Der Weg einer Kriegerin


Interview mit Doro
Hard Rock aus Deutschland - Düsseldorf
Manchmal kommt tatsächlich alles anders, als man denkt. Eigentlich bin ich an diesem Tag, dem 12.07.07, nach Saarbrücken gefahren, um eine meiner Lieblingssängerinnen bei ihrer Show zu bewundern und einen Konzertbericht zu schreiben. Daß ich ganz kurzfristig und ohne einen offiziellen Termin dann noch die Gelegenheit bekommen würde, Frau Pesch interviewtechnisch zu befragen, hielt ich eigentlich eher für unwahrscheinlich. Aber das Glück schien mir hold, und der nette Tourmanager gab mir nach der Show die Gelegenheit, mich 10 Minuten mit Doro zu unterhalten. Aus diesen 10 Minuten wurde dann eine knappe halbe Stunde und ich durfte staunend feststellen, daß die deutsche Metalqueen zu den bodenständigsten und nettesten Personen des gesamten hartmetallischen Musik-Business gehört. Wohl nicht jede(r) hätte sich nach einer 2stündigen Powershow die Zeit genommen, die lädierte Stimme für ein nicht angkündigtes Frage/Antwort-Spielchen her zu geben. Nachdem ich neben ihr auf dem Sofa des Backstage-Raums Platz genommen hatte, konnte es dann auch losgehen…

Erstmal Glückwunsch zu einer geilen Show und danke, daß du dir so spät noch die Zeit für ein kurzes Gespräch genommen hast. Wie ich gesehen habe, habt ihr auf der Tour Chris Caffery (SAVATAGE) dabei; ist er fest in der Band, oder habt ihr ihn nur aushilfweise mitgenommen?


Chris ist im Winter ja mit TRANS SIBERIAN ORCHESTRA beschäftigt. Und Joe (Taylor) ist ja auch noch dabei, aber er macht im Moment irgendwie eine Phase durch. Ich muß gestehen, immer auf Tour zu sein ist manchmal superhart, und Joe braucht wohl im Moment einfach eine Auszeit. Wir hoffen natürlich, daß er dann auch wieder an Bord kommt, wenn Chris in Amerika mit T.S.O. unterwegs ist. Wir müssen einfach mal schauen, wie wir das zukünftig handhaben werden. Chris und ich sind gute Freunde, wir machen auch immer wieder gerne was zusammen und er war öfter schon auf Festivals dabei. Wie es jetzt genau weiter geht, hängt halt auch von Joe ab. Wir waren jetzt 14 Jahre zusammen in der Band, sind stetig getourt, aber irgendwann kommt dann mal der Punkt, wo man sich überlegt, ob man das ganze so weiter macht. Und bei ihm ist nun der Punkt gekommen, an dem er einen kleinen Break machen musste.

Wie man am Auftritt gesehen hat, passt Chris ja auch gut zu der Band.

Ja, das ist wahr. Er hat mit uns gerade die Amerika-Tour gespielt, so daß wir auch ein eingespieltes Team sind, das sich die ganze Zeit gut verstanden hat.

Du hast ihn also auch vorher schon gut gekannt?

Ja, sicher. Chris hat ja auch schon bei dem „Fight“-Album mitgespielt, und damals haben wir uns dann auch besser kennen gelernt. In Balingen und Wacken hatten wir ihn dann auch als Special-Guest dabei. Da kam dann mit der Zeit die Überlegung, die Amerika-Tour gemeinsam zu bestreiten. Aber ich weiß – wie gesagt – nicht, wie das in Zukunft weiter gehen wird. Im Winter werden wir wohl auch noch ein paar Festivals und Gigs spielen, aber keine Ahnung, wer von den beiden dann spielen wird. Ob Joe dann alles hinschmeißt oder wieder zurück kommt…

Ist natürlich eine blöde Situation, nicht genau zu wissen, wie´s weiter geht!

