Du bist ein Sklave der Dinge, die du magst
Interview mit Gama Bomb
Thrash Metal aus Großbritannien - Newry, Nordirland
Thrash Metal aus Großbritannien - Newry, Nordirland
Weil ein echter Thrasher seine Energie für Konzerte und die anschließenden Gelage braucht, tappst Sänger Philly Byrne trotz der frühabendlichen Uhrzeit noch etwas verschlafen aus dem oberen Stockwerk des Tourbus zu mir an den Tisch. Im folgenden halbstündigen Gespräch wird er dann aber schnell wach, auch bei weniger schönen Themen wie seiner letztjährigen Stimmband-OP, deren Nachwirkungen man Phillys Sprechstimme immer noch deutlich anhört, und erst Recht, wenn es darum geht, wie viel Geektum denn jetzt wirklich in GAMA BOMB steckt.
Mit dem neuen Album seid ihr aus dem Weltraum auf die Erde zurückgekehrt.
Hehe, ja, so kann man das wohl sagen. Teile von unseren Hirnen sind aber wohl noch da oben.
Wie beurteilst du aus heutiger Sicht die Aktion, dass ihr „Tales From The Grave In Space“ einige Monate vor dem physischen Release als kostenlosen Download angeboten habt?
Ich bin wirklich stolz auf die Aktion. Es war eine lehrreiche Erfahrung, wir haben eine Menge daraus gelernt und ebenso davon profitiert. Es hat uns ermöglicht, in Teilen der Welt zu touren, wo es unsere Musik nicht zu kaufen gab. Außerdem haben wir damit eine Menge Wohlwollen bei unseren Fans und den Leuten, die über die Band sprechen, aufgebaut.
Außerdem hat es uns gelehrt, dass einige Sachen gut laufen und andere nicht. Bei den Fans ist es sehr gut angekommen, aber die Industrie hat in weiten Teilen ihre Reihen uns gegenüber geschlossen. Das hat mir viel über die Beschaffenheit der Industrie verraten. Aber glaub nicht, dass wir deshalb unsere Begeisterung für kostenlose Inhalte oder das Teilen davon über Bord werfen.
Ich würde auch sagen, dass meine persönliche Meinung sich seitdem entwickelt hat. Es ist immer noch etwas, an dem ich sehr interessiert bin und was wir selbst die ganze Zeit machen. Ja, ich bin stolz auf die Aktion mit dem kostenlosen Download, weil wir damit ein Stück Geschichte geschrieben haben und wir haben das auch beim neuen Album beibehalten, indem wir eine Single kostenlos verteilen. Es ist uns wichtig, damit zu experimentieren, wie die Musik zu den Leuten kommt.
(Mit dem Stück Geschichte meint Philly, dass sie (mutmaßlich) als erste gesignte Band überhaupt ein Album zum kostenlosen Download angeboten haben.)
Hat sich die Aktion auch auf die Verkäufe niedergeschlagen? Es lagen immerhin ein paar Monate zwischen dem Start des Downloads und der physischen Veröffentlichung.
Ja, wir haben „Citizen Brain“, das Album vor „Tales From The Grave In Space“, das es nur in physischer Form gibt, komplett ausverkauft. Der Download hat also dazu geführt, dass wir etwas ausverkauft haben, das nur in physischer Form vorlag. Und meinem Dafürhalten nach haben wir damit bewiesen, dass das System funktioniert.
(Etwas lückenhaft ist diese Argumentation natürlich schon, auch weil Philly nichts zu den Zahlen des „freien“ Albums sagt.)
Earache Records (das damalige Label der Band) haben aber wohl kalte Füße bekommen, als einige Onlinehändler und Ladenketten deshalb mit den Säbeln gerasselt haben, weil es ihr Geschäftsmodell untergräbt. Ich kann verstehen, warum sie das gemacht haben, und kann ihnen das nicht vorwerfen, weil sie eben einen Betrieb zu führen haben. Das hat den Spieß für uns ein bisschen umgedreht, aber sowas passiert nun mal. Wir haben meiner Meinung nach gezeigt, dass es funktioniert, es war das erste Mal, dass jemand das so gemacht hat und ich bin stolz darauf. Nimm das, METALLICA!
Hat es auch eure Erwartungen für „The Terror Tapes“ beeinflusst?
Wir haben für das Album einen neuen Deal (bei AFM Records)unterschrieben und arbeiten mit einem neuen Team zusammen, das auf seine eigene Art arbeitet, deshalb haben wir natürlich nicht gedacht, dass wir die Aktion duplizieren können. Es wäre auch nicht fair gewesen, eine Geschäftsbeziehung mit neuen Leuten einzugehen, die auch essen müssen, und zu sagen: Hey, gebt das mal kostenlos raus.
Aber was die Erwartungen angeht, wie das Album aufgenommen wird, wie viele Leute es sich anhören werden und wo wir überall Shows spielen können… Ja, schon, aber ich würde nicht Erwartungen sagen, weil wir jetzt in einer größeren Welt leben. Wir haben uns mit „Tales From The Grave In Space“ selbst eine größere Welt geschaffen und sind davon ausgegangen, wieder dort leben zu können, was glücklicherweise auch so ist. Wir werden wieder quer über den Globus reisen. Und am Ende erwarten wir vor allem von uns selbst viel.
Also zahlt es sich auf jeden Fall noch aus.
Ja, definitiv. Selbst wenn ich keine Musik mehr machen würde, könnte ich immer noch über mich erzählen, dass das unsere Idee war und wir sie zu einem Erfolg gemacht haben. Das wird sich immer auszahlen.
Soweit ich weiß, habt ihr mit dem Vorsatz angefangen, wie MEGADETH zu klingen.
NUCLEAR ASSAULT und MEGADETH, ja.
Wie wird aus einer Band, die wie MEGADETH klingen will, eine Mixtur von OVERKILL und MUNICIPAL WASTE oder TOXIC HOLOCAUST?
Also, wir orientieren uns auf jeden Fall nicht an TOXIC HOLOCAUST oder MUNICIPAL WASTE, weil es uns genauso lange gibt wie diese Bands. Jedes Mal, wenn ich in einem Review lese, dass wir von MUNICIPAL WASTE beeinflusst wären, denke ich immer nur: „Fuck off!“
Aber man kann euch und sie doch als vergleichbar bezeichnen.
Vom Klang, ja, wir klingen wie sie, was wohl einfach ein glücklicher Zufall ist.
Es ist ein langer Prozess. Als wir die Band gestartet haben, war alles, was wir wollten, NUCLEAR ASSAULT und MEGADETH zu kopieren. Wir konnten nicht gut genug spielen, um MEGADETH zu sein, und wir konnten nicht gut genug spielen, um NUCLEAR ASSAULT zu sein, also haben wir unser eigenes Ding gemacht.
