Ernsthafte Herumalberei


Interview mit War From A Harlots Mouth
Grindcore / Metalcore aus Deutschland - Berlin
Interview mit Simon (g.) von WAR FROM A HARLOTS MOUTH am 23.02.2008 in Zwickau im Alten Gasometer für die Radiosendung Mosh-Club auf Radio T in Chemnitz.
www.mosh-club.de.vu und www.radiot.de
Auf der Seite der Sendung könnt ihr euch das Interview auch als MP3 runterladen. In diesem Interview kommt ein paar mal ein altes Interview mit Simon und Steven von AFTER RISING SUN zum Gespräch; dieses könnt ihr euch auch auf www.mosh-club.de.vu runterladen.


Das ist eure erste Headliner Tour. Hättest du das vor einem Jahr gedacht?


Simon: Nee, nicht unbedingt. Nee, nee, nicht mal bedingt, ich muss mal kurz versuchen mich zurückzuversetzen in die Zeit.

Wir haben im Mai das Interview auf der Tour mit DYING FETUS gemacht.

Und vor einem Jahr waren wir gerade damit fertig die Platte aufzunehmen. Da wussten wir ja nicht, in welche Richtung es geht. Hätte sich ja überall hin entwickeln können. Ist auch ne coole Sache, die erste Headliner-Tour, das ist auch gleich die längste Tour. Bei DYING FETUS waren es 18 Dates, aber mit 3 Off-Days genau in der Mitte, die wir in Berlin verbringen konnten, was recht entspannend war.
Dieses Mal sind es 25 Tage, davon sind 22 Shows, einen Off-Day haben wir und einen Reisetag, weil wir 1400 km nach Spanien kacheln müssen. Dann kommt auch noch der Rückreisetag von Wien nach Berlin dazu. Das wird sicherlich auch noch eine Weile dauern. Das ist also unser längster Run.

Wie seid ihr unterwegs?

Komfortabler als auf der DYING FETUS Tour auf jeden Fall. Damals haben wir uns zu sechst in einen T5 mit langem Radstand gequetscht, mit ganzer Backline, Merchandise, Reisetaschen, Schlafsäcken und Isomatten. Ich weiß bis heute nicht, wie wir das da reinbekommen haben, dass war auf jeden Fall Mega-Tetris.
Dieses Mal ist es ein bisschen komfortabler. Die Briten [BURNING SKIES, bjg] übernehmen dieses Mal den Part im kleinen Bus. Wir haben einen Sprinter mit 9 Sitzen und sehr langem Radstand. Da ist sogar eine Playstation 2 drin, da kann man dann auch mal Filme gucken. Nicht dass man jetzt denkt, wir wären übelst reich. Der kostet auch nicht mehr als ohne diesen ganzen Schnick-Schnack. Es ist nur cool, wenn man es in so einer langen Zeit hat.

Wen habt ihr als Begleitung dabei? Ihr organisiert doch wieder fast alles selber, oder?

Es gibt schon eine Booking Agentur, aber wir haben keinen Tourmanager dabei. Das kriegt man eigentlich auch alleine auf die Reihe. Wir haben jetzt jemanden aus Münster dabei, der wird nicht die ganze Zeit dabei sein. Den kennen wir, weil er dort mal ein Konzert mit uns veranstaltet hat, und das ist ein cooler und lockerer Typ. Uns ist halt ein paar Tage vor Tourstart der eigentlich Begleiter abgesprungen, und ich habe bei meinem privaten MySpace ein Bulletin rausgeschickt, ob jemand Zeit hat, und er hat sich halt darauf zurückgemeldet. Er ist bis zum 2. März dabei. Dann sind wir drei Tage alleine unterwegs und sammeln dann auf dem Weg von Hamburg nach Cottbus unseren eigentlichen Mercher auf, der gerade mit CASTING OUT, dem BOY SETS FIRE Nachfolger, unterwegs ist. Dann fahren wir den restlichen Teil der Tour mit ihm.

Wie seid ihr darauf gekommen mit BURNING SKIES zu touren? Labelsache?

