ihr ja eigentlich weg. Jetzt seid ihr aber auf einer Tour, die ja sozusagen für diese Richtung steht.
Martin: Wir spielen ja entweder vor oder nach ALL SHALL PERISH. Da sieht man dann schon deutlich, dass bei ALL SHALL PERISH wesentlich mehr jüngeres Publikum da ist und bei uns dann schon eher die Jungs mit den SLAYER-Shirts vor die Bühne kommen, die dann anscheinend auch überall anwesend sind.
Ich finde, es ist eine sehr abwechslungsreiche Tour, von denen sich jetzt vielleicht die beiden Headliner (WALLS OF JERICHO und BORN FROM PAIN...Anm. d. Verf.) ähneln. Aber der Rest hebt sich davon schon ab.
Patrick: Klar, wir hatten am Anfang schon Befürchtungen wegen der Metalcore-Geschichte, nur wir wollten auf jeden Fall dieses Jahr noch eine Tour machen, und das war die einzige, die grad für uns machbar war. Es hat sich aber jetzt auch herausgestellt, dass es eben nicht so eine Metalcore-Sache ist, sondern die Tour vielmehr für die neue Metal-Welle, also für moderne aggressive Musik, steht. Die Lager sind nicht gespalten, sondern alle haben irgendwie ein gemeinsames Publikum.
Yvonne: Dann kommen wir mal zum wichtigsten Thema: Ihr habt einen neuen Sänger. Warum ist der alte Fronter Matze ausgestiegen, und wie kam Martin dann zu dem Posten?
Patrick: Gar nichts Spannendes. Matze ist ausgestiegen, weil er einfach keine Lust mehr hatte. Er wird Vater, ist bald 30, am Studieren und musste sich entscheiden, wie es weitergehen sollte. Nach 10 Jahren Band hat’s ihm einfach gereicht.
Martin: Bei der letzten Tour war ich schon als Ersatzbassist dabei. Eigentlich war es so gedacht, dass ich als Instrumentalist dazukomme, ein bisschen Keyboard und Gitarre spiele und bei melodiösen Gesangsparts noch eine zweite Stimme beisteuere. Als dann klar war, dass Matze aussteigen würde, war es dann erst mal nur ein Versuch. Wir haben es ausprobiert und hatten eigentlich alle mehr oder weniger ein gutes Gefühl dabei.
Patrick: Wir haben auch gar nicht woanders gesucht. Wir kennen uns ja auch schon länger. Es ist nicht so, dass wir irgendjemand Fremdes in die Band geholt hätten.
Basti: Es war dann also kein völliges Neuland für dich?
Martin: Nee...die Songs kannte ich ja davor schon. Ich hab mit meiner anderen Band auch schon bei dem ein oder anderen Konzert als Support gespielt. Aber ich wusste schon, worauf ich mich einlasse, wie viel Stress da dahintersteckt, wie ernst und professionell das jetzt ist.
Basti: Vorher warst du nur Instrumentalist und jetzt singst du?
Martin: Nein, ich hab schon vorher auch gesungen, aber eben halt immer mit der Gitarre. Auch stilistisch eine ganz andere Richtung, eher die Rock n Roll-Schiene mit viel melodiöserem Gesang. Umso mehr war das hier auch schon eine Herausforderung.
Basti: Man muss als Fronter auch Bühnenpräsenz besitzen. Musstest du dir das erst mal erarbeiten oder ging das schon gut?
Martin: Ja, Frontmann bin ich ja in der anderen Band auch.
Basti: Aber dann mit Gitarre...
Martin: Ja. Bei den ersten paar Konzerten mit FEAR MY THOUGHTS bin ich mir auch ein bisschen nackig vorgekommen. Ich werde mir jetzt vielleicht so eine Holzgitarre holen...oder eben mehr den Mikroständer nutzen. Aber das krieg ich schon hin...
Yvonne: Also funktioniert alles bisher gut?
Martin: Ich find’s gut. Die anderen glaub ich auch.
