Rock an der Sieg Open Air

Rock an der Sieg Open Air

Firescent
Mudersbach, Erzquell Brauerei
08.08.2009
Das RadS ist ein kleines, feines, eintätiges Konzert-Festival im beschaulichen Siegerland. Vor Jahren zog es einmal die unglaubliche Masse von 1500 Leuten an, heutzutage ist das RadS wohl eher ein trauriger Schatten dieser Großveranstaltung. Über die Gründe kann man zahlreich spekulieren, dass jedes Jahr pünktlich vor dem Konzert Neptun seine Fluten über das Firmament schickt, hilft sicherlich nicht, Leute anzuziehen. Allerdings waren wieder sehr viele junge Leute dort, die alten Gesichter der Vorjahre konnte man erst spät oder gar nicht sehen. Zusätzlich dürfte allerdings auch ein als schwach zu bezeichnendes Line-Up viele Leute vergraulen; dies ist nicht abwertend gegenüber den Bands gemeint, aber ein wirklich überregionaler Headliner fehlte der Veranstaltung gänzlich (auch die Betzdorfer Lokalgröße HERITAGE ist eben dies – eine Lokalgröße, trotz ambitionierter und guter Show). Zudem sind die Genres so derartig wild und unbedacht gemischt, dass Pop-Rocker vermutlich nach Nero Project angsterfüllt nach Hause rannten, Metaller sich nach Matrigiani wohl auch die Kurve kratzen oder Hardcore-Kids nur für Heritage zum Moshen eingefunden haben. Wenn man nicht zumindest eine einigermaßen stringente Linie bei der Auswahl der Bands fährt und zusätzlich sich um einen großen Headliner bemüht, ist wohl leider bald mit dieser einst großen Veranstaltung Schluss.

Sei es drum, den Anfang dürfen vor einer lachhaften Handvoll von Leuten SOLID CHILLED machen. Zu Beginn reiben wir uns verwundert die Augen, als die Sängerin mit ihrer rauchigen Stimme piepeleise ein paar Songs flötete und das ganze Line-Up eher wirkte, als würde man das erste Mal miteinander proben (Gitarrenprobleme, Feedbacks, ein wirklich katastrophaler Schlagzeuger – alles noch beim Soundcheck). Während des Gigs muss ich allerdings zugeben, dass SOLID CHILLED fast schon der heimliche Gewinner des Abends sind. Die Fronterin kommt sehr charmant rüber und singt dann auch druckvoll, der Basser bemüht sich um eine Show. Die Cellistin könnte man sich aber eher sparen, wer wirklich händeringend Unterricht nehmen muss oder leider ersetzt werden sollte, ist der Drummer. Bei fast jedem Break kommt er anders raus als die restliche Band, schwankt massiv mit dem Tempo und ist leider der Wehrmutstropfen bei der sonst doch überraschenden Band. Auch wenn man bei Newcomern gerne ein Auge zudrückt – hier muss nachgebessert werden. Außerdem ist das Songwriting noch nicht ganz auf der Höhe, sich bei fast 40 Minuten Spieldauer nur auf das Organ der Sängerin zu verlassen und jeden Song gleich aufzubauen, funktioniert leider nicht.

Soviel Gutes zum Opener – NERO PROJECT ist dann leider der frühe Tiefpunkt des Abends. Massiv werden alle Rocker (Und hey: es heißt ROCK an der Sieg) von der Bühne vertrieben, als eine aufgekratzte und hyper motivierte Sängerin (eigentlich ja toll) mit einer Stimme ähnlich der von Duffy Duck in schönstem Denglisch ihre Songs runter knattert. Ganz ehrlich, das ist nicht meine Baustelle. War die erste Band noch Rock, so ist die zweite ziemlich viel Pop und auch massiv nervig. Spieltechnisch ist NERO PROJECT sicherlich nicht schlecht, jeder Musiker kennt sein Intstrument, aber der Gesang will mir partout nicht gefallen und auch das ganze Bühnengehabe, das wie eine schlecht choreographierte Version von Popstars aussieht, gefällt mir gar nicht. Einigen Leuten hat es aber gefallen und in ihren Kreisen wird die Band sicher noch das ein oder andere größere Konzert spielen. Für eine Veranstaltung die mit ROCK zu tun hat würde ich mich allerdings an Stelle der Gruppe nicht bewerben.

