Mit Vollgas gegen die Mittelmäßigkeit


Interview mit Panzerballett
Avantgarde Progressive Metal / Sonstiges aus Deutschland - München
Die Bezirkshauptstadt der Oberpfalz ist eigentlich nicht für ihre Metalszene bekannt. Trotzdem gab es an diesem Tag eine geballte Ladung Röhrensound in Regensburg auf die Ohren, wohl abgeschmeckt mit einer feinen Prise Jazz. Von dem interessanten und außergewöhnlichen Konzerterlebnis gibt es hier mehr zu lesen und bei der Gelegenheit hab ich die Chance auf ein Interview mit dem Kopf der Bande, Jan Zerfeld, natürlich beim Schopf ergriffen. Doch lest selbst.


Hi Jan. Wie geht es dir? Von welchem Konzert kommst du gerade?

Bei mir ist alles blendend. Wir hatten gerade zwei Tage Pause, nach fünf Tagen Tour in der letzten Woche, bei der wir zuletzt in Landshut waren. Davor waren wir noch in Rostock, Bremen...

Und läuft soweit alles gut?

Ja. Wir haben mit FREAK KITCHEN zusammen gespielt. Berlin war auch mit von der Partie. Also insgesamt waren es nun schon drei Termine mit FREAK KITCHEN und morgen geht es mit ihnen dann auch weiter. Das ist so ein Zehn-Tages-Ding, wovon sechs Termine eben mit ihnen zusammen sind. Die Leute kennen wir schon länger und hatten schon lange mal vor, mit ihnen zu touren. Die Tour nennt sich dann die Freak-Ballett-Tour. Und heute sind wir alleine, was auch immer ganz schön ist. Es ist einfach toll, alte Bekannte zu treffen, Publikum zu haben oder auch neue Leute kennen zu lernen. Man sieht auch, dass es langsam immer mehr wird, und trotzdem bleibt es immer noch in dieser Nische, die aber immer größer wird. Die betreffenden Städte sind schon richtige Anlaufpunkte, so eine Art Traditionspunkte, und dahin kommen dann auch die Leute. Das ist schön.

Ich hab auf Youtube ein Video von 2006 im Backstage in München gesehen. Da waren noch nicht ganz so viele Leute im Publikum. Hat sich das seitdem gesteigert?

Das hat sich stark gesteigert. Damals, 2006, war das zum Großteil auch gar nicht unser Publikum, es waren ja mehrere Bands vor Ort. Es war trotzdem ein cooler Abend. Aber letztens im Theatron war das ganz anders. Gut, es war auch viel Laufpublikum da, aber es waren doch schon viele Menschen. München ist eben unsere Homebase, wo am meisten läuft. Aber Regensburg ist auch schon eine Institution. Da haben wir schon öfters gespielt und sind nun zum vierten Mal im Leeren Beutel. Regensburg ist halt keine so große Stadt, aber immer noch in Bayern und nicht weit weg von München. Wäre man nun in einer ähnlich kleinen Stadt anderswo, würden vielleicht zehn Leute kommen. Wir müssen uns immer auf die Großstädte stürzen.

Ist es ein Problem, dass die Jazzer sagen, PANZERBALLETT ist uns zu metallisch, und die Metaller sagen, das ist uns zu jazzig?

Das ist genau das, was die meisten sagen. Also der gemeine Metaller kann mit PANZERBALLETT nichts anfangen, weil eben ein Saxophon dabei ist, und weil schräge Töne, krumme Rhythmen und Jazzakkorde vorkommen. Da gibt es am ehesten noch den progressiven Metaller, der vielleicht noch irgendwie damit klar kommt. Oder diese neue Richtung... Djent Metal, oder Tech Metal, da ist die Schnittmenge noch am größten. Aber von den normalen METALLICA Fans würden das viele nicht verstehen.
Genauso ist das bei den Jazzern auch, wobei bei denen die Tendenz so ist, dass sie offener sind gegenüber der Musik. Es ist dann nur irgendwie die Darbietung, die ungewohnt laut ist. Manche tun sich Ohrstöpsel rein oder setzen sich ganz hinten hin oder gehen komplett, sagen dann aber, dass die Musik toll war, aber halt zu laut. Viele sagen auch, dass das nichts mit Jazz zu tun hat. Es hat auch nicht viel mit Jazz zu tun, es ist für mich nicht besonders jazzig. Es ist einfach Fusion-artige Musik, in der Jazz Elemente vorkommen. Aber mir ist schon völlig klar, dass für den gemeinen Jazzfan Schwierigkeiten auftreten. Es gibt aber auch eine Nische, die sich lustigerweise durch jede Altersgruppe durchzieht. Und was sich auch durchzieht, ist die Tatsache, dass es nur 10% Frauen sind.