Patrick: Ja. Die Reaktionen waren bisher eigentlich durchgehend gut. Natürlich gibt es sicher auch Leute, die Matze toll finden und irgendwie ein Problem damit haben, dass wir jetzt einen neuen Sänger haben. Nicht weil Martin jetzt Scheiße wäre, sondern weil sie halt Matze mochten.
Martin: Sängerwechsel sind immer schwierig. Mit so einer Stimme identifiziert man sich eben. Auch wenn ich jetzt versuche, die Sachen so original wie möglich zu singen, ist es doch immer ein Unterschied.
Basti: Wobei ein Sängerwechsel in Eurem Genre vielleicht ein bisschen einfacher vonstatten geht...
Yvonne: Denkt Ihr denn schon wieder an ein neues Album?
Patrick: Ja, da sind wir jetzt schon fleißig am Schreiben. Es steht schon eine halbe Platte. Wir haben auch Ideen für mehr Songs, als wir dann auf das Album aufnehmen können.
Martin: Was wahrscheinlich auch gut ist. Dann können wir uns in der Anfangsphase ausprobieren und dann langsam eine Linie finden. Ich hab es jetzt nicht so empfunden, dass ich als ein völlig neuer Teil hineingekommen bin, sondern dass die Band sich schon vorher ein bisschen umorientiert hat und sich dadurch ganz andere Möglichkeiten ergeben haben. Es muss ja auch schon eine Basis bestehen, damit man sich als neuer Sänger komplett einbringen kann. Wir haben viele ruhigere, progressivere Elemente, vergleichbar mit PORCUPINE TREE, dabei, aber auch sehr viel harte Parts, die vielleicht an MESHUGGAH erinnern. Dazwischen versuchen wir eigentlich alles zu verbraten, was irgendwie machbar ist.
Patrick: Wir haben auch mehr Möglichkeiten mit unserem Gesang, weil Martin ein super Sänger ist, und versuchen in die Richtung auch weiter zu expandieren.
Basti: Ein kompletter Stilumbruch ist jetzt aber nicht zu erwarten, oder?
Patrick: Schwer zu sagen. Wir haben Lieder geschrieben, die hat man so soft, atmosphärisch oder langsam noch gar nicht von uns gehört hat, aber auch Songs, die härter sind als alles, was wir bisher gemacht haben. Was letzten Endes auf die Platte kommt, wissen wir noch nicht. Wir probieren halt alles aus und müssen dann sehen, wie es zusammenpasst. Es ist auf jeden Fall eine viel größere Stilbandbreite – von extrem poppigen Sachen bis hin zu Blast.
Basti: Und besteht jetzt durch den klaren Gesang nicht die Versuchung den typischen Wechsel zwischen Clean Gesang und Geschrei einzubauen?
Patrick: Das wollen wir eben verhindern. Deswegen machen wir Lieder, die durchgehend melodiös gesungen sind. Das klingt dann eher wie TOOL, PORCUPINE TREE oder KATATONIA als beispielsweise nach KILLSWITCH ENGAGE. Und die derben Sachen sind wahrscheinlich auch durchgehend derb. Es gibt vielleicht auch mal diesen Wechsel, aber wir wollen das nicht ausreizen und es machen, wie andere Bands das machen.
Basti: Weiterentwicklung ist immer gut. Wobei es dann natürlich wieder Leute geben wird, denen das nicht so gefällt...
Patrick: Klar, wissen wir, dass die Leute damit ein Problem haben werden. Das ist jetzt schon vorprogrammiert. Man muss machen, was man für richtig hält oder was sich für einen gut anfühlt.
Martin: Es ist auch grad ein interessantes Umfeld. Jeder hat sich neue Grenzen gesteckt. Es gibt keinerlei Strukturen, keinerlei Vorgaben für irgendwas, sondern wir probieren einfach nur alles mögliche aus. Wirklich alles. Es gibt nichts, von dem man jetzt sagt, das könnte da nicht passen.
Basti: Und Century Media gibt Euch da so viele Freiheiten?
