Kein Nebenprojekt, sondern die Erfüllung eines Lebenstraums


Interview mit Ahab
Doom Metal aus Deutschland - München
Nachdem die deutschen Newcomer AHAB mit ihrem beeindruckenden Erstlingswerk „The call of the wretched sea“ bei uns fette 9 Punkte abgesahnt hatten, war ein Interview mit dieser trostlos hoffnungsvollen Doom-Formation natürlich unausweichlich und nicht nur aus persönlichem Interesse eine ehrenvolle und angebrachte Aufgabe. Deshalb freut es mich besonders, dass sich Mastermind Daniel Droste, der für Gesang, Gitarre und Keyboards zuständig ist, höchstpersönlich die Mühe machte, die von uns übermittelten Fragen ausführlich und offensichtlich mit sehr viel Hingabe zu beantworten, wie es nun mal leider nicht immer der Fall ist. Aus welcher Richtung die frische Brise weht und wohin der Sturm euch Landratten treibt, könnt ihr im Folgenden erfahren.

Hi, schön dass ihr Zeit für ein paar Fragen habt und herzlichen Glückwunsch zu eurem neuen Album.

Wie seid ihr auf das Thema Moby Dick gekommen? War es ein gemeinsames Interesse, eine Art Eingebung aus Kindheitserinnerungen oder eher das Ergebnis der Suche eines Einzelnen nach etwas Außergewöhnlichem, wofür er den Rest der Crew begeistern konnte?

Als ich 2004 den ersten AHAB Song „The Stream“ schrieb, hatte ich kein lyrisches Konzept im Hinterkopf. Ich hatte zwar vor, mich mit nautischen Themen im Allgemeinen zu befassen, da ich von diesem Thema schon immer fasziniert war. Eine konkrete Ausrichtung fehlte mir jedoch. Chris hatte zur gleichen Zeit vor, ein Funeral Doom Projekt aufzuziehen, wusste jedoch nicht, dass ich bereits einen Song im Kasten hatte. Er hatte die Idee, ein Konzeptalbum über Melvilles „MOBY DICK“ zu schreiben. Ich war sofort angetan, ihm gefiel mein Song so, dass wir beschlossen, gemeinsam in See zu stechen.

Wie viel liegt euch speziell an der Person Ahabs, der ja immerhin als Namensgeber für die Band herhält? Haben dessen charakteristische und psychische Facetten Vorrang, oder geht es euch darum, die Geschichte als Ganzes zu vertonen?

Primär geht es natürlich um die Geschichte als Ganzes. Ziel war es, die verschiedenen Stimmungen des Buches einzufangen und diese so zu vertonen, wie wir sie, als wir die Novelle gelesen hatten, empfanden. Die von dir angesprochenen psychischen Facetten des Hauptcharakters Ahab spielen dabei natürlich eine wesentliche Rolle.

Was gab euch den Anreiz, neben euren weiteren musikalischen Beschäftigungen, beispielsweise bei Midnattsol, euer Glück im Funeral Doom zu suchen? Es ist offensichtlich, gerade wenn man eure Platte „erlebt“ hat, dass dieser Stil hervorragend zum Leitmotiv passt. Doch was war zuerst – die Begeisterung für Doom oder Moby Dick?

Die ersten Doom Scheiben, die den Weg in mein CD-Regal fanden, waren My Dying Brides „The Angel and The Dark River“ und Anathemas „Pentecost 3“. Das müsste 1994 gewesen sein, wenn ich mich recht erinnere. Mit der Geschichte des weißen Wals kam ich bereits in meiner Kindheit in Kontakt, als ich die erste „Moby Dick“ Verfilmung mit Gregory Peck als Ahab sah.
AHAB entstand, als ich und Chris feststellen mussten, dass wir musikalische Vorstellungen hatten, die wir bei Midnattsol nicht umsetzen konnten und wollten. Ich hatte damals mit Chris schon bei Penetralia zusammen gespielt und anschliessend in der Death-Grind Band Endzeit unseres Bassisten Stephan an der Gitarre mitgewirkt…..Nachdem sich Endzeit aufgelöst hatten, hatte ich zunächst die Schnauze voll von Death Metal und konzentrierte mich ganz auf Midnattsol, wo ich das erste Mal die Möglichkeit hatte, meine melodischen Vorstellungen umzusetzen. Da sowohl Chris als auch ich einen sehr breit gefächerten Musikgeschmack haben, war es, wie ich denke, nur eine Frage der Zeit, bis wir uns zu neuen Ufern aufmachen würden. Wir suchten nach etwas Brachialem, jenseits von Death- und Black Metal. Funeral Doom schien uns schließlich das geeignete Medium zu sein, unsere Vorstellungen verwirklichen zu können.

