Anathema - Weather Systems

Anathema - Weather Systems
Progressive Rock
erschienen am 20.04.2012 bei The End Records
dauert 55:43 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. Untouchable, Part 1
2. Untouchable, Part 2
3. The Gathering Of The Clouds
4. Lightning Song
5. Sunlight
6. The Storm Before The Calm
7. The Beginning And The End
8. The Lost Child
9. Internal Landscapes

Die Bloodchamber meint:

Ob der ein oder andere Doomster ernsthafte Hoffnungen gehegt hat, ANATHEMA würden sich mit ihrem neuen Album vielleicht wieder ihren Wurzeln annähern? Das kann ich mir kaum vorstellen, zu konsequent und radikal war ihre Entwicklung: weg vom tödlich angehauchten Doom Metal, hin zu einer recht eigenwilligen Mischung aus Pop, Post- und Progressive Rock. Abgesehen davon steht die Plattenfirma kscope, bei der ANATHEMA sich seit einigen Jahren unter Vertrag befinden, nicht unbedingt für Metal der härteren Gangart, was Labelkollegen wie zum Beispiel GAZPACHO, BLACKFIELD oder THE PINEAPPLE THIEF auch belegen. Mit einem derartig poppigen Werk wie „Weather Systems“ war allerdings trotzdem nicht unbedingt zu rechnen…

Denn der neueste Output der Briten scheint mitunter eine sehr luftige Angelegenheit geworden zu sein. Dies resultiert einerseits aus dem großen Anteil der Akustik-Gitarre, welche ihren elektronisch verstärkten Bruder deutlich in den Schatten stellt. Dazu gesellt sich in hohem Maße das Klavier, und auch Streicher dürfen natürlich nicht fehlen. Andererseits überlässt der glänzend aufgelegte Vincent Cavanagh seiner Gesangspartnerin Lee Douglas noch eine ordentliche Spur mehr Raum als in der Vergangenheit, ihre Stimme zur Entfaltung zu bringen. So liefern sich die beiden ein ums andere Mal packende Duette über die Licht- und Schattenseiten des Lebens und dessen Vergänglichkeit. Klingt alles ungemein kitschig? Ist es auch.

Dass es sich bei „Weather Systems“ trotzdem um ein ausgesprochen tolles Album handelt, liegt daran, dass ANATHEMA allem Kitsch und Pathos zum Trotz ihren progressiven Pop nahezu perfektioniert haben, woraus größtenteils mitreißende Songs entstehen. Dazu kommt, dass die Liverpooler geschickt mit Gegensätzen spielen: der lyrischen Thematik entsprechend gibt es immer ein Licht am Ende des Tunnels, bei aller Cheesiness schwingt immer auch eine Spur Melancholie mit durch. Dadurch gewinnen die bei oberflächlicher Betrachtung lediglich luftig-leichten Kompositionen enorm an Tiefe und wissen auch nachhaltig zu begeistern. Da wäre zum Beispiel das starke „Untouchable“- Eröffnungsdoppel – der erste Teil dürfte sich zu meinem persönlichen Pop-Highlight 2012 mausern, der ist kaum aus dem Kopf zu bekommen.
Manche Passage mag ein wenig zu langatmig geraten sein, und von einem „Lightning Song“ hätte ich mir etwas mehr Power gewünscht. Diese bekommt der Hörer dafür aber mit dem im wahrsten Sinne des Wortes spannenden „The Storm Before The Calm“ geliefert, das mit einem sehr energiegeladenen Höhepunkt aufwartet – die Laut-Leise-Dynamik des Post-Rock wird hier geradezu perfekt zelebriert.

Auch wenn ANATHEMA hier und da ein wenig straighter zu Werke hätten gehen können, so wissen im Großen und Ganzen doch alle Songs und damit auch das Album an sich zu begeistern. Wer auf melancholischen Progressive Rock oder meinetwegen auf Pop mit Anspruch steht, der kommt an „Weather Systems“ kaum vorbei. Das mag die Doomster nicht versöhnen, aber meiner Meinung nach legen ANATHEMA mit diesem Longplayer gegenüber dem nicht ganz so fesselnden Vorgänger „We’re Here Because We’re Here“ von allem eine Schüppe drauf: sowohl von Pop-Appeal und Kitsch, aber auch von tollem Songwriting und packender Atmosphäre. So darf es aus meiner Sicht gerne weitergehen mit den Briten, meine tägliche Dosis Doom hole ich mir eben woanders…
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