Agalloch - Marrow Of The Spirit

Agalloch - Marrow Of The Spirit
Dark Melancholic Metal
erschienen am 19.11.2010 bei Viva Hate Records
dauert 65:32 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. They Escaped The Weight Of Darkness
2. Into The Painted Grey
3. The Watcher's Monolith
4. Black Lake Nidstang
5. Ghosts Of The Midwinter Fires
6. To Drown

Die Bloodchamber meint:

Eine Traumreise, wie sie nicht besser zu dieser Jahreszeit passen könnte: die Sonne verblasst am Himmel, das Zwielicht nimmt die Welt in ihren Griff. Eine einsame Person begibt sich auf einen einsamen Streifzug durch eine karge Winterlandschaft, Schnee rieselt leise und bedächtig auf die kalte Erde hinab. Die Wanderung durch die Natur offenbart karge Landschaften und erhabene Wälder, deren Grenzen in der nahen Dunkelheit nahezu verschwinden. Dies ist nur ein Auszug aus den Welten, die die US-Amerikaner AGALLOCH auf bekannte Art und Weise auf ihrem vierten Longplayer "Marrow Of The Spirit" eindrucksvoll in beklemmende Musik übersetzen.

Ich habe den Kontakt zu AGALLOCH nach der 2002er Göttergabe "The Mantle" etwas verloren, frage mich einerseits nach dem "Warum?", erkenne andererseits das einzigartige Schaffen des Quartetts jedoch sofort wieder. Erneut sprengen AGALLOCH jegliche künstlerische Grenzen, eine detaillierte Beschreibung des hier Hörbaren wäre viel zu unscharf, würde "Marrow Of The Spirit" nicht ansatzweise gerecht werden. Nur über eine intensive Beschäftigung kann man hinter die Fassade schauen, auf der vordergründig Black Metal prangen mag. Erst dahinter offenbart sich eine Vielfalt, die Puristen dem Genre nicht zusprechen wollen oder dürfen. AGALLOCH vereinen einerseits zerbrechliche akustische Folk-Elemente und schleppende Doom-Einheiten, zu denen sich rasende und scheppernde Black-Abfahrten sowie moderne Post Rock-Anteile und gefällige Metalsoli gesellen.

Dass AGALLOCH nur schwer greifbar sind, erfährt der Hörer nach dem stimmungsvollen, naturalistischen Intro "They Escaped The Weight Of Darkness", in dem ein plätschernder Bach mit einem einsamen Cello vereint wird, und dem radikalem Beginn des folgendem "Into The Painted Grey", das die idyllische Atmosphäre gnadenlos niedertrampelt. Atmosphäre ist auch das große Stichwort im Kosmos von AGALLOCH, denn hier geschieht nichts ohne Grund, Zufälle sind nicht vorhanden. Sämtliche Töne dienen einem übergeordneten Fluss, so dass man "Marrow Of The Spirit" nur schwer in seine Einzelteile zerlegen kann und stattdessen von dem Werk als Ganzes sprechen muss. Flüsternd und anklagend wirkt John Haughm, der besonders im schleppenden "Black Lake Nidstång" seine zerbrechlichste Seite zeigt, nachdem er im epischen "The Watcher's Monolith" seine Stimme an die Grenzen der Belastbarkeit geführt hat. Auch die Instrumentalfraktion zeigt sich beeindruckend variabel, neben grandiosen Melodien findet man breitwandartige Post-Leinwände, wie etwa im fast schon untypischen "Ghosts Of The Midwinter Fires". Erst in der Gesamtbetrachtung entsteht jedoch die Magie von AGALLOCH und "Marrow Of The Spirit", die den Hörer langsam aber sicher in seinen Bann zieht. Um es in den Worten von AGALLOCH zu sagen: ein kurzer Waldspaziergang mag an sich befriedigend sein, die wahren Wunder der Natur erfährt man aber erst durch ausufernde Wanderungen durch entlegenste Regionen.

Mit "Marrow Of The Spirit" präsentieren uns AGALLOCH (wieder einmal) ein Werk, das nur schwer zu greifen und zu beschreiben ist und nicht auf gewisse Momente reduziert werden kann. "Marrow Of The Spirit" ist bedrückend, ergreifend, zerbrechlich, wütend, düster, erhaben, kalt und warm, hässlich und schön zugleich. Und genau aus diesen Gegensätzen bezieht es seine Anziehungskraft, die speziell in der angebrochenen kalten Jahreszeit besonders stark wirkt.
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