Meistersinger Speckmann in der Theaterfabrik - Kultband Master beim Scheddel

Meistersinger Speckmann in der Theaterfabrik - Kultband Master beim Scheddel

Master
Special
14.01.2009
Was haben Gott, Death Metal und Paul Speckmann gemeinsam? „Master!“ würden Eingeweihte lauthals ausrufen. Und da haben sie Recht. Master gilt als die dienstälteste DeathMetal-Band weltweit, deren Protagonist Paul Speckmann sogar dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu Gunsten der Tschechischen Republik entfloh, um ganz für und von der Musik leben zu können. Und nebenbei bemerkt, um auch dem Patriot Act zu entgehen.

Der Vagabund des Metal ist mindestens genauso kultig wie sein Kollege Lemmy Kilmister von Motörhead, hat aber den längeren und weißeren Bart und die lautere Musik dabei. Aber sonst teilen die beiden nur Gemeinsamkeiten: Fender (naja, wohl eher Explorer, aber egal) Bass, guter Whiskey und Rock‘n‘Roll ohne Ende.


Der Kult

„On The Seventh Day God Created … Master“ hieß eines der frühen Alben von der 1983 in Chicago gegründeten Band. Genauer gesagt, es ist das zweite von Master, jener DeathMetal-Band, die 1985 zusammen mit den anderen Vorreitern von Chuck Schuldiner und DEATH für Combat Records gesignt wurde, deren Debütalbum aber rund zwanzig Jahre später erschien. Insofern ist das zweite Album das dritte usw.
Anfang der Neunziger wurde MASTER und Speckmanns liebstes Nebenprojekt ABOMINATION in einem Atemzug mit den Deathmetal-Flaggschiffen DEATH und MORBID ANGEL genannt. Speckmann ließ es sich auch nicht nehmen, weiterhin dem Underground zugehörig zu sein; hielt am erdigen Sound der Anfangstage fest, wo andere und jüngere Bands technisch und spielerisch ihm längst das Wasser reichen konnten.
Doch dieses spielerische Vermögen würde Speckmanns Philosophie über Death Metal durchkreuzen. Denn er ist einer der letzten Verfechter des direkten Ausdrucks, und dafür lieben ihn nicht nur die Alten, sondern auch immer jüngere Fans. Was sie bei MASTER suchen, ist das unverfälschte und rohe, das ohne Umschweife auf den Punkt kommende, ohne großen technischen Firlefanz drumherum. Gerade die jungen Metalfans haben die Kutte wieder zurück in die Szene gebracht, tragen die Kleidungsstücke ihrer größeren Brüder und Väter, feiern Metal als das, was es einmal gewesen war. Damals. In den Achtzigern, als es noch ehrlich zuging. Scheinbar. Aber so ist die Welt.


Die Band

1983 war das Startjahr für MASTER. Paul Speckmann hatte genug vom Doom und beschloss, nach Hören von VENOM und SLAYER, weitaus schnellere und brutalere Songs zu schreiben. Er hat rechtzeitig die Zeichen der Zeit erkannt und blieb seitdem dem urwüchsigen, rumpeligen Sound treu. Dabei hatte die Band u.a. progressive Musiker wie Paul Masvidal (u.a. CYNIC, DEATH, AEON SPOKE) in ihren Reihen, schuf so Klassiker wie „Collection Of Souls“ und „On The Seventh Day God Created Master“.

Doch es wurde ruhig um Paul Speckmann, auch wenn er um 1993 mit einer Headliner Tour zusammen mit seinem Nebenprojekt ABOMINATION und den österreichischen Boogie-Deathern von PUNGENT STENCH große Erfolge feiern konnte. Death Metal befand sich um 1995 in einer Krise. Black Metal, weitaus stärker introvertiert als sein dicker Bruder, war das große Ding zu dieser Zeit. In Amerika feierten Bands wie KORN große Erfolge. Und MASTER befanden sich halstief im Underground.

Düstere Zukunft für die Band, die eigentlich nur aus Paul Speckmann besteht. Um so überraschender war 1999 die Meldung, dass er in die Tschechische Republik übersiedelte und dort in der tschechischen Death Metal-Legende KRABATHOR neue Mitstreiter fand, die seitdem ein festes Line-Up bilden. Speckmann begründet dies mit den niedrigeren Lebenshaltungskosten als in den USA und dem unstillbaren Hunger, von der Musik leben zu können.

Seitdem ist Master im europäischen Underground eingebettet und nicht mehr weg zu denken. Scheinbar fällt es Speckmann leichter, mit MASTER Alben aufzunehmen und zu touren, weil hier in Mitteleuropa das metallische Herz noch schlägt und nicht durchdrungen ist von irgendwelchen Modernismen. Dennoch zieht es die Band nach Übersee, wo sie sehr oft tourt.


Die Zeit

Das Alter nagt auch an einer so frisch klingenden Band wie MASTER. Vergleicht man gleichaltrige Musiker und Musikkonsumenten, so fällt auf, dass viele nicht mehr ganz so zackig aus der Hüfte kommen. Selbst jemand wie Ozzy Osbourne hat so eine Schwierigkeiten, seine berühmten Froschhopser unfallfrei über die Bühne zu bringen. Lemmy Kilmister hat inzwischen Diabetes, postuliert aber immer noch den guten Geschmack von Whiskey, dem auch Paul Speckmann nicht abgeneigt ist.

Doch trotz Klassikerstatus und Szeneverwurzelung haben MASTER gegenüber den technisch versierten Bands, die weitaus brutaler und gezielter klingen, einen schweren Stand. Trends kommen und gehen. Wie auch bei anderen Bands, bspw. MOTÖRHEAD, so verlassen sich MASTER auf ihr altbewährtes Rezept, urwüchsigen und auf den Punkt genau gespielten Death Metal zu spielen, der zudem eine punkig-thrashige Note aufweist.

Mit seinen gesellschaftskritischen, politisch und atheistisch geprägten Texten bleibt Paul Speckmann immer an vorderster Front. Mit dieser Mischung gelingt es MASTER, ein gut ausgefülltes Nischendasein zu leben, auch wenn deren Musik nicht modern klingt und in der heutigen Zeit als Randerscheinung gilt. Dennoch besitzt MASTER wachsende Reputation vor allem bei den jüngeren Fans, deren ältere Brüder und auch Väter ihren Sprösslingen diese Musik nahe bringen. So verwundert es nicht, dass gerade junge Fans zu den MASTER-Konzerten kommen und ihre Auftritte nicht ganz zu einer ‚Gammelfleischparty‘ verkommen.
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