Die OVERKILL Note und auch die THIN LIZZY-Hard Rock Attitüde, die wir mittlerweile haben dagegen… Mit der „Tales From The Grave In Space“ sind wir viel mit OVERKILL getourt, auch in den Staaten, und ihren Einfluss auf uns kann man gar nicht überschätzen. Sie waren sehr sehr wichtig. Einfach nur, dass wir sie viel mehr gehört haben und ihre Einstellung mehr zu schätzen lernten - THIN LIZZY haben wir natürlich schon immer gehört. Das kam dann einfach zusammen. Wir wollten Musik mit mehr Haltung statt mit mehr Fantasie machen. Das passiert in Babyschritten und ist eine Evolution, obwohl sich die Musik am Ende exakt genauso anhört, haha!
Es fällt einem nicht auf, während es passiert, sondern erst danach?
Naja, wir waren uns bewusst, dass wir Songs schreiben, die etwas mehr in Richtung OVERKILL gehen. Nach meiner Stimmoperation oder, ich weiß nicht, vielleicht auch, weil ich älter geworden bin, klingt meine Stimme mehr nach der von Bobby Blitz. Vielleicht habe ich auch einige seiner Moves gestohlen. Beides geschah zur gleichen Zeit: Ich hörte mich immer mehr wie Bobby Blitz an und je mehr wir mit OVERKILL tourten, desto mehr wollten wir von ihrer Haltung inspirierte Musik machen. Wir klauen keine Riffs von ihnen, nur Moves oder…
Wir waren uns all dessen die ganze Zeit bewusst. Wir haben sogar zueinander gesagt, dass wir ein Album wie THIN LIZZYs „Fighting“ aufnehmen wollen, ein von der Straße beeinflusstes Album mit Haltung. Am Ende ist es das meiner Meinung nach nicht ganz geworden, eher ein Hybrid aus der Idee und dem Absurden von „Tales From The Grave In Space“. Aber ich bin glücklich damit, wie es geworden ist, denn es hätte auch ein Desaster werden können. Wir hätten einen Song wie „Fighting“ haben können und als nächstes irgendwelchen experimentellen Nonsens.
Und es gibt eine Menge Bands, die schlechtere Einflüsse gewesen wären.
Liegt es an deiner Operation, dass du nicht mehr so schrill singst?
Ja, das ist ein Teil meiner Stimme, der noch nicht zurückgekommen ist. Nach der OP musste ich praktisch von Grund auf neu beginnen. Zuerst war ich bei einem Sprachtherapeuten, um wieder eine gesunde Sprachstimme zu bekommen. Danach bin ich zu einer Gesangslehrerin, der großartigen Joan O’Malley. Sie hat mir das Singen nochmal ganz von vorne beigebracht. Es dauert insgesamt etwa zwei Jahre, nach dieser Art Operation zurückzukommen, wenn dir das überhaupt gelingt.
Das klingt angsteinflößend.
Das war es zu der Zeit auch, deshalb fühlt es sich gut an, auf dieser Seite davon zu sein, weil es auf dieser Seite nur zu gewinnen gibt, während es davor einzig um Verlust ging. Es dauert einige Zeit, bis die Stimme wieder vernünftig zurückgekehrt ist, aber ich fühle mich wohl an diesem Ort, wo ich zwar weiterhin an der Stimme arbeiten muss und sie nicht perfekt ist, doch bereits Gutes daraus entstanden ist. Ich finde es positiv, wie meine Stimme sich verändert hat, und ich habe keine Angst davor, wenn das Schrille nicht wiederkommt.
Wir waren uns dessen bewusst, als wir das Album gemacht haben, und obwohl auch die Leute von unserem neuen Label mich immer unterstützt haben, gab es diese Ungewissheit, wie die Fans reagieren würden. „Wir haben dich wegen dieser Aaaahs und der Screams gemocht, jetzt sind sie nicht mehr da.“ Es fühlt sich wie ein Wunder an, dass die Leute so viel Zuspruch äußern. Ihnen gefällt, was wir machen, und sie sind nicht zu negativ. Mit der Zeit ändern sich Sachen eben. Wir verändern uns sicher nicht, bloß weil wir gesigned wurden oder bevor wir Lieder schreiben. Es ist nur ein kleiner Teil, und das ist in Ordnung, denke ich. Für mich ist es eine große Erleichterung.
Zufällig habe ich mich eben noch mit jemandem vor der Tür unterhalten, der deine Screams immer geliebt hat, während ich deinen Gesang auf dem neuen Album bevorzuge. Es war mir vorher insgesamt etwas zu over the top.
Das sehe ich auch so. Ich habe das auch in deinem Review gelesen und kann dir nur zustimmen. Wenn ich mir jetzt unsere alten Sachen anhöre, während ich daran arbeite, meine Stimme zurückzuerhalten, denke ich oft: Oh Gott, ich könnte das jetzt so viel besser machen. Ich ertappe mich dabei zu denken, hier hättest du etwas behutsamer vorgehen können, dort hättest du nicht so verrückt werden müssen… Ich bin stolz darauf und würde nichts an den Sachen ändern, die wir gemacht haben, aber auf der „Tales From The Grave In Space“ habe ich mich dermaßen aufgespielt. Es ist der Klang einer Band, die angeben will. Wir haben zu jeder Zeit alles möglichst überdreht gemacht, auch bei den Vocals. Wir haben die beklopptesten, comichaftesten oder aggressivsten Aufnahmen der Vocals genommen und sie zusammengeschustert. Auf dem Album sind Sachen, die man im realen Leben nicht reproduzieren kann. Lieder, die man nicht singen KANN, weil sie aus den extremsten Ausschnitten zusammengestellt wurden.
Auf diesem Album ist es konsistenter, realer und es zeigt mich mehr als den Sänger, der ich bin. Aber ok, es macht schon Spaß, die alten „Volle Kanne“-Sachen zu hören. Es ist comichhafter, als ich heute befriedigend finde. Ich habe lieber eine Gesangsstimme, wegen der ich mich keiner verdammten Operation unterziehen lassen muss. Das ziehe ich einer Stimme vor, mit der ich Jeff Buckley singen konnte, wenn ich wollte, was ich heute nicht mehr kann. Wenn irgendjemand weiß, wie man alles schadlos verbinden kann, soll er mich anrufen, aber das sind die Karten, die mir ausgeteilt wurden, und ich finde, dass wir uns gut schlagen mit den uns ausgeteilten Karten.
Obwohl es auf dem neuen Album auch noch einige Verrücktheiten gibt wie die fast schon sprechende Gitarre in „Backwards Bible“ oder die Robocop Stimme. Siehst du die Gefahr, zu viele Verrücktheiten auf ein Album zu packen?
Die gibt es auf jeden Fall. Das passiert manchmal und die Wahrnehmung unserer Band wird auch in Reviews hin und wieder reduziert auf „Die verdrehten irischen Irren“. Das ist ok und es wird auch über SLAYER immer heißen, als dass sie böse sind, aber du musst dein Image eben auch im Auge behalten. Das machen wir.