Nee, gar nicht, das Label hat zu der Wahl gar nicht dazu beigetragen. Es gab ein paar Bands zur Auswahl. Da waren DEVIL SOLD HIS SOUL im Gespräch, die auch erst interessiert waren, aber das hat sich dann einfach zerschlagen. Auf THE SECRET aus Italien hätten wir auch noch Bock drauf gehabt, hat aber auch nicht geklappt. BURNING SKIES war halt noch eine Möglichkeit, weil wir im letzten Sommer schon mit denen in UK touren sollten. Da mussten sie aber kurzfristig absagen, weil der Sänger Mumps bekommen hatte. Und dann hat es jetzt einfach geklappt und ist auch ganz praktisch, da sie bald ihre neue Platte herausbringen und sie die jetzt schon mal vorpromoten können. Und auf der Auftakt gestern in Leipzig hat auf jeden Fall allen Recht gegeben, dass es ein cooles Paket sein wird. Das wird schon Spaß machen.

Kanntet ihr sie vorher schon, habt ihr schon mal mit ihnen gespielt?

Gespielt nicht. Ich kannte ihre Platten und fand sie früher nicht so dolle gut, aber die letzte Platte hat mir sehr gut gefallen. Wie gesagt, wir kamen gar nicht so richtig selber auf die Idee. Irgendwann stand es schon mal im Raum, dass wir mit ihnen touren sollen. Das war halt einfach so ein Zufallsprodukt. Als ich den Vorschlag hörte, dachte ich, warum nicht, kann man ja machen.

Die ersten Tage einer Tour stehen ja meistens unter dem Motto sich beschnuppern.

Das ging schnell, die sind locker drauf, Penner wie wir. (lacht) Normalerweise ist das auf den ersten Tagen erst immer so ein bisschen verkrampft. Alle beschnuppern sich und sind ein bisschen schüchtern. Es ging gestern gut los. Wir haben viel gequatscht und heute ging es so weiter. Wir lachen über die selben flachen Witze. Das funktioniert gut.

Seit dem letzten Interview im Mai hat sich einiges bei euch getan, zwei Sachen stehen am meisten im Blickpunkt: „Transmetropolitan“ ist erschienen, und ihr habt einen neuen Sänger. Fangen wir mal chronologisch mit „Transmetropolitan“ an. Ist es mit dem Release alles so gelaufen, wie ihr es euch vorgestellt habt? Was hattet ihr euch vorher erwartet?

Schwer zu sagen, wir sind generell eine Band, die nicht mit so fixen Erwartungen an irgendwas herangeht. Wir machen eher drauf los und gucken, was dabei herauskommt. Die Platte sollte erst ein bisschen früher herauskommen. Das war dann so eine Geduldsprobe, weil wir die Platte im Februar aufgenommen hatten, und fast acht Monate später kam die Platte dann raus, dann sind die Songs natürlich nicht mehr neu und frisch.
Es gab auch während des Aufnahmeprozesses ein bisschen Probleme, weil unser Drummer dann Thrombose im Arm bekommen hat. Wir mussten dann in kurzer Zeit noch Songs ohne Drummer schreiben, auf der Gitarre halt anfangen Sachen zu machen, und als er dann halbwegs wieder Schlagzeug spielen konnte, war es dann schon zwei Wochen vor dem Studiotermin, und wir mussten die Songs noch zusammenschustern.
Das war schon alles unter extremen Bedingungen, aber im Endeffekt sind wir dann zufrieden mit dem Ergebnis. Gerade was Verkaufszahlen angeht, wussten wir gar nicht, was uns erwarten sollte und haben da auch keine konkreten Vorstellungen gehabt. Es läuft aber sehr gut, finde ich jedenfalls.
Man merkt vor allem den Unterschied, wenn man eine Band ist, deren Platte man nicht im Laden bekommen kann. Dann gibt es viele Leute, die von einem nie was mitbekommen, dann ist es eher auf die Szene beschränkt. Und sobald man eine CD im Laden hat, kommen auch jüngere Leute oder Leute, die mehr Metal hören und mal im Metal Hammer ein Review lesen. Da kommt dann noch mal ein „anderes“ Publikum, wenn man in der Presse Erwähnung findet. Mein Eindruck ist es, dass die Shows seitdem noch voller sind.

