Wer sagt, ich wäre nicht alt oder müde?


Interview mit Cannibal Corpse
Death Metal aus USA - Buffalo (früher), Tampa (heute)
Lang ist es her, als CANNIBAL CORPSE zusammen mit DEVILDRIVER und THE BLACK DALIAH MURDER das Backstage in München zerlegten. Ein persönliches Interview mit Alex Webster war zu diesem Zeitpunkt leider nicht möglich und deswegen musste alles via Internet erfolgen. Mittlerweile ist sowohl die Europa- wie auch die US-Tournee beendet, und Alex Webster konnte sich endlich um Kleinigkeiten wie E-Mail Interviews kümmern. Wir sind haben deshalb auch vollstes Verständnis für die Verzögerung und freuen uns jetzt über die ausführlichen Antworten zu den Fragen.

MBo/MS: Hi Alex! Wie gehts dir, wo bist du gerade und warum ist dies ein guter Zeitpunkt, um unsere Fragen zu beantworten?

Hi! Wir sind zurück in Florida, die Tournee ist vorbei und ich hab endlich Zeit, Interviews und andere Projekte zu bearbeiten.

MBo: Leider haben wir uns vor ein paar Wochen in München nicht treffen können. Das Konzert war jedenfalls unterhaltsam, nur schien es, als wären die Leute nach DEVILDRIVER schon erledigt gewesen. Wie war das Münchenkonzert in deiner Erinnerung?

Das war definitiv eine klasse Show, aber ich denke auch, dass DEVILDRIVER das Publikum ein wenig ausgelaugt hat, bevor wir anfingen. Ich finde, die Fans haben die Show dennoch genossen, aber es war ziemlich heiß und nach drei anderen coolen Bands bin ich nicht überrascht, dass sie nicht mehr die Energie hatten, die sie früher in dieser Nacht hatten.

MS: Wie fällt dein Fazit zur Europatour aus?

Ich bin sehr glücklich über den Verlauf. Die Kombination der Bands war sehr gut und wir kamen gut miteinander aus. Ich denke, die Fans waren über das Line-up auch sehr glücklich. Es war zwar musikalisch alles sehr schwerer Stoff, aber dafür hat jede Band ihren ganz eigenen Charakter.

MBo: Eine US-Tour wird demnächst folgen. Was machst du in deiner Freizeit momentan?
(Anmerkung: Zum Zeitpunkt der Beantwortung war diese Tour ebenfalls schon abgeschlossen)


Zwischen Tourneen verbringe ich gerne Zeit mit meiner Frau, unseren Hunden und auch meinen Freunden. Ich fahr auch gern Motorrad, das Wetter in Florida ist normalerweise ziemlich gut dafür, wenn man sich nicht an der Hitze stört. Und ich arbeite auch an neuer Musik zwischen den Tourneen.

MBo: Was ist für dich der größte Unterschied zwischen Tourneen in den USA und Europa?

Die Tourbusse sind ziemlich verschieden. Die Busse in den USA fassen allgemein nie mehr als 12 Leute und sie sind breiter. Die europäischen Busse sind größer, wir teilen normalerweise einen Bus mit einer anderen Band in Europa. Das kann also wirklich lustig sein, weil du eine Band richtig kennenlernst, wenn du zusammen in einem Bus einen Monat lang reist. Sonst gibt es eigentlich wenig Unterschiede, denn Metalheads sind überall recht ähnlich, also können die Gigs recht ähnlich auf beiden Seiten des Ozeans sein.

MS: CANNIBAL CORPSE kann mittlerweile auf mehr als 25 Jahre Bandgeschichte zurückblicken, trotzdem hat man das Gefühl, dass ihr noch kein bisschen müde seid. Woher nehmt ihr eure Motivation?

Naja, natürlich leben wir davon, das ist eine sehr gute Motivation, aber darüber hinaus lieben wir es alle, diese Art von Musik zu spielen. Die eigene Lieblingsmusik berufsmäßig auszuüben ist ziemlich geil, und das ist eigentlich die ganze Motivation, die wir brauchen.

MS: Welche Projekte hast du momentan noch am laufen? Bist du immer noch aktiv in BLOTTED SCIENCE?

Momentan gibt es ein paar Projekte neben CANNIBAL CORPSE. Kürzlich hab ich ein Solo für das Album von einem Kumpel aufgenommen, quasi als Gastauftritt. Außerdem arbeite ich gerade noch mit ein paar Musikern hier in Tampa, um eventuell eine zweite Tourband zu gründen. Dann gibt es da noch Keith Merrows' kommende Album, wo ich die Bassspur spielen werde, und natürlich noch BLOTTED SCIENCE, wo wir gerade neue Songs schreiben. Also mehr als genug, damit keine Langeweile aufkommt.

MBo: Haltet ihr eigentlich immer noch euer Pensum beim Proben nach all den Jahren durch oder erlaubt euch die Routine ab und an etwas nachlässiger zu sein?

