Ist eine Band seit langer Zeit dabei und hat endlich ein gewisses Level erreicht, stellt sich oft eine wichtige Frage: Soll sie den bekannten, beliebten und etablierten Kurs halten oder verlangen Zeit und Erfahrung (und vielleicht auch der Anspruch an sich selbst) eine größere Veränderung? Letzteres verhindert zwar auf jeden Fall die Ablage in der „Kennst du ein Album, kennst du alle“-Schublade, birgt aber die Risiken des (musikalischen) Totalabsturzes (QUEENSRYCHE), Entfremden vieler Altfans (BLIND GUARDIAN) oder die Taten klingen weniger groß als Optik und Worte angekündigt hatten (HAMMERFALL). Bei ersterem dagegen ist das Wahren der anerkannten Qualitäten enorm wichtig, sonst werden irgendwann hauptsächlich Touren zu historischen Alben nachgefragt oder man entschwindet bei fehlenden Ausrufezeichen langsam aber stetig aus dem Bewusstsein.

Und damit sind wir bei BRAINSTORM angelangt, die (gefühlt) seit einiger Zeit bestenfalls stagnieren. Auf hohem Niveau zwar, aber als letzten echten Albumhöhepunkt würde ich ohne Zögern „Liquid Monster“ nennen, und das ist sechs Jahre her. Mit „On The Spur Of The Moment“, frohlocket ihr BRAINSTORM-Jünger, haben sie sich - nach dem mit zwei Jahren Abstand immer noch ziemlich blassen „Memorial Roots“ – nun gefangen und die Formkurve zeigt wieder nach oben. Anders als bei den oben angeführten Namen haben die Baden-Württemberger wenig am Grundrezept ihres bissfesten Power Metals geändert, hier und da ein etwas abwechslungsreicherer Liedaufbau („Below The Line“) oder ein bisschen Spielerei (zu Beginn von „Temple Of Stone“ & „In These Walls“ oder am Ende von „My Own Hell“), das Wichtigste ist jedoch die Wiederentdeckung der Wirkung der Kombination aus Wucht und Hymnik.

Es beben wieder Gebäude unter der donnernden Faust von BRAINSTORM („In The Blink Of An Eye“, „Below The Line“), die man freudig mit Brusttrommeln unterstützt, und die Gesangsmelodien und der Gestus von Andy Franck fachen wieder spürbar mehr Feuer an. Selten geht das fehl („Dark Life“) oder einzig der Refrain zündet („No Sinner – No Saint“), demgegenüber stehen dann aber bedingungslose Kracher wie „Where Your Actions Lead You To Live“ oder „Life On Hold“ – ja, zwei der besten Lieder kommen fast am Ende der Platte.

„On The Spur Of The Moment“ ist die Rückkehr von BRAINSTORM in die Oberklasse, einzig Puristen könnten daran etwas zu mäkeln haben, weil Power Metal nicht zwingend ein derartig modernes Soundgewand tragen muss. Er darf es aber durchaus.