Bei diesem Album haben wir nicht gesagt, „Weniger Gags, weniger Gags!“, sondern es ging darum, ein solides Metalfundament zwischen Attitüde und Musik zu finden. Statt das Album mit himmelschreienden Jokes vollzupacken, ging es eher darum, wie absurd wir werden können. Das Absurde hat in meinen Augen die Scherzhaftigkeit abgelöst auf diesem Album. Aber das ist gut, ich mag das Absurde, das Aberwitzige, über das wir Lieder schreiben, und Wörter zu verwenden, die man eigentlich nicht verwenden kann. Wie „Quiche““. Wie sollte jemals jemand ein Lied mit dem Wort „Quiche“ schreiben? Das macht mir Spaß. Wenn du in einer Leonard Cohen-Welt lebst, ja, dann sind wir im Vergleich verdreht, aber immer noch weniger verrückt als wir waren. Vielleicht werden auch wir einfach grummelige alte Männer, selbst wenn ich mir das bei mir nicht so ganz vorstellen kann.
Wer kam auf die Idee, den Säbeltanz in „Terrorscope“ einzubauen?
Joe und Domo schreiben oft Riffs zusammen, nachdem sie sich ein großes Chili oder Curry gekocht und sich betrunken haben. Dann packen sie ihre Gitarren aus.
Und dann hören sie klassische Musik???
Domo schon. Das gefällt mir an ihm. Er ist sehr fit, wenn es um klassische Musik geht. Er hat Musik im College studiert, er ist ein sehr sehr talentierter Bursche. Er komponiert, kann Musik analysieren und all diese Dinge. Er ist ein wirklich musikalischer Mensch. Beethoven ist einer seiner Lieblingskünstler.
Ich finde es großartig, dass diese Passage ihren Weg in das Lied gefunden hat, es ist wie Domos Handschrift in dem Lied. Es ist genau seine Musik und wir fanden es in Ordnung und haben gesagt: „Pack es mit rein.“ Wie genau es entstanden ist? Die beiden haben sich zusammen betrunken und Gitarre gespielt, sind morgens aufgewacht und da war dieser Song. Sie haben gedacht, „Was zur Hölle?“ Sie haben es heruntergespielt und gesagt, dass es nur ein Gag ist. Aber als wir es alle gehört hatten, haben wir uns gefragt, warum wir es nicht verwenden sollten. Ich finde es großartig, wenn du einen Part hast, an dem die Leute hängen bleiben und mit dem sie das Lied beschreiben. Das macht ein gutes Lied aus. Langweilige Lieder, die jeder gleich vergisst, haben solche Momente nicht. Und ich wusste, dass dieser Song etwas Besonderes werden würde, nachdem ich zum ersten Mal diesen Part gehört hatte.
Mir gefallen solche kleinen Zitate immer sehr gut, deshalb habt ihr aus meiner Sicht damit alles richtig gemacht.
Aber warum in aller Welt frisst der Bandrekorder auf dem Cover den Mann?
Weil uns die Ideen ausgegangen sind, hahaha. Es war wirklich kompliziert, sich bei dem Coverartwork für etwas zu entscheiden. Wir haben lange darüber diskutiert, was wir auf das Cover packen sollen. Weil wir etwas Besonderes haben wollten, haben wir einige Zeit festgesteckt. Eines Abends saß ich dann zu Hause – wir wussten schon, wie wir das Album nennen wollten – und dachte mir, die Bänder könnten wie die Augen eines Schädels aussehen, also habe ich eine riesige Maschine gezeichnet. Ich zeichne die Entwürfe für einiges von unserem Zeug. Und weil es ein Metalalbum ist, müssen wir einen Kerl zeigen, der gefressen wird. Mein Entwurf war nur sehr sehr basisch und mit dem sind wir dann zu Graham Humphreys gegangen.
Er hat eine brillante, sprühende Phantasie und wir haben uns großartig unterhalten. Es ist fantastisch, sich mit jemandem hinzusetzen und sich darüber zu unterhalten – ich meine ernsthaft, als Erwachsene -, ob die Maschine ihn auf diese oder jene Weise fressen soll oder ob die Bandmaschine glühen soll. Das ist der beste Job der Welt. Für zehn Minuten durfte ich Steven Spielberg sein und sagen, die Maschine soll diese Farbe haben, sie frisst den Kerl, keine Perspektive aus einem anderen Winkel. Es war großartig, diese zehn Minuten. Ich finde, er hat etwas Besonderes erschaffen, ein wunderbares Kunstwerk, und ich denke darüber nach, ihm das Original abzukaufen, um es bei mir zu Hause aufzuhängen.
Es sieht nach verrücktem Horrorfilm aus den 70ern oder frühen 80ern aus.
Genau das wollten wir, also Mission erfüllt. Ich liebe das Artwork und finde, es sieht wie richtige Posterkunst aus. Es erzeugt genau das Gefühl, das unsere Musik inspirieren soll.
Ihr werdet oft als Geek- oder Nerd-Band bezeichnet. Wie weit reicht denn die Nerdigkeit?
Bis ins Mark!
Comics und Filme oder zum Beispiel auch Rollenspiele?
Rollenspiele nicht zwangsläufig, wobei schon ein paar von uns ausgiebig World Of Warcraft, Skyrim oder Oblivion gezockt haben. Gaming spielt eher eine kleine Rolle. Wir könnten uns allerdings mit jedem messen, wenn es um Marvel oder DC Comics geht, Science Fiction und Horrorfilme, italienische und türkische Psychofilme. Wir sind auch große Musik-, Literatur- und Kunstgeeks. Wir sind wirklich ernsthaft Nerds.
Es ist faszinierend, wie die Zeiten sich geändert haben. In unserer Teenagerzeit war das eher ein unbesetztes Feld, es gab keine Populärkultur oder Begeisterung für das Nerdtum und heute gibt es Fernsehsendungen, wo gut aussehende Frauen die Zusammenfassung einer Comicverfilmung präsentieren und sowas. Das gab es früher einfach nicht. Cosplay, Leute, die sich sexy als Animecharaktere verkleiden, gab es vielleicht in Japan, während Nerdsein in Irland bedeutete, dass du fettige Haare hattest und irgendwann in den Comicshops einige Leute anfingen, Magic The Gathering zu spielen. Ich bin nicht traurig darüber, so war es einfach. Aber ich bin froh, dass wir durchgehalten haben, und jetzt ist es wundersamerweise angesagt.
Es ist, was wir sind. Du kann nicht vorgeben, ein Geek zu sein, denn in dem Moment, in dem du jemanden triffst, der wirklich an etwas interessiert ist, wird er dich im Handumdrehen ertappen. Deshalb kann ich nicht so tun, als würde ich mich für Comics interessieren und dann nicht wissen, wer Batmans Sohn ist. Irgendjemand wird mich fragen, wer Damian Wayne ist. Das ist das einzig Wahre, unser Kern. Und wenn wir es nicht vermeiden können, als Geek-Posterboys hingestellt zu werden, ist das in Ordnung für mich. Ich werde mich nicht als jemand anders verkleiden.
Was du über das Ertappen sagst, erinnert mich an den Streich, der bei Jimmy Kimmel Besuchern des Coachella Festivals mit ]falschen Bandnamen gespielt wurde.
Haha, ganz genau! Abgesehen davon, dass nach einer echten Band gefragt wurde: TWO DOOR CINEMA CLUB. Das ist eine echte Band aus Nordirland. Als der Name genannt wurde und das Publikum gelacht hat, dachte ich nur: „Ich kenne sie, sie sind aus Bangor. Sie sind eine echte Band!“
Was hältst du als Geek von dem Boom an Superheldenfilmen?
