Was reimt sich auf Ficken?


Interview mit Knorkator
Metal aus Deutschland - Berlin
Interview mit Alf Ator von KNORKATOR am 18.10.2008 in Glauchau in der Alten Spinnerei für die Radiosendung Mosh-Club auf Radio T in Chemnitz. Das Interview wurde von Björn und Jörg geführt. www.mosh-club.de.vu und www.radiot.de
Auf der Seite der Sendung könnt ihr euch das Interview als mp3 runterladen.

Björn: Als erstes natürlich die Frage, ob ihr euch wirklich auflöst.

Alf:
Ja, wir lösen uns wirklich auf.

Björn: Es gab ja die Gerüchte, dass es nur ein Gerücht wäre, und auch die Neuigkeit von eurer Trennung sickerte nur so langsam durch.

Alf:
Das lag daran, dass ich meinen Umzug aus verschiedenen Gründen verschoben habe, und da dachten dann die schon die ersten, dass wir uns doch nicht auflösen.

Björn: Wie kam es denn eigentlich zu dem Entschluss?

Alf:
Och, aus ganz vielen Gründen. Uns gibt es nun schon seit 14 Jahren, und ich hatte schon länger mal vor, mir einen Zweitwohnsitz zuzulegen. Außerdem fällt mir nichts mehr ein, was sich auf Ficken reimt.

Björn: Aber viele Bands machen doch trotzdem weiter, wenn dieser kreative Engpass einsetzt. Ihr spielt schließlich vor ausverkauften Häusern.

Alf:
Wir spielen vor ausverkauften Häusern, weil wir uns auflösen.

Björn: Aber vorher war auch ordentlich was los.

Alf:
(lacht) Aber nicht nur ausverkaufte Häuser. Es ist schon richtig, wir haben einen gewissen Status, und dafür gibt es verschiedene Gründe. Einer der Gründe ist, dass wir niemals einen Hit hatten, von dem wir immer noch zehren. Wir hatten viele beliebte Songs, aber nicht einen Hit, mit dem wir in den Top Ten waren. Wir standen immer für ... (denkt nach) ... wenn ich jetzt Dinge ausspreche, dann klingt das so nach einer politisch engagierten Band, und das ist ja gar nicht der Fall. Wir standen immer für zum Teil schrullige Themen, die auf eine ganz komische Art und Weise rübergebracht werden. Sicher auch, weil es Spaß macht und nicht, weil wir jemanden damit provozieren wollen. Und genau diese Art von Verlangen, Sachen so zu sagen oder so zu spielen, die fand bei gewissen Leuten halt Anklang. Das ist aber etwas was sehr viel Arbeit erfordert.
Am Anfang war es noch einfach; da lagen die Themen noch auf dem Präsentierteller. Niemand hatte sich dieser Themen angenommen. Aber inzwischen haben wir so ziemlich alles gesagt, und da dauert es immer länger von Album zu Album. Wir müssten jetzt sowieso einen Schnitt machen, weil es nichts bringt das Touren auszudehnen, und wenn wir eine Pause machen würden, wäre das für uns nur unnötiger Druck irgendwann weitermachen zu müssen. Nein, wir lösen uns auf. Bumm! – Fertig! Das gibt auch für jeden in der Band den nötigen Druck, sich darum kümmern zu müssen, was danach kommt.

Björn: Wie lief die Diskussion in der Band ab sich aufzulösen oder eine Pause zu machen, und wann und wie wurde dieser Entschluss gefasst?

Alf:
Sag ich nicht. (lacht und grinst verschmitzt) Ich kann dir ja sagen, dass ich den anderen gesagt habe, dass ich jetzt abhaue, und da sagten alle „Oh, schön!“

Björn: Ich frage, weil man die Songs des letzten Albums wie „Wir werden alle sterben“ in die Richtung interpretieren kann, wenn der Entschluss schon vorher feststand.

