Jeff Loomis über Stürme, Remixes und gottlose Bestrebungen


Interview mit Nevermore
Power Thrash Metal aus USA - Seattle
Wie schon im Review zum neuen (meiner Meinung nach) Hammeralbum "this godless endeavor" erwähnt, sind NEVERMORE eine Ausnahmeband. Kaum eine andere Band schafft es so gekonnt wie die Metaller aus der Kurt Cobain Stadt, immer wieder solch mitreißende Werke zu schreiben. In Anbetracht des neuen Albums, eines neuen Gitarristen und den Nachwirkungen des im wahrsten Sinne des Wortes stürmischen Bang Your Head Festivals führte ich ein kleines Gespräch mit Gitarrist Jeff Loomis.

Hi Benny! Wie geht´s Dir?

Wunderbar, danke. Und selber?

Auch gut, danke. Es ist nur verdammt heiß.

Tja, das ist der Sommer in Deutschland *lacht*

Naja, so was habt ihr ja auch nicht wirklich oft, oder? *lacht*

Kommen wir aber nun mal zu meinen Fragen, Jeff. Wie fühlt ihr euch denn nun nachdem die arbeiten zu „This godless endeavor“ abgeschlossen sind? Meiner Meinung nach ist dieses das bisher destruktivste und möglicherweise auch depressivste NEVERMORE Album. Was sagst Du dazu?

Wir sind natürlich nun erstmal überglücklich und stolz darauf mit den arbeiten am Album fertig zu sein. Sagtest Du destruktiv und depressiv? Hmm, kann schon sein. Das ist dann eben so passiert. Man geht ja nicht mit der Vorgabe ans Songwriting wie etwas genau auszusehen hat und wie es klingen muss. Wir hatten ja sicherlich auch nie vor ein „Dead Heart II“ zu veröffentlichen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass normalerweise ich die meisten Songs alleine schreibe, und bei „This godless endeavor“ eigentlich alle am Songwriting beteiligt waren. Anders kann ich mir das nicht erklären *lacht*. Aber natürlich lassen wir uns auch von unserer Umwelt inspirieren. Im Songwriting versuche ich mich dann halt einfach von mir selber und meinen Gefühlen leiten zu lassen, falls Du verstehst was ich meine *lacht*. Ich versuche dann auch keine andere Musik zu hören und so weiter, sondern es einfach so aus mir herausfließen zu lassen.

Und kannst Du einen Song nennen, der repräsentativ für das ganze Album steht? Für mich persönlich ist das ja der Titeltrack.

Da hast Du absolut recht. Der Titeltrack vereint irgendwie alles was die Platte und vor allem auch NEVERMORE ausmacht. Da hat man das langsame schwermütige, traurige, vor allem am Anfang beim Part mit dem zwölf Saiter. Und danach wird’s dann flott und fast schon typisch für uns. Insgesamt ist das auch eindeutig mein Lieblingstrack auf dem neuen Album, wobei ich den anfänglich eigentlich gar nicht so lange konzipiert hatte. Der Song war ursprünglich viel kürzer, und ist nur im Laufe der Zeit immer länger und ausufernder geworden.

Wie waren denn nun insgesamt die Reaktionen auf den Vorgänger „Enemies of Reality“? Schließlich habt ihr das Album jetzt noch einmal von Andy Sneap remixen lassen.

Das stimmt, und meiner Meinung nach ist das Ergebnis überwältigend. Endlich klingt das Ding so, wie es zu klingen hat. Gemacht haben wir das natürlich nur, weil wir uns die ganzen negativen Feedbacks zu Herzen genommen haben. Wir haben uns viele Kommentare von unseren Fans durchgelesen und uns natürlich darüber Gedanken gemacht. Die Ausgangssituation war damals aber auch denkbar schlecht. Wir hatten nur ein begrenztes Budget, weil es das letzte Album für Century Media war, und war zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten ob wir den Vertrag verlängern werden. Und aufgrund des begrenzten Budgets mussten wir uns dann einen eben dafür verfügbaren Produzenten aus unserer Gegend suchen. Dann kamen wir eben bei Kelly Gray raus. Beim Remixen gabs dann da auch noch mal Probleme, weil Herr Gray das Master nicht rausrücken wollte, weil er doch sehr enttäuscht war. Rechtlich gesehen musste er das dann natürlich doch tun, und so konnten wir „Enemies…“ doch noch remixen, um unseren Fans das zu bieten was sie verdient haben.