Haben sich Lifeforce Records denn geäußert? Sind die zufrieden?

Die sind genau wie wir zufrieden, da läuft alles super. Auch Lifeforce wusste ja nicht, was sie zu erwarten hatten, aber es ist bis jetzt für alle zufriedenstellend.

Ihr habt dann Ende des Jahres mit Nico einen neuen Sänger bekommen, der vorher bei THE OCEAN gesungen hat.

Singt auch immer noch und wird auch auf der nächsten Tour von THE OCEAN mit ROTTEN SOUND dabei sein. Im Mai gehen sie dann auch mit ihm in die USA.

Wie seid ihr auf ihn gekommen?

Ich hab ihn mal zufällig durch seine alte Band kennen gelernt. Ich hab mir ne CD von denen gekauft und bin dann ein paar Läden weiter in einen Klamottenladen mit einem Kumpel, weil der da rein wollte. Nico hat da gearbeitet und meinte: „Hey, auf der CD hab ich gesungen.“ So haben wir uns damals kennen gelernt und über mucke und so gequatscht. Über die Jahre haben wir uns dann wieder ein bisschen aus den Augen verloren, aber durch die Vorbereitungen für die Tour mit THE OCEAN sind wir wieder in Kontakt gekommen.
Steffen ist dann vor der Tour ausgestiegen, und ich hab aus Spaß Nico angeschrieben, ob er nicht Bock hat bei uns zu singen und seine erste Antwort war: „Ja, na klar.“ Dann ging es eigentlich alles recht schnell. Wir haben dann ein, zwei Proben gemacht und er ist dann mit THE OCEAN schon auf Tour gefahren, wir waren nur die Hälfte der Tour dabei. Für die Tour hatten wir eigentlich einen anderen Ersatzsänger, der musste aber leider absagen und wir standen zwei Wochen vor der Tour ohne Sänger da. Wir haben Nico angerufen und gefragt, ob er nicht jetzt schon singen will, da er ja sowieso bald fest in der Band ist, und da hat er sich alle Texte per CD und Booklet im Van beigebracht, während er mit THE OCEAN schon unterwegs war.
Wir sind dann in der Mitte der Tour dazugestoßen, und der erste Auftritt war ein Sprung ins kalte Wasser. Wir haben einfach gespielt. Das hat ganz gut funktioniert, war aber natürlich noch nicht alles optimal. Von Show zu Show wurde es dann besser, obwohl er ja auch jedes Mal zweimal singen musste, was ja nicht gerade einfach ist. Dann kam ja auch schon gleich danach die nächste Tour und es passte immer mehr. Das ist alles sehr cool und reibungslos verlaufen.

Warum habt ihr euch zum Wechsel des Sängers entschieden?

Haben wir gar nicht. Steffen ist ausgestiegen. Er hatte so seine Gründe. Sein Hauptgrund war wohl das Studium, sagte er jedenfalls. Und wie soll man da drauf reagieren? Das kann man nur akzeptieren.

Ihr seid nun in einem Jahr ziemlich durchgestartet.

Ja, äh, okay... (lacht verlegen)

Vor einem Jahr habt ihr die CD aufgenommen und jetzt macht ihr eine Headliner Tour

Ja, stimmt schon.

Ihr habt im Dezember in Chemnitz mit CALLEJON 200 bis 300 Leute gezogen.

Kann sein, wir tun uns da immer schwer Sachen einzuschätzen, aber es wäre natürlich auch untertrieben zu sagen, dass es nicht cool läuft. Es läuft natürlich cool und wir sind froh, dass wir das alles so mitnehmen können, aber es ist trotzdem für uns schwer einschätzen zu können, wie gut es tatsächlich läuft.