Alf:
So war das nicht. Es war vor dem letzten Album schon klar, dass wir danach eine längere Pause machen müssten. Erst Ende des letzten Jahres stand es fest, dass wir uns auflösen. Ich will mal folgendes sagen: Niemand weiß natürlich, was in ein paar Jahren ist. Wir können uns alle gut leiden und haben uns auch nicht gestritten, aber es ist einfach so, dass wir jetzt Schluss machen und fertig. Dann hat auch jeder mal die Chance, in seinem Leben was anderes auszuprobieren. KNORKATOR ist ein Full-Time-Job; da bleibt nicht viel Zeit für andere Sachen, und vielleicht hat der eine oder andere auch die Chance, außerhalb von KNORKATOR mal ganz andere Dinge zu tun, die viel besser funktionieren. KNORKATOR ist zwar schon ne tolle Band, aber es gibt auch erfolgreichere Bands, wenn ich z.B. so was wie U2 sehe.

Björn: Du hast nicht ausgeschlossen, dass später mal wieder was geht. Was kommt denn für euch als Einzelpersonen jetzt erst mal. Du hast es ja schon angesprochen, dass du dir einen Zweitwohnsitz zulegen willst. Geht das konkreter und was machen die anderen?

Alf:
Buzz Dee hat verschiedene Angebote von Leuten, die sich gerne mit Paradiesvögeln auf der Bühne schmücken. Das geht von Hip Hop bis Liedermaching. Er hat sich bis jetzt auch für alles entschieden, weil nichts davon ein Full-Time-Job ist. Tim und Nick produzieren als Team auch andere Bands, z. B. VAN LANTHEN, die heute Vorband hätten sein sollen. Nebenbei sind sie als Bass- und Schlagzeug-Rhythmusgruppe eine ganz tolle Institution und werden auch immer wieder mal Aufträge bekommen. Stumpen erzählt uns nicht, was er vorhat. Das ist sein Geheimnis. Das will ich aber auch gar nicht wissen von der ollen Sau.
Und was mich betrifft: Ich schreibe Bücher, ich male und bin weiterhin auch Musiker, und es entstehen auch Songs. Ich bin aber kein Hitschreiber und schreibe Songs, und wer die haben will, kann die haben. Ich bräuchte da schon ein Projekt, für das ich mit den Songs ein Gesamtimage schaffen kann. So etwas ist aber in weiter Ferne, und da denke ich auch gar nicht dran. Wichtiger sind mir erstmal Bücher und Gemälde.

Björn: Taucht denn mittlerweile schon Wehmut auf, und ihr blickt auf die Zeit zurück oder wird das erst bei den letzten beiden Konzerten so sein?

Alf:
Wahrscheinlich wird es erst danach kommen, denn momentan ist es einfach Alltag. Es ist sehr intensiv, und wir sind ständig unterwegs. Das Komische an den Touren ist aber, dass man zwar ständig aufeinander hängt, aber nicht viel redet. Wir müssen uns extra verabreden, uns dann und dann zusammenzusetzen, um bestimmte Dinge abzusprechen. So ein spontanes Gespräch, um Befindlichkeiten auszutauschen, findet bei uns nicht statt. Da ist eigentlich nicht die Gelegenheit dafür da. Und so ist das alles ein Alltag, den wir seit Jahren gewohnt sind, und deswegen ist auch keine Situation vorhanden, die uns irgendwie nachdenklich machen könnte. Es funktioniert im Moment so wie immer auch, wenn es jetzt das letzte Mal ist. Die Präsenz, dass es das letzte Mal ist, wird während der Tour nicht für jeden so deutlich sein. Das kommt wohl erst danach.

Björn: Was denkst du denn wie es sein wird? Wirst du jubeln, weil die Last von den Schultern runter ist, oder fällst du in ein Loch?

Alf:
Es wird keiner aufspringen und jubeln, weil die Band eine tolle Band ist, die auch Spaß macht.

Björn: Aber du bist dann von allen künstlerischen Zwängen befreit, auch wenn die bei KNORKATOR nicht so eng waren, aber sie waren vorhanden. Ihr habt zwar sogar unter dem Namen KNORKATOR ein Buch veröffentlicht, aber diese Humorrichtung war doch schon etwas vorgegeben und musikalisch auch.

