Firescent - Passengers

Firescent - Passengers
Dark Progressive Metal
erschienen am 01.02.2012 als Eigenproduktion
dauert 53:00 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Ascension Theory
2. Silent Solitude
3. Moving Skywards
4. Convenience Mark
5. Concrete Shores
6. In Response to Light
7. Revealing Fire
8. Astonishing Synopsis
9. Passengers Theme

Die Bloodchamber meint:

Erschöpft und ausgelaugt hat sich der einsame Wanderer auf einer mächtigen Brücke niedergelassen. Der wolkenverhangene Himmel und die schäumende Brandung des Wassers scheinen den gedankenverlorenen Melancholiker kaum zu berühren. Zögerlich hält er den Daumen empor. Das Ziel seiner Reise: „Evidence“. Je länger man dieses wenig hoffnungsfrohe Bildnis auf sich einwirken lässt, desto mehr beschleicht den Zuschauer das Gefühl der Ausweglosigkeit. Wohin soll die Reise gehen? Greift man die Symbolik zum Artwort des neuen FIRESCENT Albums auf und überträgt diese auf die Musik, ist man schnell bei der Frage nach der musikalischen Wanderung der Band aus Siegen. Verkommt „Passengers“ zur hilf- und ziellosen Suche nach Besonderheit und Extravaganz oder bietet es die Grundlage, sich in seinen Fängen zu verlieren und verträumt dem Dargebotenen zu lauschen?

Nach der vom ehemaligen Mitarbeiter Stephan eindrucksvoll beschriebenen EP der Band um Sänger Christoph Weller, steht nun – drei Jahre später - das Debütalbum auf dem Prüfstand. Zur Biographie und musikalischen Entwicklung wurde an besagter Stelle bereits genügend gesagt, also gilt die Konzentration einzig und allein dem 53 minütigen Soundcocktail aus verschiedensten Spielarten des modern-rockenden Dark / Power Metals. Das Artwork lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass hier fernwehbeseelte KATATONIA-Jünger ihrem Hobby frönen. Nach einigen Durchläufen von „Passengers“ wird allerdings schnell deutlich, dass sich die Band nicht allein auf einen Einfluss reduzieren lässt. Noch stärker leuchtet das düstere Licht von OPETH durch die Songzeilen hindurch. Gleichzeitig begleiten progressiv-powermetallische Strukturen á la NEVERMORE das komplette Album. Den Hörer erwartet somit eine Melange aus wuchtigen Gitarrenriffs, treibendem Drumming, nachdenklich intoniertem Gesang und komplexen Passagen, die man nicht mal eben im Vorbeihören verinnerlicht.

Die große Stärke des Albums liegt in den Melodien, die mal zerbrechlich traurig, mal etwas hoffnungsvoller und erwärmend auf den Hörer herein prasseln. Wäre da nicht die immer wieder brachial eingesetzte Gitarrenarbeit, würde „Silent Solitude“ während des Refrains fast schon heimelige Kaminfeuerstimmung erzeugen. Auch das erhaben beginnende „Moving Skywards“ entpuppt sich als Grower und wächst mit jedem Hören. Hauptverantwortlich ist dafür das Saitenduo Junker/Minrich, das mit unglaublicher Spielfreude und Ideenreichtum dem gesamten Album seinen Stempel aufdrückt. Ebenfalls erfreulich ist die gesangliche Entwicklung von Christoph Weller, der von verträumtem Trauergesang bis hin zu röhrender Verbalakrobatik so ziemlich alle Bandbreiten bedient, die man in einem derart abwechslungsreichen Fahrwasser nun einmal braucht. Das spürt man vor allem beim stark OPETH-lastigen „Convenience Mark“, das fast schon halb-balladeske Züge annimmt. Doch beschleicht einen einmal das Gefühl der heimeligen Glückseligkeit, growlt plötzlich Bassist Mario Junker aggressiv ins Mikro und bringt die Stimmung in eine andere Richtung.

Dieses musikalische Konzept ist Fluch und Segen zugleich. Während man auf der einen Seite vor dem Abwechslungs- und Ideenreichtum hochachtungsvoll den Hut ziehen möchte, vermisst man auf der anderen Seite Strukturen die Halt geben. „Passengers“ fehlt ein wenig der Mut zur Ruhe und Gelassenheit. Manche Melodien kommen kaum zur Entfaltung, weil sich zu schnell das nächste Break oder die nächste Richtungsänderung anschließt. Hier gilt wie so oft bei Debütalben: weniger wäre mehr gewesen. Ein Paradebeispiel ist „Revealing Fire“, bei dem vor allem der Keyboardpart im Mittelteil ziemlich unnötig ist. Die Songs wirken trotz einer Länge von meist über fünf Minuten teilweise überfrachtet und überladen. Das ist dann nicht mehr progressiv, sondern einfach zu viel des Guten. Ein persönlicher Kritikpunkt ist zudem das etwas zu stark auf Druck und Power ausgerichtete Songwriting. Zu selten verliert man sich in melancholischen Gedanken, da massive Gitarrenriffs und Doublebass-Salven einer verträumten Stimmung zügig den Riegel vorschieben. Auch hier hätte ich mir mehr Ruhe gewünscht.

So fällt das Fazit ein wenig zwiespältig aus. Die Entwicklung der Band ist beachtlich. Gesanglich und instrumental liefern FIRESCENT Arbeit auf sehr hohem Niveau. Titel wie „Silent Solitude“ und „Moving Skywards“ würden alleine einen Plattenvertrag rechtfertigen. Nun gilt es das Songwriting über ein komplettes Album auf ein solches Qualitätslevel zu bringen. Und dafür müssen – so schwer einem das fällt – vielleicht auch mal Ideen über Bord geworfen werden. Damit bewahrheitet sich die Symbolik des Artworks: der einsame Wanderer ist sich dem Ziel seiner Reise nicht bewusst. Die Umstände, seine Begleiter, die Höhen und Tiefen und die Gefahren sind ihm nicht bekannt. Nur eines ist klar: er wird seinen Weg gehen…
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