Meine Frage hätte jetzt darauf abgezielt, ob ihr euch persönlich verändert habt, aber man merkt ja schon, dass ihr das alles nicht fassen könnt und relativ auf dem Boden geblieben seid.

Wir sind alle extrem allergisch gegen Bands, die Rockstar Verhalten an den Tag legen. Da kriegen wir echt Pickel und schlimme Krankheiten, wenn sich Leute so krass aufführen. Selbst bandintern ist niemand dabei, der immer nur über sich selbst reden muss, was auch ganz cool ist, und wir sind da eher mehr so die Punker. Wenn wir Leute sehen, die so krass über die Stränge schlagen und sich aufführen, stößt das bei uns so sehr auf Ablehnung, dass wir selbst wohl nicht Gefahr laufen, da so abzudrehen. Wenn ich andere Bands sehe, die sich selbst so krass feiern, stößt mir das einfach auf, dass ich persönlich nie Gefahr laufen würde mich so zu verhalten. Warum auch? Da gibt es ja keinen Grund dafür, nur weil wir jetzt ein paar Konzerte mehr spielen können.
Im Endeffekt sitzt jeder noch in der gleichen Wohnung zu Hause, und keiner fährt Porsche. Wir verdienen damit auch nicht unseren Lebensunterhalt. Viele denken ja, das alles umsonst ist, wenn man auf einem Label ist. Das ist natürlich Schwachsinn. Ich werde z.B. von meiner Oma durchgebracht, von der Band kann keiner leben.
Wenn man zu jedem Konzert fliegen würde wie MADONNA, dann verliert man wahrscheinlich schnell den Boden unter den Füßen, aber wir sitzen immer noch alle zusammen in einer Karre, stinken, furzen, rülpsen und sind ungepflegte Assis.

Ich hab neulich einen Artikel über euch gelesen, der hört auf mit den Worten „ernsthafte Herumalberei“. Ich fand, das beschreibt euch ziemlich gut. Man kann mit dir, wir haben uns letztes Jahr dreimal getroffen, ernsthaft reden. Ihr albert ja aber auch noch ordentlich rum.

Auf jeden Fall, man kann schon echt sagen, dass das ganz gut den Punkt trifft. Wir nehmen uns auf jeden Fall nicht zu ernst. Das ist immer so ein Ding, das wirkt mehr gewollt als gekonnt. Das liegt nicht in unserem Bestreben uns so krass ernsthaft oder in irgendwelchen Klischees zu präsentieren. Überhaupt sich zu präsentieren, man ist ja nicht da um sich zu präsentieren, man macht einfach worauf man Bock hat und muss da nicht schauspielern. Wir sind nun mal alberne Typen und es gibt nichts Geileres als total flachen Humor am Start zu haben und den ganzen Tag nur dummes Zeug zu reden.
Allerdings nehmen wir die Musik natürlich schon ziemlich ernst und sinnlos anmutende Songtitel heißt nicht, dass der Inhalt sinnlos ist. Die Songtitel rühren eher daher, dass viele Bands krass abgedroschene Songtitel haben. Da liest du die und denkst dir, ob es ne Metalbibel gibt, wo diese ganzen Dinger drin stehen. Daher kommt es, dass wir auf ironische Weise oder mit schwarzem Humor und ein bisschen um die Ecke gedacht versuchen, den Inhalt eines Songs in einen eigenartigen Titel zu pressen. Der Inhalt der Songs ist auf jeden Fall ernsthaft, aber wer hat nicht gerne Spaß? Wir haben gerne Spaß, Alter. Dann kann das auch gerne auf die Musik übertragen werden, ohne dass der Inhalt darunter leiden müsste.
Uns liegt das schon am Herzen, dass die Leute kommen, weil sie die Musik direkt interessiert und vielleicht auch der Inhalt und nicht um ihre geilen neuen Frisuren und ihre 90€ Drop Dead Pullover vor ihren Freunden zu präsentieren. Aber ob das dann wirklich so ist, ist natürlich noch mal eine andere Frage. Wir verbiegen uns jedenfalls nicht irgendwem zu gefallen und können unser Ding durchziehen, und dazu gehört es auf jeden Fall ernsthaft zu sein und dazu gehört genauso krass sinnloses Zeug zu reden.