Patrick: Bis jetzt ja. Wir haben denen mal die neuen softeren Lieder vorgespielt und die waren schon baff. Sie meinten, sie finden es saugeil, müssen halt nur sehen, wie sie das verkaufen können. Sie finden es gut und finden den Gesang auch super und vertrauen uns da. Natürlich ist da schon ein gewisser Druck da, wenn man eine bestimmte Anzahl von Platten verkaufen will. Da muss man halt einen Mittelweg finden.
Yvonne: Hat sich euer Labelwechsel zu Century Media im Laufe dieses Jahres rentiert? Meint ihr, euch letzten Endes richtig entschieden zu haben?
Patrick: Ich denke, wir haben uns schon richtig entschieden. Es hat sich einiges verändert. Unsere Popularität ist ein bisschen größer geworden. Man spielt größere Konzerte. Es kommen mehr Leute; man hat mehr Interviews. Besonders wenn eine neue Platte ansteht, hat man richtig viel Arbeit mit dem Label. Da merkt man dann, dass alles sehr professionell ist. Ich denk schon, dass es der richtige Schritt war.
Basti: Wie ist das so allgemein mit Freundschaften innerhalb der Band? Hängt Ihr ständig miteinander rum oder nur während der Touren?
Martin: Wir sehen uns schon oft genug. Wir proben schließlich zweimal in der Woche miteinander.
Patrick: Wir haben früher mehr miteinander rumgehangen. Unser Bassist, unser Gitarrist und ich kennen uns schon viele Jahre. Wir sind schon zum größten Teil ein Freundeskreis. Auch unsere Frauen sind gut miteinander befreundet. Man trifft sich schon oft mal, um ins Kino zu gehen oder zu essen, aber es ist nicht so wie früher. Früher haben wir echt jeden Tag zusammengehangen. Jetzt haben wir natürlich alle Jobs und nicht mehr so viel Zeit.
Martin: Ich bin sehr froh, dass wir alle gut miteinander auskommen. Eigentlich gibt es recht wenig Streit. Da jeder schon weiß, wie ernst die Sachen sind, die anstehen, sich für die Show zusammenreißt und nicht irgendwie sturzbesoffen auf die Bühne geht, passiert halt auch einfach nichts. Klar, die Busregeln muss ich noch ein bisschen lernen...
Yvonne: Was gibt’s denn für Busregeln?
Patrick: Keine nassen Klamotten rumliegen lassen, weil es sonst extrem stinkt. Die Bustür zumachen. Eigentlich keine fremden Personen in den Bus lassen...Für das Interview ist schon okay, aber nicht abends, wenn Party ist, zehn Frauen oder so mit rein bringen...
Martin: Wir kommen eigentlich ganz gut miteinander klar. Macht auf jeden Fall Spaß!
Patrick: ...und nicht ins Busklo kacken!
Martin: Da hab ich mich bisher ja dran gehalten.
An dieser Stelle mussten die beiden das Interview leider abbrechen, da noch ein anderer Termin anstand. Zum Schluss wurden noch die Kapuzenjacken aus dem Merchandise-Fundus der Band ebenfalls auf der Tour mitfahrenden FROM A SECOND STORY WINDOW zur Sprache gebracht, welche den wunderbare Schriftzug „Dude Core“ trugen. A new style is born?
Live-Fotos von Yvonne
Yvonne: Wie kam es, dass ihr jetzt bei der Hell On Earth-Tour dabei seid?
Patrick: Wir wurden einfach von unserer Booking Agentur gefragt, die diese Tour macht, ob wir mit wollen. Erst haben wir gedacht, dass wir da nicht so reinpassen, weil wir ja weniger eine Moshband und vielleicht ein bisschen zu melodiös für das Ganze sind. Dann hat sich aber herausgestellt, dass es eigentlich ganz gut passt. Dabei gibt es ja auch ein schön abwechslungsreiches Programm.
Yvonne: Habt ihr im Laufe der Tour nur gute Erfahrungen gemacht? Oder ist es so, dass die Leute dann den Raum verlassen, wenn ihr spielt?
Basti: Was war denn bisher die beste Show der Tour?
Martin: Ich würde sagen Dresden.
Patrick: Vom Gefühl würde ich eher sagen gestern in Jena.
Martin: Frankfurt war super und Berlin war auch gigantisch.