CANNIBAL CORPSE probt immer noch viermal pro Woche durch das (fast) ganze Jahr und ich beschäftige mich zu Hause damit, an den oben genannten Projekten zu arbeiten. Ich halte mein Bassspiel also meistens in guter Form.

MS: Sprechen wir mal über das Equipment. Habt ihr für die Europatournee euer eigenes Zeug benutzt?

Wir nehmen nur die kleinen Geräte mit rüber. Gitarren, Bässe, Becken, Effektgeräte, sowas eben. Alles andere mieten wir dann.

MS: Was ist dein persönliches Setup für einen erfolgreichen Auftritt?

Naja, wenn wir die nötige Ausrüstung haben und eine professionelle Crew an unserer Seite, dann wird normalerweise jeder Auftritt ein Erfolg. Für mich bedeutet gutes Equipment: Ein Verstärker mit einem 8x10 Cabinet und dazu eine verzerrte und eine unverzerrte DI Box. Damit kann unser Tontechniker dann schon einiges anfangen.

MS: Kannst du uns auch schon etwas über das neue Album verraten?

Wir haben gerade erst die Torture Tour beendet, dementsprechend haben wir noch gar nichts für das neue Album vorbereitet. Wir werden später für circa einen Monat eine Probenpause machen, in der Zeit kann dann jeder neue Songs schreiben. Wenn wir dann wieder mit den Proben anfangen, haben wir einiges an neuem Material, mit dem wir weiterarbeiten können.

MS: Bist du immer noch der Chef, wenn es ums Songwriting geht?

Ich liebe es, Musik zu komponieren, deswegen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich am Ende das meiste Material für neue Songs beitrage. Aber wer weiß...jeder in der Band kann diesbezüglich soviel machen, wie er will.

MBo: Was inspiriert Death Metal Lyrics eigentlich mehr – Splatterfilme oder die täglichen Nachrichten?

Momentan inspirieren uns die Nachrichten und andere Non-fiction Quellen mehr. Aber wir haben ohnehin nie versucht, irgendetwas direkt zu kopieren. Wir versuchen einfach, mit unserer eigenen Vorstellungskraft über Dinge nachzudenken.

MS: Nach all den vielen Verfahren zur Indizierung eurer Arbeit: Ist das mittlerweile etwas, worüber ihr Späße machen könnt und vielleicht sogar einen Ruf zu verlieren habt? Oder schüttelt ihr immer noch verzweifelt den Kopf über solche Aktionen?

Darüber denken wir eigentlich nie nach...bis es dann halt passiert, haha. Wir machen einfach, was wir wollen, und schauen später, was dabei rauskommt. Manchmal drehen die Zensoren total durch, manchmal beachten sie uns gar nicht.

MS: Wie haben sich eure Songs in den letzten 25 Jahren verändert?

Unsere Songs sind mittlerweile strukturierter. Am Anfang war das ganze vielleicht noch ein bisschen unorganisiert und verwirrend. Mittlerweile versuchen wir, etwas von den alten Chaostagen mit der Präzision und Struktur der letzten Jahre zu verbinden, in der Hoffnung, das Beste aus beiden Zeiten zu verknüpfen.

MS: Ihr seid Metal Blade Records seit eurem ersten Album treu geblieben. Wie waren Metal Blade Records damals im Jahre 1990 im Vergleich zu heute?

Metal Blade ist seit den Anfangsjahren ein großartiges Heavy Metal Label. Unser Verhältniss zu ihnen ist über die Zeit gewachsen und wir haben mittlerweile schon so etwas wie eine familiäre Beziehung. Die Leute dort sind alle richtige Metaler, und obwohl sie Geld verdienen müssen und ein erfolgreiches Unternehmen am laufen haben, denken sie immer zuerst an die Musik. Das ist einer der Hauptgründe, wieso wir nie an einem anderen Label interessiert waren. Ein anderes Label mag vielleicht mehr Geld zur Verfügung haben, aber ich bezweifle, dass sie sich so für die Musik interessieren, wie es Metal Blade tut.

MBo: Es wird ein Boxset, ein Best-Of und Picture-Discs in diesem Jahr geben, anlässlich zu eurem 25 Geburtstag. Das klingt nach einer Idee des Labels. Was haltet ihr von solchen Neuveröffentlichungen über Neuveröffentlichungen und - die hartnäckigen Sammler außen vor gelassen – verkaufen sich diese Editionen gut?

Ja, unser Label und Management sind gewöhnlich die, die mit solchen Sachen daherkommen, aber wir haben natürlich das letzte Wort, ob es nun gemacht wird oder nicht. Wir haben kein Problem mit Neauflagen, Boxsets etc. und generell scheinen sie sich gut zu verkaufen. Wir wollen sicher gehen, dass alles, was wir verkaufen, ein guter Deal für die Fans ist und in diesem Fall ist es das Boxset mit Sicherheit.