Alf:
Musikalisch gesehen habe oder hatte ich ja das Glück, dass ich mich vollkommen ausleben kann. Ich kann eigentlich machen, was ich will. Das ist ein Glückszustand, den andere sich richtig diktatorisch erarbeiten müssen. Andere Bandleader sind da mehr Herrscher, und müssen die anderen unterdrücken, dass die nicht mit ihren eigenen Ideen ankommen. Für mich ist es aber das Glück, weil ich eigentlich nicht so ein Typ bin, dass die anderen mir vollkommen vertrauen, obwohl sie auch hervorragende Musiker sind. Sie geben mir aber die Freiheit, und dadurch kann ich ziemlich frei arbeiten und musste mich nicht mit den anderen rumschlagen.
Es sind natürlich Zwänge da, und man kann die auch überinterpretieren. Aber Fakt ist, dass wir uns als Band mit unseren Fans weiterentwickelt haben. Wir machen jetzt einfach die Tour, das fetzt und danach lösen wir uns auf. Ich kann nicht von großen Zwängen oder der riesigen Freiheit berichten, es war irgendwas dazwischen.

Jörg: Ich würde jetzt mal mit was ganz anderem anfangen: Ihr steht im Regal unter Metal. Ist das eine Schublade, die euch gefällt, und von der ihr ausgeht, dass es die richtige Schublade ist?

Alf:
So, wie die Welt heute funktioniert, ist es das kleinere Übel. Wahrscheinlich ist jede andere Schublade genauso scheiße. Es ist kein Problem für mich zum Metal zu gehören. Es gibt hervorragende Metalsachen. Wir machen aber auch vieles andere, was nicht Metal ist. Jede andere Kategorie würde das Problem aber genauso aufwerfen. Man kann uns auch nicht als Gothic Band verkaufen, nur weil wir den einen oder anderen düsteren Song haben. Das wäre ja noch schlimmer.

Jörg: Ihr wart aber schon mal auf einem Gothic Sampler drauf.

Alf:
Das ist ja auch schön, und wir waren auf ganz vielen Gothic Festivals. Bloß, wo will man uns hinstecken. Im Prinzip müssten wir unter Rock stehen, aber was versteht man als Normalbürger unter Rock, und das würde auch falsch verstanden werden. Letztendlich ist es so, dass wir schon ein bisschen hart sind und Rock im allgemeinen ist heutzutage nicht sehr hart, und da ist metal schon die bessere Bezeichnung. Man könnte sich jetzt einen Fantasiebegriff aussuchen, aber ich persönlich würde jetzt schon mehr auf die Beschreibung Rock stehen. Auch wenn das keine Assoziation in sich birgt, passt es letztendlich am besten. Heavy Metal ist auch ein Teil von Rock und SIX FEET UNDER gehören genauso dazu wie

Björn: AVRIL LAVIGNE.

Alf:
Genau, BLUR sind ja eigentlich Brit-Pop, haben aber auch Gitarren und sind so eigentlich Rock. Und wenn BLUR Rock ist, dann sind auch die GORILLAZ Rock. Und deswegen ist Rock ein so schön weites Feld, dass wir bei keinem unserer Lieder sagen müssten, dass es jetzt kein Rock ist. Bei jeder anderen Kategorie müsste man sagen, dass wir Metal sind, aber das Lied nun wieder nicht und dieses und jenes. Ich könnte jetzt sagen, wir machen Industrial-Tekkno-Metal-Pop-Hip-Hop-Crossover-Trash-Gothic. Aber was soll so was? Da machen wir doch lieber Rock. Oder wir machen Musik, wissen Sie.

Jörg: Ihr spielt ja auch gerne mit den jeweiligen Klischees der Musikrichtung, habt da aber auch eine Entwicklung gemacht, seit eurer ersten Platte von Songs wie „Böse“ zu „Ich hasse Musik“ oder anderen Sachen. Inwieweit ist das eine Sache, die ihr in Form eines Konzepts entwickelt habt, und es versucht habt umzusetze, oder die sich im Laufe der Zeit ergeben habt?