Ich persönlich würde jetzt einschätzen, dass mittlerweile auf Konzerten von „trendiger Gitarrenmusik“, wie du es im letzten Interview genannt hast, 50 Prozent der Leute nicht eine CD von euch im Regal haben. Wie gehst du damit um, wenn euch jetzt die Texte so wichtig sind?

Das ist ein zweischneidiges Schwert. Man ärgert sich da schon ein bisschen. Du kennst ja selbst last.fm, da wird ja mittlerweile angezeigt, wer welche Band hört. Und wenn ich dann gucke, wer hört uns gerade, gucke ich auf deren Profil und sehe meistens, dass sie die downgeloadete Version hören, denn derjenige, der sie damals hochgeladen hat, hat die Titel falsch benannt. Und an den falschen Titeln sehe ich, wer die Platte runtergeladen hat. Dann gucke ich ein bisschen weiter runter und sehe, dass wir in den Top-Listen übelst weit oben sind und dann denkt man sich schon: „Wenn ich eine Band so oft höre, warum kaufe ich dann die CD nicht?“ Das ist schon eine Frage, die man sich stellt.
Und wenn uns dann auch noch Leute über MySpace anschreiben: „Ey, schickt uns mal die Lyrics.“, dann schreib ich zurück: „Ey, kauft euch die CD, da stehen sie drin.“ Ich würde niemanden die Lyrics geben, obwohl sie mir am Herzen liegen, denn er kann sie haben, indem er sich einfach die CD besorgt. Wenn Leute die Mucke runterladen kann man nichts dagegen machen und wenigstens hören sie den Kram, und kommen dann vielleicht zu den Shows und holen sich dann eine CD. Aber mit den heruntergeladenen Sachen kann man nur einen Teil davon transportieren. Die Lyrics leiden natürlich darunter.

Du hast schon fast alles angesprochen, was die nächste Frage beinhaltet. Du hast last.fm erwähnt, unsere Zweitlieblings-Musikplattform. Die erste ist natürlich MySpace.

Offiziell natürlich ja, ich mag last.fm aber ein bisschen mehr, weil es da nur um Musik geht. Da hat niemand Platz sich selbst darzustellen oder sehr wenig. Da gibt es keine Fotogalerien.

Worauf ich hinaus will, zum gestrigen Konzert in Leipzig hat jemand geschrieben: „Beste Band in Deutschland, die wir momentan haben.“ Wie geht ihr mit solchen Kommentaren um? Bei MySpace hat euch mal jemand reingeschrieben, das ihr ihn beeinflusst habt.

Gerade zu dem Zeitpunkt, wo dieser Typ reingeschrieben hat, dass wir sein Gitarrenspiel maßgeblich geprägt haben, ist unser Album nicht mal draußen gewesen, und es gab von uns eine Split-CD, die im Handel nicht erhältlich war, sondern nur auf Konzerten verkauft wurde. Uns gab es zu dem Zeitpunkt auch erst seit 1,5 Jahren. Ich weiß ja nicht, wie weit sein Gitarrenspiel war, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass wir mit der kurzen Lebensdauer unserer Band sein Gitarrenspiel so maßgeblich geprägt haben. Klar, ist es cool, wenn man so was hört, aber ich kann mich da auch schlecht reinversetzen. Wir sind erst so kurz am Start, da können wir noch niemanden so großartig beeinflusst haben. Ich weiß auch nicht.
Überhaupt kann ich mit solchen Sachen ganz schlecht umgehen und versuche dem auch immer aus dem Weg zu gehen, weil ich echt nicht weiß, was ich dazu sagen soll. Ich unterhalte mich ja gerne über Musik, und ich unterhalte mich ja gerne über unsere Musik, aber wenn Leute auf diese Art und Weise sagen, dass sie das geil finden, dann weiß ich nicht, was ich dazu sagen soll, da ich mich da schwer reinversetzen kann.

