Judas Priest - Nostradamus

Judas Priest - Nostradamus
Heavy Metal
erschienen am 13.06.2008 bei Sony Music
dauert 102:35 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Dawn Of Creation
2. Prophecy
3. Awakening
4. Revelations
5. The Four Horseman
6. War
7. Sands Of Time
8. Pestilence And Plague
9. Death
10. Peace
11. Conquest
12. Lost Love
13. Persecution
14. Solitude
15. Exiled
16. Alone
17. Shadows In The Flame
18. Visions
19. Hope
20. New Beginnings
21. Calm Before The Storm
22. Nostradamus
23. Future Of Mankind

Die Bloodchamber meint:

JUDAS PRIEST hatten schon immer einen Hang zu Experimenten. Und das nicht immer zur Freude ihrer Fans. Mit ihrem neuesten Album wagen sich die Briten an ein Konzeptalbum, welches sich mit dem Leben und Wirken des Nostradamus auseinandersetzt. Ein sehr ambitioniertes Unterfangen, verteilt auf zwei Silberlinge. Konsequenterweise haben die Priester das Album schlicht und einfach „Nostradamus“ getauft.

Michel de Nostredame wurde am 14. Dezember 1503 in Saint-Rémy-de-Provence, einer kleinen Stadt im Süden Frankreichs, geboren. Er erlernte den Beruf des Apothekers. Es wird ihm von vielen Seiten nachgesagt, er sei außerdem Arzt gewesen. Ob diese Behauptung der Wahrheit entspricht, ist aber bis heute unklar, da stichhaltige Indizien fehlen. Nostradamus wurde schon zu Lebzeiten bekannt für seine Prophezeiungen, die er zuerst in Jahrbüchern, sogenannten Almanachen, und später in den berühmt gewordenen Centurien niederschrieb und veröffentlichte. Den Versen dieser Prophezeiungen wohnte stets ein pessimistischer, düsterer Grundtenor inne. Typisch für die von Nostradamus verfassten Zeilen ist das beinah völlige Fehlen von konkreten Zeitangaben. Außerdem schmückte er die Verse mit vielen Metaphern und schrieb auch ansonsten in sehr rätselhafter Sprache, so dass seine Prophezeiungen stets viele Deutungen zuließen. Als Beweis für die Richtigkeit seiner Voraussagen wird immer wieder gerne der Tod Heinrich II. angeführt, der am 30. Juni 1559 bei einem Turnierzweikampf auf der Rue Saint-Antoine, einer der ältesten Straßen von Paris, von der Lanze seines Gegners so schwer verletzt wurde, dass er wenige Tage darauf seinen Verletzungen erlag. Die 35. Strophe der ersten Centurie (aus dem Jahre 1555) ließ sich so deuten, als habe Nostradamus den Tod Heinrich II. vorhergesagt. Nostradamus starb in der Nacht vom 1. auf den 2. Juli 1566. Er litt viele Jahre an chronischer Gicht, was höchstwahrscheinlich zu einem Nierenversagen und letztendlich zu seinem Tode geführt hat. Bis in die heutige Zeit hinein ist der Name Nostradamus vielen geläufig. Es gibt ebenso viele Bewunderer wie Skeptiker seines Wirkens. Es wurden Filme, Romane und unzählige Bücher, von denen leider sehr viele auf fehlerhaften Übersetzungen oder gar Fälschungen basieren, über ihn veröffentlicht.

Zurück zur Musik mit einer schlechten Nachricht vorneweg: Der britische Stahl musste von der Rangordnung her über weite Strecken Attributen wie Epik, Stimmung und Atmosphäre weichen. Ich denke, kaum einer rechnete wirklich mit einem zweiten „Painkiller“ Album, jedoch klingen JUDAS PRIEST auf „Nostradamus“ größtenteils zwar alles andere als langweilig, aber eben nicht so metallisch hart, wie es viele Fans wohl gerne hätten. Umso mutiger ist der Schritt, den PRIEST mit diesem Album gegangen sind.

Das Album besteht aus vierzehn regulären Songs und neun Interludien. Die verschiedenen Interludien übernehmen die wichtige Rolle, den atmosphärischen Verlauf und Fluss des Konzeptwerkes, sowie die Spannungsbögen der Stücke untereinander aufrecht zu erhalten. Auch die Anordnung der Hauptsongs war für JUDAS PRIEST von enormer Bedeutung, um einen dramaturgischen Verlauf der erzählten Geschichte zu erhalten. Musikalisch agieren die Briten auf hohem Niveau, jedoch wie schon erwähnt, ist „Nostradamus“ stark episch atmosphärisch angelegt und hat mehr gemein mit einer metallischen Operninszenierung. Die Musik ist facettenreich ausgefallen und hat stets einen tragisch-düsteren Unterton. Das Album bietet eine Vielzahl an Stimmungen und lädt zu einer wahren Entdeckungsreise ein. Hat man sich erstmal mit der oftmals getragenen, melancholischen Grundausrichtung der Platte vertraut gemacht, beginnen sich die einzelnen Stücke zu erschließen. Auf die sirenenartige Kopfstimme Rob Halfords muss der Hörer verzichten, dafür bietet dieser aber dennoch eine außerordentlich abwechslungsreiche und absolut professionelle Gesangsperformance. Textlich wird das Leben des Nostradamus in der Ich-Perspektive nachgezeichnet. Dabei geht es nicht nur um dessen Prophezeiungen, sondern auch um die ihn heimsuchenden dramatischen Schicksalsschläge, wie den Verlust seiner ersten Frau und seiner Tochter, welche durch die Pest starben, die ihm widerfahrende Ablehnung und Zurückweisung, sowie seine Verfolgung durch die Kirche. Instrumental gesehen gibt es viel Orchester und Keyboards zu vermelden, die aber eine perfekte Symbiose mit der übrigen Bandbesetzung eingehen und sicherlich zu dieser Art von Musik passen. Die bombastischere Grundausrichtung lässt sogar hier und da an die späten QUEEN denken. An anderen Stellen hingegen kommen Querverweise zu HELLOWEENs „Keeper Of The Seven Keys“ Phase in den Sinn. Auch die Gitarrenarbeit ist phänomenal und äußerst phantasievoll ausgefallen. Es fällt aber sofort auf, dass JUDAS PRIEST stets den Song in Verbindung mit seiner jeweiligen Aussage vor Augen haben. Somit wird jedes Instrument in den Dienst des jeweiligen Stückes gestellt. „Nostradamus“ bietet viele tolle Songs, wie „Revelations“, „Sands Of Time“, „Lost Love“, ”Alone”, “New Beginnings” oder “Future Of Mankind”, die allesamt etwas sanfter ausgefallen sind. Zum anderen wären da die wenigen härteren Nummern zu nennen, die aber dafür umso mehr auffallen: „Prophecy“, „Persecution“, „Death“ und das Titelstück.