Typisch Metal eben.

Es gibt ja auch Frauen im Metal, und ich glaube, dass es bei anderen Konzerten immerhin rund 20% sind.

Kommt drauf an, bei Black Metal vielleicht etwas weniger.

Und bei J.B.O. ??

50%????

Eben. Oder EVANESCENCE. Gut, das zählt nicht mehr zum Metal, aber zum Beispiel beim Gothic Metal sind mehr Frauen da. Die können sich dann schön schminken und solche Sachen.

Wie würdest du denn die Musik von PANZERBALLETT für jemanden beschreiben, der noch nie etwas von euch gehört hat?

Es ist eine extreme Musikrichtung, die einen extrem fordert, sowohl als Hörer als auch als Musiker. Der unbedarfte Zuhörer, der bei Musik nicht so auf Details achtet, wird damit gar nichts anfangen können. Es ist sehr detailreiche Musik und man muss sich eine Zeit lang einhören oder schon eine Vorliebe für ähnlich komplexe Stilrichtungen haben, damit überhaupt der Funke so richtig überspringt. Es ist sehr wuchtig, aber es ist auch sehr rhythmisch. Gerade die Rhythmik ist sehr anspruchsvoll, und es ist schräg....wobei schräg, das kann alles Mögliche sein. Aber es ist eine sehr durchdachte Art, schräg zu sein. Es ist völlig durchgestylt, kann man sagen. Das total durchgestylte wird aufgelockert durch den Geist der Improvisation. Wir wollen unseren Geist auch frisch halten. Wir wollen nicht, dass jeder Abend absolut gleich ist. Wir wollen uns selber Räume schaffen, in denen wir jeden Abend selber irgendwas Neues kreieren können.

Kann man zu eurer Musik noch Noten schreiben oder ist das nicht mehr ausnotierbar?

Das ist sehr wohl ausnotierbar und es ist auch alles ausnotiert, bis ins kleinste Detail, und das ist sehr wichtig. Es ist alles in Partituren festgehalten. Es wird nach Partituren geprobt und die werden dann auswendig gelernt. Das ist eine sehr harte und lange Arbeit für jeden Beteiligten. Erst zu Hause und dann im Proberaum. Wir haben gar nicht so viel Zeit zu proben, weil wir so verteilt sind. Linz, Salzburg, München... und dann müssen wir ja auch noch von irgendwas leben. Das heißt, wir müssen auch in anderen Projekten oder Bands spielen. Oder Unterrichten, Workshops geben, was auch immer. Jeder hat seine eigene Zeitplanung, die nur sehr wenig Platz für PANZERBALLETT übrig lässt, und deswegen muss sich halt jeder zu Hause wahnsinnig gut vorbereiten. Dann muss noch sehr konzentriert geprobt werden und dann muss man noch ein paar Konzerte spielen, bis sich das Ganze langsam eingegroovt hat. Und dann kann man sagen: Okay, jetzt sind wir an unserem Arbeitspunkt angekommen.

Mit welchem Programm notierst du?

Ich nehme Sibelius in der Version 7, wobei es schon die Version 8 geben müsste. Ich bin schon seit über zehn Jahren Sibeliusanwender.

Soll der Hörer denn irgendwas in eure Musik hinein interpretieren?