Und wisst ihr was eure Fans von “This godless endeavor“ erwarten? Viele waren ja regelrecht enttäuscht von “Enemies..“ und befürchten nun das schlimmste. Ich für meinen Teil halte „Enemies“ aber immer noch für ein gelungenes Album, empfinde „godless endeavor“ aber dafür als ein enorm geiles Teil.

Danke. Ich finde auch, dass hauptsächlich durch die Produktion das Album kaputtgemacht wurde. Wie schon gesagt nehmen wir die Kommentare unserer Fans sehr wohl zur Kenntnis und machen uns da auch Gedanken drüber. Was sie nun speziell von „This godless endeavor“ erwarten weiß ich nicht wirklich. Aber ich denke, dass wir mit dem neuen Werk diejenigen die von „Enemies“ wirklich sehr enttäuscht waren, wieder für uns gewinnen können. Und dass „This godless endeavor“ Dir so gut gefällt freut mich natürlich besonders *lacht*

Dann kommen wir mal auf das Video zu sprechen, das ihr gedreht habt. Ihr hattet bereits eine Zusammenarbeit mit Kevin Leonard, stimmts?

Ja, das ist richtig. Wir haben das Video zu „I Voyager“ damals mit ihm gedreht. Das neue haben wir erst vor 2 Wochen in Los Angeles gemacht und zwar diesmal zu „Final Product“. Wir haben diesen Song vor allem deshalb ausgewählt weil er so „Kurz“ ist. Als wir früher Videos gemacht haben, mussten wir diese immer kürzen, weil du für MTV in Amerika nur eine bestimmte Länge haben darfst. Das hat unsere Fans immer richtig angepisst, und uns natürlich auch, und deshalb haben wir uns diesmal einen Song ausgesucht, der nur viereinhalb Minuten geht. Natürlich ist „Final Product“ auch ein richtig guter Song, eben mit dem Zusatz, dass die Fernsehleute es diesmal eben nicht versauen können damit *lacht*. Ich glaube auch, dass das Video vom visuellen Aspekt her sehr geil werden wird. Ich habe es noch nicht als Ganzes gesehen, aber alleine die ganzen Bandaufnahmen, wie die Gitarrencloseups, sind sehr gut. Veröffentlicht müsste das Video im Laufe des nächsten Monats werden, rechtzeitig zum Start unserer „Gigantour“ mit MEGADETH.

Was bedeutet der Albumtitel „This godless endeavor“ für euch? Es geht ja grundsätzlich um den Kampf zwischen Religion und Wissenschaft.

Ja, das stimmt. Warrel wollte damit einfach ausdrücken, dass es auf der Welt ja so viele verschiedene religiöse Gemeinschaften gibt, und dass man dadurch, und die Zugehörigkeit zu einer dieser Gemeinschaften, natürlich irgendwie voneinander getrennt wird. Und leider gibt es auch dementsprechend viele Meinungsverschiedenheiten, die dann zu Konflikten und sogar Kriegen führen können. Und die Wissenschaft spielt da als weiterer Faktor und fast Gegenpol noch mit hinein. Das ist so das Grundthema des Albums. Im Endeffekt ist „godless endeavor“ aber kein Konzeptalbum in dem Sinne, denn das wollten wir nicht noch einmal machen. Wir haben bereits mit „Dreaming Neon Black“ ein Konzeptalbum abgeliefert. Insgesamt sind auf dem neuen Album dann nur verschiedene Hauptthemen aneinandergereiht. Der Song „My Acid Words“ ist beispielsweise über Warrel´s Bruder, und das schlechte Verhältnis, das sie hatten als sie jung waren. Aber letztenendes will Warrel ja auch, dass sich der Hörer seine eigenen Gedanken zu den Lyrics macht. Die meisten sind auch sehr persönlich, sodass es auch schwerer für mich ist etwas zu Warrels persönlicher Poesie zu sagen.

