Improvisationen bekommen bei uns keine Chance
Interview mit Dark Tranquillity
Melodic Death Metal aus Schweden - Göteborg
Melodic Death Metal aus Schweden - Göteborg
Nachdem „Fiction“ einmal mehr wie eine Bombe in meinem Kopf eingeschlagen hatte, und beim letzten Mal noch einige Fragen offen blieben, habe ich mir erneut Niklas Sundin, den Gitarristen von DARK TRANQUILLITY, geschnappt und ihm meine Fragen präsentiert. Lest im Folgenden, was er zu erzählen hat:
Hallo Niklas, zunächst einmal möchte ich euch für das neue Album danken. Es ist eines der wenigen, die von mir in den letzten Jahren die vollen 10 Punkte erhalten haben.
Großartig! Ich bin froh, dass dir die Scheibe gefällt.
Für den Anfang würde ich gern wissen, was der Titel “Fiction” und das verregnete CD-Cover bedeuten?
Ich wollte schon seit vielen Jahren ein eher minimalistischeres Cover für DARK TRANQUILLITY machen, aber erst dieses Mal hatte ich das Gefühl, dass es so richtig zur Musik und den Texten passen würde. Das Cover soll das Thema „Realität kontra Fiktion“ umsetzen. Im Grunde basiert es auf einem Foto aus dem Fenster eines Tourbusses, der irgendwo in den Staaten herumfährt. Wenn du genau hinschaust, dann siehst du (vielleicht), dass es so verändert wurde, dass das ganze Bild irgendwie unrealistisch wirkt. In anderen Worten: Es ist eine Reflektion unserer eigenen Realität, die aber stets einige fiktionale Elemente beinhaltet.
In dem Interview zu “Charakter” vor zwei Jahren hast du behauptet, dass das nächste Album definitiv etwas ganz anderes werden wird. Was hat eure Meinung geändert?
Du solltest bedenken, dass wir sechs Leute mit SEHR unterschiedlichen Meinungen sind, bezüglich Musik im Allgemeinen und wie die Band letztlich klingen soll. Jedes Mal, wenn ich mich über unsere zukünftige Entwicklung in Interviews äußere, betone ich, dass dies lediglich meine eigene Meinung ist und die anderen nicht zwangsläufig damit übereinstimmen müssen. Nur weil ich unseren Sound in einer bestimmten Art und Weise haben will, heißt das noch lange nicht, dass dies auch passieren wird. Im Gegenteil, ich habe höchstens 5-10% der Musik auf den letzten 4-5 Alben geschrieben, ich bin also weit entfernt von einem Hauptsongwriter. So oder so sind wir nicht unbedingt eine Band, die solche Sachen kontrollieren kann. Es ist schon so oft vorgekommen, dass der endgültige Sound eines Albums am Ende komplett anders wurde, als wir am Anfang dachten.
Wo bekommt ihr eigentlich immer diese großartigen Melodien her? Gibt es da irgendeinen geheimen Laden in Schweden, wo man die kaufen kann?
Wir bestellen die im Internet! Das ist billiger, schneller und besser!
Die Keyboard- bzw. Pianoelemente haben auf “Fiction” noch weiter zugenommen. Haben die Gitarrenriffs immer noch die erste Priorität beim Songwriting oder haben die Keyboardmelodien mittlerweile die Oberhand gewonnen?
Beides, denke ich mal. Die eine Musik wird als Gitarrenriff geschrieben und Martin fügt anschließend das Keyboard hinzu. Manchmal fängt es aber auch mit einer Keyboard- oder Pianolinie an. Anders schreibt sogar sehr viele seiner Schlagzeug-Parts auf Keyboards.
"Inside The Particle Storm" erscheint mir wie die musikalische Version eines Tornados. Anfang und Ende sind schnell und heftig, während die Mitte eher ruhig ausfällt. Ganz wie im sprichwörtlichen „Auge des Sturms“. Ist dies nur ein einfacher Song über die Natur oder gehe ich zu weit, wenn ich darin eine Art Kommentar zu unserer momentanen ökologischen Situation und dem allgemeinen Warten auf den großen, alles zerstörenden Sturm hinein interpretiere?
Nein, das hast du schon ganz richtig erkannt. Darin findet sich definitiv ein wenig apokalyptisches Denken wieder. Ob sich das nun auf den Klimawechsel oder nur auf das generelle menschliche Verhalten bezieht, ist eine andere Geschichte. Es geht darin nicht nur um die Natur, vielmehr geht es auch um den Moment, wenn die Menschheit vom Antlitz des Planeten gefegt wird. Eigentlich sind die Lyrics dazu sogar die ersten, die ich seit zehn Jahren selbst geschrieben habe, weshalb ich mich natürlich umso mehr darüber freue, dass wir sie letztlich auf dem Album unterbringen konnten.
