Wintersun - Wintersun

Wintersun - Wintersun
Melodic Black Metal
erschienen im Februar 2004 bei Nuclear Blast
dauert 36 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Beyond The Dark Sun
2. Winter Madness
3. Sleeping Stars
4. Battle Against Time
5. Death And The Healing
6. Starchild
7. Beautiful Death
8. Sadness And Hate

Die Bloodchamber meint:

Finnland. Ex-ENSIFERUM-Sänger. WINTERSUN.
Da bauen sich gewisse Erwartungshaltungen auf, der Papa rückt den Sessel etwas näher zur Anlage und eine ganze Speicheldrüsenarmada träumt von Planübererfüllung...

Also schön zurückgelehnt und das zweiminütige Intro genossen, dachte ich noch so bei mir, aber: Nix da! Statt Keboardgeschwalle gibt's hier gleich mal knackig auffe Fresse, skandinavische Flitzefinger und Doublebass inklusive. Die Stimme kommt dabei schön aggressiv und treibt den Song gnadenlos voran. Aufgrund der Länge ist hier natürlich nicht sooo viel Abwechslung möglich, das fällt jedoch nicht negativ auf, da „Beyond the Dark Sun“ eh nur einen Zweck hat: Es ist das akustische Äquivalent zur kalten Dusche VOR der Finnsauna.

Von diesem Moment an kommt auf dem selbstbetitelten Debut das zum Vorschein, was auch ENSIFERUM zu einer grossartigen Band macht: powernder, technischer Edelstahl mit teilweise folkigen Melodiebögen und äusserster Präzision in der Ausführung.
Doch WINTERSUN gehen noch einen Schritt weiter und flechten wahnwitzige Duelle zwischen Gitarre und Keboard ein, die an gewisse Kinder vom See oder auch arktische Sonaten erinnern.
Gesanglich wird dazu die komplette Tiefkühlpalette gereicht: Heiserer Kampfpinguin trifft klaren Mannsgesang trifft nordische Fischerchöre. Das mag nicht unbedingt der Gipfel der Originalität sein, aber zu beanstanden gibt es da eben – zunächst – auch nicht viel.

Zwischendurch („Sleeping Stars“, „Sadness and Hate“) nimmt man die Powermetalsau dann ein wenig an die Leine, gibt sich betont friedlich und bittet zum winterlichen Walzer bei Sternenschein.
Diese Verschnaufpausen sind jedoch bald vorbei und ruckzuck steht das nächste Riffmonster vor der Iglutür („Battle against Time“, „Starchild“). Mit der rasenden Gewalt eines Schneesturms türmen sich die Töne, hier und da entflieht ein zerfetzter Chor und hinter allem jagt drohend das Schlagwerk der Zeit.
Ich könnte die Rezension jetzt Song für Song abarbeiten, ohne grössere handwerkliche Mängel festzustellen, aber im Endeffekt bleibt eine gewisse Distanz zwischen Hörer und Musik.
Wie man das schafft? - Einfach alles richtig machen und trotzdem was vergessen.

Meine Theorie:
Im symphonischen Powermetal fungiert der Sänger als Bindeglied zum Hörer, indem er ein mehr oder weniger komplexes Stück Musik durch markante Gesangslinien zum 'Song' macht. Die folkige Ecke dagegen baut verstärkt auf wiederkehrende Themen, um ihre Lieder zusammenzuhalten.

Das Problem:
Bei WINTERSUN haben wir komplexe Musik, die mit den blackigen Vocals nur ganz schwer verschmelzen will. Im Grunde funktioniert die Chose dann auch nur, wenn man aus dem Black-Metal-Schema gesanglich ausbricht: Nahezu alle erinnerten Höhepunkte des Albums basieren auf Klargesang und Chören.
Für Gekrächze ist das Gebotene nämlich trotz aller Härte und Geschwindigkeit nicht aggressiv genug.

Die Lösung?
Beim nächsten Anlauf einfach mal einen Gastsänger dazugeholt, der weitere Facetten der Musik beleuchtet und das Ganze etwas zwingender gestaltet. Gerade die längeren Kompositionen sind – im Gegensatz zu ENSIFERUM – einfach zu verspielt, zu progressiv, als dass man auf den roten (Gesangs-) Faden verzichten könnte.

Von mir gibt's heute „nur“ 7 Punkte, weil ich glaube, dass hier ein begnadeter Songwriter aus nicht nachvollziehbaren Gründen an einem Image klebt, dem er musikalisch längst entwachsen ist. Vielleicht ein letzter Versuch, die alten Fans nicht ganz vor den Kopf zu schlagen...
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