Alf:
Die Idee KNORKATOR entstand aus einem neuen Versuch. Ich war früher eher der Typ, der an Computern rumgespielt hat und neue Sounds auf dem Keyboard ausprobiert hat. Ich war eher so Fan von PETER GABRIEL. Das fand ich geil, weil es was ernstes war. Und irgendwann kam dann Anfang der 90er die Zeit, in der es wieder so richtig hart wurde, und Bands wie PANTERA zeigten mir, dass man das harte sehr geil übertreiben kann, wenn man die Doofheit dabei betrachtet, und das Gewalt auch immer ein bisschen mit Doofheit zu tun hat. Der gewaltige Typ auf der Bühne, der sich als Held darstellt und Kinder rettet, der ist immer ein bisschen lächerlich. Aber der gewaltige Typ auf der Bühne, der sagt: „Wenn du jetzt die Schnauze nicht hältst, bekommst du eine reingedroschen“, ist im Kontext der Musik viel glaubwürdiger. Ich muss ja nicht diese Person sein, sie aber mit der Musik darzustellen, ist viel einfacher, viel geiler und viel lustiger und unterhaltsamer und auch viel geradliniger.

Da ich davor gar keine harte Musik gehört hatte, kamen tausend Themen auf mich zu, über die man singen könnte. Alles was mit 'Leck mich am Arsch!' und aus der Norm auszubrechen zu tun hatte, für das ich aber mit 30 eigentlich schon zu alt war. Diese Erkenntnis, wie geil man das in der Musik umsetzen kann, brachte uns in die Lage, auf der Bühne verklemmte Typen darzustellen, die einfach das rauslassen, was sie schon immer wollten. Und genau diese Verklemmtheit, die plötzlich aufbricht in übergroßen Exhibitionismus, über die musste man gar nicht groß reden - das passierte einfach so. Damit war das Anfangskonzept eigentlich klar - und das war KNORKATOR.

Aber wenn man das eine Weile macht, ist das Thema irgendwann abgegriffen, und man muss sich neue Wege suchen. Da wurde es dann Stück für Stück zu dem, was man eigentlich ist, nämlich Musiker, der mit jedem Lied den Anspruch an sich selbst hat, die Welt erobern zu wollen. Und dadurch haben wir dann auch ganz andere Themen gemacht, wie grundsatzphilosophische Themen, die eigentlich keinen Metalfan interessieren, aber trotzdem ganz lustig sind, wenn man sie doch mal macht.

Jörg: Sowas wie „Wie weit ist es bis zum Horizont“?

Alf:
Das ist ein Beispiel, in dem man sagt: "Ich mach jetzt mal Mathematik." Ich freu mich natürlich, wenn Lehrer sich für den Song bedanken. Es war aber eigentlich nie so geplant. Bei „Ich hasse Musik“ war es genauso, und viele haben dadurch ihre Prüfungen bestanden. Aber eigentlich war die Grundaussage: "Pass auf, wenn ich Lust habe über Mathematik zu reden, dann mache ich das." Diese Grundaussage steckt auch in vielen anderen Songs, dass ich einfach nur sagen will, dass ich nicht nur über das schreiben will, was ihr hören wollt. Denn wenn ihr mir jetzt zuhören wollt, müsst ihr euch in mich reinversetzen, ihr Arschlöcher. (lacht)

Jörg: Ihr habt euer Publikum und euch selbst auch oft von der Seite betrachtet, ironisch betrachtet und reflektiert und dadurch eine noch komischere Richtung herausbekommen, wenn man dem Publikum sagt, dass man es gar nicht sehen will. Wir wollen keine dicken Männer mit Bärten, sondern hübsche tanzende Mädels.

Alf:
Der Gedanke, der dem zugrunde liegt, ist ja nicht neu. Er wurde nur noch nicht offen ausgesprochen. Je härter die Musik der Band ist, umso unansehnlicher ist das Publikum. Also die ganzen harten Metalbands haben wirklich nur Männer im Publikum. Das ist so. Ich weiß das. Ich kenne sehr viele, und die klagen alle über das gleiche. Dass die erste Reihe aus lauter Mädels besteht, das schaffen heutzutage nur noch die Teenie-Bands, und natürlich ist dadurch bei vielen Musikern eine gewisse Enttäuschung da, und das haben wir einfach mal ausgedrückt. Uns waren viele Bands dankbar, dass wir das gemacht haben, weil sie wussten, dass sie es sich nicht hätten leisten können. Unser Publikum war aber schon so erzogen, dass es das einordnen konnte. Unsere Fans wissen ja, dass wir sie zu schätzen wissen. Wir haben da zwar extreme Psychopathen darunter, aber doof sind sie nicht. (schmunzelt)

Jörg: Ihr bietet dem Publikum auch mehr als andere Bands von Artistik über Kostümen bis hin zu der Musik. Ihr mutet dem Publikum aber auch viel zu mit dem Beschmeißen bzw. Beschreddern mit Gemüse oder Weißkraut, das dann allen Leuten in den Haaren hing. Gab das da noch nie Ärger?

