Sonata Arctica - Pariah's Child

Sonata Arctica - Pariah's Child
Melodic Metal
erschienen am 28.03.2014 bei Nuclear Blast
dauert 53:13 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. The Wolves Die Young
2. Running Lights
3. Take One Breath
4. Cloud Factory
5. Blood
6. What Did You Do In The War, Dad
7. Half A Marathon Man
8. X Marks The Spot
9. Love
10. Larger Than Life

Die Bloodchamber meint:

Draußen begrüßen zahlreiche (dieses Mal nicht sonderlich) von der dunklen Jahreszeit Geschädigte die singenden Vögel, die blühenden Blumen oder ganz allgemein den Frühling, die Zeit des Erwachens, und was machen SONATA ARCTICA? Eröffnen ihr neues Album mit „Weather’s getting colder – Winter claims the land“… Eingehüllt in an den Advent erinnernde süße Klänge klingt das allerdings kein bisschen Game Of Thrones-gefährlich, sondern eher wie der Willkommensgruß an einen lange nicht gesehenen Freund. Das passt gut dazu, dass Gesangs- und Sprachrohr Tony Kakko im Vorfeld von einer Rückkehr zur alten Power Metal-Herrlichkeit gesprochen hat. Dafür soll ebenso das Totemtier der Band auf dem Cover stehen, obwohl das Auftauchen des Wolfs kurioserweise eine Artworkpremiere bei den Finnen ist, zieht man allein die Studioalben in Betracht.

Im Gegensatz zum immer turbulenter vorgehenden Wolfsrudel DEATH ANGEL ist der einsame SONATA-Wolf, wenig überraschend, weder eine wilde Bestie noch eine echte Rückkehr zu alten Rauschzuständen des Überschwangs geworden. Stattdessen versucht sich die Band an dem Spagat, die ursprüngliche Spritzigkeit mit der Gefühligkeit der letzten Jahre zu kombinieren, angetrieben von den letzten vorhandenen Spurenelementen an jugendlichem Enthusiasmus. Das Ergebnis klingt entsprechend weit erwachsener und ausgebuffter als mancher Fan der ersten Stunde sich gewünscht haben dürfte, aber die Zeiten als SONATA ARCTICA noch an allen Ecken und Enden brennende Kerzen waren, sind unwiederbringlich verloren, wie es halt der Lauf der Dinge mit dem Erwachsenwerden ist. Musikalisch äußert sich das so, dass zwar zahlreiche amüsante und unterhaltende Spielereien an Instrumenten und Gesang (plus ein davonbrausendes Auto in „Running Lights“) auftauchen, diese jedoch zuverlässig dem prachtvollen größeren Ganzen untergeordnet werden. Es ist geradezu erstaunlich, wie man derart viele kleine Trommelwirbel, kurze Keyboardhauer und aufheulende Gitarren unterbringen kann, ohne dass der Eindruck entsteht, sie würden den Lauf der „Pariah’s Child“-Dinge in irgendeiner Weise großartig beeinflussen.

Es ist nun weniger eine Frage der Qualität als des Geschmacks, wie man damit umgeht, dass SONATA ARCTICA die in ihnen schlummernde Wildheit zwar gelegentlich zeigen, sie aber meist in bunte Klangbildwatte packen. Mir persönlich sagt es deutlich mehr zu, wenn die Finnen fliegen lassen, etwas Schabernack treiben (Wer hat der Band vor „X Marks The Spot“ HELL vorgespielt?) und sich vermeintlich weniger Gedanken machen, was „Running Lights“, das eruptive „Blood“ und das angeraut rockende „Half A Marathon Man“ in den Vordergrund rückt. Für die Freunde des fröhlichen Dudeln gibt es hingegen die „Cloud Factory“, „The Wolves Die Young“ (trotz Text-Musik-Schere) sowie „Take One Breath“ und schließlich bleiben „What Did You Do In The War, Dad?“ und „Love“ für Fans von HIM im Power Metal Gewand.

Während man nun argumentieren könnte, dass die ordnende Kraft des größeren Ganzen für die Harmonisierung der verschiedenen Parteien sorgt, stößt mir genau das auf „Pariah’s Child“ leicht sauer auf, weil es die Konsequenz vermissen lässt, die das in jedem Feld vorhandene Hitpotential hätte ausreizen können. Stattdessen wirkt das Album wie das bewusste Vermeiden von Extremen, Hauptsache es tut niemandem weh. Damit berauben SONATA ARCTICA sich selbst der entscheidenden Momente, die zu einem großen Album hätten führen können. Beispielhaft vorgeführt wird das in „Larger Than Life“, das als abschließendes Epos Probleme hat, sich von dem Eindruck zu lösen, ein entweder überambitioniertes, bisweilen fast schon desorientiertes Konstrukt aus Versatzstücken zu sein.

Obwohl der anhaltende Erfolg auf Seiten der Finnen ist, sollten Tony Kakko & Kameraden deshalb in Zukunft wieder mehr Bereitschaft zeigen, einige verbindende Brücken im Zweifelsfall einfach mit großem Brimborium abzufackeln. Dabei geht es weniger um ein eventuell damit gesetztes Zeichen, als um die Rückgewinnung von verlorener Relevanz, die über schmerzfreien Konsens hinausgeht. Denn alle angesprochenen kurzen Ausbrüche täuschen nicht darüber hinweg, dass SONATA ARCTICA aktuell wenig mehr als Verwalter eines gewaltlosen und aufregungsarmen Konsens sind. Überspitzt ausgedrückt: Metal für Herzkranke.
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