MS: Stell dir bitte mal einen Jugendlichen vor, der gerade eben den Metal für sich entdeckt hat, aber total verwirrt ist von den vielen drittklassigen Hardcore, Metalcore und Deathcore Bands. Welche Band würdest du ihm empfehlen, was soll er sich mal anhören?

Ich würde ihm zuerst mal die Wurzeln der ganzen Stilrichtung nahelegen. Punk, Thrash, Hardcore und 70er/80er Jahre Death Metal. Es ist ganz normal, dass jeder erst mal an der Musik seiner eigenen Generation interessiert ist, aber man kann noch viel mehr erleben, wenn man sich mal anschaut, wo diese Musik überhaupt herkommt. Es ist immer interessant die Lieblingsbands der eigenen Lieblingsband zu kennen.

MBo: Man kann wohl davon ausgehen, dass du einige Standardfragen immer wieder beantworten musst. Hast du deinerseits Standardantworten fertig, die du nur noch kopieren und einfügen musst?

Ich habe keine Copy+Paste Antworten, aber ich sollte damit wahrscheinlich mal anfangen. Zum Beispiel waren wir 1993 in Ace Ventura. Das war ein tolles Erlebnis, aber ich habe keine Lust darüber zum achttausendsten Mal zu sprechen. Wenn ein Interviewer wirklich an unserer Band interessiert ist, sollten sie wohl nach ein paar früheren Interviews suchen und dann versuchen, ein paar originellere Fragen zu bringen. Dinge, die wir nicht wieder und wieder gefragt werden.

MBo: Bist du eigentlich scharf auf Death Metal, wenn du Musik in deiner Freizeit hörst? Oder bevorzugst du vielleicht... sanftere Klänge? Ich kann mir gut vorstellen, dass du Jazz hörst und ein paar nette Ideen von Fretless Bass Freaks aufschnappst...

Ich höre eine Menge Zeug. In letzter Zeit habe ich viel CENTURIAN, OVERKILL, SYMPHONY X, GOJIRA, DEVILDRIVER, PERDITION TEMPLE, STRATOVARIUS, DEFEATED SANITY, THE STEVE MORSE BAND gehört... also alles mögliche. Ich höre gerne Fretless Bass, aber ich bin nicht wirklich interessiert daran, einen zu spielen. Ich bevorzuge die metallene Aggression eines bundierten Basses. Aber wer weiß, vielleicht gefällt es mir eines Tages.

MBo: Ich weiß, das Problem mit Mail Interviews ist, dass du wirklich über deine Antworten nachdenken kannst. Lass uns folgende Fragen bitte richtig schnell machen. Tippe, was dir als erstes durch den Kopf geht – und keine Korrektur!

Deine Gedanken zu....

… eurem Gastauftritt in Ace Ventura?


Siehe oben, hahaha!

… Georges WoW Interview, in dem er betrunkenerweise die Allianz beschimpft hat?

Er war nicht betrunken. Kein Scherz!

… das Raunen des Publikums, wenn ihr "Hammer Smashed Face" ankündigt?

Fuck yeah!

… George headbangt, als würde er gleich abheben wie ein Helikopter?

Irgendwann wird sein Kopf von seinem Hals fliegen, mitten ins Publikum.

… der Aussage, dass ihr eure Magie irgendwann zwischen "Gallery of Suicide" und "Kill" verloren habt?

Wir hatten Magie?

… dem, was du das geilste Konzert überhaupt nennen würdest?

Weiß nicht. Zu viel Auswahl.

… all den Ländern, in denen ihr gespielt habt, und all denen, in denen ihr nie gespielt habt, aber richtig Bock drauf hättet?

Wir haben in ungefähr 55 Ländern gespielt, vielleicht mehr. Ich will in Indien zocken.

… sechssaitigen Akustikbässen?

Bleib weg damit!

… Chris Barnes, der nur noch 08/15 Death Metal macht?

Das ist deine Meinung, nicht meine.

… 25 Jahren Old School, brutalem, technischem, arschtretendem Death Metal; die ganze Welt mit eurer Musik erreicht zu haben; etlichen ahnungslosen Teenagern ein Verständnis für Death Metal gegeben zu haben; tausende Eltern verärgert zu haben; verflucht worden zu sein als eine gewalttätige, idiotische Band und sogar auf Indexe gesetzt worden zu sein, gleichzeitig als die Könige des Death Metal abgefeiert zu werden und anscheinend nie alt oder müde zu werden?

Wer sagt, ich wäre nicht alt oder müde? Hahaha! Im Ernst, das ist eine höllisch geile Karriere und wir sind so dankbar dafür.

MBo/MS: Das wars auch schon von unserer Seite. Vielen Dank für deine Zeit und die vielen Antworten! Wir wünschen dir noch viel Erfolg und weitere 25 Jahre mit CANNIBAL CORPSE! Wie lautet dein Schlusswort?

Danke für das Interview und Entschuldigung für die Verspätung...wir waren irgendwie ziemlich beschäftigt...haha! Und Dankeschön auch an alle Fans! Wir sehen uns wieder in 2014!
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