Kommen wir zu meinem Headliner des Abends – FIRESCENT. Abgesehen davon, dass in Sachen Bühnenverkleidung die Band das komplette restliche Line-Up des Konzertes in den Schatten stellt (kleine Bühnen-Flaggen, ein Backdrop das vermutlich auch als Segel einer Hochsee-Fregatte dienen kann, einheitliche Bekleidung der Bandmitglieder) merkt man auch, dass MINDCR... äh FIRESCENT hier sowohl überregional als auch sehr intensiv regional die Leute anziehen. Vor der Bühne wird es richtig eng! So legt die traurigste Band des Abends auch mit dem Soundtrack von „Requiem for a Dream“ los, man sieht Headbanger und einen grünlich angelaufenen Christoph Weller, der sichtlich nervös mit Grinsen die Bühne betritt. Auch frappierend deutlich: Mario Junker (ex-BLOODSKY) sowie Daniel Benner (ex-LAY DOWN ROTTEN, ex-BLOODSKY) haben schon mehr als zwei Konzerte gespielt und bilden, besonders der Basser, die optischen Fixpunkte der Truppe, während der Sänger innerlich alles beruhigt und mit lockeren Sprüchen auftaut. Massive Soundprobleme machen traurigerweise den Opener etwas zunichte, ist doch Anfangs die Bass-Drum, der Gesang sowie der Bass eher non existent und die Gitarren hören sich extrem matschig an. Dafür kann die Band nichts, bei einer kurzen Spielzeit von 35 Minuten trifft es die Musiker aber doch ungewohnt hart, wenn ein Song vermatscht ist. Das Set wird durch ein NEVERMORE-Cover ergänzt und endet, nach dem knallenden „Zero Phrases“ in gröhlenden Teenies, die sich mit der Band fotografieren lassen wollen. Unter dem Beifall fast aller RadS Besucher verlässt die Gruppe dann die Bühne – toller Auftakt, mehr davon.

Die nachfolgenden MATRIGIANI haben es etwas schwer, so viele Leute vor der Bühne zu halten. Dies ist allerdings ungerechtfertigt, ist die Band doch genauso professionell, nur stilistisch leider sehr von FIRESCENT entfernt. Mit Italo-Vocals angehauchtem Heavy Metal schaffen sie es, doch einige Leute zur Bewegung zu animieren. Leider fehlt es etwas an optischer Präsenz, gerade weil der Sänger mit Bass umhangen sehr statisch am Mikro verharren muss. Da ich dieser Form von hohen Vocals leider entwachsen bin, ist MATRIGIANI nicht ganz meine Baustelle, aber zugegeben eine gute Show und technisch versierte Musiker. Weiter so!

Mit HERITAGE kommt dann der Headliner des Festivals, der mich persönlich so gar nicht reizt. Zum einen liegen mir die Gröhl-Vocals des Sängers nicht besonders, der optisch zwar ein totales Highlight ist und abgeht, als habe er sich zuviel Speed gezogen, zum anderen rauscht die Musik, trotz unterschiedlicher Passagen, an mir vorbei. An diesem Abend sind HERITAGE mit Sicherheit die bekannteste Band und entsprechend ein verdienter Headliner, stilistisch zum kompletten Rest allerdings wieder ein Bruch und auch nicht meine Baustelle. Irgendwo zwischen Hardcore, Rock und Metal angesiedelt, vielleicht noch mit kleinen Funk Versatzstücken. Das ist für ein paar Songs spaßig, mehr aber auch nicht. Dennoch hat die Band, die ihren Auftritt mit viel Leidenschaft und professionell durchgezogen hat, nicht wenige Leute vor der Bühne begeistert und sogar einen kleinen Moshpit losgetreten.

Fazit:
Ochjo, nett isses jewesen, aber dat woar et uch. Mal ehrlich, liebes RadS Team: Stellt mal ein richtiges Line-Up auf die Beine, das einheitlich ist und auch ein einheitliches Publikum anspricht. Nix gegen gemischte Gemüter, aber hier ist die Bandbreite einfach zu weit gestreut und es kommt keine richtige Atmosphäre auf. Dafür gebe ich aber ein dickes „Daumen hoch“ für die Pinkel-Flatrate und die doch fairen Preise, die man im Schatten der Erzquell Brauerei bezahlt.
-