Manche sind gut, andere nicht. Das hängt davon ab, ob du einen interessierten Regisseur und einen interessierten Schreiber hast. Ich bin auch an einigen Superhelden interessierter als an anderen. Als Teenager war ich ein Marvel-Typ, heute eher DC, unabhängigen Comics und alte Sachen aus den 50ern wie EC Comics.
An einigen der Filme hab ich ziemlichen Spaß gehabt. Mir gefiel Thor. Thor war albern und unbeschwert. Das hat mir gut gefallen, wobei ich vielleicht auch einfach nur verkatert war. Aber der Film war gut. Iron Man 1 und 2 mochte ich nicht, Iron Man 3 schon. Diese Filme hätten gemacht werden sollen, als ich elf war, weil sie mich damals komplett umgehauen hätten. Ich finde es aber immer noch cool, dass sie gemacht werden, weil irgendwo da draußen eine elfjährige Version von mir rumläuft, die sich den Avengers Film ansieht und auf dem Nachhauseweg davon total erfüllt und begeistert ist. Ich finde es gut für ein Kind, wenn diese echt coolen, fiktiven Superhelden die Imagination anregen. Für mich war das auch gut. Ich mag die Batman Filme, freue mich schon auf den Superman – Man of Steel Film und Filme, die an einen interessierten Regisseur vergeben wurden und werden. Iron Man 3 war gut wegen Shane Black, der damals Lethal Weapon geschrieben hat. Ant-Man liegt in den Händen von Edgar Wright, der Shaun of the Dead geschrieben hat. Er schreibt, führt Regie und sie geben ihm freie Hand, nach eigenem Belieben mit dem Projekt zu verfahren. Für einige dieser Filme bin ich aber auch einfach zu alt und zu miesepetrig, sie sind mir zu seicht und für Kinder gemacht, aber die ernsteren mag ich oft sehr.
Aber ich habe eine Meinung zu all diesen Filmen und sehe sie mir auch alle an. Das ist es, was einen Geek ausmacht: Du bist ein Sklave der Dinge, die du magst. Es ist egal, wie schlecht die neuen Star Wars Filme werden, ich werde sie mir ansehen. Ich muss rausgehen und sie sehen.
Wer ist dein liebster Hulk-Darsteller?
Oh man, das ist eine gute Frage…
Ich glaube, der beste Schauspieler, der den Hulk gespielt hat, ist Mark Ruffalo in den Avengers. Er ist ein großartiger Schauspieler, in Eternal Sunshine of the Spotless Mind und Zodiac hat er mich begeistert. Aber in dem Avengers Film vergeuden sie ihn. Unter einem interessierten Regisseur könnte er großartig sein, glaube ich.
Ansonsten würde ich mich wohl für den Kerl entscheiden, der ihn damals in der 70er Serie gespielt hat. Nicht Lou Ferrigno!
Bill Bixby.
Bill Bixby, genau. Als Kind hatte ich richtig Schiss vor dem Hulk, was ziemlich ironisch ist, wenn man bedenkt, dass der Name unserer Band, mit der ich jetzt elf Jahre meines Lebens verbracht habe, daher kommt. Sie haben immer seine Transformation gezeigt und dann reißt er die Augen auf, sie sind ganz weiß und, gute Güte, das hat mir einen Schreck eingejagt. Es gab immer Blitze, Donner und Regen während der Transformation, das hat mir Angst gemacht. Vielleicht kommt deshalb der Bandname daher. Also Bill Bixby, der war auch immer wie Rambo angezogen, mit einer Army-Jacke, Jeans und so. Es war großartig.
Ich bin ein Fan von Eric Bana, weil ich den Eindruck hatte, er nimmt den Hulk ernst.
Ja, das hat er, genauso wie der Regisseur Ang Lee. Aber Eric Bana hat so seine Aufs und Abs. Er hat einen großen Swimming Pool, den er gerne ab und an neu füllt und dann spielt er so eine Rolle wie in Star Trek, wo er gerade mal das Nötigste macht. Deshalb habe ich auch den Eindruck, dass er den Hulk zwar ernst genommen, dabei aber nicht wirklich alles gegeben hat.
Wenn du außerhalb Großbritanniens auf Tour bist, gibt es dann etwas Englisches oder Irisches, das du vermisst?
Ja, meine Familie natürlich. Ach, du meinst Sachen. Ja, einige sogar. Ich hab alles Mögliche dabei, vieles davon muss man vor den anderen im Bus verstecken, weil sie es dir sonst stibitzen. Die Chips in Europa… Ich hab keine Ahnung, warum ich so ein schlimmer Irländer bin in der Beziehung, aber die Chips hier bei euch sind einfach nichts. Wir haben tolle Chips daheim, deshalb habe ich immer einige Tüten dabei. Außerdem eine bestimmte Sorte Tee, der aber nicht wirklich irisch ist. Das Wichtigste ist aber die ganze Musik und so weiter, du stopfst also deinen Kindle, dein iPhone etc. randvoll.
Beim Essen vermisse ich auch einiges, speziell vegetarisches. Meiner Meinung nach gibt es, wenn du durch Europa, Spanien oder auch Deutschland, reist keine wirklich große Auswahl. Zu Hause ist das gerade ziemlich angesagt, deshalb ist die Auswahl größer.
Außerdem gibt es in Irland ein spezielles Brot, Sodabrot, das getoastet fantastisch schmeckt. Es ist wunderbar fluffig und man kann es nirgendwo sonst kaufen. Es wird mit Milch gemacht. Als wir in England aufgenommen haben, ist meine Schwester einmal mit Sodabrot rübergeflogen, um mich bei gesundem Verstand zu halten.
Gibt es eine Frage, die du schon immer mal gestellt bekommen wolltest in einem Interview, die aber nie gestellt wurde?
Oha, wahrscheinlich, ja. Lass mich mal drüber nachdenken. Hmm, eine Frage, die ich gerne gestellt bekommen würde… Nein, mir fällt nichts ein, das ist zu hart. Es gibt solche Fragen, aber mir fallen sie gerade nicht ein.
Kommen wir zur letzten Frage: Wenn du ein Lied oder gar ein ganzes Genre für immer aus dem Radio und dem Fernsehen verbannen könntest, welches wäre das?
Oh, ok. Beim Genre wäre es definitiv Europop, das ist am nervigsten. Sowas wie EIFFEL 65, WHIGFIELD oder auch SCOOTER, so schreiend komisch ich die auch finde.
SCOOTER gehören zu meinen guilty pleasures.
Um fair zu sein, muss ich zugeben, dass wir ein SCOOTER Poster in unserem Proberaum hängen haben, weil sie so urkomisch sind. Also Europop, aber ohne SCOOTER.
Und ein Lied? Wahrscheinlich würde ich “You Got The Love“ von Candi Staton nehmen. Das Lied ist schon so oft nochmal aufgenommen und wiederveröffentlicht worden, alle 18 Monate oder so kommt irgendein Idiot mit einer neuen Version an. (Philly singt das Lied an.) Fuck, das kommt echt jedes Jahr wieder, so nervig!