Ja, natürlich. Man muß halt sagen, es wurde auch mit jedem Jahr härter. Die Plattenverkäufe sind nicht mehr so rosig wie in den Achzigern und alles ist halt um einiges stressiger. Und die US-Tour war wirklich knallhart. Es lief zwar alles super und die Fans waren happy, aber wir hatten beispielsweise sieben Konzerte hintereinander und eigentlich keinen freien Tag. Und früher war es halt eher so, daß man mal drei, vier Konzerte gemacht hat und danach einen oder zwei Tage frei hatte. Es war alles irgendwie relaxter und komfortabler. Heute hingegen ist das alles irgendwie eine richtige Knüppelei. Man muß auf die Sache wirklich Bock haben, ansonsten bringt das alles nix.

Apropos Amerika: Du hast ja eh eine besondere Beziehung zu den Staaten. Du hast ja auch lange dort gelebt, oder lebst sogar immer noch dort…

Ich wohne immer noch drüben in New York und bin von Manhattan nach Long Beach ans Meer gezogen, wo es einfach nur wunderschön ist. Ich war 1986 das erste Mal für ein paar Tage dort und bin gleich da geblieben. Allerdings hat sich in den Jahren doch einiges geändert. Es ist alles nicht mehr so frei wie damals und auch politisch hat sich so einiges zum Schlechten gewandelt. Alles was ich damals so geliebt habe, ist über die Jahre ziemlich beschnitten worden. Besonders die viel zitierte Freiheit. Aber trotzdem ist Amerika irgendwie noch ein geiles Land. Aber im Gegensatz zu früher traut man sich heute als Amerikaner mancherorts gar nicht zu erwähnen, wo man her kommt. In manchen Ländern reagieren die Leute je nach dem sogar richtig aggressiv, bloß können die Jungs doch nichts für das, was in Amerika politisch abgeht.

Also hast du Düsseldorf endgültig den Rücken gekehrt?

(fast schon etwas verlegen:) Nee, ich hab dort auch noch ne kleine Wohnung. Ich fahre in der Richtung zweigleisig. Wenn wir in Deutschland sind, halten wir uns immer in der Gegend Köln/Düsseldorf auf, und in Amerika dann im Raum New York/New Jersey. Ich fühle mich auch auf beiden Kontinenten zuhause. In Amerika kann man zudem auch gut arbeiten, und ich habe über die Jahre so viele Leute kennen gelernt und viele gute Freunde gefunden. Außerdem bin ich gerne in verschiedenen Ländern unterwegs, auch wenn wir eine neue Platte machen. Ich mag es, in verschiedenen Ländern und in verschiedenen Studios zu arbeiten. Wo die Songs die besondere Magie versprühen und die Behandlung erhalten, die sie verdienen. Die letzte Platte („Warrior Soul) haben wir beispielsweise in Deutschland, in New York und in der Schweiz gemacht.

„Letzte Platte“ ist ein gutes Stichwort! Wo sie entstanden ist, hast du ja gerade erklärt. Wer aber war für die Produktion verantwortlich? Mit wem habt ihr zusammen gearbeitet?

Es gab eigentlich keinen einzelnen richtigen Produzenten. Wir haben das alles nach Gefühl gemacht, und ich bin immer dorthin gegangen, wo die einzelnen Songs meiner Meinung nach am besten verwirklicht werden. In New York hatte Mike Goldberg, den ich seit 95 kenne, seine Finger im Spiel. Er hat „You´re My Family“, „Shine On“ und „My Majesty“ abgemischt, während wir in der Schweiz bei einem superben Tontechniker namens Diesel Imhoff waren. Ihn habe ich kennengelernt, als ich in Deutschland für den Film, den ich gemacht habe („Anuk – Der Weg Des Kriegers“) zusammen mit Mark Storace von KROKUS den Song „On My Own“ für den Soundtrack aufgenommen habe. Und ich fand die Arbeit des Mannes – der übrigens ein bisschen wie Keith Richard aussieht – so toll, daß ich entschied, einige Gesangsparts bei ihm neu aufzunehmen. Chris Lee, mit dem ich auch schon seit 95 zusammen arbeite, war dann beim Mischen auch noch behilflich. Jeder hat sich dann auch die Stücke rausgesucht, die er mischen wollte. Diesel mochte z. B. „Warrior Soul“ sehr gerne und wollte den Song dann unbedingt machen. Wenn ich dann merke, daß jemand einen Song hört und seine Augen anfangen zu strahlen, weiß ich, daß das Lied bei demjenigen gut aufgehoben ist! Dann weiß ich auch, daß das von Herzen kommt.