Wo wir gerade beim Thema sind: Wie wichtig sind euch die Texte überhaupt? Einfach nur ein paar Worte, um den Song zu ergänzen oder eine wichtige Mitteilung an den Rest der Welt?
Unser Lyrics drehen sich meistens um uns selbst. Wir haben keine spezielle Botschaft an die Welt. Es geht lediglich um Emotionen und Zustände, womit sich hoffentlich der eine oder andere identifizieren kann. Ich habe nichts gegen Künstler, die ihre Ideen und Meinungen über ihre Musik weitergeben, aber das ist nicht wirklich unser Ding.
Mit “Misery’s Crown” kehrt Mikaels klare Stimme zurück. War das eine Art Rückbesinnung an „Projector“-Zeiten? Werden wir gar mehr davon in Zukunft hören und was war übrigens der Grund dafür, dass dieser Gesang nur auf einem Album präsent war?
Wir haben immer gesagt, dass wir Mikaels cleane Vocals nur zurück bringen würden, wenn die Musik das wirklich verlangen würde. Und auf dem aktuellen Album hatten wir „Misery’s Crown“ und „The Mundane and the Magic“, auf die das halt genau zutraf. Ich habe keine Ahnung, ob es davon noch mehr geben wird, das hängt ganz davon ab, wohin wir uns entwickeln werden. Außerdem möchte ich noch erwähnen, dass Mikael bereits auf „Skydancer“ so gesungen hat. Es ist also nicht exklusiv „Projector“ vorbehalten, auch wenn dies sicherlich das Album war, wo wir dem am meisten Spielraum eingeräumt haben.
Wo du es gerade erwähnt hast: Wie kam es zu der Idee, Nells Stimme auf „The Mundane and the Magic“ zu verwenden? War der Song von Anfang an mit weiblichen Vocals geplant?
Nein, eigentlich nicht. Aber während des Schreibens dachten wir immer wieder daran, wie denn der Refrain mit einer weiblichen Stimme klingen würde. Und letztlich trafen wir dann Nell, und haben sie ihre Magie versprühen lassen.
In meinem Review habe ich behauptet, dass ihr beim Songwriting stets wüsstet, was ihr tut. Ganz ehrlich, wie viel davon war Absicht und wie viel reiner Zufall?
Eigentlich muss man sagen, dass es bei uns so gut wie keine Zufälle gibt, du hattest also recht. Wir neigen dazu, jeden Song millionenfach umzuarrangieren. Jedes Riff wird sehr sorgfältig ausgewählt und hundertfach diskutiert, so dass das Song schreiben letztlich ein sehr aufwändiger Prozess ist. Improvisationen bekommen bei uns keine Chance, das mag jetzt vielleicht etwas langweilig klingen, aber so arbeiten wir nun mal. Es gibt so viele Schichten in der Musik und es passiert ständig so viel, dass man sich dort sehr gut konzentrieren muss.
Ich denke, man kann ohne Zweifel behaupten, dass ihr eine von Göteborgs bekanntesten Bands seid und sicherlich kaum Mühe haben dürftet, die Clubs zu füllen. Aber mal angenommen, es würden lediglich eine Handvoll Leute zu eurem Konzert erscheinen. Wie würdet ihr reagieren?
Das würde nicht sehr viel ausmachen. Wir machen Musik hauptsächlich für uns selbst und Erfolg war nie das wichtigste. Zwar ist es natürlich immer gut, auch viele Leute damit zu erreichen, aber wir hatten einige unserer besten Auftritte vor relativ kleinem Publikum. Allein das Gefühl und die Stimmung zählen, und nur weil dir tausende von Leuten zuschauen wird die Show nicht automatisch zum Erfolg. Ich denke, jede Band kann eine gute Show vor einem großen Publikum hinlegen, das sie vergöttert, aber nicht jeder kriegt es auf die Reihe, vor einer kleinen und müden Menge eine gute Leistung abzuliefern. Wann immer die Zuschauerzahlen kleiner als erwartet ausfielen, spielten wir oftmals irgendwie automatisch mit viel mehr Leidenschaft.
Im Sommer sieht man euch in Deutschland ja auf einigen Sommer-Festivals (Bang your Head & Summer Breeze). Wir es danach eine Headliner-Tour geben?
Das können wir noch nicht sagen. Es soll im Herbst eine Europa-Tour geben, aber bisher stehen da noch keine Details fest. Das nervt uns selbst ja auch ein wenig, da ja nicht mehr allzu viel Zeit bis dahin ist.
Gehst du eigentlich noch privat zu Konzerten und Festivals?