Patrick: Ja, da gehen die Meinungen halt ein bisschen auseinander.
Basti: Die Shows hier waren auch besser als in England?
Patrick: Das war auch schon geil. Es sind halt eher die Umstände. Die haben in England selten Leute, die mit aufbauen helfen. Wir hatten zum Beispiel einen Gig in einem Club in Glasgow, im vierten Stock, und da war kein Lift. So mussten wir alles hoch schleppen, und es gab keine Helfer. Ja, und das Essen ist da natürlich nicht so gut. Aber im Großen und Ganzen war es schon ne gute Erfahrung.
Yvonne: Wenn so viele Bands miteinander auf Tour sind, bedeutet das automatisch mehr Stress? Oder ist alles sehr relaxt?
Martin: Es ist schon mehr Stress insofern, dass es mehr Umbaupausen gibt und mehr komprimiert werden muss. Andererseits sind auch mehr Leute da, die helfen. Alle spielen hauptsächlich über ein Schlagzeug, über eine Boxenbatterie, also ist noch weniger Zeug zu schleppen.
Patrick: Mit so vielen Leuten ist es ja auch irgendwie witziger.
Basti: Habt ihr im Vorfeld irgendwie Befürchtungen gehabt, wieder in die Metalcore/Hardcore-Ecke geschoben zu werden? Davon wolltet ihr ja eigentlich weg. Jetzt seid ihr aber auf einer Tour, die ja sozusagen für diese Richtung steht.
Martin: Wir spielen ja entweder vor oder nach ALL SHALL PERISH. Da sieht man dann schon deutlich, dass bei ALL SHALL PERISH wesentlich mehr jüngeres Publikum da ist und bei uns dann schon eher die Jungs mit den SLAYER-Shirts vor die Bühne kommen, die dann anscheinend auch überall anwesend sind.
Ich finde, es ist eine sehr abwechslungsreiche Tour, von denen sich jetzt vielleicht die beiden Headliner (WALLS OF JERICHO und BORN FROM PAIN...Anm. d. Verf.) ähneln. Aber der Rest hebt sich davon schon ab.
Patrick: Klar, wir hatten am Anfang schon Befürchtungen wegen der Metalcore-Geschichte, nur wir wollten auf jeden Fall dieses Jahr noch eine Tour machen, und das war die einzige, die grad für uns machbar war. Es hat sich aber jetzt auch herausgestellt, dass es eben nicht so eine Metalcore-Sache ist, sondern die Tour vielmehr für die neue Metal-Welle, also für moderne aggressive Musik, steht. Die Lager sind nicht gespalten, sondern alle haben irgendwie ein gemeinsames Publikum.
Yvonne: Dann kommen wir mal zum wichtigsten Thema: Ihr habt einen neuen Sänger. Warum ist der alte Fronter Matze ausgestiegen, und wie kam Martin dann zu dem Posten?
Patrick: Gar nichts Spannendes. Matze ist ausgestiegen, weil er einfach keine Lust mehr hatte. Er wird Vater, ist bald 30, am Studieren und musste sich entscheiden, wie es weitergehen sollte. Nach 10 Jahren Band hat’s ihm einfach gereicht.
Martin: Bei der letzten Tour war ich schon als Ersatzbassist dabei. Eigentlich war es so gedacht, dass ich als Instrumentalist dazukomme, ein bisschen Keyboard und Gitarre spiele und bei melodiösen Gesangsparts noch eine zweite Stimme beisteuere. Als dann klar war, dass Matze aussteigen würde, war es dann erst mal nur ein Versuch. Wir haben es ausprobiert und hatten eigentlich alle mehr oder weniger ein gutes Gefühl dabei.
Basti: Es war dann also kein völliges Neuland für dich?
Martin: Nee...die Songs kannte ich ja davor schon. Ich hab mit meiner anderen Band auch schon bei dem ein oder anderen Konzert als Support gespielt. Aber ich wusste schon, worauf ich mich einlasse, wie viel Stress da dahintersteckt, wie ernst und professionell das jetzt ist.
Basti: Vorher warst du nur Instrumentalist und jetzt singst du?
