Old School und trotzdem modern


Interview mit Criminal
Thrash Metal aus Chile - Santiago de Chile
Hallo Anton !
Vorab erstmal Glückwünsche zu eurem neuen Album „Sicario“. Das Teil hat mir wirklich sehr gut gefallen und wurde bei uns auch mit mehr als verdienten 8,5 Punkten bedacht. Da muß ich doch noch ein bißchen nachbohren !

Anton, Du wohnst mittlerweile in der Nähe von Stuttgart und sprichst auch einwandfrei deutsch, wogegen die anderen Bandmitglieder alle in England leben. Wie lassen sich die täglichen Bandangelegenheiten bei dieser Konstellation regeln ? Ich stell es mir ziemlich schwierig vor …


Es ist eigentlich einfacher, als man meinen könnte. Natürlich können wir uns nicht zur wöchentlichen Probe treffen, es läuft eher projektbedingt, also wenn eine Tour oder Aufnahme ansteht. Aber daß es funktioniert, hat die letzte CD ja bewiesen. Wir haben uns dafür auch nur ein paarmal getroffen, aber die Songs waren schon soweit, dass sie nur die letzten Arrangements benötigten.

Ursprünglich kommt die Band ja aus Chile, wobei Dein Name ja mehr an einen Österreicher erinnert. Woher stammen Deine Vorfahren ?

Meine Grosseltern kommen alle aus Deutschland bzw. Österreich, aber aus ganz unterschiedlichen Regionen. Sie haben sich ja erst in Chile kennen gelernt. Meine Eltern sind ja auch beide in Chile geboren.

Seit „Sicario“ ist euer Bassist Juan Cueto wieder dabei. Hat sich seine Anwesenheit auf das Songwriting ausgewirkt ?

Kato kam dazu, als 90% des Materials bereits stand, also hatte er keinen großen Einfluß aufs Songwriting. Er hat lediglich ein paar Texte verfasst, wie z.B. "Touch Of Filth" oder "Shot In The Face", das wir zusammen geschrieben haben. Leider hat er sich aber kurz nach den Aufnahmen wieder in Richtung Chile verabschiedet. Er konnte sich wohl nicht so recht mit dem Gedanken anfreunden, permanent in Europa zu bleiben. Wir haben aber bereits Ersatz parat. Unser neuer Basser heisst Staff Glover und ist auch Engländer. Er half uns bereits auf der Tour mit Six Feet Under aus. Jetzt ist die Band also zur Hälfte chilenisch und zur anderen britisch.

Insgesamt scheint mir „Sicario“ etwas eingängiger und gradliniger zu sein als der Vorgänger „No Gods No Masters“. Kannst Du das bestätigen ?

Ja, auf jeden Fall. Während wir auf "NGNM" versucht haben, etwas komplett Neues zu erschaffen, haben wir uns diesmal auf unsere alten Stärken besonnen, und die liegen nun mal beim straighten, brutalen Thrash. Dazu sei aber gesagt, daß wir das nicht geplant haben. Wir haben einfach drauf los komponiert, und die Songs entstanden fast wie von allein.

Euer Sound ist auch dank der tollen Andy Classen Produktion eine gute Balance zwischen purer Old School Attitüde und modernem Anspruch. Spiegelt sich das auch bei euren Shows wider, d.h. findet sich auch vermehrt junges Publikum bei euch ein ?

Naja, hier in Europa haben wir eh Supportband-Status, also hängt das Publikum eher vom Hauptact ab. Wir haben aber z.B. bei den Gigs mit Chimaira, dessen Publikum ja wesentlich jünger ist als bei SFU beispielsweise, gesehen, daß die jungen Kids voll auf unseren Sound abfahren. Ich glaube das hat mit unserem Songwriting zu tun, denn wir bedienen uns sowohl beim Old School Thrash, als auch bei neueren Sachen. Daß Andy Classen das alles soundtechnisch optimal in Szene gesetzt hat, kann ich problemlos unterschreiben.

Was hat es eigentlich mit dem Albumtitel auf sich ? Soweit ich weiß handelt sich es um das spanische Wort für „Auftragskiller“, was ja wiederum ganz gut zu eurem Bandnamen paßt.

Ja, das stimmt, und das war auch ein Teil der Überlegung. Ich finde, "Sicario" klingt aggressiv, und es ist wahrscheinlich für euch Europäer etwas geheimnisvolles, wenn man nicht gleich weiß, worum es beim Titel geht. Ich habe zuerst den Text zum Song "Sicario" geschrieben, der ja von Teenagern handelt, die für ein paar hundert Dollar für die Drogenkartells Menschen umbringen. Erst hinterher ist mir aufgefallen, daß der Titel auch für das ganze Album passen würde.

