Ministry My Uncle The Wolf

Ministry, My Uncle The Wolf

Ministry
Saarbrücken, Garage
28.06.2008
Wenn man an einem wunderbaren Samstag Abend MINISTRY-Gitarrist/PRONG-Mastermind Tommy Victor beim Dönermann um die Ecke trifft, und sich ihm unterhalten kann, als wäre er schon immer dein bester Freund, dann kann im Verlaufe des Abends eigentlich nichts mehr schief gehen. Schließlich sieht man eine Band, deren Mitglied sich als einer der sympathischsten Menschen des Metal-Biz entpuppt, schließlich noch mal mit ganz anderen Augen.

Szenenwechsel! 50 Meter weiter im Inneren der Garage bietet sich ein denkbar trauriges Bild. Der Support-Act MY UNCLE THE WOLF muß eine halbe Stunde vor offiziellem Beginn die Bühne entern und darf angesichts einiger weniger Gestalten eine öffentliche Probe durchziehen. Daß das etwas gelangweilte Stageacting nur auf das „Durchziehen“ THC-haltiger Substanzen zurück zu führen ist, kann an dieser Stelle dann auch bezweifelt werden. Da spricht die Ansage des Fronters, daß die Band bisher noch nie vor einer solch spärlichen Kulisse auftreten musste, einige Bände. Was allerdings nicht nur darauf zurück zu führen sein kann, daß die Leute keine Lust hätten, früher anwesend zu sein.

Als die Band mit „March Of The Hung“ loslegt, sind einige im Foyer noch damit beschäftigt, die Leibesvisitationen über sich ergehen zu lassen. Keine Ahnung, ob es zur „futuristisch-apokalyptischen“ Show des Haupt-Acts (mehr dazu später) gehört, daß die Durchsuchungen am Einlaß auf dem Niveau des Eintritts ins Weiße Haus (fehlte nur noch der obligatorische Soldat mit Gewehr im Anschlag) lagen, oder ob man einfach mal die neu erworbenen Metalldetektoren testen wollte. Daß die Beginnzeiten mittlerweile fast immer eine halbe Stunde nach vorn verlegt werden, ist den Vorbands dabei natürlich auch ausgesprochen undienlich.

So verpufft also die Wirkung des von starker SABBATH-Schlagseite gezeichneten Stoner-/Doom-Metals, der mit seinen wuchtigen Ausbrüchen manches Mal sogar fast an die Doomcore-Kings von WINTER oder CROWBAR erinnert. Dazu muß man sagen, daß das Material über die gesamte Spielzeit etwas an den Nerven zerrt. Mit etwas mehr Bewegung auf der Bühne und im Publikum hätte das ganz anders aussehen können, Potenzial ist beim Wolfsonkel sicherlich genug vorhanden.

Bei MINISTRY sieht das Bild dann glücklicherweise komplett anders aus. Auch wenn die Garage noch lange nicht das Ausverkauft-Schild an die Scheibe hängen kann (was bei der letzten Tour der besten Industrial-Band eigentlich ketzerisch ist), haben es doch reichlich Leute durch die besagten Metalldetektoren geschafft, um den Industrial-Pionieren Lebewohl zu sagen. Die Band dankt es – soviel sei hier schon mal verraten – mit einer unglaublich tighten Show, die eigentlich kein Bein still stehen lassen dürfte.

Bevor man auf die Bretter klettert, zeigt man mit einem Augenzwinkern Innovation, indem man nicht einfach ein Intro vom Band einspielt, sondern halt einfach mal den Videoclip zu REVOLTING COCK´s „I´m Not Gay“ auf die sich hinter dem Drumkit befindliche Leinwand projeziert. Und als das von Stroboskob-Effekten begleitete Industrial-Gewitter sein Ende findet, stehen sie auch schon da, lugen über die Gitterzäune, und legen mit dem programmatischen „Let´s Go“ los.