Ihr habt für das neue Album auch das Ozzy Cover von „Revelation“ aufgenommen, welches entgegen der Ankündigungen nun doch nicht auf dem Silberling zu finden ist. Wieso habt ihr Euch denn nun doch umentschlossen?

Ja, das stimmt. Wir haben das Cover eingespielt und wollten es auch auf die Platte nehmen, haben uns dann aber doch dagegen entscheiden, weil das Album ja auch so schon eine Stunde lang ist, und wir das ganze dann nicht noch unnötig in die Länge ziehen wollten. Die Coverversion wird aber, soweit ich momentan weiß, als Japan Bonustrack verwendet, oder als Single B Seite. Ganz genau wissen wir das selbst noch nicht, aber der Track wird auf jeden Fall veröffentlicht werden. Ich persönlich finde das Cover aber sehr gut, auch wenn wir es diesmal nicht so gemacht haben wie damals bei dem JUDAS PRIEST oder SIMON & GARFUNKEL Song, wo wir alles auf unsere eigene Art und Weise neu zusammengesetzt haben. Diesmal haben wir alles genau so eingespielt, wie es im Original klingt, und ich finde das Resultat schlichtweg unglaublich. Ich kann es kaum erwarten, bis die Leute den Song hören können.

Ja, hätte mich auch sehr interessiert. Vor allem verwundert mich, dass ihr den Song weggelassen habt, obwohl er auch rein von den Lyrics her gut zum Album passen würde.

Das stimmt allerdings, da hast Du Recht. „Revelations“ ist auch ein fantastisches Lied. Wie gesagt. Für uns war es wirklich toll den Song nachzuspielen, vor allem weil er auch irgendwie gut zu uns passt. Ich bin wirklich gespannt auf die Reaktion der Leute.

Ich bin gespannt. Kommen wir nun mal auf das Cover zu sprechen. Diesmal habt ihr euch ja gegen Travis Smith entschieden. Warum?

Nun ja, es war so. Wir haben ja einen neuen Gitarristen, und dementsprechend ist das für uns ein neues Bandkapitel. Von daher wollten wir diesmal einiges anders machen als die Male zuvor. Wir hätten natürlich wieder Travis Smith beauftragen können, er ist ein guter Freund von uns und ein wirklich talentierter Kerl, aber wir wollten für „This godless endeavor“ einfach mal etwas anderes. Irgendwann surfte Warrel dann im Internet und kam mit einem Typen namens Hugh Syme, der vorher für Bands wie MEGADETH oder RUSH gearbeitet hat. Jedenfalls hat er dann das Coverbild auf dessen Seite gefunden, und sich sofort darin verliebt. Auch uns anderen sagte das Bild sehr zu, sodass wir es dann kurzerhand als Albumcover genommen haben. Es gab da keinerlei bestimmte Verknüpfung zu den Lyrics, sondern war einfach nur cool. Es drückt aber auch wieder gekonnt die Düsternis und drückende Atmosphäre des Albums aus wenn man es sich ansieht, fast so wie ein Filmplakat oder so etwas. Das finde ich toll *lacht*

Du hast es nun schon erwähnt: Ihr habt einen neuen Mann an der Gitarre (Steve Smyth). Erzähl doch mal etwas über den Mann, wie er sich so in die Band eingefügt hat, und warum ihr euch für Ihn entschieden habt.