Wie verläuft in der Regel euer Songwriting-Prozess? Auf welche Aspekte achtet ihr besonders und wann ist ein Song dermaßen ausgereift, dass ihr selbst von selbigem begeistert seid? Insbesondere die Länge und die konstante Atmosphäre sollten eine Herausforderung darstellen.

Die Länge der Songs ergab sich ganz von selbst, darauf haben wir nicht konkret hingearbeitet, da dies dem Songmaterial nicht dienlich gewesen wäre. Die Atmosphäre und den Fluss der Platte aufrecht zu erhalten waren in der Tat eine Herausforderung. Da Stephan sein eigenes Studio hat und nur wenige Minuten von mir entfernt wohnt, konnten wir quasi immer direkt, wenn uns eine Idee kam, aufnehmen. Die Aufnahmen an sich waren daher auch recht schnell im Kasten. Das arrangieren der Songs, das Aussuchen der entsprechenden Reverb Effekte und der End-Mix waren da schon sehr viel zeitaufwendiger. Einerseits erwies es sich als Segen, ohne Zeitdruck im Studio mit nahezu unbegrenzten Möglichkeiten arbeiten zu können. Doch gerade diese Freiheit machte es uns wiederum auch schwierig, zu einem Ende zu kommen. Wir verbrachten Wochen mit listening sessions und hatten am Ende bestimmt fünf komplett verschiedene Mix-downs, zwischen denen es sich zu entscheiden galt.
In dieser Platte stecken so viel Zeit und Herzblut, und es war wirklich ein hartes Stück Arbeit, doch nun sind wir mit dem Resultat voll und ganz zufrieden und haben der Platte den Klang verliehen, der uns immer vorschwebte.

Entstanden eure bisher geschriebenen Songs eher aus dem Gefühl heraus oder sind sie das Produkt langer Tüfteleien, gemeinsamer Proben und ausgedehnter Versuche konstruierender Art?

Wie bereits erwähnt, hatten wir die Möglichkeit, jede Idee umgehend in gutem Sound festzuhalten. Jeder Song ist daher auch, ohne jemals geprobt zu haben, entstanden. Da Chris in München wohnt und wir zudem keinen festen Drummer in der Band haben, wären Bandproben nur schwer realisierbar gewesen. Die Songs bzw. einzelne Riffs oder Melodien entstanden grundsätzlich aus dem Bauch heraus. Das Soundgewand der Platte hingegen ist ein Resultat wochenlanger Experimente.

Wie stark orientiert ihr euch bei den Texten am ursprünglichen Werk Melvilles? Darüber hinaus wäre es interessant zu erfahren, ob zuerst Musik oder Lyrics entstanden sind.

Größtenteils zitieren wir Melville direkt. Eine Ausnahme stellen die Lyrics von “The Hunt“ dar, die Christian Hoffarth, Freund der Band und Sänger der Black Ambient Band BANN für uns schrieb.
Generell haben wir keine konkrete Vorgehensweise beim Schreiben unserer Songs. Es wurde natürlich primär Musik zu Melvilles Texten komponiert. Wir hatten jedoch auch Stücke, die bereits komplett in ihrer Struktur standen, und erst danach wurden passende Kapitel des Buches ergänzt. Da wir alle jedoch Melvilles Novelle bereits zuvor mehrmals gelesen hatten, diente die Grundstimmung des Buches zu jeder Zeit als Hauptquelle unserer Inspiration.