Nein, eigentlich nicht. Ich fand es nie besonders toll, auf Festivals zu gehen, und Konzerte langweilen mich meistens nach einer halben Stunden zu Tode, selbst wenn ich die Band mag. Musik ist manchmal etwas, was ich nur in Isolation genießen kann, da nervt es einfach nur, wenn viele Menschen um einen herum sind. Ich denke, dass mir die Dosis Live-Erfahrung reicht, die ich durch unsere eigenen monatelangen Touren bekomme.
Wie lange machen DARK TRANQUILLITY eigentlich noch Musik?
Gute Frage. Wir machen wohl so lange weiter, wie wir noch irgendetwas anbieten können. Ob das nun ein oder zehn weitere Jahre bedeutet, kann man unmöglich sagen. Aber die Dinge werden mit jedem Album besser.
Danke für deine Zeit und das Interview!
Großartig! Ich bin froh, dass dir die Scheibe gefällt.
Für den Anfang würde ich gern wissen, was der Titel “Fiction” und das verregnete CD-Cover bedeuten?
Ich wollte schon seit vielen Jahren ein eher minimalistischeres Cover für DARK TRANQUILLITY machen, aber erst dieses Mal hatte ich das Gefühl, dass es so richtig zur Musik und den Texten passen würde. Das Cover soll das Thema „Realität kontra Fiktion“ umsetzen. Im Grunde basiert es auf einem Foto aus dem Fenster eines Tourbusses, der irgendwo in den Staaten herumfährt. Wenn du genau hinschaust, dann siehst du (vielleicht), dass es so verändert wurde, dass das ganze Bild irgendwie unrealistisch wirkt. In anderen Worten: Es ist eine Reflektion unserer eigenen Realität, die aber stets einige fiktionale Elemente beinhaltet.
In dem Interview zu “Charakter” vor zwei Jahren hast du behauptet, dass das nächste Album definitiv etwas ganz anderes werden wird. Was hat eure Meinung geändert?
Du solltest bedenken, dass wir sechs Leute mit SEHR unterschiedlichen Meinungen sind, bezüglich Musik im Allgemeinen und wie die Band letztlich klingen soll. Jedes Mal, wenn ich mich über unsere zukünftige Entwicklung in Interviews äußere, betone ich, dass dies lediglich meine eigene Meinung ist und die anderen nicht zwangsläufig damit übereinstimmen müssen. Nur weil ich unseren Sound in einer bestimmten Art und Weise haben will, heißt das noch lange nicht, dass dies auch passieren wird. Im Gegenteil, ich habe höchstens 5-10% der Musik auf den letzten 4-5 Alben geschrieben, ich bin also weit entfernt von einem Hauptsongwriter. So oder so sind wir nicht unbedingt eine Band, die solche Sachen kontrollieren kann. Es ist schon so oft vorgekommen, dass der endgültige Sound eines Albums am Ende komplett anders wurde, als wir am Anfang dachten.
Wir bestellen die im Internet! Das ist billiger, schneller und besser!
Die Keyboard- bzw. Pianoelemente haben auf “Fiction” noch weiter zugenommen. Haben die Gitarrenriffs immer noch die erste Priorität beim Songwriting oder haben die Keyboardmelodien mittlerweile die Oberhand gewonnen?
Beides, denke ich mal. Die eine Musik wird als Gitarrenriff geschrieben und Martin fügt anschließend das Keyboard hinzu. Manchmal fängt es aber auch mit einer Keyboard- oder Pianolinie an. Anders schreibt sogar sehr viele seiner Schlagzeug-Parts auf Keyboards.
"Inside The Particle Storm" erscheint mir wie die musikalische Version eines Tornados. Anfang und Ende sind schnell und heftig, während die Mitte eher ruhig ausfällt. Ganz wie im sprichwörtlichen „Auge des Sturms“. Ist dies nur ein einfacher Song über die Natur oder gehe ich zu weit, wenn ich darin eine Art Kommentar zu unserer momentanen ökologischen Situation und dem allgemeinen Warten auf den großen, alles zerstörenden Sturm hinein interpretiere?
Nein, das hast du schon ganz richtig erkannt. Darin findet sich definitiv ein wenig apokalyptisches Denken wieder. Ob sich das nun auf den Klimawechsel oder nur auf das generelle menschliche Verhalten bezieht, ist eine andere Geschichte. Es geht darin nicht nur um die Natur, vielmehr geht es auch um den Moment, wenn die Menschheit vom Antlitz des Planeten gefegt wird. Eigentlich sind die Lyrics dazu sogar die ersten, die ich seit zehn Jahren selbst geschrieben habe, weshalb ich mich natürlich umso mehr darüber freue, dass wir sie letztlich auf dem Album unterbringen konnten.
Unser Lyrics drehen sich meistens um uns selbst. Wir haben keine spezielle Botschaft an die Welt. Es geht lediglich um Emotionen und Zustände, womit sich hoffentlich der eine oder andere identifizieren kann. Ich habe nichts gegen Künstler, die ihre Ideen und Meinungen über ihre Musik weitergeben, aber das ist nicht wirklich unser Ding.