Du hattest ja schon oft die negativen Seiten des Internets angesprochen, auch mit „Fighting Wars With Keyboards“. Ist diese Arschkriecherei, wie ich es nennen würde, auch eine dieser negativen Seiten? Oder eher eine Gefahr für junge Musiker da tierisch abzuheben

Es ist eh so ein Phänomen, dass junge Leute, sobald sie das erste Mal auf einer Bühne im Jugendclub ihrer Wahl standen und drei Mädels dazu kreischen, da schon krass abheben. Also ich kenne von früher, als ich angefangen habe Musik zu machen, Leute in meinem Alter, die sich nach ihrem ersten Konzert aufgeführt haben, wie man es nur im Metal Hammer über Glenn Danzig gelesen hat. Leute, die Musik machen, laufen generell Gefahr abzuheben, weil sie auf der Bühne stehen und sie beklatscht werden. Sobald der erste klatscht denken sie, dass sie die geilsten Typen überhaupt sind. Das ist nicht auf das Internet beschränkt, das ist einfach so ein Ego-Ding. Wenn Leute darüber ihr Ego definieren, weil sie sonst nicht so viel haben, worauf sie stolz sein können und sich darauf selbst beschränken, dann ist das schon ein bisschen traurig. Aber ob uns das jemand bei MySpace schreibt oder auf einem Konzert sagt, ist kein Unterschied. Es kommt auf die Person an, bei der es ankommt, und auf welchem Weg es ankommt, ist eigentlich egal. Da hat das Internet eher andere Schwachpunkte, die mehr ins Gewicht fallen.

Themenwechsel: Du hast es in Interviews schon oft angesprochen. Warum magst du Berlin nicht?

Ich mag an Berlin nicht, dass es relativ dreckig ist. Ich bin eigentlich ein relativ bequemer Typ, und ich hab es eigentlich ganz gern, wenn ich wo bin, wo es schön ist. Das trifft auf Berlin halt nicht zu. Ich hab da Blut geleckt, weil ich eine Zeit öfters mal in Wien war und Wien eine ziemlich schöne Stadt ist. Ich bin niemand, der so ein krasses Nachtleben braucht. Das interessiert mich alles nicht so ziemlich dolle. Und ich mag Berlin in erster Linie nicht, weil es nicht so besonders schön ist und alles hektisch, und es ist einfach nicht meine Stadt. Ich lebe da, seitdem ich geboren bin und hab einfach genug.
Wenn das alles mit der Musik irgendwann mal vorbei ist, dann werde ich sicherlich der Stadt den Rücken kehren und zusehen, dass ich irgendwo hinkomme, wo die Luft gut ist und man auf Berge oder das Meer guckt. Das hätte für mich mehr Lebensqualität als in einer Großstadt zu leben, obwohl es dann auf Dauer auch irgendwann langweilig werden kann. Aber dann kann man ja wieder zurückziehen in eine große Stadt. Aber es gibt einfach Großstädte, die schöner sind, und auch Landschaftsstriche, die schöner sind, und das würde mir im Moment einfach besser gefallen.

Ist das irgendwie komisch, dass Leute aus der Großstadt raus wollen und Leute vom Dorf eher in eine Stadt wollen? Ihr habt ja auch zwei Leute aus den Randbezirken von Berlin in der Band, denen es jetzt in Berlin gefällt.

Das ist wahrscheinlich das Phänomen des Tapetenwechsels. Man wird halt auch nicht jünger. Durch andere Ort, die man sieht und kennen lernt, entwickelt sich halt das Bedürfnis sich mal anderen Plätzen und Eindrücken auszusetzen. Das ist bei mir halt der Fall und bei denen anderen genau andersrum, die in einer Kleinstadt aufgewachsen sind. Ich denke, das ist ein natürliches Phänomen. Es gibt auch Leute, die sich ihr ganzes Leben am selben Ort wohl fühlen.

Was liegt denn dieses Jahr noch bei euch an? Zwei Konzerte in Russland sind geplant und eine US-Tour ist in grober Planung.