Martin: Nein, ich hab schon vorher auch gesungen, aber eben halt immer mit der Gitarre. Auch stilistisch eine ganz andere Richtung, eher die Rock n Roll-Schiene mit viel melodiöserem Gesang. Umso mehr war das hier auch schon eine Herausforderung.
Basti: Man muss als Fronter auch Bühnenpräsenz besitzen. Musstest du dir das erst mal erarbeiten oder ging das schon gut?
Basti: Aber dann mit Gitarre...
Martin: Ja. Bei den ersten paar Konzerten mit FEAR MY THOUGHTS bin ich mir auch ein bisschen nackig vorgekommen. Ich werde mir jetzt vielleicht so eine Holzgitarre holen...oder eben mehr den Mikroständer nutzen. Aber das krieg ich schon hin...
Yvonne: Also funktioniert alles bisher gut?
Martin: Ich find’s gut. Die anderen glaub ich auch.
Patrick: Ja. Die Reaktionen waren bisher eigentlich durchgehend gut. Natürlich gibt es sicher auch Leute, die Matze toll finden und irgendwie ein Problem damit haben, dass wir jetzt einen neuen Sänger haben. Nicht weil Martin jetzt Scheiße wäre, sondern weil sie halt Matze mochten.
Martin: Sängerwechsel sind immer schwierig. Mit so einer Stimme identifiziert man sich eben. Auch wenn ich jetzt versuche, die Sachen so original wie möglich zu singen, ist es doch immer ein Unterschied.
Basti: Wobei ein Sängerwechsel in Eurem Genre vielleicht ein bisschen einfacher vonstatten geht...
Yvonne: Denkt Ihr denn schon wieder an ein neues Album?
Patrick: Ja, da sind wir jetzt schon fleißig am Schreiben. Es steht schon eine halbe Platte. Wir haben auch Ideen für mehr Songs, als wir dann auf das Album aufnehmen können.
Martin: Was wahrscheinlich auch gut ist. Dann können wir uns in der Anfangsphase ausprobieren und dann langsam eine Linie finden. Ich hab es jetzt nicht so empfunden, dass ich als ein völlig neuer Teil hineingekommen bin, sondern dass die Band sich schon vorher ein bisschen umorientiert hat und sich dadurch ganz andere Möglichkeiten ergeben haben. Es muss ja auch schon eine Basis bestehen, damit man sich als neuer Sänger komplett einbringen kann. Wir haben viele ruhigere, progressivere Elemente, vergleichbar mit PORCUPINE TREE, dabei, aber auch sehr viel harte Parts, die vielleicht an MESHUGGAH erinnern. Dazwischen versuchen wir eigentlich alles zu verbraten, was irgendwie machbar ist.
Patrick: Wir haben auch mehr Möglichkeiten mit unserem Gesang, weil Martin ein super Sänger ist, und versuchen in die Richtung auch weiter zu expandieren.
Basti: Ein kompletter Stilumbruch ist jetzt aber nicht zu erwarten, oder?
Patrick: Schwer zu sagen. Wir haben Lieder geschrieben, die hat man so soft, atmosphärisch oder langsam noch gar nicht von uns gehört hat, aber auch Songs, die härter sind als alles, was wir bisher gemacht haben. Was letzten Endes auf die Platte kommt, wissen wir noch nicht. Wir probieren halt alles aus und müssen dann sehen, wie es zusammenpasst. Es ist auf jeden Fall eine viel größere Stilbandbreite – von extrem poppigen Sachen bis hin zu Blast.
Basti: Und besteht jetzt durch den klaren Gesang nicht die Versuchung den typischen Wechsel zwischen Clean Gesang und Geschrei einzubauen?
Patrick: Das wollen wir eben verhindern. Deswegen machen wir Lieder, die durchgehend melodiös gesungen sind. Das klingt dann eher wie TOOL, PORCUPINE TREE oder KATATONIA als beispielsweise nach KILLSWITCH ENGAGE. Und die derben Sachen sind wahrscheinlich auch durchgehend derb. Es gibt vielleicht auch mal diesen Wechsel, aber wir wollen das nicht ausreizen und es machen, wie andere Bands das machen.
