Cowboybootsgazingmetal!


Interview mit Sólstafir
Post Rock aus Island - Reykjavik
Die Isländer von SÓLSTAFIR haben mit "Masterpiece of Bitterness" nicht nur bei uns zahlreiche Fans gefunden. Der qualitativ enorm wertvolle Sound der Band, der nicht so recht in eine Schublade passen möchte, sorgt für pure Gänsehaut gepaart mit Härte, Melancholie und nordischer Kälte. Mit "Köld" steht das neue Album in den Startlöchern. Grund genug, die Band nach dem bisherigen Werdegang, der Vorbereitung zum neuen Meisterwerk (?) und der isländischen Geographie zu befragen. Drummer Gummi (Guðmundur Óli Pálmason) stand unseren Emailfragen Rede und Antwort und beweist dabei, dass man in einer nachdenklich stimmenden Landschaft nicht zwingend seinen Humor verloren haben muss...

Hallo SÓLSTAFIR! Danke, dass ihr euch die Zeit für die Fragen nehmt, also los geht‘s!


Hier? Ist das der Start? Haben wir schon angefangen?

Euer neues Album “Köld” wird nächste Woche in Deutschland veröffentlicht. Wie war die Arbeit an der CD für euch?

Nächste Woche? Ich dachte es wäre der 16.März? Naja, ist eigentlich auch egal… [Anm. der Redaktion: es ist tatsächlich der 16.März, leider hatten wir den falschen Release-Termin in der Datenbank]

Die Arbeit war sehr hart. „Köld“ entstand in schwierigen Zeiten, die auch in den Songs hörbar sind. Wir haben uns selbst etwas mehr Druck auferlegt, um das komplette Album innerhalb eines Jahres fertig zu bekommen, dazu haben wir mindestens 4-5 Mal in der Woche geprobt. Die Aufnahme hat ebenfalls viel Zeit in Anspruch genommen. Wir haben tatsächlich gute 3 Wochen im Studio gelebt, alle im selben Raum geschlafen (außer Svavar, der hat unterm großen Piano nebenan gelegen) und jeden Tag gearbeitet. Aber das Ergebnis ist es allemal wert!

”Masterpiece of Bitterness” hat von uns 10 Punkte bekommen und die meisten Reviews die ich dazu gelesen habe, trugen die gleiche hohe Wertung. Kann „Köld“ das überhaupt noch toppen? Was ist neu auf der Scheibe im Vergleich zum Vorgänger?

Jedes Mal wenn wir eine CD veröffentlichen sind wir danach erstmal total leer. Wir denken: „das lässt sich einfach nicht mehr toppen, unmöglich!“ So geht es uns seit „Til Valhallar“ aus dem Jahre 1996, aber irgendwie schaffen wir es immer wieder, den Vorgänger zu überbieten und ich denke „Köld“ bildet da keine Ausnahme. Und bislang hat „Köld“ auch tatsächlich noch bessere Reviews bekommen als „Masterpiece…“

Im Grunde gibt es da gar nicht so viel Neues, aber wir haben viel mehr Nachdruck in die Vocals gelegt. Insgesamt kommen die Songs schneller auf den Punkt und die Produktion ist auf einem ganz anderen Level („Masterpiece…“ wurde in einem kleinen Kellergeschoss in einem Haus unseres Kumpels aufgenommen, in einem kleinen Fischerdorf in Südisland. „Köld“ dagegen in einem professionellen Studio in Schweden). Wir denken es ist ein ganz natürlicher Fortschritt im Vergleich zum Vorgänger.

Viele Bands verwenden ein Intro auf ihrer Cd, aber nicht viele Bands setzen ein über 8 Minuten langes Instrumental an den Anfang. Wie ist die Idee zu „78 Days in a Desert“ entstanden?

In dem Moment, als die Idee zu dem Song entstanden ist, wussten wir bereits, dass er der Opener sein muss, aber vorerst war es eigentlich gar nicht vorgesehen, dass es ein Instrumental wird. Wir haben versucht Vocals darin unterzubringen, aber der Song wollte es einfach nicht. Dann haben wir versucht ihn anderswo auf der Scheibe unterzubringen und den Titelsong an den Start zu setzen, aber das Album wollte es einfach nicht. Wir mussten auf unser eigenes Werk hören und es an den Anfang setzen, auch wenn das einem kommerziellen Selbstmord gleichkommt. Aber dann haben wir auch an den 20 Minuten Opener von „Masterpiece…“ gedacht und da hat es schließlich auch gut gepasst.

Im Song “Köld” sind einige cleane Vocals im Mittelpart zu hören, sie klingen sehr gefühlvoll und nachdenklich. Was bedeuten sie (Anm.: sie sind isländisch)? Und warum habt ihr insgesamt mehr cleane Vocals auf der CD?

