Opeth & Anathema

Opeth & Anathema

AnathemaOpeth
Köln, E-Werk
21.11.2012
Es ist doch immer wieder eine Freude, zur Zeit des Feierabendverkehrs einmal quer durch den Ruhrpott eiern zu dürfen. Doch was bleibt dem schwachen Metaller schon übrig, wenn ihn der Lockruf einer faszinierenden Band wie OPETH in Richtung Köln (ver)führt? Eben, nicht viel. Und so steht man natürlich pünktlich zum Einlassbeginn am Leverkusener Autobahnkreuz im Stau und ärgert sich über die ganzen unfähigen Autofahrer, welche die Situation noch verschlimmern.

Glücklicherweise schaffen wir es trotzdem irgendwie rechtzeitig zum E-Werk, auch die Parkplatzsuche gestaltet sich erstaunlich einfach, so dass wir den Auftakt von ANATHEMA nicht verpassen. Die stehen nämlich schon um kurz vor Acht auf der Bühne, um ihr 45-minütiges Set mit "Deep" zu eröffnen. Da die Zeit ja etwas knapper bemesser ist als bei ihren 2 1/2-stündigen Headlinersets, wie Sänger Vincent Cavanagh nüchtern feststellt, reduziert er seine Ansagen auf ein Minimum und lässt lieber die Musik für sich sprechen. Und die hat es trotz oder gerade aufgrund der viel zu kurzen Setlist in sich: Eingebettet in die beiden "We're Here Because We're Here"-Songs "Thin Air" sowie dem sich stetig steigernden "A Simple Mistake" gibt es den "Untouchable"-Doppelschlag der aktuellen "Weather Systems"-Langrille. Dieser ist zwar verdammt pathetisch und unfassbar kitschig - macht aber vor allem dank der mehrstimmigen Gesänge einfach unglaublich viel Spaß. Daran hat natürlich auch der glockenklare Gesang von Lee Douglas einen großen Anteil, der sich gerade bei diesem Songdoppel ein wenig in den Vordergrund singen kann, ansonsten aber eher dezent im Hintergrund bleibt.
Das näher rückende Ende des Gigs nutzen die Liverpooler, um das bisher recht poppige Programm ein wenig zu kontrastieren. Erstmal wird es düster-atmosphärisch, als von der in blaues Licht gehüllten Bühne der mit Vocoder-Vocals versehene elektronische Trip "Closer" erschallt. Leadgitarrist Daniel Cavanagh versucht derweil, die seinem Geschmack nach etwas zu verträumt lauschenden Zuschauer zu mehr (Mitsing-)Action zu bewegen. Naturgemäß besser gelingt ihm das beim abschließenden, wohl rockigsten Song des heutigen Sets: "Fragile Dreams" widmet Daniel dann auch wenig überraschend der "verdammt nochmal besten Metalband des Planeten", die wenige Minuten später die Bühne betritt.

Und OPETH werden trotz des umjubelten Auftritts ihrer Anheizer natürlich ungeduldig erwartet. Um Punkt neun Uhr ertönt ein etwas gewöhnungsbedürftiges Intro, bevor die Schweden einige Augenblicke später die Bühne entern, um den Opener "The Devil's Orchard" ihres aktuellen Albums "Heritage", dessen Artwork das riesige Backdrop ziert, in die Menge zu feuern. Dank der von rotem Licht gefluteten Bühne sieht Frontmann Mikael Åkerfeldt fast wie der Gehörnte höchstselbst aus, als er die prägnante Zeile "God is dea-ead!" anstimmt. Entgegen aller Hoffnungen oder Befürchtungen geht es im Folgenden trotz der Tatsache, dass auch diese Tour unter dem "Heritage"-Banner steht, nicht mit Songs von eben jenem kontrovers diskutierten Album weiter. Stattdessen pflegen Åkerfeldt und seine Mannen ihr eigenes Erbe. Soll heißen: Es folgt ein grandioser Zehnminüter in der Schnittmenge aus Prog Rock und Death Metal auf den nächsten. Weiter in die eigene Vergangenheit als "Still Life" reist das Quintett jedoch leider nicht, auf ein "Demon Of The Fall" beispielsweise wartet das Kölner Publikum heute also vergeblich.
Bei der ansonsten aber ausgewogenen und entsprechend fantastischen Setlist kann man diesen Makel verschmerzen. Zumal Herr Åkerfeldt mal wieder bestens drauf ist und das Kölner Publikum entsprechend gut unterhalten wird von den "five ugly guys playing shit music". Auch beeindruckt er mit seinen Kenntnissen der deutschen Sprache: "Mein Hund ist dunkelblau." Ja ja, er ist eben "not only a genius when it comes to metal music." Aber das ist er tatsächlich, genau so wie seine vier Mitstreiter. Andernfalls könnte die Band ihr Set nicht mit solch einer klinischen Präzision und gleichzeitig so emotional darbieten wie sie es an dem heutigen Abend tun. Nach dem genialen "Deliverance" muss sich sogar der technisch versierte Frontmann erstmal die Stirn wischen - manchmal würde er doch lieber KISS-Songs spielen. Dann könne er sich nämlich auch besaufen, nüchtern aufzutreten mache ja mal so gar keinen Spaß! Alle anderen Beteiligten an diesem Abend haben den aber dank dieses einmaligen Pakets aus musikalischer Erhabenheit und bester Unterhaltung. So beendet "Reverie/Harlequin Forest" das reguläre Set gefühlt viel zu früh, mit dem Titelsong des bahnbrechenden "Blackwater Park"-Albums als Zugabe haben OPETH aber noch ein über zehnminütiges Ass im Ärmel, das auch den letzten Fan vor Glück strahlen lässt. Und als wär dies nicht genug, verläuft auch die Rückfahrt (fast) reibungslos. Also ein in mehrfacher Hinsicht denkwürdiger Abend!

Setlist ANATHEMA:

Deep
Thin Air
Untouchable, Part 1
Untouchable, Part 2
A Simple Mistake
Closer
Fragile Dreams

Setlist OPETH:

The Devil's Orchard
Ghost Of Perdition
White Cluster
Hope Leaves
Deliverance
Hessian Peel
Häxprocess
Reverie/Harlequin Forest

Blackwater Park
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