Sofort fühlt man sich in einem apokalyptischen Szenario gefangen, das an eine Mischung aus Bladerunner und Land Of The Dead erinnert. Hinter dem Drumkit zeigen George W. Bush und der Irakkrieg abwechselnd ihre hässlichen Fratzen, während Al Jourgensen wie der Prediger der Apokalypse seine Wut über die Absperrung schreit. Nicht zu vergessen seine Mitmusiker (allen voran Tommy Victor), die die Menge immer wieder anfeuern und auch auf der Bühne gut Gas geben. Abgerundet wird das Spektakel durch eine grandiose Setlist, die sich erstmal ausschließlich auf die letzten 3 Alben konzentriert. Wer an diesem Abend dachte, ein weit gestreutes Best-Of-Programm vor den Latz zu bekommen, dürfte wohl etwas enttäuscht sein.

Sicherlich hätten MINISTRY auf Nummer Sicher gehen und sich auf ihre alten Hits beschränken können. Wahre Pioniere verlassen aber nun einmal gerne ausgetretene Pfade und werden den Erwartungen nicht immer gerecht. So aber darf man dann eben Zeuge werden, welch Granaten Songs wie „Watch Yourself“, „The Dick Song“, das Titelstück der letzten Platte „The Last Sucker“ oder „Senor Pelegro“ doch tatsächlich sind. Natürlich gehören dazu auch das gottgleiche „No W.“ (leider ohne „Carmina Borana“-Einleitung), „I´m Still Waiting“, „Lies Lies Lies“ oder „Rio Grande Blood“. Alles Songs, die eigentlich jetzt schon Klassikerstatus genießen dürfte.

Mister Jourgensen scheint sich wirklich Gedanken gemacht zu haben, wie man eine Setlist abwechslungsreich gestaltet. Mal treibend, mal stampfend, gerne auch mal rasend schnell. Und so hat er sich seine erste Zigarette bei „Wrong“ auch mehr als verdient. Mein Nebenmann, der es ihm nach macht und sich seinerseits ne Kippe anzündet, laut Security-Mann wohl eher nicht. Warum darf ein Rockstar auf der Bühne rauchen, der gemeine Zuschauer aber nicht? Eine Frage, die ihm wohl immer noch schlaflose Nächte bereiten dürfte.

Zurück zum eigentlichen Spektakel, das mit einem instrumentalen Abgang nach etwas mehr als einer Stunde ein erstes Ende findet. Bisher gab es keinen einzigen Song von älteren Alben. Sollte vielleicht doch noch im Zugabenblock der ein oder andere alte Hit auftauchen? Gibt es überhaupt eine Zugabe, oder macht man den Abschied kurz? Die Spannung steigt…

…und da sind sie wieder! Moment, das Gitarrenintro kommt mir doch gerade verdammt bekannt vor! Jawoll, „So What“!!!!!! Kaum in Extase gebangt folgt schon gleich der nächste Hammer mit „N.W.O.“, bei dem sich Jourgensen zum zweiten Mal an diesem Abend eine witzige Gitarre in Sargform umhängt, diese aber nur sporadisch spielt. Nun kommt also auch endlich die Oldschool-Fraktion auf ihre Kosten, die weißen Flecken in den Höschen zeichnen sich förmlich ab! Und – wie immer – wenn’s am schönsten ist, sollte Schluß sein. Besagter Schluß hört an diesem Abend auf den Namen „What A Wonderful World“(Armstrong-Cover), erst nur von Keys und Drums untermauert, dann in einen CARNIVORE-ähnlichen Punk-Track mündend und – soweit ich das heraushören kann – mit etwas anderem Text versehen.

Auch wenn ich persönlich viel lieber den letzten Song gegen „Jesus Built My Hotrod“ eingetauscht hätte, MINISTRY haben heute abend einen perfekten Set geliefert. Schade, daß das alles jetzt vorbei sein soll. Zumindest aber konnte ich eine weitere Konzertlücke schließen und kann mich immer wieder an eine Sache zurück erinnern: nämlich an ein Konzert, das intensiver war als jeder Analverkehr!
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