Das ist ähnlich wie bei dem Opener, das passte einfach sehr gut zu dem Song. Es bedeutet:
„At Dawn you appear
At Dawn you appear
I turn off the Day
And my Heart beats so fast
That it hurts”

Die Frage bekommt ihr sicher sehr oft gestellt, aber es ist etwas, worüber auch unsere Leser immer gerne diskutieren. Welchen musikalischen Stil spielt ihr? Es gibt schließlich Elemente aus Black und Doom Metal, aber auch Postcore und Folk Rock.

Wir beschreiben es einfach nicht. Zuletzt haben wir uns dazu entschlossen uns „Shoegaze“ zu nennen. „Cowboybootsgaze“ ist vielleicht noch besser. Ja, das ist es! Wir spielen “Cowboybootsgazingmetal”!

Für diejenigen, die SÓLSTAFIR nicht so gut kennen. Vielleicht könnt ihr euch einfach kurz vorstellen und etwas zur Band History sagen?

Aðalbjörn, Sæþór und ich kennen uns seit der Kindheit. Wir haben in der selben Nachbarschaft gelebt, sind zur selben Schule gegangen und gemeinsam Skateboard gefahren. Ende 1994 hat Addi mir erzählt, dass er und ein anderer Freund von uns (Halldór – er lebte auch in der Nachbarschaft und ging zur selben Schule, zog zwar weg, hing aber immer noch ab und an hier herum) eine Black Metal Band aufmachen wollen und noch einen Drummer brauchen. So wurde SÓLSTAFIR geboren.

Mit diesem Line-Up haben wir das Demo Tape “Í Norðri” 1995 veröffentlicht und auch die MCD “Til Valhallar” 1996 (aufgenommen Dez. 1995), außerdem ein Promo Tape 1997. 1998 ging Halldór nach Australien und verließ somit die Band. Also war SÓLSTAFIR für einige Zeit nur ein Duo und als solches haben wir dann auch ein weiteres Promo Tape aufgenommen und die meisten Songs unseres Debüts „Í Blóði og Anda" geschrieben, bis wir Ende 1998 Mr. Austmann am Bass dazu bekommen haben, kurz bevor wir ins Studio wollten. Mr. Austmann lebte als Kind ebenfalls in der Nachbarschaft, aber irgendwie hat er es geschafft, damals unserer Aufmerksamkeit zu entgehen. Ich kann mich aber noch an Feuer erinnern, von dem er mir einige Zeit später erzählte…Wir kannten ihn aus der Reykjavíker Metalszene, die klein genug war, um die Mitglieder an den Fingern einer Hand abzuzählen. Und da er grade rehabilitiert war, steckten wir ihn in die Band, holten ihn da ab wo er lebte – in der Rehabilitationsklinik – und gingen zur Probe. Es hat keine zwei Monate gedauert, bis er wieder fit war.

Sæþór, den wir ja schon sehr lange kannten, stieg 1999 als zweiter Live Gitarrist ein. Das war unsere erste Live Performance überhaupt. Irgendwie haben wir wohl vergessen ihm zu sagen, dass er nur ein Session Mitglied ist. Aber ich denke es ist zu spät, ihm das jetzt noch zu sagen…Seitdem besteht unser Line-Up, mit dem wir dann auch „Masterpiece…“ und jetzt „Köld“ aufgenommen haben.

Ich studiere Geschichte und aktuell sitze ich an meiner Examensarbeit über den „mythischen Charakter der Expansion in die Neue Welt“. „Köld“ ist wie ein Soundtrack für Abenteurer und Entdecker. Wenn ich die Musik höre, sehe ich Bilder von Leif Eriksson, wie er in Amerika landet, weite Schiffsreisen hinter sich bringt oder einsame Landschaften entlang zieht. Ist das ein Gefühl, das ihr erzeugen wolltet oder denkt ihr: „Meine Güte, dieser Typ labert echt Bullshit!“

Das hatten wir nun wirklich nicht im Kopf, aber deine Vorstellung ist so gültig wie jede andere auch. Allein die Tatsache, dass es Bilder in deinem, zugegebenermaßen total verwirrten Kopf (*lach*), erzeugt, bedeutet dass wir das Richtige gemacht haben. Es bewegt dich auf irgendeine Art und das ist gut!