Alf:
Das gab Ärger, oh ja. (lacht dreckig) Von den Fans gab es den Ärger so eigentlich nicht. Zumindest ist der nicht an uns herangetragen worden. Vielleicht ist der eine oder andere Fan angepisst nach Hause gegangen. Davon haben wir aber nichts mitbekommen. Aber die Veranstalter waren oft ganz sauer, als sie gemerkt haben, dass wir ihnen ihren Club so beschmaddert haben. Wenn der Club sehr klein war, und wir mit unserem Gemüsehäcksler losgelegt haben, war schon manchmal Renovieren angesagt.

Jörg: Aber von den Fans kam nie was, dass die sagten: Ich bin extra schick zu KNORKATOR gegangen, und jetzt seh ich aus wie ein Schwein?

Alf:
Ich hab noch nie einen schick zu KNORKATOR gehen sehen. Wie gesagt, als Band hat man ne andere Wahrnehmung. Was wir wahrnehmen, sind die Leute in der ersten Reihe, die die Arme ausbreiten, wenn das kommt. Die vielen angepissten, die dafür sorgen wollen, dass KNORKATOR nie wieder eine CD verkaufen, die bekommen wir ja gar nicht mit, und hoffentlich gibt es sie ja auch nicht.

Björn: Wie kam es denn damals zu der Entscheidung solche Sachen auf der Bühne durchzuführen? Es gibt ja genug Bands, wo drei Leute auf der Bühne stehen, sich die Instrumente umgehängt haben und das war es. Gibt es da irgendwelche Vorbilder dafür?

Jörg: Oder wie viel ist da vorher gemeinsam besprochen worden? Ist die Bühnenpräsentation Teil des Gesamtkonzepts, oder kann sich da jeder einzeln ausleben, gerade bezogen auf Stumpen?

Alf:
Die Ideen entstehen manchmal in der Spontanität und werden dann im Nachhinein ... ach eigentlich gibt es solches und solches. Manches denkt man sich aus und baut es ein und manches passiert so - das war geil und dann macht man es regelmäßig. Ich weiß gar nicht, wie es dazu kam. Unser erstes Konzert war schon ein ziemliches Theater mit ganz skurrilen Sachen. Ein Grund dafür war auch die Volksbühne in Berlin, ein Theater bei dem ein Regisseur Furore macht mit ganz provokativen Aufführungen mit Ficken und was weiß ich nicht noch alles. Und da schrie immer die ganze Nation und die Kritiker waren immer sehr dafür. Ich konnte immer nicht verstehen, dass niemand merkte, dass die ganze Aufregung eine gute Promotion ist und das kann ich doch auch. Bei uns ging es dann darum zu protestieren, dass man im Theater davon ausgeht, dass die Leute alle gebildet sind und verstörende Details einordnen können. Der Rockmusik legt man auf, dass die Leute bescheuert sind und wenn man nicht ganz eindeutige Aussagen macht, ist man gleich gefährlich.
Damit wollten wir uns einfach nicht abfinden, wir beanspruchen für uns mindestens die gleichen Freiheiten wie in Theater. Letztendlich ist das, was wir machen brav, im Gegensatz zu dem, was manchmal im Theater abläuft. Wenn der Castorf das sehen würde, würde er sagen, dass habe ich schon in den 70ern gemacht. Es ist ja auch nicht wirklich neu, vielleicht in der Rockmusik. Obwohl als wir uns gegründet haben, gab es ja ROCKBITCH, und die waren ja viel schlimmer. Wir haben z.B. nie gefickt auf der Bühne. Wir haben schön Kunstscheiße angerührt mit Kartoffelbrei und Kakaopulver, das hat niemals gestunken, und wir waren niemals eklig. Wir haben nur so getan, als wären wir eklig.

