Eisregen Gala

Eisregen Gala

Eisregen
Leipzig, Hellraiser
29.11.2008
Von einem EISREGEN-Konzert erwartet man aus unbestimmten Gründen etwas Besonderes, was wohl nicht nur dem recht forschen Liedgut geschuldet ist, sondern auch dem traditionell durchgeknallten Publikum der Thüringer. Und so findet sich auch am heutigen Abend eine illustre Suppe aus Punks, Metallern und Gothics ein, um dem zweiten Konzert des DVD-würdigen Abenteuers "Lager Leipzig" beizuwohnen. Neben einem etwa 70-minütigen Best Of sieht der Zeitplan etwas Fleischbeschau und eine Zeitreise zur Krabbenkolonie vor - legen wir also los, bevor Frau Jenal das Zepter in die Hand nimmt...

EISREGEN sparen sich die Vorband und betreten die angenehm unkitschig gestaltete Bühne gegen 21.30 Uhr. Flankiert von zwei Bannern und sichtlich guter Laune, startet das zum Quartett geschrumpfte Rollkommando nach kurzer Begrüßung in den ersten Teil der Show, der sich als Potpourri aller bisher erschienenen Scheiben darstellt: Die "Eisenkreuzkrieger" lassen sich "Am Glockenseil" "Zeit zu spielen", zücken "Das liebe Beil" am "Kaltwassergrab" der "Elektrohexe", und werfen "1000 tote Nonnen" im "Buchensarg" den Schweinen vor. Das je nach Einstellung schwarzhumorige bis geschmacklose Schauspiel findet in hervorragender Soundkulisse statt, wodurch sich die Verbindung aus gut aufgelegten Akteuren und dem feierwütigen Publikum ansprechend hochschaukelt.
Einziges Manko ist da der Umstand, dass die grandiose Veröffentlichung "Schleichenlager" etwas kurz kommt, was man allerdings durch die gelungene Auswahl der restlichen Stücke durchaus wettmacht. Zudem geben sich die Musiker trotz des unvermeidlichen Theaters sehr menschlich, verleihen dem durchweg präsenten Holzhammerhumor eine sympathische Note und fühlen sich offenbar durchaus als Teil des um sie veranstalteten Spektakels. Man kann von den Mitteldeutschen dementsprechend halten was man will: Im Livekontext ziehen EISREGEN die richtigen Register und liefern eine ansprechende, lebhafte Darbietung ab, wie man sie sich von anderen Bands der härteren Gangart manchmal wünschen würde.

Die nun folgende Pause wird von zwei Stripperinnen bestritten, die ihre Sache den Umständen entsprechend routiniert erledigen, nach kurzem Nachdenken allerdings so überflüssig wie ein Kropf sind. Obwohl so etwas natürlich auch witzig sein kann: Beim gestrigen Konzert wurde laut Anwesenden ein Bursche aus dem Publikum auf die Bühne geholt, um daselbst die reichlich aufgetragene Sprühsahne vom Hinterteil einer der Grazien zu lecken. Im Eifer des Gefechts vergaß besagter Lecksoldat leider seine Milchallergie, was ihm eine etwas längere Verschnaufpause im Backstage-Bereich einbrachte - mit manchen Lebensmitteln spielt man als Allergiker einfach nicht...

Einige Minuten später wird es Zeit für den dritten Teil des Abends, der vielen Anwesenden wohl der wichtigste ist: Das komplette Album "Krabbenkolonie" soll zur Aufführung kommen, von Anfang bis Ende, mit leicht veränderten Text- und Melodiepassagen, um die Auflagen der Indizierung zu umgehen. Und an diesem Punkt entscheidet sich dann auch, inwieweit man den neuen Fassungen etwas abgewinnen kann - elegant sind die hörbaren Verschlimmbesserungen nämlich nur selten.
Mich persönlich erinnern die oftmals holprigen Umschreibungen einfach zu sehr an "Blutbahnen", insofern als dass die Phrasierung oftmals nur widerwillig zum musikalischen Fluss passen will. Dabei geht es weniger um die Wortwahl, die den Sinn der Texte nur wenig entstellt - das bekannte Material wird vielmehr mit einer Art Sprechgesang interpretiert, die vom ästhetischen Standpunkt her unrund wirkt.
Dessen ungeachtet macht sich das Publikum natürlich auch bei den Klassikern Luft und hilft fast über die komplette Zeit mit Originalzitaten nach. Schön zu sehen, dass die Band trotz der Indizierung und der damit einher gehenden Beschränkungen im Liedgut ihre Fans mobilisieren kann - wirklich geärgert hat sich wohl keiner der Anwesenden.

Im persönlichen Fazit kommt der erste Teil dennoch besser weg, da die Liedauswahl über jeden Zweifel erhaben war - "Eine erhalten" und Spaß gehabt. Zudem sind 70 Minuten für eine thematisch recht begrenzte Band wie EISREGEN eine verdammt gute Spielzeit, da man so über die komplette Distanz glänzen kann. Mit einem Zugabenblock aus "Krabbenkolonie" wäre der Abend ideal gewesen.
Davon abgesehen bleiben EISREGEN für Freunde des wahnumwölkten Witzes uneingeschränkt empfeh- lenswert.
-