Auf dem Album befindet sich mit „Por La Fuerza De La Razón“ auch ein Lied mit spanischen Lyrics. Sowas habt ihr früher auch schon gemacht, aber was steckt dahinter ? Was muß bei euch ein Song haben, damit er auf spanisch aufgenommen wird ?

Dieser Song handelt von der politischen Gewalt, die nicht mal so lange her in Chile regierte, und was man daraus lernen kann. Ich habe mich für den Text teilweise bei der chilenischen Nationalhymne bedient und diese ein wenig, ähhh, umformuliert. Bei Songs, die wir auf Spanisch schreiben, muß es halt um Sachen gehen, die uns wirklich am Herzen liegen.

Als Bonustrack befindet sich auf der CD eine Neueinspielung des Songs „Self Destruction“, der von eurem 94er Debüt „Victimized“ stammt. Wie kam es zu dieser Neuauflage ?

Wir wollten den europäischen Fans einfach etwas Besonderes liefern, und da bot es sich ja an, einen Song von unserem ersten Album neu aufzunehmen, denn erstens wurde dieses nie in Europa veröffentlicht, und zweitens hatte es einen ziemlich miesen Sound. Die Neuaufnahme gefällt mir sehr gut und reiht sich auch nahtlos in das Album ein.

Wenn man sich so euren Backkatalog anschaut, fällt auf, daß zwischen allen Veröffentlichungen mindestens drei Jahre lagen. Jetzt habt ihr den Nachfolger von „No Gods No Masters“ schon innerhalb eines Jahres aufgenommen. Wie kommt’s ? Und darf man hoffen, daß es in dieser Geschwindigkeit weitergeht ?

Das kam einfach dadurch, daß wir uns nicht mit irgendwelchen ignoranten Plattenfirmenleuten rumschlagen mußten, sondern uns einfach auf die Musik konzentrieren konnten. Früher wäre das sicher auch gegangen, wenn wir nicht irgendwie permanent Stress mit unserer alten Plattenfirma gehabt hätten. Ob wir das Tempo einhalten können, sprich 2006 schon wieder ein neues Album veröffentlichen, das kann ich noch nicht sagen. Wir sind aber bereits heftig am Komponieren.

Ich nehme mal an, daß ihr „Sicario“ auch in Europa vorstellen werdet. Gibt es schon konkrete Tourdaten ?

Leider nein. Das hat sich als schwieriger erwiesen, als wir uns angesichts der Pressereaktionen vorgestellt hatten. Wir bleiben aber weiterhin dran und hoffen, im Frühjahr 2006 eine Europatour spielen zu können. Außerdem sollte sich unsere Präsenz auf den Sommerfestivals ausweiten.

Zum Schluß möchte ich noch mal auf eure Heimat Chile kommen. Da ihr ja aus Südamerika stammt, werdet ihr oft mit Sepultura verglichen (was auch nicht ganz von der Hand zu weisen ist). Wie stehst Du zu solchen Vergleichen ?

Ich habe kein Problem damit, denn ich weiß, daß wir alles in allem einen eigenen Sound haben. Da gibt es ja andere Bands, die ihre komplette Karriere auf das bloße Abkupfern von Sepulturas bzw. Soulflys Sound aufgebaut haben. Sowas kann man uns nicht vorwerfen. Sepultura waren und sind für uns ein großer Einfluß, denn schließlich waren sie die größte Band, die je aus Südamerika kam.

Gibt es irgendwelche Geheimtips aus Chile, die Du weiterempfehlen kannst ? Gibt es dort talentierte Nachwuchsbands, die kurz vor dem Durchbruch stehen ?

Obwohl ich die Szene dort nicht mehr so sehr mitverfolge, gibt es einige Bands, die ich empfehlen kann : Mar de Grises (Doom), Dogma (moderner Thrash), Huinca (Ethno-Thrash), Coprófago (technischer Death Metal). Und ich bin sicher, daß es noch eine Menge mehr gute Bands gibt.

Das soll es dann auch gewesen sein. Danke für das kleine Interview und viel Erfolg mit der neuen Platte. Die letzten Worte gehören Dir :

Vielen Dank für eure Unterstützung und man sieht sich auf Tour!
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