Basti: Weiterentwicklung ist immer gut. Wobei es dann natürlich wieder Leute geben wird, denen das nicht so gefällt...
Patrick: Klar, wissen wir, dass die Leute damit ein Problem haben werden. Das ist jetzt schon vorprogrammiert. Man muss machen, was man für richtig hält oder was sich für einen gut anfühlt.
Martin: Es ist auch grad ein interessantes Umfeld. Jeder hat sich neue Grenzen gesteckt. Es gibt keinerlei Strukturen, keinerlei Vorgaben für irgendwas, sondern wir probieren einfach nur alles mögliche aus. Wirklich alles. Es gibt nichts, von dem man jetzt sagt, das könnte da nicht passen.
Patrick: Bis jetzt ja. Wir haben denen mal die neuen softeren Lieder vorgespielt und die waren schon baff. Sie meinten, sie finden es saugeil, müssen halt nur sehen, wie sie das verkaufen können. Sie finden es gut und finden den Gesang auch super und vertrauen uns da. Natürlich ist da schon ein gewisser Druck da, wenn man eine bestimmte Anzahl von Platten verkaufen will. Da muss man halt einen Mittelweg finden.
Yvonne: Hat sich euer Labelwechsel zu Century Media im Laufe dieses Jahres rentiert? Meint ihr, euch letzten Endes richtig entschieden zu haben?
Patrick: Ich denke, wir haben uns schon richtig entschieden. Es hat sich einiges verändert. Unsere Popularität ist ein bisschen größer geworden. Man spielt größere Konzerte. Es kommen mehr Leute; man hat mehr Interviews. Besonders wenn eine neue Platte ansteht, hat man richtig viel Arbeit mit dem Label. Da merkt man dann, dass alles sehr professionell ist. Ich denk schon, dass es der richtige Schritt war.
Basti: Wie ist das so allgemein mit Freundschaften innerhalb der Band? Hängt Ihr ständig miteinander rum oder nur während der Touren?
Martin: Wir sehen uns schon oft genug. Wir proben schließlich zweimal in der Woche miteinander.
Patrick: Wir haben früher mehr miteinander rumgehangen. Unser Bassist, unser Gitarrist und ich kennen uns schon viele Jahre. Wir sind schon zum größten Teil ein Freundeskreis. Auch unsere Frauen sind gut miteinander befreundet. Man trifft sich schon oft mal, um ins Kino zu gehen oder zu essen, aber es ist nicht so wie früher. Früher haben wir echt jeden Tag zusammengehangen. Jetzt haben wir natürlich alle Jobs und nicht mehr so viel Zeit.
Martin: Ich bin sehr froh, dass wir alle gut miteinander auskommen. Eigentlich gibt es recht wenig Streit. Da jeder schon weiß, wie ernst die Sachen sind, die anstehen, sich für die Show zusammenreißt und nicht irgendwie sturzbesoffen auf die Bühne geht, passiert halt auch einfach nichts. Klar, die Busregeln muss ich noch ein bisschen lernen...
Yvonne: Was gibt’s denn für Busregeln?
Patrick: Keine nassen Klamotten rumliegen lassen, weil es sonst extrem stinkt. Die Bustür zumachen. Eigentlich keine fremden Personen in den Bus lassen...Für das Interview ist schon okay, aber nicht abends, wenn Party ist, zehn Frauen oder so mit rein bringen...
Martin: Wir kommen eigentlich ganz gut miteinander klar. Macht auf jeden Fall Spaß!
Patrick: ...und nicht ins Busklo kacken!
Martin: Da hab ich mich bisher ja dran gehalten.
An dieser Stelle mussten die beiden das Interview leider abbrechen, da noch ein anderer Termin anstand. Zum Schluss wurden noch die Kapuzenjacken aus dem Merchandise-Fundus der Band ebenfalls auf der Tour mitfahrenden FROM A SECOND STORY WINDOW zur Sprache gebracht, welche den wunderbare Schriftzug „Dude Core“ trugen. A new style is born?
Live-Fotos von Yvonne