Neurosis & Storm Of Light

Neurosis & Storm Of Light

A Storm Of LightNeurosis
Leipzig, UT Connewitz
19.08.2008
Ein Doppelkonzert von NEUROSIS in Leipzig. Im UT Connewitz. Am 18. Und 19. August waren die fünf, bzw. vier Wegbereiter des düsteren Sludgecore zum zweiten Mal nach zehn Jahren wieder in Leipzig. Mit ihrem neuen Album „Given To The Rising“ im Gepäck, feiert die nicht mehr ganz so taufrische, aber immer noch innovative Band verdiente Erfolge im ausverkauften Lichtspielhaus.

Das Doppelkonzert ist für die Undergroundszene etwas besonderes und wurde an beiden Tagen von A STORM OF LIGHT begleitet und von BEEHOOVER und WINCHESTER CLUB eröffnet. Das gereicht der Post-Rock, -Hardcore-Vollbedienung zu Genüge, zeigt aber auch die immense Popularität dieser Musikrichtung auf. Musikalisch fiebern NEUROSIS und die erst 2006 gegründete STORM OF LIGHT um den Award der innovativsten Bands in ihrem Bereich.

Bevor die heldenhaften Protagonisten aus den USA auftreten, eröffnen die Jungs und Mädels vom englischen WINCHESTER CLUB die Show und ersetzen somit Beehoover vom Vorabend. Irgendwie ist es eine gute Idee, wie A Silver Mt. Zion auf Stühlen zu sitzen und so ein kammermusikartiges Ambiente zu schaffen. Doch leider bleibt die Musik gesichtslos, denn der WINCHESTER CLUB folgt ziemlich nahe seinen Vorbildern von GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR und MOGWAI. Der nachdenkliche Ambientrock baut sich stets gekonnt auf, wallt und brandet flirrend gegen das biertaumelige Publikum, bleibt aber immer vertieft für sich allein. Zum Boden guckende Musiker. Blickkontakt gleich Null.

Josh Graham war schon einmal hier. Zusammen mit den RED SPAROWES (vgl. http://www.bloodchamber.de/konzert/2007/273/) besuchte er das UT Connewitz bereits vor einem Jahr. Inzwischen ist er dort nicht mehr dabei, bastelt fleißig an den künstlerisch wirkenden Videosequenzen für NEUROSIS und seiner neuen Band A STORM OF LIGHT, wo er zugleich auch der Sänger ist. Die drei Männer sind ebenfalls lichtempfindlich, weichen dem Publikum ebenfalls aus, spielen zwar beseelte aber auch gleichzeitig kalte Musik, die so langsam wirkt wie der Amazonas in den Atlantik fließt. Wo noch bei den RED SPAROWES die Videosequenzen passend und beängstigend schienen, so fügt sich heute abend beides nicht zusammen. Weder Bild noch Musik finden zusammen, außer beim fulminanten Abschluss. Beim letzten ‚mahlerischen‘ Aufbäumen und Flackern tanzen längst verstorbene Frauen einen seltsamen Boogie. Memoriales Zelebrieren von Schmerz und Tod. Maelströme und Zerrbilder. Abruptes Ende. Das Debütalbum „And We Wept The Black Ocean Within“ ist schon jetzt ein Kunstwerk vor dem Herrn. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

NEUROSIS setzen ihr düsteres Albumkonzept von "Given To Rising" auf der Bühne um und tauchen alles in fahles Licht. Zusammen mit der nervenzerrenden Musik kommt schubweise ein Aggressionsschwall nach dem anderen hoch. Neurosis, weitaus mehr als nur eine Undergroundband. Ja, eine Legende fast, wie das letzte Einhorn, wankt mit ihrer verschroben blaugrau konzipierten Show ihrer Endzeit entgegen. Bereits im Vorfeld wurde der Auftritt der Sludge-Schwergewichte vom Vortag über die Maßen gelobt, aber was bedeutet schon ein Legendenstatus, wenn die Band nur Songs der letzten Dekade bringt und knapp eine gefühlte Stunde spielt? "Distill" und "Water Is Not Enough" vom neuen Album lassen die Fans im pumpenden Takt mitbangen, sind in ihrer simplen Machart sehr bühnentauglich. Aber die beängstigende Wirkung der Songs von „Souls At Zero“ besitzen sie nicht. Headbangerfutter. Aber Metal passt nicht zu NEUROSIS. Irgendwann höre ich "Stones From The Sky" fallen, oder war es der unter die Haut gehende Sound von "Crawl Back In"?
Natürlich darf das blaugraue Bühnenlicht nicht fehlen, die im Hintergrund flackernde Videoshow mit ausdrucksstarken, eher allgemein gehaltenen Szenen. Neue Zusammenhänge, bezugslos zur Musik. Sieht so ein künstlerisches Konzept aus? Reif für das Nationalmuseum.
Aber da wo noch SCOTT KELLY während seines diesjährigen Solo-Auftritts im UT Connewitz zurückhaltend düstere Schmusesongs wohlfeil bot, entfaltet er sich bei NEUROSIS zu einem extrovertierten Frontmann, der wie ein Elefant in der Mustt über die Bühne wiegt. Gefährliche Typen, aber irgendwie stelle ich mir das Konzert in hundertfacher Ausfertigung an allen erdenklichen Orten der Welt vor.

Routine. Konformität. Rockstar-Habitus. Alle Erwartungen erfüllt. Ziemlich wenig für eine Legende. Perlen vor die Säue werfen NEUROSIS bestimmt nicht mehr. Abgesang? Nicht ganz, denn NEUROSIS bieten tausend Pfund Können, Purismus und Seele fürs Eintrittsgeld, enttäuschend ist nur ihr Gehabe. Doch ist es nicht ihre aufgeblasene Bühnenpräsenz, die diese Band so einzigartig macht? Jedenfalls sehe ich das Konzert mit gemischten Gefühlen. Auf der einen Seite, kann niemand so richtig die Show in Worte fassen vor Bewunderung, andererseits schleicht sich das Gefühl ein, mit einem nicht mehr ganz so taufrischen Hardcore-Dinosaurier zu tun zu haben. Zumindest sind NEUROSIS' Fußstapfen in der Musikwelt so beängstigend groß, dass viele Bands immer noch von ihrem reichen Fundus schöpfen.
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