Nunja, ich bin mit Steve schon seit langem befreundet. Und, ich glaube das müsste vor zwei oder drei Jahren gewesen sein, hatten wir in Europa einige Shows zu spielen, aber keinen zweiten Gitarrenmann. Dann haben wir dafür Steve gefragt. Damals hatten wir dann so viel Spaß auf der Bühne, und unser Zusammenspiel war unglaublich, das wir ihn dann gefragt haben, ob er nicht einsteigen möchte. Du musst wissen, er ist ein super Kerl, und es macht unglaublich Spaß mit ihm auf Tour zu sein. Ich denke es hat eben einfach gedauert, bis der richtige Zeitpunkt für Nevermore kam ein fünftes Mitglied aufzunehmen. Wir hatten zwar schon ein paar andere Gitarristen in der Vergangenheit, aber diesmal sind wir uns sicher genau die richtige Person gefunden zu haben, und waren dementsprechend glücklich ihn nun definitiv als das letzte Mitglied von Nevermore vorstellen zu können.

Ich finde auch, dass er auf dem neuen Album einen tollen Job abgeliefert hat!

Ja, das mit Sicherheit. Er ist wirklich ein absolut unglaublicher Musiker.

Ihr habt am Wochenende am Bang Your Head Festival gespielt. Wie war das für euch, und vor allem wie habt ihr das ganze Unwetter mitbekommen?

Ja, Freitagnacht war da ja dieser Riesen Sturm, es gab irgendwie 40 Verletzte. Zum Glück ist nichts Schlimmeres passiert. Jedenfalls wurden auch Teile der PA lahm gelegt, was die Veranstalter natürlich vollkommen aus dem Zeitplan warf. Jeder Act musste dann seine Setlist kürzen. Wir sollten ursprünglich 45 Minuten spielen, konnten nun aber nur 20 oder eben vier Songs zocken. Und irgendwie hat dann auch nichts mehr funktioniert, vor allem die Amps haben endlos scheiße geklungen. Ich habe mich eingestöpselt und nichts hat funktioniert. Und dann kam schon der Roadie mit seinem „Would you please welcome from Seattle, Washington – NEVERMORE!“ und bei mir ging noch gar nichts *lacht*. Das sind eben Dinge für die man einfach nichts kann. Ich glaube den Leuten hat es trotzdem gefallen, obwohl sie und wohl gerne etwas länger gesehen haben. Aber diese Lösung hat schon gepasst.

Im Herbst kommt ihr nun auf Europatour. Freut ihr euch schon? Und was bietet ihr den europäischen Fans denn?

Natürlich freuen wir uns sehr darauf eine Headliner Tour durch Europa zu machen. Wir werden sicherlich einiges vom neuen Album promoten, dazu aber auch vieles aus dem Backkatalog spielen, das wir zuvor noch nie live dabei hatten. Die Tour geht von Ende September bis Mitte November wenn ich mich nicht irre. Diesmal sind auch viele Orte dabei, wo wir noch nie zu Gast waren, und deshalb steigt die Vorfreude natürlich noch mehr. Ich freue mich auch besonders wieder nach Deutschland zu kommen, denn hier haben wir sehr loyale und fantastische Fans, was uns sehr ehrt.

Überhaupt merkt man bei Nevermore irgendwie die Verbundenheit zu den Fans. Immerhin hast Du ja gesagt, dass ihr euch die Fanmails zu Herzen nehmt, und letztlich habt ihr „Enemies..“ ja auch aufgrund der Fans neu eingespielt.

Klar. Ohne unsere Fans hätten wir gar nichts erreicht. Wir hören natürlich darauf was sie sagen, denn schließlich sind sie es, die die Platten kaufen, sie sind es die uns unterstützen. Das ist uns allen verdammt wichtig, und deshalb handhaben wir das auch so.

So, danke, Jeff. Mit meinen Fragen war’s das dann. Fällt Dir noch was ein, was Du noch nie gefragt wurdest, aber schon immer mal beantworten wolltest?

Oh, Junge… hmm, nee, keine Ahnung *lacht* hmmm …. Na ja…. Nein. Mir fällt wirklich überhaupt nichts ein *lacht*.

Und dann noch ein bisschen Spaß gemacht, und bisschen privat geplaudert… Ich bin gespannt auf die Tour.
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