Es gibt immer noch dieses Gefühl von einsamen Landschaften, wenn ich „Masterpiece…“ höre, aber das könnte auch an dem Ort liegen, an dem wir es aufgenommen haben. Wir mussten über ein großes Lavafeld fahren, an dunklen Bergen vorbei, manchmal im Regen, manchmal in sternenklarer Nacht, mit dem Nordlicht, das über uns flackerte. Normalerweise sind wir Freitags hingefahren, haben die Nacht durch gearbeitet, dazu den Samstag und sind dann zurück in die Stadt gefahren (ca. 1 Stunde) um zahlreiche Bier zu trinken und Sonntag morgen dann wieder zurück zu fahren, um dann die Aufnahmen durchzugehen. Also denke ich (zumindest für mich), ist diese Atmosphäre in das Album eingegangen.

Aber „Köld“ ist anders, es hat sehr viel mehr mit inneren, persönlichen Gefühlen zu tun. Ich meine, alle Songs auf „Köld“ handeln von Liebe, verdammt!

Interessiert ihr euch für Mythologie und wollt ihr meine Arbeit lesen, wenn sie fertig ist? ;-)

Auf jeden Fall, schick mir eine Kopie! ;-)

Kennt ihr Helge Ingstad? Er hat die Reste einer Wikingersiedlung in Neufundland entdeckt, die lange Zeit vor Kolumbus‘ Landung in Amerika errichtet wurde. Macht euch so etwas als Isländer stolz? Einige Wissenschaftler behaupten, die alten Sagas oder Landbóks seien nicht ernst zu nehmen. Was haltet ihr davon?

Es ist eine bekannte Tatsache seit dem Wikingerzeitalter, dass isländische und norwegische Männer nach Amerika gesegelt sind vor dem Jahr 1000. Leifur Eiríksson hat von einem Land westlich von Grönland gehört (wo er zu dieser Zeit lebte. Sein Vater Eiríkur Rauði ist von Island geflohen, wo er verbannt wurde) und er segelte ca. 1002 dorthin und gründete eine Siedlung. Das ist sehr gut dokumentiert. Einige Menschen glauben sogar, dass Kolumbus nach Island gesegelt sei, um dort einige Karten zu studieren, die ein Land westlich von Grönland zeigen, was für nordische Seeleute längst kein Geheimnis mehr war. Stolz oder nicht stolz? Ich bin stolz auf meine eigenen, persönlichen Leistungen.

Auf eurer Homepage ist ein Bandfoto, das euch als „isländische Cowboys“ zeigt, wie ein skandinavischer Billy the Kid oder sowas in der Art. Seit ihr harte Rebellen oder was soll das bedeuten?

Es bedeutet „fuck all“! So sehen wir einfach aus!

”World Void of Souls” klingt wie ein langes Dahinsiechen, das schließlich in den letzten Minuten in ein düsteres Gitarrenfinish mündet. Was soll dieser Song aussagen?

Es ist die Suche nach einer speziellen Seele in einer Welt voller Seelenloser, Zombies wenn du so willst. Eine Welt, in der die Sonne sich seit Wochen nicht gezeigt hat (oder in der du sie einfach vermisst? Vielleicht vermisst du sie auch mit Absicht?). Und du fängst an dich darüber zu wundern, ob deine Erinnerungen an eine glücklichere Vergangenheit überhaupt real sind. Und dann erinnerst du dich an die Bilder, die du hast, die dir beweisen, dass Glückseligkeit wirklich existiert. Vielleicht ist es aber auch nur ein Song über das Betrunkenwerden und den Schädel danach. Was immer dir in den Sinn kommt.

Auf eurer Homepage http://dordingdull.com/solstafir/ finden sich nahezu alle Reviews und Interviews. Ist die Arbeit der kleinen Webzines so wichtig für euch oder mögt ihr den Pressekram eher nicht?

Wir haben die Seite seit Jahren nicht aktualisiert, haben sie im Grunde schon aufgegeben. Aber wir (hauptsächlich ich, glaube ich) sammeln alle Reviews, die wir finden. Ich mache es einfach für mich selbst. Und ja, deine Meinung ist so wichtig wie jede andere auch, weil es völlig egal ist, wie groß oder klein das Magazin ist, es ist die Meinung einer Person, die sich die Zeit dazu genommen hat unsere Musik zu hören und darüber zu schreiben.

Ich habe ein anderes Interview von euch gelesen, in dem ihr einige lustige Antworten über die Situation in Island gegeben habt, wie “Die Russen kommen!!!”. Wo sind ihre Kriegsschiffe jetzt?

Ich denke sie waren zu betrunken und sind im Nordatlantik ersoffen.

Okay, wir sind am Ende unseres Interviews! Die letzen Worte gehören euch, an die Fans, dem Typ der diese langweiligen Fragen gestellt hat oder den Robben da draußen:

Robben, passt auf vor den Killerwalen! Sie mögen aussehen wie riesige, schwimmende, harmlose Black Metal Pandas, aber sie mögen es euch zu essen!
-