Diese Arbeitsweise bietet einem aber auch viel mehr Freiheiten. Man ist nicht in einem Studio gefangen, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Und hinterher hat man dann gemerkt, daß einige Songs doch nicht so gut geworden sind wie sie hätten sein können. Es kann halt nicht jeder mit jeder Art von Song gleich gut umgehen. Die einen stehen vielleicht mehr auf die Balladen, während andere wiederrum eher die Heavy-Sachen bevorzugen. Von daher war diese Art, wie wir „Warrior Soul“ aufgenommen haben, genau das Richtige für uns.

Und wie lange habt ihr insgesamt gebraucht, das Album fertig zu stellen?

Wir waren etwa ein Jahr mit der Platte beschäftigt. Wir brauchen eigentlich immer etwa ein Jahr für ein Album, auch die DVD hat diese zeit in Anspruch genommen.

Ein Jahr ist heutzutage eigentlich eine lange Zeit, wenn man bedenkt, daß jede kleine Band sich mittlerweile am Computer innerhalb einiger Tage eine CD zurecht zimmert. Allerdings macht sich das dann auch häufig in einem unterdurchschnittlichen Klang bemerkbar.

Das stimmt wohl, und eine richtige Aufnahme kostet auch immer wieder genug Geld. Aber viele gute Sachen brauchen halt ordentlich Zeit und ich leg auch immer sehr viel Wert auf Feeling. Ich arbeite auch lieber mit einem großen Mischpult als mit einem Computer, das hat alles viel mehr Gefühl. Der Aufwand ist halt nach wie vor enorm, aber das muß eben sein!

Lassen wir mal das technische und widmen uns den Texten: „You´re My Family“ handelt deinen Aussagen zufolge von den Fans…

Jaaa, die Fans sind mir das heiligste und wichtigste überhaupt! Das war schon immer so, und das wird auch immer so bleiben.

Im Gegensatz zu einer großen Band mit dem Anfangsbuchstaben „M“ kann man sich bei dir sicher sein, daß es dir damit ernst ist! Tour-Shirts für 17 Euro sind heutzutage beispielsweise schon eine Seltenheit, genau wie eine zweistündige Show.

Ich würd sogar am liebsten die Platten verschenken, aber das geht leider nicht (lacht). Nee, aber ernsthaft, die Fans sind mein Ein und Alles. Vor etwa 5 Jahren hatte ich auch mal die Überlegung, was ich in meinem Leben noch machen werde. Ich habe dann entschieden, nicht zu heiraten und keine Kinder zu kriegen. Ich bleibe bei der Musik! Die Musik ist einfach mein Leben, das war sie auch schon immer. Seit ich 3 Jahre alt war, wollte ich singen und das hat sich dann alles so ergeben. Mit 16 hatte ich meine erste Band und irgendwann kam dann WARLOCK.

Wenn man deine Karriere seit dieser Zeit betrachtet, ist es schon beeindruckend zu sehen, daß ihr bisher nie eine wirklich schwache Scheibe veröffentlicht habt. Egal ob WARLOCK oder deine Solo-Alben, die Qualität hat immer gestimmt!

Da stimm ich dir zu. Jede Platte war zwar immer ein bisschen anders oder hatte einen anderen Sound, und auch der Stil war nicht immer total gleich, wie man beispielsweise beim „Love Me In Black“-Album hört…diese Platte wurde zwar nicht ganz so toll supportet, ist meiner Meinung nach aber ein wunderschönes Album. Die CD war sehr modern und hatte auch einige Industrial-Elemente, aber ich finde die Songs nach wie vor spitzenmäßig. Was ich eigentlich sagen wollte: ein gewisses Level muß immer vorhanden sein. Das zu erreichen ist aber auch ein Mega-Streß, weil man weiß, daß viele Fans bestimmte Sachen gewöhnt sind und mögen, wie zum Beispiel „All We Are“ oder „Für Immer“. Und da muß man dann hinkommen, daß man Sachen schreibt, die auch wirklich die Berechtigung haben, aufs nächste Album zu kommen. Und das ist halt superschwierig.

