Shameless Rock'n'Roll


Interview mit Kvelertak
Black Metal / Rock'n'Roll / Punk aus Norwegen - Stavanger
„Double facepalm“ denke ich nur, während der Tourmanager mir erzählt, dass Erlend (Hjelvik, der Sänger) sich noch was zwischen die Kauleisten schiebt. Da überfährt man drei rote Ampeln, um stilecht fünf Minuten zu spät zur Audienz zu erscheinen und scheucht dann auch noch den Wikingerhäuptling persönlich vom Esstisch auf. Entsprechend verdattert reagiere ich, als mich eben jener zwei Minuten später mit entwaffnender Unkompliziertheit begrüßt. „Indisch“ lautet dann auch gleich die erste Antwort im Laufe des folgenden Interviews. „Die anderen Jungs essen meist erst nach der Show, aber ich hatte nach der langen Fahrt jetzt schon ziemlichen Kohldampf.“ Die lange Fahrt resultiert aus der Tatsache, dass die Band auf dem Rückweg von der Insel noch einen kurzen Abstecher nach Paris getätigt hat. „Bisher läuft die Tour überwältigend“, freut sich der tätowierte Norweger, dem man bisher in keiner Form ansieht, dass er sich in ca. vier Stunden auf einen wahren Berserkergang begeben wird.
Natürlich gibt es zur Tour auch einen gebührenden Anlass: „Meir“, zu Deutsch „mehr“, heißt dieser und hält in 50 Minuten einiges an Überraschungen bereit. Der Aufforderung, KVELERTAK in nur drei Worten zu beschreiben, wird wie aus der Pistole geschossen nachgekommen: „Shameless Rock'n'Roll!“ Passt!

Yngwie Malsteen prägte einst die folgenden Sätze: „How can less be more? More is more!“ Aber die Frage lautet: Wieviel mehr KVELERTAK dürfen wir denn auf „Meir“ erwarten? Erlend schmunzelt zunächst und gibt dann zu Protokoll: „Der Satz entspricht genau unserer Denkweise! Mehr von Allem: Mehr Heavyness, noch griffigere Hooks und vor allem noch mehr Rock-Vibe!“ Dem kann man nur beipflichten. Auch diesmal gibt es wieder die norwegische Vollbedienung auf allen Ebenen, sei es der fast schon majestätische Elan von TURBONEGRO oder die typische nordische Raserei. Da verwundert es auch nicht, wenn bei den Dreh- und Angelpunkten alles beim Alten geblieben ist: „Das erneute Zurückgreifen auf Kurt Ballou (Produzent, CONVERGE) und Jon Dyer Baizley (Artwork, BARONESS) hat sich auf ganz natürliche Weise ergeben, da wir mit ihrer Arbeit sehr zufrieden waren. Allerdings möchte ich nicht ausschließen, dass wir bei unserem dritten Album etwas anderes ausprobieren könnten, aber es ist natürlich noch zu früh, über so etwas zu sprechen.“

Selbstverständlich erfordert ein Meisterwerk wie „Meir“ auch eine Inspirationsquelle, die laut Erlend „diesmal hauptsächlich bei Bands wie BLUE ÖYSTER CULT, MONSTER MAGNET und einigen Black Metal Acts lag. Allerdings lasse ich mich auch von alten Horrorfilmen oder Dokumentationen inspirieren.“ Besonders findige Fanboys werden vielleicht auch schon mal den Namen VESTLANDSFANDEN irgendwo gelesen haben. Bei einer YouTube-Suche erscheint jedenfalls auf der ersten Seite ein Song namens “Brenn alle Bruer“. Eine Split-7“ der beiden Bands wäre da doch naheliegend. Bevor er jedoch zu einem kleinen Exkurs in seine musikalische Früherziehung ausholt, muss Erlend zunächst schallend loslachen: „Stimmt, ich habe allerdings erst später davon erfahren, dass sie einen Song mit diesem Titel aufgenommen haben. Der Einfluss sitzt offensichtlich sehr tief in meinem Unterbewusstsein. VESTLANDSFANDEN sind eine großartige Band, die ich gehört habe, als ich auf dem Land aufgewachsen bin. Derartige Gruppen waren ständig auf den Dorffesten zugegen. Eine Split mit unseren beiden Tracks wäre sicherlich interessant!“

Aber springen wir von der Vergangenheit wieder in die Gegenwart. Und die heißt schlicht und einfach: Roadrunner. „Bisher kann ich noch nicht allzu viel zum Labelwechsel sagen, da die CD ja auch erst in einer Woche offiziell veröffentlicht wird. Aber man merkt schon, dass wir uns in einem wesentlich professionelleren Umfeld befinden.“ Auch auf die Frage nach dem derzeit allseits beliebten Thema Filesharing und dem Vinyl-Hype bekomme ich eine sehr ehrliche Antwort: „Ich habe nichts gegen Filesharing, ich lade mir selbst auch Sachen runter. Es ist einfach die Realität. Das wichtigste für uns ist, dass die Leute irgendwie unsere Musik hören, dann zu den Shows kommen und mit uns Spaß haben. Wie sie letztlich an das Zeug rankommen, ist uns egal. Ich selbst finde Vinyl super, CD's habe ich nur im Auto.“

Nach einer kurzen Photosession mit Axt und Schwert (wie es sich für einen brandschatzenden Wikinger gehört!), zieht Erlend sich wieder auf sein Drachenboot zurück. Zurück bleibt der Eindruck eines absolut bodenständigen Sympathiebolzens, dem man definitiv den ganz großen Erfolg gönnt.

Die folgende Show liefert dann auch den Beweis, dass Roadrunner sich mit KVELERTAK eine Ausnahmeband erster Güte ins Roster geholt haben. Gute 75 Minuten lang prügeln und solieren sich die sechs Halunken durch 14 Songs, die eine gute Schnittmenge der beiden Alben abgeben. Gewagt ist sicherlich der Einstieg mit einem neuen Track, aber das ultraeingängige „Spring Fra Livet“ bringt die komplett ausverkaufte Hütte sofort zum kochen. Eben noch entspannt in sich ruhender Interviewpartner, gibt Erlend jetzt des Teufels Zeremonienmeister persönlich: Immer wieder stachelt er den Pit zu neuen Mosh-Abenteuern an und die Meute frisst ihm aus der Hand. Die Heilige Dreifaltigkeit an Gitarrenwand weiß trotz miserablem Sound ebenfalls zu überzeugen, was abermals bestätigt, welchen Status sich die Band in den letzten zwei Jahren schon erarbeitet hat. Lediglich die bereits erwähnte Professionalität verhindert letztlich, dass der Zugabenblock noch in die Länge gezogen wird. Pünktlich um 22:00 Uhr ist Schicht im Schacht, der Mob grölt noch ein letztes Mal „We want more!“ und bereitet sich darauf vor, den Merch-Stand zu überrennen. Bleibt abschließend zu sagen: Shameless Rock'n'Roll - so, und nicht anders, muss das!

Wir bedanken uns für den Text bei Gastautor Captain Chaos und für die Fotos bei Mumpi Künster von Monsterpics!
-