Ich kann mir denken, dass viele Leute kein gutes Haar an diesem Album lassen werden. Ich persönlich denke, dass JUDAS PRIEST mit „Nostradamus“ ein wirklich tolles Album gelungen ist, welches einfach seine Zeit zum Wachsen braucht. Sie hätten es leichter haben können, doch sie haben sich dafür entschieden, etwas auszuprobieren. Und anstatt sich selbst zu wiederholen, sind die Priester ein Wagnis eingegangen. Wo andere Bands nur noch von ihrer Vergangenheit leben, haben JUDAS PRIEST auch musikalisch noch etwas zu sagen. Und dafür gebührt ihnen Respekt!

Die Bloodchamber meint außerdem:

Einspruch, euer Ehren!

Hier spricht die Fraktion, die an diesem Album tatsächlich kein gutes Haar lassen kann. Mal ehrlich, dass Teile der Leserschaft und auch der Redaktion wirklich etwas in diesem Machwerk sehen, kann ich mir nicht erklären. Zwar unterschreibe ich vieles sofort, was Stefan in seinem Review schreibt, jedoch ist die Schlussfolgerung für mich eine ganz andere.

Es ist richtig, dass PRIEST in ihrer Karriere schon viel ausprobiert haben, aber egal, wie bescheuert oder geschmacklos es auch war, ich konnte mich mit nahezu Allem irgendwie anfreunden. Bei „Nostradamus“ sind sie aber eindeutig zu weit gegangen. Es war in der Tat mutig, so ein Album aufzunehmen, denn niemand sonst bei Verstand hätte sich getraut, seinen Fans so einen Mist vorzusetzen. Unter dem Banner „Weiterentwicklung“ und „Experiment“ lässt sich ja vieles verkaufen, aber nicht so eine blutleere, mit unfassbar viel Pomp und Bombast aufgeblähte Ansammlung heißer Luft wie „Nostradamus“. KK Downing hat schon Recht, wenn er sagt, dass den Hörern eigentlich im Laufe der Platte die Tränen kommen müssten, auch wenn er es wahrscheinlich anders gemeint hat.
Über die eher lasche Produktion, die verstümmelten Gitarren und den reduzierten Gesang von Halford, der es anders einfach nicht mehr hinbekommt, könnte man mit einem weinenden Auge noch hinwegsehen, wenn denn die Songs nicht so unterirdisch, belanglos und nichtssagend wären. Dass das ganze Nostradamus Thema ungefähr so ausgelutscht wie ein alter Kaugumi ist und den Charme eines feuchten Waschlappens hat, war von Anfang an klar, aber dass diese Voraussetzung auch 1:1 auf die Musik übertragen wird, haben selbst die größten Pessimisten nicht befürchtet. Zieht man das ganze, für mich komplett überflüssige Zwischenspiel Geseier ab, bleiben mit dem Titeltrack, „Prophecy“, „Revelations“, „Persecution“ und „Visions“ gerade mal ne Handvoll akzeptabler bis guter Songs übrig, denen katastrophale Langweiler wie „War“, „Lost Love“, „Exiled“ oder „New Beginnings“ gegenüberstehen – Stücke, die PRIEST nicht mal in den RICHTIG orientierungslosen Phasen ihrer wechselhaften Karriere verbrochen haben.

Natürlich tritt nach ner Zeit ein gewisser Gewöhnungseffekt ein (Abstumpfung und so...), und es soll ja auch Leute geben, die Bockmist wie „St. Anger“ oder die letzte MAIDEN Nullnummer toll gefunden und schöngeredet haben, aber realistisch betrachtet kann es nur ein Fazit geben: dass „Nostradamus“ die Arschbombe des Jahres 2008 ist. Herzlichen Glückwunsch!

Sollte die Band wirklich ihre Drohung wahr machen, „Nostradamus“ auf der nächsten Tour komplett live zu spielen, prophezeie ich ähnlich leere Hallen wie bei der letzten Tour mit dem Ripper. Spätestens dann wird es Zeit, dass sich die Band auflöst, bevor die eigene Legende noch weiter demoliert wird.
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