Was sonst noch? Es gibt noch einige Lieder, die ich wirklich hasse. Ich HASSE „Umbrella“ von Rihanna, aber es gibt doch eins, das mich wirklich in den Wahnsinn treibt… Hmmm… Ah, vergiss die anderen! “Young Folks“ von Peter, Bjorn & John. (Philly pfeift das Liedintro.) FUCK THAT! Das originale Master samt der Leute, die es geschrieben haben, würde ich gerne in eine Kiste stecken und ins All schießen. Peter, Bjorn and fucking John.
Hahaha! Philly, ich danke dir für das unterhaltsame Gespräch!
(Bild 3 vlnr: Joe McGuigan, John Roche, Paul Caffrey, Domo Dixon, Philly Byrne.)
Mit dem neuen Album seid ihr aus dem Weltraum auf die Erde zurückgekehrt.
Hehe, ja, so kann man das wohl sagen. Teile von unseren Hirnen sind aber wohl noch da oben.
Ich bin wirklich stolz auf die Aktion. Es war eine lehrreiche Erfahrung, wir haben eine Menge daraus gelernt und ebenso davon profitiert. Es hat uns ermöglicht, in Teilen der Welt zu touren, wo es unsere Musik nicht zu kaufen gab. Außerdem haben wir damit eine Menge Wohlwollen bei unseren Fans und den Leuten, die über die Band sprechen, aufgebaut.
Außerdem hat es uns gelehrt, dass einige Sachen gut laufen und andere nicht. Bei den Fans ist es sehr gut angekommen, aber die Industrie hat in weiten Teilen ihre Reihen uns gegenüber geschlossen. Das hat mir viel über die Beschaffenheit der Industrie verraten. Aber glaub nicht, dass wir deshalb unsere Begeisterung für kostenlose Inhalte oder das Teilen davon über Bord werfen.
Ich würde auch sagen, dass meine persönliche Meinung sich seitdem entwickelt hat. Es ist immer noch etwas, an dem ich sehr interessiert bin und was wir selbst die ganze Zeit machen. Ja, ich bin stolz auf die Aktion mit dem kostenlosen Download, weil wir damit ein Stück Geschichte geschrieben haben und wir haben das auch beim neuen Album beibehalten, indem wir eine Single kostenlos verteilen. Es ist uns wichtig, damit zu experimentieren, wie die Musik zu den Leuten kommt.
(Mit dem Stück Geschichte meint Philly, dass sie (mutmaßlich) als erste gesignte Band überhaupt ein Album zum kostenlosen Download angeboten haben.)
Hat sich die Aktion auch auf die Verkäufe niedergeschlagen? Es lagen immerhin ein paar Monate zwischen dem Start des Downloads und der physischen Veröffentlichung.
Ja, wir haben „Citizen Brain“, das Album vor „Tales From The Grave In Space“, das es nur in physischer Form gibt, komplett ausverkauft. Der Download hat also dazu geführt, dass wir etwas ausverkauft haben, das nur in physischer Form vorlag. Und meinem Dafürhalten nach haben wir damit bewiesen, dass das System funktioniert.
(Etwas lückenhaft ist diese Argumentation natürlich schon, auch weil Philly nichts zu den Zahlen des „freien“ Albums sagt.)
Earache Records (das damalige Label der Band) haben aber wohl kalte Füße bekommen, als einige Onlinehändler und Ladenketten deshalb mit den Säbeln gerasselt haben, weil es ihr Geschäftsmodell untergräbt. Ich kann verstehen, warum sie das gemacht haben, und kann ihnen das nicht vorwerfen, weil sie eben einen Betrieb zu führen haben. Das hat den Spieß für uns ein bisschen umgedreht, aber sowas passiert nun mal. Wir haben meiner Meinung nach gezeigt, dass es funktioniert, es war das erste Mal, dass jemand das so gemacht hat und ich bin stolz darauf. Nimm das, METALLICA!
Wir haben für das Album einen neuen Deal (bei AFM Records)unterschrieben und arbeiten mit einem neuen Team zusammen, das auf seine eigene Art arbeitet, deshalb haben wir natürlich nicht gedacht, dass wir die Aktion duplizieren können. Es wäre auch nicht fair gewesen, eine Geschäftsbeziehung mit neuen Leuten einzugehen, die auch essen müssen, und zu sagen: Hey, gebt das mal kostenlos raus.
Aber was die Erwartungen angeht, wie das Album aufgenommen wird, wie viele Leute es sich anhören werden und wo wir überall Shows spielen können… Ja, schon, aber ich würde nicht Erwartungen sagen, weil wir jetzt in einer größeren Welt leben. Wir haben uns mit „Tales From The Grave In Space“ selbst eine größere Welt geschaffen und sind davon ausgegangen, wieder dort leben zu können, was glücklicherweise auch so ist. Wir werden wieder quer über den Globus reisen. Und am Ende erwarten wir vor allem von uns selbst viel.
Also zahlt es sich auf jeden Fall noch aus.
Ja, definitiv. Selbst wenn ich keine Musik mehr machen würde, könnte ich immer noch über mich erzählen, dass das unsere Idee war und wir sie zu einem Erfolg gemacht haben. Das wird sich immer auszahlen.
Soweit ich weiß, habt ihr mit dem Vorsatz angefangen, wie MEGADETH zu klingen.
NUCLEAR ASSAULT und MEGADETH, ja.
Wie wird aus einer Band, die wie MEGADETH klingen will, eine Mixtur von OVERKILL und MUNICIPAL WASTE oder TOXIC HOLOCAUST?
Also, wir orientieren uns auf jeden Fall nicht an TOXIC HOLOCAUST oder MUNICIPAL WASTE, weil es uns genauso lange gibt wie diese Bands. Jedes Mal, wenn ich in einem Review lese, dass wir von MUNICIPAL WASTE beeinflusst wären, denke ich immer nur: „Fuck off!“
Aber man kann euch und sie doch als vergleichbar bezeichnen.
Vom Klang, ja, wir klingen wie sie, was wohl einfach ein glücklicher Zufall ist.
Es ist ein langer Prozess. Als wir die Band gestartet haben, war alles, was wir wollten, NUCLEAR ASSAULT und MEGADETH zu kopieren. Wir konnten nicht gut genug spielen, um MEGADETH zu sein, und wir konnten nicht gut genug spielen, um NUCLEAR ASSAULT zu sein, also haben wir unser eigenes Ding gemacht.
Die OVERKILL Note und auch die THIN LIZZY-Hard Rock Attitüde, die wir mittlerweile haben dagegen… Mit der „Tales From The Grave In Space“ sind wir viel mit OVERKILL getourt, auch in den Staaten, und ihren Einfluss auf uns kann man gar nicht überschätzen. Sie waren sehr sehr wichtig. Einfach nur, dass wir sie viel mehr gehört haben und ihre Einstellung mehr zu schätzen lernten - THIN LIZZY haben wir natürlich schon immer gehört. Das kam dann einfach zusammen. Wir wollten Musik mit mehr Haltung statt mit mehr Fantasie machen. Das passiert in Babyschritten und ist eine Evolution, obwohl sich die Musik am Ende exakt genauso anhört, haha!