Er soll überhaupt nichts interpretieren. Die Musik ist das, was es ist. Es ist ein großer Anteil Technik vorhanden. Schaulaufen quasi. Technik, die begeistert. Die Stücke haben aber auch eine bestimmte Grundstimmung und die soll stimmen. Düster zum Beispiel, oder es sollen auch musikalische Bögen darin vorkommen. Es ist auch viel Humor drin, obwohl manche Sachen eben auch düster sein können, obwohl ihre Originalversion kitschig klingt. Wir versetzen das dann in unseren Stil und dann wird es zu etwas, das eigentlich ernst klingt. Aber dadurch, dass es jetzt ernst klingt, ist es eben lustig.

Ein etwas makaberer Humor?

Ja, und ein bisschen der Versuch, Sachen aus unterschiedlichen Genres, die gar nichts miteinander zu tun haben, in ein und denselben Stil zu übersetzen. Und dann klingt das plötzlich so, als ob diese zwei völlig unterschiedlichen Kompositionen auf den gleichen Nenner gekommen sind. Und das ist dann das lustige.

Auf Wikipedia steht: Wieso einfach, wenn es auch schwierig geht. Ist das euer Motto?

Das ist natürlich ein bisschen übertrieben. Neulich hab ich einen Spruch in einem Glückskeks gelesen, der hieß: Im einfachen liegt die wahre Schönheit. Was für mich auch irgendwo stimmt, aber auf der anderen Seite soll der Spruch auf Wikipedia ein bisschen das Konzept vom gegen den Strom schwimmen verdeutlichen. Nur nicht zu viel, weniger ist mehr und sowas. Diese ganze Indie-Pop-Ästhethik. Möglichst nicht zu viele Töne, möglichst nicht zu kompliziert oder zu schräg, und möglichst mittelmäßig. Ich denke mir, ich möchte da ein Statement dagegen setzen. Das möchte ich mit dem Satz eigentlich ausdrücken. Aber es funktioniert ja auch kompliziert, und das kann dann auf jeden Fall schön sein. Wenn alle sagen, weniger ist mehr, dann sage ich, mehr ist auch mal mehr.

Glaubst du, dass die Hörer durch die momentane Popmusik abstumpfen?

Ja, genau so sehe ich das. Sie stumpfen gnadenlos ab. Ich sehe das überall. Ich habe Schüler, die kennen keine BEATLES. Die haben noch nie was davon gehört. Wenn ich jetzt im Radio höre, was zum Normalen wird, dann kann man eigentlich gleich die Vorhänge zuziehen und das Licht ausmachen. Was soll das noch? Ich denke, man muss gegen den Einheitsbrei, der einem geboten wird, ankämpfen. Mir kommt da wirklich der Brechreiz.

Wird Zeit, dass PANZERBALLETT im Radio läuft...

Das wäre wünschenswert, ist aber unwahrscheinlich.

Eure Musik enthält sicherlich über 100 verschiedene Stilmittel. Gibt es da überhaupt noch eine Steigerung?

Man kann immer mehr machen. Immer, das geht immer. Aber es wird immer schwerer und die Herausforderung ist, dass man sich da nicht wiederholt. Dass man Sachen findet, dass sich im Laufe der Zeit aus dem, was man selbst experimentiert hat, neue Türen öffnen, die man vorher noch gar nicht gesehen hat. Das finde ich dann auch das Spannende, ein bisschen wie Forschung. Man denkt sich vielleicht noch am Anfang, das ist das Krasseste was ich je gemacht habe, und das wird niemals krasser. Nach einer Weile, wenn sich das Ohr daran gewöhnt hat, kann man dann experimentieren und wieder eins draufsetzen. Mir geht es auch darum, dass ich mit einem Bein im „Schneller höher weiter krasser“ stehe, und mit dem anderen Bein will ich, dass es hörbar bleibt. Die Leute sollen nicht schreiend davon rennen, das wäre auch kontraproduktiv.
Ich bin dabei, eine Balance zu finden, und das Ganze auch mal mit einfachen Elementen zu vermischen. Oder dass man auf der rhythmischen Basis arbeitet. Ich bin dazu übergegangen, wenig ungerade Takte zu machen sondern eher Polyrhythmen, wo du wirklich durchgehend headbangen kannst. Aber darüber liegt noch etwas und dann wird das zu einer Art gechecktem Headbangen. Advanced Headbangen 2.0 quasi. Ich finde das spannend und diese Herausforderung nehme ich gerne an. Man muss halt auch Muße dafür finden, weil man immer so beschäftigt ist. Jetzt sind wir gerade auf Tour, da kann man eh nicht viel machen. Aber auch unter dem Jahr... bis man mal Muße findet, was zu machen, dauert es oft. Und ob dann auch noch der richtige Geistesblitz kommt, weiß man nie. Aber es wird kommen. Ich weiß, es wird wieder was kommen, was Neues, was Tolles.