„The Call Of The Wretched Sea“ wird wohl jeder Hörer ohne Zweifel sofort als Konzeptalbum einstufen. War dies auch in eurem Sinne und wenn ja, warum verdient es diese Kategorisierung für euch persönlich?

„The Call Of The Wretched Sea“ ist auf jeden Fall als Konzeptalbum gedacht. Die Songs sind zwar nicht in chronologischer Reihenfolge auf unserer CD zusammengestellt, jedoch alle an Melvilles Novelle orientiert und daher thematisch in sich stimmig. Da es uns nicht primär darum ging, die Geschichte nachzuerzählen, sondern die bereits angesprochene Vertonung der Grundstimmung des Buches für uns im Vordergrund stand, haben wir auf eine chronologische Anpassung der Song Reihenfolge verzichtet. Wichtiger war es, dass der musikalische Fluss der Platte entstand, worin letztendlich die Platzierung der einzelnen Stücke der CD begründet liegt.

Ist das Album ausschließlich der Musik zuliebe entstanden, oder sind auch persönliche Anliegen enthalten? Um es etwas direkter auszudrücken: Alle Macht dem Thema oder sind eigenwillige Details eingeflochten?

Unser Hauptanliegen lag in erster Linie darin, unseren eigenen düsteren Soundtrack zu Melvilles Novelle zu verfassen, alle Stimmungen dieses sinistren Werks einzufangen und musikalisch umzusetzen.

Glaubt ihr, dass Melvilles Werk heutzutage die gleiche Aussagekraft besitzt und dass es die Menschen noch genauso beeindrucken und prägen kann, wie es beispielsweise bei mindestens einem von euch der Fall gewesen sein muss?

Auf jeden Fall. Melvilles Werk ist voller Symbolik und bietet dem Leser sehr viel Freiraum für Interpretationen der Charaktere und des Handlungsstrangs. Ahabs Kampf gegen den weißen Wal sind für mich Symbole für Gut und Böse, irdisch und überirdisch…den immerwährenden Kampf der Menscheit, sich die Natur zum Untertan zu machen.

Sowohl euer Debütalbum als auch die vorausgegangene EP „The Oath“ waren inhaltlich ausnahmslos rund um das Thema Moby Dick angesiedelt. Werdet ihr auch in Zukunft ausschließlich Moby Dick als Quelle der Inspiration nutzen, oder soll frischer Wind den Kurs beeinflussen?

Über zukünftige textliche Inhalte bei AHAB bestehen bisher noch keine Pläne. Es ist durchaus möglich, dass wir uns auf kommenden Veröffentlichungen anderen Themen widmen, andererseits wäre es auch denkbar, dass wir erneut auf Walfang gehen. Mit „The Call Of The Wretched Sea“ haben wir nur an der Oberfläche von Melvilles Werk gekratzt. Da dieses Buch eine immense Tiefe besitzt und dem Leser viel Raum für Interpretationen der Handlung und deren Charaktere bietet, denke ich, dass es nicht allzu schwer fallen dürfte, aus diesem Werk genügend Inspiration für weitere Veröffentlichungen zu ziehen

Die Liste eurer bisherigen, wenn auch erfolgreichen Live-Auftritte ist recht kurz, und es scheinen leider auch keine weiteren Shows geplant zu sein. Werden Auftritte, wie es bei Nebenprojekten unerfreulicherweise oft der Fall ist, eher eine Seltenheit bleiben?

AHAB ist für uns definitiv kein Nebenprojekt! Chris und ich sind im Moment wieder mit dem Songwriting für Midnattsol beschäftigt und planen ebenso im Dezember mit den Arbeiten für den Nachfolger von „The Call Of The Wretched Sea" zu beginnen. Sobald sich die Möglichkeit ergibt, werden wir wieder Live-Auftritte in Angriff nehmen.

Danke für die ausführlichen Antworten und viel Glück auf euren weiteren Überfahrten!
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