Orphaned Land - All Is One

Orphaned Land - All Is One
Progressive Folk Metal
erschienen am 21.06.2013 bei Century Media
dauert 54:20 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. All Is One
2. The Simple Man
3. Brother
4. Let The Truce Be Known
5. Through Fire And Water
6. Fail
7. Freedom
8. Shama'im
9. Ya Benaye
10. Our Own Messiah
11. Children

Die Bloodchamber meint:

Der Halbmond der Muslime, der Davidstern der Juden und das Kreuz der Christen vereinigt in einem Symbol? Die Völkerverständiger von ORPHANED LAND gehen das Wagnis ein, einen ganzen Haufen an Ärger heraufzubeschwören, und verzieren das Cover ihres neuen Albums „All Is One“ mit genau so einem fiktiven Symbol. Das ist zwar aller Ehren wert, dürfte aber auf jeden Fall im Nahen Osten durchaus für Zünd-, zumindest aber für eine Menge Gesprächsstoff sorgen.

Für Zündstoff im wünschenswerten Sinne sorgen abseits allen Konfliktpotentials die elf neuen Songs, die insgesamt eingängiger ausfallen als man es bisher von ORPHANED LAND gewohnt ist. Dafür steht stellvertretend der eröffnende Ohrwurm von einem Titeltrack, der sich mit seinen Chören nachhaltig in den Gehörgängen festsetzt. Dem steht das folgende „The Simple Man“ wenig nach – beide Songs sind offenkundiges Zeugnis davon, dass die Israelis mittlerweile dem Power Metal gar nicht mehr so abgeneigt sind, könnten doch die dramatisch und leicht vertrackt stampfenden Strophen auch von KAMELOT stammen. Der Death Metal steht anno 2013 jedenfalls hinten an, kommt lediglich in „Fail“ noch so richtig zum Tragen.

Wo die Growls aber nur mehr eine gelungene Randnotiz darstellen, erblüht der Folk Metal in seiner vollen Pracht. Nicht selten wird sich ein Hörer dabei erwischen, wie sein Körper sich zu den orientalischen Melodien wie von Geisterhand in Schlangenlinien bewegt – und wer nicht gerade ein paar Pfund zu viel auf den Rippen hat, könnte auch schon mal zum Bauchtanz ansetzen. Denn keiner mir bekannten Band gelingt das Einflechten von folkloristischen Elementen, von Flöten und Streichern in den metallischen Sound so spielerisch leicht und dermaßen überzeugend wie ORPHANED LAND.

Wobei der Metaller schon leichte Abstriche machen muss, denn in gleichem Maße, wie die Band sich vom Death Metal abwendet, nähert sie sich dem Folk Rock an. Jedenfalls hat man über die Jahre und die Alben hinweg sukzessive an musikalischer Härte verloren. Textlich aber bieten ORPHANED LAND harten Stoff, der von den politischen bzw. religiösen Gräueltaten in ihrer Region handelt. Dass in diesem Zusammenhang wie in der trotzdem gelungenen Ballade „Brother“ schon mal die Grenze zum Kitsch überschritten wird, lässt sich verschmerzen. Für das westliche Ohr etwas gewöhnungsbedürftig hingegen dürfte dafür der Doppelpack aus „Shama'im“ und „Ya Benaye“ sein – wer mit dem Lobgesang „Ein Keloheinu“ so seine Probleme hat, könnte gerade auch an „Ya Benaye“ scheitern.

Ist man jedoch empfänglich für überbordende, orientalische Folklore, kommt man an „All Is One“ kaum vorbei, denn dem Hymnenpotential des Titeltracks, „Let The Truce Be Known“ oder auch dem abschließenden „Children“ kann man sich dann kaum entziehen. Das Qualitätssiegel „Oriental Metal“ haben sich ORPHANED LAND trotz der dünner werdenden metallischen Legierung redlich verdient. Und auch wenn die Vereinigung der drei großen Religionen auf dem Albumcover viel realitätsferner leider nicht sein könnte, so besteht durchaus die berechtigte Hoffnung, dass „All Is One“ zumindest die folk-affinen Metaller einen kann: “Who cares if you’re a Muslim or a Jew?“
-