Megadeth - Dystopia

Megadeth - Dystopia
Speed Metal
erschienen am 22.01.2016 bei Universal Music
dauert 46:45 min
Bloodchamber-Wertung:

Tracklist

1. The Threat Is Real
2. Dystopia
3. Fatal Illusion
4. Death From Within
5. Bullet To The Brain
6. Post American World
7. Poisonous Shadows
8. Conquer Or Die
9. Lying In State
10. The Emperor
11. Foreign Policy

Die Bloodchamber meint:

If you don't like where we're going,
Then you won't like what's coming next!


Hätte MegaDave diese Zeilen bereits auf dem Vorgänger von “Dystopia” verlauten lassen, hätte ich mich womöglich gar nicht mehr mit einem neuen MEGADETH-Album auseinandersetzen wollen, war der „Super Collider“ seinerzeit doch eine „astreine Luftpumpe“, wie sie im Bloodchamber-Buche steht. Doch seitdem hat es mal wieder gerappelt im Bandgefüge: Shawn Drover und Chris Broderick reihen sich nun in die lange Liste der Ex-MEGADETH-Musiker ein, dafür gerbt zumindest interimsmäßig LAMB OF GOD-Drummer Chris Adler nun die Felle, während für den Posten an der zweiten Gitarre Ex-ANGRA-Flitzefinger Kiko Loureiro gewonnen werden konnte. Und auch wenn Mustaine den Mund wahrscheinlich mal wieder zu voll genommen hat, als er kurzerhand das aktuelle Line-Up zur stärksten MEGADETH-Besetzung jemals kürte, so kommt man nach einigen Umdrehungen des neuen Albums nicht umhin zu bemerken, dass das frische Band-Blut den beiden verbliebenen Daves hörbar gut getan hat.

Einerseits klingt „Dystopia“ Titel und Artwork entsprechend stellenweise sehr modern, wie schon der lyrisch extrem plakative Opener „The Threat Is Real“ verdeutlicht - ein Einfluss des neuen Drummers? Auf der anderen Seite sind die neuen Songs aber auch hochmelodisch geworden und wieder mit deutlich stärkeren Gitarrenleads und –soli ausgestattet, wie beispielsweise der anschließende (bockstarke!) Titeltrack zeigt - ein Verdienst des neuen Gitarristen? Wie dem auch sei, letzten Endes dürfte die wichtigste Erkenntnis ohnehin sein, dass MegaDave - ob mit fremder Hilfe oder ohne - offensichtlich den Kopf aus dem „Super Collider“-Arsch bekommen hat und zumindest ein Teil seines Herzens noch immer für Thrash Metal schlägt, wie die giftige „Fatal Illusion“ unter Beweis stellt. Der das Album eröffnende Dreischlag kann also vollends sowohl mit neuen Facetten als auch mit liebgewonnenen Traditionen glänzen und animiert schnell zum Headbangen und - sofern man die politisch mindestens mal fragwürdige Einstellung Mustaines ausblenden kann - auch zum Mitgrölen.

Zur Albummitte hin jedoch können MEGADETH das hohe Niveau der ersten Songs nicht mehr ganz halten. Zwar haben auch „Death From Within“, „Bullet To The Brain“ und „Post American World“ ihre Momente, aber sie sind alle nicht mehr ganz so stark und flüssig arrangiert. Das ändert sich erst wieder mit der überraschenden Power-Ballade „Poisonous Shadows“, die gekonnt modernen Stakkato-Groove mit symphonischen Elementen verknüpft. Während dieser Ausflug in fast schon gothische Gefilde das Bemühen der Band um Abwechslung unterstreicht, holen das im Tempo gedrosselte Instrumental „Conquer To Die“ und erst Recht der knackige Thrasher „Lying In State“ die 80er Fans wieder mit ins Boot. Bevor die Band dann das Album mit einem FEAR-Cover, dem politischen Statement „Foreign Policy“ beschließt, sorgt sie noch einmal für ein wenig Verwirrung, will doch „The Emperor“ mit seinem Rock’n’Roll-Anstrich so gar nicht in den düsteren Albumkontext passen; so hätte man diesen an und für sich gar nicht mal so schlechten Song vielleicht lieber in die Bonus-Sektion verfrachten sollen.

Unter dem Strich liefern MEGADETH jedoch ein nach dem Vorgänger in dieser Qualität nicht zu erwartendes Album ab, das nicht nur alte Fans der Band versöhnen dürfte, sondern auch Türen für neue öffnet. Zwar ist nicht jeder Song ein Volltreffer, Mustaines Patriotismus wie immer nervig und Ellefsons Bass geht im Mix immer mal wieder zu sehr unter. Auf der Habenseite kann „Dystopia“ aber eine wieder stark verbesserte Gitarrenarbeit, einige nicht aus dem Kopf zu bekommende Hooks und vor allem ein paar schlichtweg starke Songs verbuchen, die live schnell zünden dürften. Aber auch für das Hörerlebnis am Wohnzimmertisch liefern MEGADETH endlich wieder gute Gründe. Als Fan der Band kann mal also wieder entspannter in die Zukunft blicken als noch zuletzt.
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