Es fällt einem nicht auf, während es passiert, sondern erst danach?
Naja, wir waren uns bewusst, dass wir Songs schreiben, die etwas mehr in Richtung OVERKILL gehen. Nach meiner Stimmoperation oder, ich weiß nicht, vielleicht auch, weil ich älter geworden bin, klingt meine Stimme mehr nach der von Bobby Blitz. Vielleicht habe ich auch einige seiner Moves gestohlen. Beides geschah zur gleichen Zeit: Ich hörte mich immer mehr wie Bobby Blitz an und je mehr wir mit OVERKILL tourten, desto mehr wollten wir von ihrer Haltung inspirierte Musik machen. Wir klauen keine Riffs von ihnen, nur Moves oder…
Wir waren uns all dessen die ganze Zeit bewusst. Wir haben sogar zueinander gesagt, dass wir ein Album wie THIN LIZZYs „Fighting“ aufnehmen wollen, ein von der Straße beeinflusstes Album mit Haltung. Am Ende ist es das meiner Meinung nach nicht ganz geworden, eher ein Hybrid aus der Idee und dem Absurden von „Tales From The Grave In Space“. Aber ich bin glücklich damit, wie es geworden ist, denn es hätte auch ein Desaster werden können. Wir hätten einen Song wie „Fighting“ haben können und als nächstes irgendwelchen experimentellen Nonsens.
Und es gibt eine Menge Bands, die schlechtere Einflüsse gewesen wären.
Liegt es an deiner Operation, dass du nicht mehr so schrill singst?
Ja, das ist ein Teil meiner Stimme, der noch nicht zurückgekommen ist. Nach der OP musste ich praktisch von Grund auf neu beginnen. Zuerst war ich bei einem Sprachtherapeuten, um wieder eine gesunde Sprachstimme zu bekommen. Danach bin ich zu einer Gesangslehrerin, der großartigen Joan O’Malley. Sie hat mir das Singen nochmal ganz von vorne beigebracht. Es dauert insgesamt etwa zwei Jahre, nach dieser Art Operation zurückzukommen, wenn dir das überhaupt gelingt.
Das klingt angsteinflößend.
Das war es zu der Zeit auch, deshalb fühlt es sich gut an, auf dieser Seite davon zu sein, weil es auf dieser Seite nur zu gewinnen gibt, während es davor einzig um Verlust ging. Es dauert einige Zeit, bis die Stimme wieder vernünftig zurückgekehrt ist, aber ich fühle mich wohl an diesem Ort, wo ich zwar weiterhin an der Stimme arbeiten muss und sie nicht perfekt ist, doch bereits Gutes daraus entstanden ist. Ich finde es positiv, wie meine Stimme sich verändert hat, und ich habe keine Angst davor, wenn das Schrille nicht wiederkommt.
Wir waren uns dessen bewusst, als wir das Album gemacht haben, und obwohl auch die Leute von unserem neuen Label mich immer unterstützt haben, gab es diese Ungewissheit, wie die Fans reagieren würden. „Wir haben dich wegen dieser Aaaahs und der Screams gemocht, jetzt sind sie nicht mehr da.“ Es fühlt sich wie ein Wunder an, dass die Leute so viel Zuspruch äußern. Ihnen gefällt, was wir machen, und sie sind nicht zu negativ. Mit der Zeit ändern sich Sachen eben. Wir verändern uns sicher nicht, bloß weil wir gesigned wurden oder bevor wir Lieder schreiben. Es ist nur ein kleiner Teil, und das ist in Ordnung, denke ich. Für mich ist es eine große Erleichterung.
Zufällig habe ich mich eben noch mit jemandem vor der Tür unterhalten, der deine Screams immer geliebt hat, während ich deinen Gesang auf dem neuen Album bevorzuge. Es war mir vorher insgesamt etwas zu over the top.
Das sehe ich auch so. Ich habe das auch in deinem Review gelesen und kann dir nur zustimmen. Wenn ich mir jetzt unsere alten Sachen anhöre, während ich daran arbeite, meine Stimme zurückzuerhalten, denke ich oft: Oh Gott, ich könnte das jetzt so viel besser machen. Ich ertappe mich dabei zu denken, hier hättest du etwas behutsamer vorgehen können, dort hättest du nicht so verrückt werden müssen… Ich bin stolz darauf und würde nichts an den Sachen ändern, die wir gemacht haben, aber auf der „Tales From The Grave In Space“ habe ich mich dermaßen aufgespielt. Es ist der Klang einer Band, die angeben will. Wir haben zu jeder Zeit alles möglichst überdreht gemacht, auch bei den Vocals. Wir haben die beklopptesten, comichaftesten oder aggressivsten Aufnahmen der Vocals genommen und sie zusammengeschustert. Auf dem Album sind Sachen, die man im realen Leben nicht reproduzieren kann. Lieder, die man nicht singen KANN, weil sie aus den extremsten Ausschnitten zusammengestellt wurden.
Auf diesem Album ist es konsistenter, realer und es zeigt mich mehr als den Sänger, der ich bin. Aber ok, es macht schon Spaß, die alten „Volle Kanne“-Sachen zu hören. Es ist comichhafter, als ich heute befriedigend finde. Ich habe lieber eine Gesangsstimme, wegen der ich mich keiner verdammten Operation unterziehen lassen muss. Das ziehe ich einer Stimme vor, mit der ich Jeff Buckley singen konnte, wenn ich wollte, was ich heute nicht mehr kann. Wenn irgendjemand weiß, wie man alles schadlos verbinden kann, soll er mich anrufen, aber das sind die Karten, die mir ausgeteilt wurden, und ich finde, dass wir uns gut schlagen mit den uns ausgeteilten Karten.
Die gibt es auf jeden Fall. Das passiert manchmal und die Wahrnehmung unserer Band wird auch in Reviews hin und wieder reduziert auf „Die verdrehten irischen Irren“. Das ist ok und es wird auch über SLAYER immer heißen, als dass sie böse sind, aber du musst dein Image eben auch im Auge behalten. Das machen wir.
Bei diesem Album haben wir nicht gesagt, „Weniger Gags, weniger Gags!“, sondern es ging darum, ein solides Metalfundament zwischen Attitüde und Musik zu finden. Statt das Album mit himmelschreienden Jokes vollzupacken, ging es eher darum, wie absurd wir werden können. Das Absurde hat in meinen Augen die Scherzhaftigkeit abgelöst auf diesem Album. Aber das ist gut, ich mag das Absurde, das Aberwitzige, über das wir Lieder schreiben, und Wörter zu verwenden, die man eigentlich nicht verwenden kann. Wie „Quiche““. Wie sollte jemals jemand ein Lied mit dem Wort „Quiche“ schreiben? Das macht mir Spaß. Wenn du in einer Leonard Cohen-Welt lebst, ja, dann sind wir im Vergleich verdreht, aber immer noch weniger verrückt als wir waren. Vielleicht werden auch wir einfach grummelige alte Männer, selbst wenn ich mir das bei mir nicht so ganz vorstellen kann.