Und wie gehst du mit diesem Druck um? Habt ihr bei eurer Plattenfirma alle Freiheiten, oder kommt auch schon mal Druck von dort?

Nein, da kommt diesbezüglich nichts, das ist auch das schöne daran. In den Achzigern waren wir ja auch bei Major-Labels, und da war der Druck dann auch immens groß…

Vor allem beim „True As Steel“-Album damals!?

Ja, das war wirklich ätzend. Damals musste wirklich jeder seinen Senf dazu geben und die Band hatte daher nicht mehr das richtige Feeling. Die Songs waren ursprünglich ganz anders, die Demos waren total hart, aber hinterher wurde alles komplett glatt poliert. „True As Steel“ war arbeitstechnisch die härteste Platte.

Aber seit wir bei einem Independent-Label sind, haben wir alle Freiheiten der Welt. Sie vertrauen uns und lassen uns unser Ding machen, und das finde ich, im Gegensatz zu den Achzigern, superschön!

(Der Tourmanager kuckt schon ungeduldig auf die Uhr) Eine Frage hätte ich dann noch: Du hast vorhin kurz mal den Film „Anuk“ angesprochen. Wie bist du an den Film und deine Rolle gekommen?

Wir haben mit der „Classic Diamonds“ in der Schweiz gespielt, und irgendwann rief mich Andy Allendörfer von AFM (R.I.P.) an und meinte, es gäbe da jemanden (Luke Gasser, Schweizer Filmemacher, der für das Drehbuch und die Produktion zuständig war – d. Verf.), der gerne einen Film machen würde und mit mir reden würde. Und irgendwann saß ich da und habe stundenlang Interviews gegeben, und da saß einer mit ner langen Mähne. Ich ging dann letztlich zu ihm und dachte, er wäre auch jemand, der ein Interview mit mir machen wollte. Es stellte sich dann schnell raus, daß er dieser Filmemacher ist. Er gab mir dann die Drehbücher und wollte, daß ich einen Song für den Film schreibe. Nach dem Lesen des Buches hab ich ihn dann angerufen und war total begeistert und habe zugesagt. Er kam dann mit seinem kleinen Auto nach Düsseldorf gefahren, wir haben uns lange unterhalten und irgendwann fragte er mich, was ich davon halten würde, eine Rolle zu übernehmen. Und im September haben wir dann den Film gemacht. Das alles war ein richtiges Abenteuer und zeitweise lebensgefährlich, aber total geil. Mittlerweile sind wir beste Freunde geworden, und Luke brachte mich dann auch in das Studio, von dem ich dir vorhin erzählt habe. Er hat auch eine Band, und am Samstag spielen wir jetzt zusammen in Bern. Hauptamtlich ist er zwar Filmemacher, macht aber halt auch Musik und hat mir auch bei der „Warrior Soul“ viel geholfen.

Hegst du nun weitere Ambitionen, im Filmgeschäft Fuß zu fassen?

Nun ja, Independent-Filme würden mich schon reizen. Wir haben uns auch schon überlegt, zukünftig vielleicht mal wieder was zusammen zu machen.

Also sieht man dich in Zukunft vielleicht nicht nur auf der Bühne, sondern auch öfter mal auf der Leinwand, bzw. im Fernsehen!?

Eventuell ja!

Leider ist dann die Zeit auch schon vorbei, mein Fragenkatalog aber erst zu einem knappen Drittel abgearbeitet. Ich hätte mit der symphatischen Sängerin noch stundenlang weiter reden können, gönne ihr aber ihre Zeit für Ruhe. Sobald sich die Gelegenheit aber ergibt, wird ein zweiter Teil folgen. Versprochen!
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