Gibt es da Konkurrenzdenken zu FREAK KITCHEN oder PALINDROME?

Es gibt kein Konkurrenzdenken, weil es was komplett anderes ist und weil die jeweiligen Bands ganz andere Ästhetiken haben. Es klingt arrogant, aber in dieser Stilrichtung sind wir auch außer Konkurrenz. Ich kenne niemanden, der unseren Stil spielt, außer vielleicht ein paar Ami Bands, aber die sind trotzdem noch so weit davon entfernt, dass ich nicht einmal zu denen einen Vergleich ziehen will und sagen, das ist jetzt besser oder schlechter. Es gibt vielleicht einzelne Aspekte in der Musik, wie dass jemand sehr virtuos spielt, und ich mir denke, so möchte ich auch spielen. Aber zu sagen, ich möchte genauso klingen wie diese und jene Band, das gibt es nicht mehr so wie früher. Ich weiß jetzt genau, ich hab mein Ding gefunden und forsche auf eigener Faust weiter, vielleicht noch mit ein paar äußeren Einflüssen, aber so prinzipiell weiß ich, das Ding geht weiter. Und ich kenne niemanden, der genau diese Stilrichtung spielt und darin mitforscht.

Vielleicht weil es auch schwierig ist, Musiker zu finden, die das spielen können?

Das ist wieder eine andere Frage. Musiker, die das spielen können, gibt es theoretisch schon. Aber die es auch wollen und sich darauf einlassen, das ist eine andere Frage. Man muss sich ja lange damit beschäftigen, und dann gibt es nicht mehr viele.

Ist denn ein neues Album in Planung?

In Planung schon und es gibt auch schon neue Songs, aber wie gesagt, ich muss erst einmal ein paar neue Sachen schreiben. Ich habe auch schon Ideen, aber ich schätze mal, die werden nächstes Jahr entstehen. Also im Laufe von 2014, und dann werden wir das erst einmal proben. Ich schätze das neue Album kommt dann irgendwann 2015 raus.

Zum Abschluss: Dein Gitarrensetup.

Mein Setup... ich spiele Ibanez Gitarren und Mesa Boogie Verstärker. Derzeit spiele ich eine siebensaitige Ibanez und eine achtsaitige. Aber mein eigentliches Hauptinstrument ist der Siebensaiter und jetzt hab ich seit Anfang des Jahres den Mega Boogie Rectifier, und dann mag ich natürlich auch noch ein paar Effekte haben. Zum Beispiel hab ich das Fractal Audio AxeFX und da kommen dann meine Effekte raus. Das ist auch alles schön midifiziert, also muss ich nur noch auf einen Knopf drücken und der Sound kommt. Alles schön per Midi, das mag ich gerne. Kostet ein bisschen Vorarbeit, aber ist ganz dufte. Da hab ich so schöne Vorgaben wie zum Beispiel die Tropfsteinhöhle, das ist so ein extrem langer Hall. Da kann man dann gut reinfaden. Entweder Walgesänge oder Tropfsteinhöhle. Macht Spaß. Aber natürlich brauch ich auch die Abrissbirne mit einer richtigen Röhre. Am besten analogen Röhrenzerrsound. Ich steh immer noch auf analoge Technik.

Vielen Dank. Zum Abschluss noch irgendwelche letzten Worte?

Nö. Also eigentlich nicht. Alles soweit dufte. Mir fällt gerade nichts ein.
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