Wer kam auf die Idee, den Säbeltanz in „Terrorscope“ einzubauen?
Joe und Domo schreiben oft Riffs zusammen, nachdem sie sich ein großes Chili oder Curry gekocht und sich betrunken haben. Dann packen sie ihre Gitarren aus.
Und dann hören sie klassische Musik???
Domo schon. Das gefällt mir an ihm. Er ist sehr fit, wenn es um klassische Musik geht. Er hat Musik im College studiert, er ist ein sehr sehr talentierter Bursche. Er komponiert, kann Musik analysieren und all diese Dinge. Er ist ein wirklich musikalischer Mensch. Beethoven ist einer seiner Lieblingskünstler.
Ich finde es großartig, dass diese Passage ihren Weg in das Lied gefunden hat, es ist wie Domos Handschrift in dem Lied. Es ist genau seine Musik und wir fanden es in Ordnung und haben gesagt: „Pack es mit rein.“ Wie genau es entstanden ist? Die beiden haben sich zusammen betrunken und Gitarre gespielt, sind morgens aufgewacht und da war dieser Song. Sie haben gedacht, „Was zur Hölle?“ Sie haben es heruntergespielt und gesagt, dass es nur ein Gag ist. Aber als wir es alle gehört hatten, haben wir uns gefragt, warum wir es nicht verwenden sollten. Ich finde es großartig, wenn du einen Part hast, an dem die Leute hängen bleiben und mit dem sie das Lied beschreiben. Das macht ein gutes Lied aus. Langweilige Lieder, die jeder gleich vergisst, haben solche Momente nicht. Und ich wusste, dass dieser Song etwas Besonderes werden würde, nachdem ich zum ersten Mal diesen Part gehört hatte.
Mir gefallen solche kleinen Zitate immer sehr gut, deshalb habt ihr aus meiner Sicht damit alles richtig gemacht.
Aber warum in aller Welt frisst der Bandrekorder auf dem Cover den Mann?
Weil uns die Ideen ausgegangen sind, hahaha. Es war wirklich kompliziert, sich bei dem Coverartwork für etwas zu entscheiden. Wir haben lange darüber diskutiert, was wir auf das Cover packen sollen. Weil wir etwas Besonderes haben wollten, haben wir einige Zeit festgesteckt. Eines Abends saß ich dann zu Hause – wir wussten schon, wie wir das Album nennen wollten – und dachte mir, die Bänder könnten wie die Augen eines Schädels aussehen, also habe ich eine riesige Maschine gezeichnet. Ich zeichne die Entwürfe für einiges von unserem Zeug. Und weil es ein Metalalbum ist, müssen wir einen Kerl zeigen, der gefressen wird. Mein Entwurf war nur sehr sehr basisch und mit dem sind wir dann zu Graham Humphreys gegangen.
Er hat eine brillante, sprühende Phantasie und wir haben uns großartig unterhalten. Es ist fantastisch, sich mit jemandem hinzusetzen und sich darüber zu unterhalten – ich meine ernsthaft, als Erwachsene -, ob die Maschine ihn auf diese oder jene Weise fressen soll oder ob die Bandmaschine glühen soll. Das ist der beste Job der Welt. Für zehn Minuten durfte ich Steven Spielberg sein und sagen, die Maschine soll diese Farbe haben, sie frisst den Kerl, keine Perspektive aus einem anderen Winkel. Es war großartig, diese zehn Minuten. Ich finde, er hat etwas Besonderes erschaffen, ein wunderbares Kunstwerk, und ich denke darüber nach, ihm das Original abzukaufen, um es bei mir zu Hause aufzuhängen.
Es sieht nach verrücktem Horrorfilm aus den 70ern oder frühen 80ern aus.
Genau das wollten wir, also Mission erfüllt. Ich liebe das Artwork und finde, es sieht wie richtige Posterkunst aus. Es erzeugt genau das Gefühl, das unsere Musik inspirieren soll.
Ihr werdet oft als Geek- oder Nerd-Band bezeichnet. Wie weit reicht denn die Nerdigkeit?
Bis ins Mark!
Rollenspiele nicht zwangsläufig, wobei schon ein paar von uns ausgiebig World Of Warcraft, Skyrim oder Oblivion gezockt haben. Gaming spielt eher eine kleine Rolle. Wir könnten uns allerdings mit jedem messen, wenn es um Marvel oder DC Comics geht, Science Fiction und Horrorfilme, italienische und türkische Psychofilme. Wir sind auch große Musik-, Literatur- und Kunstgeeks. Wir sind wirklich ernsthaft Nerds.
Es ist faszinierend, wie die Zeiten sich geändert haben. In unserer Teenagerzeit war das eher ein unbesetztes Feld, es gab keine Populärkultur oder Begeisterung für das Nerdtum und heute gibt es Fernsehsendungen, wo gut aussehende Frauen die Zusammenfassung einer Comicverfilmung präsentieren und sowas. Das gab es früher einfach nicht. Cosplay, Leute, die sich sexy als Animecharaktere verkleiden, gab es vielleicht in Japan, während Nerdsein in Irland bedeutete, dass du fettige Haare hattest und irgendwann in den Comicshops einige Leute anfingen, Magic The Gathering zu spielen. Ich bin nicht traurig darüber, so war es einfach. Aber ich bin froh, dass wir durchgehalten haben, und jetzt ist es wundersamerweise angesagt.
Es ist, was wir sind. Du kann nicht vorgeben, ein Geek zu sein, denn in dem Moment, in dem du jemanden triffst, der wirklich an etwas interessiert ist, wird er dich im Handumdrehen ertappen. Deshalb kann ich nicht so tun, als würde ich mich für Comics interessieren und dann nicht wissen, wer Batmans Sohn ist. Irgendjemand wird mich fragen, wer Damian Wayne ist. Das ist das einzig Wahre, unser Kern. Und wenn wir es nicht vermeiden können, als Geek-Posterboys hingestellt zu werden, ist das in Ordnung für mich. Ich werde mich nicht als jemand anders verkleiden.
Was du über das Ertappen sagst, erinnert mich an den Streich, der bei Jimmy Kimmel Besuchern des Coachella Festivals mit ]falschen Bandnamen gespielt wurde.
Haha, ganz genau! Abgesehen davon, dass nach einer echten Band gefragt wurde: TWO DOOR CINEMA CLUB. Das ist eine echte Band aus Nordirland. Als der Name genannt wurde und das Publikum gelacht hat, dachte ich nur: „Ich kenne sie, sie sind aus Bangor. Sie sind eine echte Band!“
Was hältst du als Geek von dem Boom an Superheldenfilmen?
Manche sind gut, andere nicht. Das hängt davon ab, ob du einen interessierten Regisseur und einen interessierten Schreiber hast. Ich bin auch an einigen Superhelden interessierter als an anderen. Als Teenager war ich ein Marvel-Typ, heute eher DC, unabhängigen Comics und alte Sachen aus den 50ern wie EC Comics.
