Dornenreich & Devon Graves

Dornenreich & Devon Graves

Dornenreich
Leipzig, Moritzbastei
25.09.2008
Akustikmusik mal anders. Sonst wird in diesem Genre kaum Neues geboten, geschweige angestoßen. Aber heute Abend stehen Charisma und Innovation auf der Abendkarte. Wo Bands meist in Vollbesetzung ihre Metal- und Rocksongs herunterdudeln und sich und andere dabei langweilen, begeistern heute DEVON GRAVES und DORNENREICH mit bemerkenswerten Stücken fernab des Rock-Kitsches, fernab jeglicher Langeweile.
Der aufmerksame Leser wird es bereits bemerkt haben. DEVON GRAVES ist kein Geringerer als der Frontmann und Sänger von PSYCHOTIC WALTZ und DEADSOUL TRIBE. Und zuerst erscheint es als unbedacht gleich mit DAVID BOWIEs "Space Oddity" anzufangen. Doch mit der Zeit wächst das Stück zu einer Herzensangelegenheit eines jeden in der Veranstaltungstonne der Moritzbastei, eines Teils der frühneuzeitlichen Festungsanlage Leipzigs des 16. Jahrhunderts. Harte Schale, weicher Kern? [dt]

Wobei nicht unerwähnt bleiben sollte, dass die Moritzbastei in ihrer Geschichte versank, im Sinne des Wortes und nunmehr eine unterirdische Festungslage darstellt. Damit unterstreicht die Atmosphäre der altehrwürdigen Gemäuer sehr schön das Konzert und schafft den angemessenen Rahmen, während das Absinken der Mauern eine Metapher für die Vergänglichkeit ist, die sich auch in dem ein oder anderen vorgetragenen Text sowohl bei DEVON GRAVES als auch bei DORNENREICH wiederfindet. Die Moritzbastei wurde schließlich wieder ausgegraben, Ende der 70 Jahre des letzten Jahrhunderts. Eine Zeit in die auch die Jugend von Herrn Graves fallen dürfte, der im weiteren Verlauf des Abends ein facettenreiches Repertoire abruft, dass sich an seiner eigenen Geschichte abarbeitet. So dürfen Stücke von PSYCHOTIC WALTZ ebenso wenig fehlen, wie Verweise auf JETHRO TULL und neuere Arbeiten von DEADSOUL TRIBE. "... Into The Spiral Cathedral" muss jedem etwas sagen, der sich mit letzten Band stärker beschäftigt hat. [red-case]

Auch seine Qualitäten als Entertainer weiß Devon trotz sichtlichen Lampenfiebers gekonnt einzusetzen. Lange Pausen zwischen den Songs - bedingt durch ständiges Nachstimmen der Gitarrensaiten - setzt Devon gekonnt in Szene um Witze zu reißen oder seinen heiß geliebten Jägermeister zu trinken. Sichtlich erfreut erinnert sich der Lautenmann an seine goldenen Zwanziger, wo er mit seinen Bandkumpels das Zeug kübelweise soff. Dafür sieht der Mann noch ziemlich gut erhalten aus und entschuldigt sich für seine Schüchternheit wegen der nicht vorhandenen Band. Er entschuldigt auch die Nichtanwesenheit von LEAFBLADE. Zu spät gekommen. DEVON GRAVES spielt auch gerne Klavier, konnte aber keines mitnehmen. Die Ratstonne sei zu klein. Vielleicht hat jemand ein Piano bei sich, fragt er unschuldig in die Runde. Die Lacher sind auf jeden Fall auf seiner Seite. Neben den wunderbaren Variationen alter Stücke gelingt ihm ein gelungener Auftritt, den er mit einem Song von TENACIOUS D. und dem Versprechen, sich die Show von "Dornenreik" im Publikum anzugucken und sich mit Fans zu unterhalten wunderbar abschloss. Volle Sympathiepunkte kann sich so der Geheimtipp des Abends einheimsen. Technisch brillant gespielte Songs, jede Menge Kommunikation und Charme sind die Aspekte dieser Show. Aspekte, die bei DORNENREICH etwas anders dem Auditorium vermittelt werden. [dt]

Wobei man nicht verheimlichen sollte, dass der gute Devon auch mit einer Coverversion von Tori Amos aufzuwarten und damit auch im musikalischen Bereich immer zu überraschen wusste. Warum er sich allerdings so oft beim Publikum entschuldigte, Kokettierung paar excellance, bleibt wohl sein Geheimnis.
Wie angedeutet, gestaltet die Herren von DORNENREICH die Kommunikation anders.
Während der erste Teil des Abends durch die Entertainment Qualitäten von Herrn Graves geprägt war, regiert nunmehr, passend zur Musik, die Zurückgenommenheit der Protagonisten. Auch die Darbietung von Eivga und Valnez ist zurückhaltend, auch wenn dem letztgenannten stets die Andeutung eines Lächelns auf dem Lieben liegt.
Das Publikum, welches überwiegend, in dunkler Abendgarderobe anwesend ist, wird von den ersten Takten an mitgenommen und von der schattenreichen Welt von DORNENREICH verzaubert. Dass der Schwerpunkt der gespielten Materials auf dem letzten Werk der Band mit dem treffenden Namen "In die Luft geritzt", um eine häufig Verwendung findende Phrase einzubauen, ist nicht überraschend. Ein oder zwei Klassiker mehr, hätten das Publikum vielleicht endgültig zur Extase geführt. [red-case]

Extase ist wohl stark untertrieben, denn bei zunehmender Länge des Auftritts erhöht sich die Spannung ob die beiden Musikanten nun endlich in ihrer musikalischen Schatzkiste kramen. Doch offenbar ignorieren die beiden Troubadoure die eingeworfenen Liedwünsche und bedanken sich zaghaft lächelnd, beinahe schon schüchtern artig beim Publikum. Die beiden Zugabenteile können aber das Publikum milde stimmen, zumal Leipzig von den beiden DORNENREICHlern in guter Erinnerung ist und bleibt. Das nächste Mal kommt die Band in alter Bandstärke zurück und mit diesem Versprechen im Kopf schiebt sich auch bald die gähnfreudige Masse an Devon Graves vorbei Richtung Ausgang. Auch wenn die beiden Herren nahezu das komplette "Geritzte" Album gespielt und vorgestellt haben und dafür ältere Songs außen vor ließen, ist das Publikum zufrieden mit der intimen Show, die alles andere war als nur "Luftig". Die Intensität der Stille ist manchmal atemberaubender als plakative Gitarrenwände und Hormon geschwängertes Herumgebrülle. Manchmal sind eben die verborgenen Dinge viel schöner. Weil sie nicht jeder sieht? Weil sie nicht jeder kennt? Wer weiß. [dt]

Mit geistreicher Unterstützung von red-case. Danke an dieser Stelle.
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