Russland steht auf jeden Fall. Da sind wir im April für zwei Shows mit PARKWAY DRIVE. Da bin ich gespannt, weil wir auch viel Feedback aus Russland bekommen, speziell auch zu den beiden Konzerten. Und ich denke, dass PARKWAY DRIVE auch viele Leute ziehen werden und dass das gute Shows werden.
Außerdem, ich war noch nie in Russland und wäre sonst auch nicht so schnell dahin gekommen. Ich werde das erste Mal in meinem Leben eine Stadt wie Moskau sehen, das ist schon eine geile Nummer. Das ist auch so was, dass sich vor einem Jahr niemand erträumt hätte.
Und die USA sind ein großer Traum von uns. Ich hatte zwar vorhin gesagt, wir lassen immer alles auf uns zukommen. Es gibt natürlich schon so ein paar Wünsche und Ziele, die man gerne mal erreichen würde. Und in den USA zu touren ist ein so ein Ding, was wir gerne machen wollen. Da verkauft sich die CD auch besser als in Europa, gibt auch mehr Leute da und die CD-Kauf-Mentalität ist auch eine andere als hier.

Die CDs sind auch billiger

Die CDs sind billiger und die Strafen für illegale Musikbeschaffung sind dort erheblich höher. Da kann man dann mal 50.000 $ zahlen und hier sind es dann mal 3.000 €, das ist schon ein Unterschied.
Die CD läuft cool da drüben, und wir kriegen nach wie vor sehr viel Feedback von dort und deswegen macht es bestimmt auch Sinn, dahin zu gehen. Ich war auch privat noch nie in den USA und das wäre schon eine coole Sache, wenn es dieses Jahr klappen würde, möglichst in dem Zeitpunkt, den wir uns gerade dafür blocken. Es gibt zwei vage Möglichkeiten, in die es sich gerade entwickelt, und ich denke mal, wenn diese Tour vorbei ist, werden wir ein bisschen mehr Bescheid wissen. Wir werden dabei auch von dem USA-Büro von Lifeforce unterstützt, das versucht für uns da ein bisschen was klarzumachen und Mailouts gestartet hat mit unserer bisherigen Tourhistory und dem Zeitraum. Da können wir nur hoffen, dass da was passiert. Es drücken alle die Daumen.

Russland ist dann ja schon in konkreterer Planung. Wie seid ihr da unterwegs? Mit einem Auto?

Nee, das ist auf jeden Fall verrückt. Der Veranstalter scheint auf jeden Fall Geld zu haben. Der lässt uns und PARKWAY DRIVE einfliegen. Dann spielen wir erst mal in St. Petersburg, steigen dort nachts in einem Zug und fahren mit dem Zug bis nach Moskau. In Moskau kommen wir dann morgens gegen 9 Uhr an und haben dann den ganzen Tag um Sightseeing zu machen und am nächsten Tag ist dann das Konzert.
Ich bin auf jeden Fall aufgeregt, wie das da dann ablaufen wird und kenne Russland auch nur aus Filmen, wo es immer das böse Land war, das gegen die Amerikaner gekämpft hat. Ich denke, das wird alles schon ein bisschen moderner und weltlicher sein. Das ist alles schon recht komfortabel und die Flüge müssen wir zum Glück nicht selbst bezahlen. Das hätten wir uns auch gar nicht leisten können. Das ist auf jeden Fall cool.

Dann sind wir jetzt mit dem Interview auch durch. Du kennst das Prozedere. Zum Abschluss darfst du dir ein Lied für die Radiosendung wünschen.

Oh, ich darf mir ein Lied wünschen? Das ist ja immer nicht so ganz einfach. Letztes Mal hat es schon ewig gedauert.

Sechs, sieben Minuten. Ihr wolltet erst Klassik haben.

Stimmt, dann amerikanischen Hip Hop. Wo wir vorhin schon das Thema Crust hatten. Es ist zwar jetzt keine reinrassige Crust-Band: einen Song von CURSED, auf dem Album „One“, der Opener heißt „Polygraph“.
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