An einigen der Filme hab ich ziemlichen Spaß gehabt. Mir gefiel Thor. Thor war albern und unbeschwert. Das hat mir gut gefallen, wobei ich vielleicht auch einfach nur verkatert war. Aber der Film war gut. Iron Man 1 und 2 mochte ich nicht, Iron Man 3 schon. Diese Filme hätten gemacht werden sollen, als ich elf war, weil sie mich damals komplett umgehauen hätten. Ich finde es aber immer noch cool, dass sie gemacht werden, weil irgendwo da draußen eine elfjährige Version von mir rumläuft, die sich den Avengers Film ansieht und auf dem Nachhauseweg davon total erfüllt und begeistert ist. Ich finde es gut für ein Kind, wenn diese echt coolen, fiktiven Superhelden die Imagination anregen. Für mich war das auch gut. Ich mag die Batman Filme, freue mich schon auf den Superman – Man of Steel Film und Filme, die an einen interessierten Regisseur vergeben wurden und werden. Iron Man 3 war gut wegen Shane Black, der damals Lethal Weapon geschrieben hat. Ant-Man liegt in den Händen von Edgar Wright, der Shaun of the Dead geschrieben hat. Er schreibt, führt Regie und sie geben ihm freie Hand, nach eigenem Belieben mit dem Projekt zu verfahren. Für einige dieser Filme bin ich aber auch einfach zu alt und zu miesepetrig, sie sind mir zu seicht und für Kinder gemacht, aber die ernsteren mag ich oft sehr.
Aber ich habe eine Meinung zu all diesen Filmen und sehe sie mir auch alle an. Das ist es, was einen Geek ausmacht: Du bist ein Sklave der Dinge, die du magst. Es ist egal, wie schlecht die neuen Star Wars Filme werden, ich werde sie mir ansehen. Ich muss rausgehen und sie sehen.
Wer ist dein liebster Hulk-Darsteller?
Oh man, das ist eine gute Frage…
Ich glaube, der beste Schauspieler, der den Hulk gespielt hat, ist Mark Ruffalo in den Avengers. Er ist ein großartiger Schauspieler, in Eternal Sunshine of the Spotless Mind und Zodiac hat er mich begeistert. Aber in dem Avengers Film vergeuden sie ihn. Unter einem interessierten Regisseur könnte er großartig sein, glaube ich.
Ansonsten würde ich mich wohl für den Kerl entscheiden, der ihn damals in der 70er Serie gespielt hat. Nicht Lou Ferrigno!
Bill Bixby.
Bill Bixby, genau. Als Kind hatte ich richtig Schiss vor dem Hulk, was ziemlich ironisch ist, wenn man bedenkt, dass der Name unserer Band, mit der ich jetzt elf Jahre meines Lebens verbracht habe, daher kommt. Sie haben immer seine Transformation gezeigt und dann reißt er die Augen auf, sie sind ganz weiß und, gute Güte, das hat mir einen Schreck eingejagt. Es gab immer Blitze, Donner und Regen während der Transformation, das hat mir Angst gemacht. Vielleicht kommt deshalb der Bandname daher. Also Bill Bixby, der war auch immer wie Rambo angezogen, mit einer Army-Jacke, Jeans und so. Es war großartig.
Ich bin ein Fan von Eric Bana, weil ich den Eindruck hatte, er nimmt den Hulk ernst.
Ja, das hat er, genauso wie der Regisseur Ang Lee. Aber Eric Bana hat so seine Aufs und Abs. Er hat einen großen Swimming Pool, den er gerne ab und an neu füllt und dann spielt er so eine Rolle wie in Star Trek, wo er gerade mal das Nötigste macht. Deshalb habe ich auch den Eindruck, dass er den Hulk zwar ernst genommen, dabei aber nicht wirklich alles gegeben hat.
Ja, meine Familie natürlich. Ach, du meinst Sachen. Ja, einige sogar. Ich hab alles Mögliche dabei, vieles davon muss man vor den anderen im Bus verstecken, weil sie es dir sonst stibitzen. Die Chips in Europa… Ich hab keine Ahnung, warum ich so ein schlimmer Irländer bin in der Beziehung, aber die Chips hier bei euch sind einfach nichts. Wir haben tolle Chips daheim, deshalb habe ich immer einige Tüten dabei. Außerdem eine bestimmte Sorte Tee, der aber nicht wirklich irisch ist. Das Wichtigste ist aber die ganze Musik und so weiter, du stopfst also deinen Kindle, dein iPhone etc. randvoll.
Beim Essen vermisse ich auch einiges, speziell vegetarisches. Meiner Meinung nach gibt es, wenn du durch Europa, Spanien oder auch Deutschland, reist keine wirklich große Auswahl. Zu Hause ist das gerade ziemlich angesagt, deshalb ist die Auswahl größer.
Außerdem gibt es in Irland ein spezielles Brot, Sodabrot, das getoastet fantastisch schmeckt. Es ist wunderbar fluffig und man kann es nirgendwo sonst kaufen. Es wird mit Milch gemacht. Als wir in England aufgenommen haben, ist meine Schwester einmal mit Sodabrot rübergeflogen, um mich bei gesundem Verstand zu halten.
Gibt es eine Frage, die du schon immer mal gestellt bekommen wolltest in einem Interview, die aber nie gestellt wurde?
Oha, wahrscheinlich, ja. Lass mich mal drüber nachdenken. Hmm, eine Frage, die ich gerne gestellt bekommen würde… Nein, mir fällt nichts ein, das ist zu hart. Es gibt solche Fragen, aber mir fallen sie gerade nicht ein.
Kommen wir zur letzten Frage: Wenn du ein Lied oder gar ein ganzes Genre für immer aus dem Radio und dem Fernsehen verbannen könntest, welches wäre das?
Oh, ok. Beim Genre wäre es definitiv Europop, das ist am nervigsten. Sowas wie EIFFEL 65, WHIGFIELD oder auch SCOOTER, so schreiend komisch ich die auch finde.
SCOOTER gehören zu meinen guilty pleasures.
Um fair zu sein, muss ich zugeben, dass wir ein SCOOTER Poster in unserem Proberaum hängen haben, weil sie so urkomisch sind. Also Europop, aber ohne SCOOTER.
Und ein Lied? Wahrscheinlich würde ich “You Got The Love“ von Candi Staton nehmen. Das Lied ist schon so oft nochmal aufgenommen und wiederveröffentlicht worden, alle 18 Monate oder so kommt irgendein Idiot mit einer neuen Version an. (Philly singt das Lied an.) Fuck, das kommt echt jedes Jahr wieder, so nervig!
Was sonst noch? Es gibt noch einige Lieder, die ich wirklich hasse. Ich HASSE „Umbrella“ von Rihanna, aber es gibt doch eins, das mich wirklich in den Wahnsinn treibt… Hmmm… Ah, vergiss die anderen! “Young Folks“ von Peter, Bjorn & John. (Philly pfeift das Liedintro.) FUCK THAT! Das originale Master samt der Leute, die es geschrieben haben, würde ich gerne in eine Kiste stecken und ins All schießen. Peter, Bjorn and fucking John.
Hahaha! Philly, ich danke dir für das unterhaltsame Gespräch!
(Bild 3 vlnr: Joe McGuigan, John Roche, Paul Caffrey, Domo Dixon, Philly Byrne.)