Jörg: Ich hab mal ein Konzert von euch auf der Freilichtbühne Glauchau gesehen. Da habt ihr mit Windeln voll mit Schokopudding geworfen.

Alf:
Das war in gewisser Weise eine Grenzüberschreitung, denn als wir mit Windeln geworfen haben, waren das die Windeln meines gerade geborenen Sohnes. Aber die waren ja nicht offen.

Jörg: Ihr wart ja auch gut gerüstet, als die zurückkamen . Ihr hattet ja irgendwelche Polizeischilde dabei.

Alf:
Wir hatten das ja physikalisch geplant. Wenn wir auf der Bühne stehen und mit Windeln werfen, dann haben wir durch unsere erhöhte Position ballistisch gesehen eine höhere Reichweite. Und wenn die ersten Reihen diese Windeln wieder nach vorne warfen, dann trafen sie die ersten Reihen im Nacken. (lacht dreckig)

Jörg: Nochmal zu den Projekten nach KNORKATOR: Du hast auf „Ich hasse Musik“ kleine Hörspiele hinten an die CD gehängt. Ist das eine Leidenschaft von dir und vielleicht ein zukünftiges Arbeitsfeld?

Alf:
Das ist gar nicht so zukünftig, bei meinen Lesungen ist es schon Gang und Gebe. Wenn ich Lesungen mache, müssten die heißen „Alf liest nicht“, denn es ist Vollplayback. Ich setze mich mit dem Buch hin, drücke auf Start und dann kommt ein vollkommen bis zum Ende ausproduziertes Hörspiel. Ich bewege nur noch den Mund dazu, habe aber die Möglichkeit, dass da Musik kommt, dass ich mit verschiedenen Stimmen spreche, dass ich Puppen miteinander tanzen lassen kann, und mein Tisch ist immer voll mit lauter Requisiten. Das sind dann schon richtige Hörspiele, die ich da produziere, und die werden quasi live mit Playback dargeboten. Es ist schon so, dass dieses Steckenpferd zu einer Art Beruf wird.

Jörg: Ich glaub immer noch nicht daran, dass du ganz weit weg ziehst, dort in der Einöde was produzierst und dann nach Europa zurückkommst, um das zu präsentieren.

Alf:
Wenn man genug Geld hat, dann klappt das alles. Ich werde in Thailand in einem ganz kleinen Dörfchen unter Palmen senieren, brainstormen, chillen, und wenn dann mal eine Lesung in Glauchau ist, setz ich mich in meinen Privatjet, lese und danach geht es dann ganz schnell wieder ab in den Süden. (lacht)

Björn: Viele Musiker oder Künstler sagen ja immer, sie werden durch ihre Umwelt beeinflusst. Du hast dann ja eine komplett andere Umwelt um dich herum. Denkst du, das färbt irgendwie ab?

Alf:
Das kann ich so nicht sagen. Ich war schon öfter da, und was mir damals dort eingefallen ist, ist nicht von schlechten Eltern, auch wenn es nicht die härtesten Sachen von KNORKATOR sind. Jedoch kann ich musikalisch dort nicht beeinflusst werden, denn die Musikszene in Thailand ist grausam. Das geht nicht. Eigentlich müssten die Songs aus Wut noch härter werden.

(Die Tür geht auf und Stumpen blickt hinein)

Stumpen: Entschuldigen Sie bitte vielmals.

Alf: Ja, kommen Sie doch herein.

Stumpen: Nein, ich habe keine Lust, hier mit Ihnen zu korrespondieren. Das sehe ich überhaupt nicht ein.

Alf: Aber es ist Ihr Zimmer.

Stumpen: Ich krieg auch Miete dafür. (geht wieder)

Björn: Zum Abschluss des Interviews darfst du dir ein Lied für die Radiosendung von einer anderen Band wünschen.

Alf:
Oh, ich hab’s gleich .... mmmh ... (drückt) ... Augenblick mal, ich hab’s gleich. .... Ich wünsche mir .... ich hab’s gleich ... ich wünsche mir irgendwas von .... haste die Wahl, haste die Qual ... Bitte spielen Sie für mich „Jupiterian Vibe“ von SAMAEL. Und dann die Frage an das Publikum: Zu welchem KNORKATOR Lied hat mich dieses wohl inspiriert?
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