Mit “Misery’s Crown” kehrt Mikaels klare Stimme zurück. War das eine Art Rückbesinnung an „Projector“-Zeiten? Werden wir gar mehr davon in Zukunft hören und was war übrigens der Grund dafür, dass dieser Gesang nur auf einem Album präsent war?
Wir haben immer gesagt, dass wir Mikaels cleane Vocals nur zurück bringen würden, wenn die Musik das wirklich verlangen würde. Und auf dem aktuellen Album hatten wir „Misery’s Crown“ und „The Mundane and the Magic“, auf die das halt genau zutraf. Ich habe keine Ahnung, ob es davon noch mehr geben wird, das hängt ganz davon ab, wohin wir uns entwickeln werden. Außerdem möchte ich noch erwähnen, dass Mikael bereits auf „Skydancer“ so gesungen hat. Es ist also nicht exklusiv „Projector“ vorbehalten, auch wenn dies sicherlich das Album war, wo wir dem am meisten Spielraum eingeräumt haben.
Wo du es gerade erwähnt hast: Wie kam es zu der Idee, Nells Stimme auf „The Mundane and the Magic“ zu verwenden? War der Song von Anfang an mit weiblichen Vocals geplant?
Nein, eigentlich nicht. Aber während des Schreibens dachten wir immer wieder daran, wie denn der Refrain mit einer weiblichen Stimme klingen würde. Und letztlich trafen wir dann Nell, und haben sie ihre Magie versprühen lassen.
Eigentlich muss man sagen, dass es bei uns so gut wie keine Zufälle gibt, du hattest also recht. Wir neigen dazu, jeden Song millionenfach umzuarrangieren. Jedes Riff wird sehr sorgfältig ausgewählt und hundertfach diskutiert, so dass das Song schreiben letztlich ein sehr aufwändiger Prozess ist. Improvisationen bekommen bei uns keine Chance, das mag jetzt vielleicht etwas langweilig klingen, aber so arbeiten wir nun mal. Es gibt so viele Schichten in der Musik und es passiert ständig so viel, dass man sich dort sehr gut konzentrieren muss.
Ich denke, man kann ohne Zweifel behaupten, dass ihr eine von Göteborgs bekanntesten Bands seid und sicherlich kaum Mühe haben dürftet, die Clubs zu füllen. Aber mal angenommen, es würden lediglich eine Handvoll Leute zu eurem Konzert erscheinen. Wie würdet ihr reagieren?
Das würde nicht sehr viel ausmachen. Wir machen Musik hauptsächlich für uns selbst und Erfolg war nie das wichtigste. Zwar ist es natürlich immer gut, auch viele Leute damit zu erreichen, aber wir hatten einige unserer besten Auftritte vor relativ kleinem Publikum. Allein das Gefühl und die Stimmung zählen, und nur weil dir tausende von Leuten zuschauen wird die Show nicht automatisch zum Erfolg. Ich denke, jede Band kann eine gute Show vor einem großen Publikum hinlegen, das sie vergöttert, aber nicht jeder kriegt es auf die Reihe, vor einer kleinen und müden Menge eine gute Leistung abzuliefern. Wann immer die Zuschauerzahlen kleiner als erwartet ausfielen, spielten wir oftmals irgendwie automatisch mit viel mehr Leidenschaft.
Im Sommer sieht man euch in Deutschland ja auf einigen Sommer-Festivals (Bang your Head & Summer Breeze). Wir es danach eine Headliner-Tour geben?
Das können wir noch nicht sagen. Es soll im Herbst eine Europa-Tour geben, aber bisher stehen da noch keine Details fest. Das nervt uns selbst ja auch ein wenig, da ja nicht mehr allzu viel Zeit bis dahin ist.
Gehst du eigentlich noch privat zu Konzerten und Festivals?
Nein, eigentlich nicht. Ich fand es nie besonders toll, auf Festivals zu gehen, und Konzerte langweilen mich meistens nach einer halben Stunden zu Tode, selbst wenn ich die Band mag. Musik ist manchmal etwas, was ich nur in Isolation genießen kann, da nervt es einfach nur, wenn viele Menschen um einen herum sind. Ich denke, dass mir die Dosis Live-Erfahrung reicht, die ich durch unsere eigenen monatelangen Touren bekomme.
Wie lange machen DARK TRANQUILLITY eigentlich noch Musik?
Gute Frage. Wir machen wohl so lange weiter, wie wir noch irgendetwas anbieten können. Ob das nun ein oder zehn weitere Jahre bedeutet, kann man unmöglich sagen. Aber die Dinge werden mit jedem Album besser.
Danke für deine Zeit und das Interview!